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Es hätte so ein richtig hauptstädtisch-metropolitanes Projekt werden können, das „Goya“ in Berlin. Entstanden ist der Beweis, dass persönliche Begeisterung nicht immer wirtschaftlichen Erfolg bringt. Es gibt diese Tage, an denen jeder von seinem Job die Schnauze voll hat, um es offen zu schreiben. Der eine würde dann gerne auswandern, der andere im Lotto gewinnen und ich fasele irgendwas von „Restaurant eröffnen“. So was wie „Wagamama „in London, zum Beispiel.

Anscheinend bin ich nicht der einzige, den dieser Gedanke reizt. Das eigene Lokal, man selbst als Pate, der prominenten Gästen die Hand schüttelt und ihnen das besondere Tröpfchen empfiehlt. Alles scheint so leicht zu sein: Man braucht doch nur eine gute Idee und gutes Personal (OK, gutes Personal ist heute soooooo schwer zu bekommen).

Die Sache mit der guten Idee aber ist schon der Haken. Was einem selbst gefällt, gefällt auch den Freunden. Und wenn es den Freunden gefällt, dann doch auch genügend anderen Leuten, lautet meist die Kalkulation.

Aus einer Mixtur von all dem entstand das „Goya“ in Berlin. Eine Großraum-Disko finanziert per Aktienmodell, jeder der ein paar tausend Euro reinsteckt, darf sich als Pate fühlen und hat das Recht eine Begleitung mitzubringen. Der Anmachspruch: „Du, ich bin Teilhaber hier“ reizte anscheinend viele.

Im August 2004 traf ich den Macher Peter Glückstein. Sympathischer Typ mit buntem Lebenslauf und erfolgreicher Bar – es gibt schlechtere Grundlagen. Ich erlebte, wie der Briefträger sich in jenen Tagen abschleppte Richtung „Goya“-Büro. Die Zeichunungsanträge für die Disko-Aktien flossen reichlich.

Nur das Aktionärsbuch mutete merkwürdig an: Neben Promis standen da Schüler, Sekretärinnen, Elektromeister und Zahnarzthelferinnen. All sie würden kostenlos ins „Goya“ dürfen und das immer auf die Vip-Etage – was eigentlich eine sichere Garantie ist, echte Vips zu vertreiben.

Doch wer einen so großen Laden am Leben halten will, braucht nun mal die Masse. Die Masse ist meist wenig schön (optisch) und orientiert sich (was sonst?) am Massengeschmack – das „Goya“ aber sollte „hitfreie Zone“ werden. Schon die „Tagesthemen“-Bilder von der Eröffnung ließen schlimmste Erwartungen wahr werden: Interviewt wurden Menschen, deren Anwesenheit das Gegenteil eines glamourösen Abends verspricht. Es war ein Publikum, das jeder Land-Disko den Kopf gekostet hätte, weil all die schönen und coolen nicht auf den gleichen Beat tanzen, nicht an der gleichen Bar stehen wollen, wie jene, die sich für den besonderen Anlass das Sakko-zur-Jeans rausgekramt hatten, das sie letztmals trugen, als auf dem Plattenteller Musik von Bands lief, die heute mit dem Zusatz „Revival“ oder „Reunion“ versehen werden.

Nun hat das „Goya“ Insolvenz angemeldet. Glückstein ist inzwischen entmachtet, das „Goya“ kurz vor der Pleite und schon gibt es die ersten Gratis-Eintritt-Nächte. Bemerkenswert bleibt aber vor allem die Frage: Was ist mit all dem Geld passiert?

9 Millionen Euro sollte die Renovierung des Ex-Theater-Foyers, in dem das „Goya“ tanzt, kosten. Damals bei der Recherche sagte mir ein Gastronomieberater schon, dass diese Summe ziemlich hoch gegriffen sei. „Aber in der Gastronomie können sie jede Rechnung bekommen, wenn sie mit netten Handwerkern zusammenarbeiten“, erklärte er. Sprich: Solche Kosten werden schon aus steuerlichen Gründen gerne hoch gehangen. Doch das Goya saugte immer mehr Geld an, nun ist die Rede von einer chaotischen Buchführung.

Peter Glückstein hat derweil nicht begriffen, was da gerade passiert:„Es geht vor allem darum, daß die Gläubiger maximal wenig verlieren. Die Aktionäre müssen ihre Clubrechte behalten und sollen eine Dividende erwarten können.“
Und:
„Uns ist einfach das Geld ausgegangen. Das lag an den hohen Kosten für den Bau und an der Sprengung des zeitlichen Rahmens. Dieser Prozeß war so nicht aufzuhalten.“

Mit solchen Äußerungen beginnen oft genug Wirtschaftsprozesse. Und an deren Ende stellt sich heraus: Einer hat verdient, viele haben ihr Geld verloren. Als nächstes, darauf wette ich, werden wir von einer Initiative der Aktionäre lesen, die eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft fordert.

Vielleicht hätte man den Laden schon nicht „Goya“ nennen sollen. Der steht schließlich nicht gerade für farbenprächtige Party-Bilder. Sondern für Werke wie dieses hier, das man ins Foyer des „Goya“ hätte hängen sollen. Es heißt „Der Schlaf der Vernunft“:


Kommentare


Rolf 6. März 2006 um 16:44

um die Geschichte richtig nett und rund zu machen ist auch gleich Baupleite, merkwürdiges Controlling („uns ist einfach das Geld ausgegangen“) und Zielgruppenmischmasch kombiniert worden.
Gibt sicher noch amüsante Fortsetzungen, mit und ohne Staatsanwalt.

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