Skip to main content

Der Chef lenkt seinen 6er BMW auf das fast leere 7. Parkdeck der Tiefgarage. Kein anderes Auto in Sicht. Langsam öffnet er die Fahrertür, steigt zögernd aus. Die kahlen Betonwände werfen das Schaben der Ledersohlen seiner Bruno-Magli-Schuhe zurück.
„Hallo?“, fragt er mit leicht unsicherer Stimme in das Halbdunkel. Nichts. Dann, pünktlich als die Zeiger seiner Jaeger-Le Coultre auf drei Uhr an diesem Morgen springen, hört er quietschende Reifen, die sich Etage um Etage nach unten arbeiten, bis schließlich drei schwarze Vans und eine ebenfalls schwarze S-Klasse, neueste Version, die Rampe herunterrasen. Die Vans fahren einen Kreis um den Wagen des Chefs, die Limousine kommt in der Mitte zum stehen. Dann öffnen sich die Schiebetüren der Kleinlaster und aus jedem springen fünf Männer in schwarzen Overalls mit Skimasken über den Köpfen und Maschinenpistolen (Oder waren das Maschinengewehre? Das hatte der Chef trotz des intensiven Studiums aller Rambo-Folgen nie auseinanderhalten können.) im Anschlag.

Die hintere Tür der Limousine wird von deren Chauffeur – keine Skimaske sondern eine klassische dunkle Uniform und weiße Handschuhe – geöffnet. Aus dem Fonds vernimmt er eine leise, honigsüß lockende Stimme, wie einst Catweazle, nur mit Schweizer Akzent: „Chommen Sie, Chommen Sie. Nur zu.“

Der Chef spürt, wie das Baldessarini-Deo langsam versagt und sich der Schweiß durch sein weißes Van-Laak-Exklusiv-Hemd arbeitet. Sein Herz pumpt einen hektischeren Rhythmus. Erst wie verkrampft, dann mit einem Ruck, setzt er sich auf die Hinterbank der S-Klasse. Dort erwartet ihn ein beleibter Herr mit wenig Haaren. Im Skiurlaub hatte er ihn getroffen, in St. Moritz. War ins Gespräch gekommen. Über Deutschland an sich, die Wirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit, die schlechte Stimmung und dass Merkel es auch nicht hinbekommen würde. Eine Woche später hatte der Mann ihn zurückgerufen. „Wirr müüssen uns chtreffen“, hatte er gesagt.

Nun also sitzt er also neben Sepp Blatter, dem mächtigen Chef des Weltfußballverbands Fifa.

Und der erzählt von seiner Strategie. Das es nicht einfach um ein WM-Turnier ginge, in diesem Jahr. Sondern um mehr. Um die Macht. Die Übernahme der Regierung. Einen Putsch.

„Wir tasten uns ganz langsam heran“, sagt Blatter: „Die Menschen werden sich immer mehr daran gewöhnen, dass wir bestimmen. Natürlich begründen wir das alles mit der WM. Erst ganz kleine Sachen, dann größere. Und schließlich werden die Deutschen es ganz normal finden, wenn wir ihnen erzählen, dass die große Koalition abgelöst wird. Sie werden es sogar fordern.“

Der Chef schluckt. „Und… Und… Was kann ich dabei tun?“

„Sie sind ein heller Kopf. Und sie sind Kommunikator. Wir brauchen ihre Leute als unsere Fußtruppen. Noch darf niemand etwas von unseren Plänen wissen. Natürlich wird es ihr Schaden nicht sein. Sind sie auf unserer Seite?“

Ein angstvoller Blick des Chefs wischt durch die getönten Scheiben der Limousine auf die MG-bewehrten Leute des Fifa-Chefs. Was blieb ihm anderes übrig?

„Eine weise Entscheidung“, lobt Blatter und hebt seine abgeknickte rechte Hand auf Brusthöhe des Chefs. Der stiert auf den dicken goldenen Ring mit dem Fußball aus Brillanten. Blatter zuckt mit der Hand, der Chef begreift: Er senkt den Kopf und küsst den Ring.

Kurze Zeit später reist die gesamte Mannschaft der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt in die Schweiz. Zum Training. In einem streng abgeschirmten Fifa-Camp lernen sie alles, was sie für ihre neue Arbeit brauchen: Sicherheitssysteme ausschalten; Einzelkampf; Entführung; die Anwendung von Gift; das Verfassen von Drohbriefen. Es stellt sich heraus, das Senior Consultant Alexandra eine geschickte Genickbrecherin ist und Praktikantin Julia eine begabte Messerwerferin, Sabine brilliert in spurenloser Folter.

Zurück in der Stadt, an deren Rand die kleine PR-Agentur liegt gilt es für den Chef einmal täglich, immer Punkt 14 Uhr, hinaufzugehen auf das Flachdach des Mental Tower. Dort wartet er mit einer Lederdecke über dem rechten Arm auf das Herannahen eines stolzen Falken. An dessen Fuß hängt ein kleines Paket, das einen USB-Speicherstick enthält. Auf dem sind die neuen Anweisungen Blatters, nach einmaligem Betrachten zerstört sich der Stick selbst.

