Skip to main content

RTL und Pro 7 wollen sich nun auch verschlüsseln. Und demonstrieren damit die stark limitierte Lernfähigkeit deutscher Medienmanager. Wie dumm ist ein Fehler, damit ihn deutsche Medien-Führungskräfte nicht zweimal machen? Nach zehn Jahren in diesem Geschäft kann ich sagen: keiner.

So überrascht mich auch folgende Meldung der „Frankfurter Allgemeinen“ nicht:

„Millionen deutscher Fernsehzuschauer können Programme wie RTL, Sat.1 und Pro Sieben möglicherweise bald nur noch gegen eine Gebühr empfangen. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus Verhandlungskreisen verhandeln die beiden führenden deutschen Privatfernsehgruppen RTL und Pro Sieben Sat.1 seit mehreren Monaten mit dem Satellitenbetreiber SES Astra über eine Verschlüsselung ihrer Programme im digitalen Satellitenfernsehen.
Werden die Pläne umgesetzt, benötigen Fernsehhaushalte zur Entschlüsselung der Programme an ihrem Satellitenempfangsgerät (Receiver) ein Zusatzmodul (Conditional Access), das sie freischaltet. Im Gespräch ist dafür eine monatliche Gebühr, die bei etwa 3 Euro liegen soll. RTL und Pro Sieben Sat.1 kontrollieren zusammen fast das gesamte deutsche Privatfernsehangebot. SES Astra beherrscht den europäischen Markt für Satellitenübertragungen.“

Wenn es mit der Werbung nicht mehr funzt, dann schließen wir eben den Zugang und verlangen Geld für die Inhalte…
Haben Sie auch gerade ein Déjà vu? Ich sag mal: Paid Content. Na? Klingelt’s?

Genau das versuchten die Verlage in jenen wilden Tagen der neuen Wirtschaft: Weil sich die Online-Auftritte über Werbung nicht rechneten, machten sie diese einfach dicht, verordneten Passworte und verlangten Geld. Das traurige Ergebnis ist bekannt.

Nun befinden sich TV-Sender zugegebenermaßen in einer anderen Situation. Was die Werbeeinnahmen betrifft, kommen sie von oben, nicht von unten. Trotzdem ist absehbar, dass das klassische Modell (Sendung – Unterbrechung – Leute bleiben dran und gucken Persil – Sendung geht weiter) auf Dauer nicht mehr funktionieren wird. Sobald Festplattenrekorder keinen Ingenieursabschluss zur Bedienung mehr erfordern, werden viele Zuschauer einfach die Reklame überspringen.

Doch das Dichtmachen der Programme hat einen bösen Nachteil: Der Werbekunde an sich tackert den Preis, den er bereit ist zu zahlen, fest an der möglichen Zuschauerzahl. Und die wird logischerweise sinken, würden sich RTL und Pro Sieben verschlüsseln. Dass aber die Abo-Gebühren diesen Werbepreisverfall auffangen darf als höchst unrealistisch gelten.

Denn: Wie viele Satelliten-Gucker werden überhaupt zahlen wollen für das, was sie dort bekommen? So mancher wird sich erstmal umschauen, ob das digitale terrestrische TV nicht eine Alternative ist. Andere stellen sich die berechtigte Frage, ob die gelieferten Produkte aus den Häusern RTL und Pro Sieben den monetären Einsatz rechtfertigen.
Bleiben nur noch die Auswanderer und Sprachstudenten. Und dass diese kleine Gruppe keinen Sender-Businessplan trägt mussten ja schon die Macher von German TV (hieß es, glaube ich) feststellen.

Und so laufen sie wieder in die gleiche Falle wie einst im Internet, die deutschen Medienlenker: crashendes Image, sinkende Werbepreise und fallende Kundenzahlen. Vielleicht sollte man zusammenwerfen und ihnen etwas zu lesen kaufen…

Nachtrag: Die Meldung wurde im Laufe des Tages dementiert.

