Ode an den Kopper

Es gibt Artikel, bei denen man gerne wüsste, wie sie entstanden sind. Mit welchen Hintergedanken, mit welchen Strippenziehereien. So wie heute ein Portrait von Hilmar Kopper in der „Financial Times Deutschland“. Lehnen wir uns zurück und genießen:
„Als Hilmar Kopper den Stier sah, wie er scharrte und schnaufte, da durchwehte ihn Angst. Aber Kopper blieb stehen in der kleinen Arena. Ein Mädchen schaut zu, mit schwarzen Locken, prallem Lachen, dazu kühn und klug: Mexikos erste Jurastudentin. Und der Stier rannte los, der Boden erzitterte, und die Hörner wuchsen. In letzter Sekunde sprang Kopper auf die Bande. Unter ihm donnerte es vorbei. Und die Mexikanerin gab ihm einen Kuss…“

So beginnt es. Und es steigert sich in besondere Nähe:

„Kopper, wie ihn selten jemand sieht: sanfte Stimme, weiche Hände, Altersflecken in den Ohrmuscheln und seltsam weibliche Wimpern, dicht und schwarz wie getuscht.“

Das ist mein Lieblingssatz aus der dreiseitigen Ode an Hilmar Kopper, die es heute in der „Financial Times Deutschland“ zu lesen gibt (Online ist sie nur gegen Bezahlung zu haben). Das Stück ist stilistisch von monumentaler Wuschigkeit. „Greifen Sie in die Harfe“, forderte mein journalistischer Lehr-Herr Ferdinand Simoneit immer – FTD-Autor Lorenz Wagner hat gleich ein Harfenorchester in Fischer-Chor-Volumität ausgepackt. Schwindelig wird dem Leser, folgt er Wagner die Serpentinen hinauf an dem monolithischen 8000er, den er für Kopper aufschichtet. Ein Denkmal auf Lachspapier.

Es gibt Situationen, in denen Artikel geschrieben werden, die der Autor so normalerweise lieber nicht verfassen würde. Zum Beispiel als Wiedergutmachung, weil eine Story so richtig mit tonnenweise Fehlern beschwert abgeschmiert ist. Dann meint manche Redaktion, um eine Gegendarstellung zu vermeiden, ein neutraler Artikel wäre besser als eine Richtigstellung. Eine wenig schöne Praxis, die zu oft gepflegt wird. Oder aber man schreibt einen sehr positiven Artikel, um die darin geschilderten in eine Schuld-Situation zu bringen: „Hallo, Sie erinnern sich, ich bin der mit dem Artikel vor einiger Zeit. Nun recherchiere ich an einem Thema, bei dem Sie mir helfen können…“

Ob das im Fall des Kopper-Portraits auch so ist, verneine ich jetzt einfach mal mit dem Glauben an die Kollegen in Hamburg. Die bemerkenswerte Kritiklosigkeit konterkariert aber den Stil so sehr, dass es mich als Schreiber schmerzt. Kein einziger der vielen Kopper-Kritiker darf etwas sagen.

Das höchste Maß des Zweifels am Titanen kommt zwischen den Zeilen auf: Als die Fusion von Daimler und Chrysler feststeht, holt Kopper einen 75er Chateau Lafitte aus dem Keller „er atmet eine Weile auf der Anrichte“. Sollte es sich dabei um den Wein gehandelt haben: Ein so alter Tropfen muss nicht atmen, dekantieren könnte ihn sogar kippen lassen.

Doch schließlich geht es ja nicht um die Entblößung eines Weintrinkers sondern um den Peanuts-Verewiger. Und der darf sich austoben wie Ronaldinho ohne Gegenspieler.

Nur die Frau, die kriegt er nicht, will er auch nicht, die Bank geht vor:

„Die Mexikanerin in Tasco, vor 40 Jahren. Sie lebte mit ihrem Vater in einer Finca aus dem 18. Jahrhundert, ein Pool, eingemauert in Ruinen, von Blumen umrankt. Ihr Vater beutete zwei Silberminen aus, schmiedete Armbänder, Ohrringe, Indianerketten. „Willst Du meine Geschäfte führen?“, fragte er den jungen Mann. „Meine Tochter mag Dich sehr.“ Aber die Bank, sagte Hilmar Kopper. Und ging.“