Doch wie gut sie sich machen, die Mitarbeiter seiner kleinen PR-Agentur. Junior Consultant Tanja-Anja zum Beispiel (war die nicht eigentlich noch krank geschrieben?) überrascht die Frau des Chefs der Berliner Tourismus Marketing. Die Entführung ist ein Kinderspiel, schnell willigt er ein, den Stand auf der Tourismus-Messe ITB zu ändern. Aus den 32 Fahnen werden 35 – und das wird offen kommuniziert. Wahrheitsgemäß kann der Geschäftsführer Fifa Marketing sagen: „Wir haben weder mit einer Klage gedroht noch damit, den Stand zu schließen. Das entspricht nicht unserem Vokabular mit der WM-Stadt Berlin.“ Doch das Signal ist klar: Der lange Arm der Fifa siegt immer.

Weiter geht es bei Mercedes. Denn Fifa-Partner Hyundai hat keine Busse, die für den Transport der Mannschaften geeignet wären. Senior Consultant Sabine aber gelingt es Daimler-Chef nach einem seiner beliebten Ich-und-hübsche-Mädels-Bilder in die Abstellkammer der Detroiter Motor Show zu locken.

Schnell ist er betäubt und Senior Consultant Lars übernimmt seine Rolle: Haare abrasieren, ein künstlicher Schnäuzer – mehr braucht es nicht. Und Lars erlaubt es dann, dass Hyundai-Aufkleber auf den Stern gepappt werden – die Fifa siegt auch gegen Mercedes.

Kurz darauf gelingt der Coup mit Duden: Nachdem Polia dem Geschäftsführer, wie schon damals einem Journalisten beim Robbie-Konzert, eine willensbrechende Chemikalie in den Drink gerührt hat, erklären die Hüter des deutschen Sprachschatzes ganz offiziell, dass Fußball nun Fussball geschrieben werden. Außerdem wird das tm als offizieller Teil in den Sprachschatz eingeführt.

Immer häufiger gelingt es der Fifa grundlegende Regelungen umzuwerfen, sogar die EU ändert ihre Gesetzgebung scheinbar einfach so – nach einem Interview Sepp Blatters mit der „Bild“.
„BILD: Steht dem nicht das EU-Gesetz mit dem Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes entgegen?

Blatter: ?Ich kenne diese Argumentation, aber ich teile sie nicht. Europa sagt, der Fußballer ist ein Arbeiter. Und ein Arbeiter kann überall hingehen, wo er will. Das stimmt schon mal nicht. Ein Schreiner oder ein Maler können irgendwo hingehen. Aber ein Fußballer kann nur seinen Beruf ausüben, wenn er zehn andere bei sich hat. Sonst kann er sein Geld nicht verdienen. Das ist ein Thema, das in der Politik jetzt behandelt wird.?“

OK, die Sache mit der Colorline-Arena geht schief. Wegen Lars. „Die Fifa hätte die Color-Line-Arena am liebsten weggesprengt“, ließ ein Vertreter der Stadt Hamburg durchblicken. Mist, wäre die Sache fast rausgekommen. Lars hatte statt der Colorline-Arena eine der Colorline-Fähren in die Luft gejagt.

Gut, bisschen Schwund ist immer, Kollateralschäden nennt das der Putscherfahrene.

Doch ansonsten scheint Deutschland, ja die ganze Welt einzustimmen in den Jubel um die Fifa, jene gutmeinende Institution, die allen den Fußball und damit den Frieden und den Wohlstand bringt. In der kleinen PR-Agentur sind schwarze Overalls längst Dienstkleidung, die Falken kommen im Stundentakt, als die ersten Spiele der WM laufen. Und alles arbeitet hin auf das große Finale, den Moment der Machtübernahme.

Am Ende des Spiels soll auf der Anzeigetafel des Berliner Olympiastadions eine Karikatur erscheinen. Und sich lustig machen über Sepp Blatter und die Fifa. Die Zeichnung wird ein Falke bringen, der wenige Stunden vor dem Finale erst in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt erwartet wird.

Nervös steht der Chef auf dem Dach und hält mit dem Fernglas Wacht. Endlich! Ein brauner Punkt naht heran. Doch, warum schwankt er so? Immer wieder scheint der gefiederte Botschafter in ein Loch zu fallen und sich dann wieder zu erholen, nur um wieder ein paar Meter zu stürzen. Schließlich setzt er doch zum Landeanflug an, erreicht sichtlich zitternd das Geländer auf dem Dach des Mental Towers – und fällt dann leblos auf die Straße, wo er zermalmt wird von einer mit brasilianischen Fahnen bestückten Wagenkolonne, die den abzusehenden Sieg ihrer Mannschaft am Abend schon mal feiert.

„Scheiß Vogelgrippe“ ruft der Chef.

Und sein eigener Schrei holt ihn aus dem tiefen Albtraum.

(Gefunden beim Werbeblogger)

Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:

Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Verzweiflungstat
Frisches Blut
Niederschlag
Weibliche Waffen
Imagewandel
Vroni
Lingua franca
Angie
Dumm gelaufen
Neue Republik
PC-Maus
Gedanken eines Chefs
Rooobiiiiiieee
Daviiiiiiiid
Geliebte „Bunte“
Sich einfach zulassen
Ein fröhlich‘ Lied
Backenfutter
Kaiserslautern
Have yourself a merry little christmas
DFB
Ein Prosit der Gemütlichkeit
Kollerkommunikation
Die Zahl des Monats
Job-TV 24
Valentinstag


Keine Kommentare vorhanden


Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*