„Deutschlands größter TV-Konzern Pro Sieben Sat 1 hat Erwägungen, den digitalen Satellitenempfang seiner Programme mit einer Gebühr zu belegen, nach eigenem Bekunden zu den Akten gelegt. Bei der konkurrierenden Senderkette RTL heißt es: Free TV bleibt Free TV – zumindest in Deutschland.“


Kommentare


stefanolix 30. November 2005 um 10:04

Vielleicht werden einige Zuschauer sogar darüber nachdenken, ob sie überhaupt noch einen Fernseher brauchen und sich dann auch gleich bei der GEZ abmelden. Es tut weniger weh, als man denkt …

Antworten

Ralf 30. November 2005 um 10:38

Seh ich genauso, ich lebe jetzt drei Jahre ohne Fernseher und schaue nur ab und mal im Hotel. Ok ich bin viel unterwegs, trotzdem vermisse ich das nicht wirklich und Dirty Harry kann man sich auch, aufgezeichnet von den Freunden als live stream anschauen 🙂

Antworten

Telagon Sichelputzer 30. November 2005 um 12:29

Neulich saÃ?en wir noch unter Studierenden zusammen und scherzten über das Pay TV Programm, welches ja im Prinzip kein Zusatznutzen für den ehrlichen Fernsehzuschauer sei, der seine Sendungen entweder auf DVD (legal oder illegal) oder aus dem frei v…

Antworten

fellow passenger 30. November 2005 um 13:26

Die Werbeunterbrechung wird wohl langsam obsolet. Auch ohne Festplattenrekorder ist es offenbar so, daß die Zuschauer flugs auf die Toilette oder zum Kühlschrank gehen sobald der Werbeblock anfängt. Sitzen mehrere Leute vor dem Fernsehgerät, fangen sie sogar an sich zu, igitt, unterhalten.

Daß es sich von Bezahlfernsehen nicht gut leben läßt, auch wenn man wesentlich mehr als 3 Euro pro Monat verlangt, hat Herr Kirch ja schon herausgefunden. Wenn ein Fernsehprogramm von einer Qualität ist, die bereits die Werbekunden zu massiver Kritik veranlaßt, scheint nicht plausibel, daß man zahlende Kunden dafür begeistern kann.

Konsequenterweise wird es nötig werden, Programm und Werbung untrennbar miteinander zu verschmelzen. Sei es, daß im laufenden Programm Werbebotschaften eingeblendet werden, oder daß die Werbung selbst zum Inhalt wird. Stundenlange Werbesendungen mit Quiz-Charakter gab es ja schon.

Immerhin für die öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten ist gesorgt. Wer frustriert seinen Fernseher abschafft und lieber Internet guckt, muß ja voraussichtlich ab 2007 trotzdem die volle Gebühr bezahlen.

Antworten

Erik Hauth 30. November 2005 um 14:24

Es ist ja immer gut, wenn man das, was man macht auch selbst gut findet. Ich gebe Dir aber Recht: Das Programm von Pro7 und Co. ist nicht so gut, als dass es sich lohnen würde dafür eine Gebühr zu zahlen. Außerdem stellt sich dann gleich noch die Frage nach der Werbefreiheit (siehe Premiere).

Der Vergleich mit dem Internet hinkt aber ein wenig. Hier ist die mangelnde Abschottungsmöglichkeit des Zugangs zu INhalten der Killer des Modells gewesen. Das ist, zumindest noch, beim Fernsehen anders. Wenn sie wollten und sich einig wären, könnten Sender alle eine Gebühr verlangen. Die Öffentlich-Rechtlichen tun das ja bekanntlich schon ;)E.

Antworten

Alex 30. November 2005 um 14:45

Ich bin auch seit mehreren Jahren TV-los. Und habe den Eindruck, damit immer weniger alleine zu stehen. Bei einem Gespräch stellte sich kürzlich heraus, dass auch knapp die Hälfte meiner Insitutskollegen keinen Fernseher (mehr?) hat.
Sonderfall oder Trend?

Antworten

netzausfall 30. November 2005 um 17:39

Handy, DSL, Fernsehen – wer technisch auf der Höhe der Zeit ist, nutzt alle drei. Doch wer sich in meinem Alter befindet (die werberelevante Zielgruppe!) ist nur mit dem Fernsehen aufgewachsen. Und von der Einführung der Privatsender abgesehen hat sic…

Antworten

Werbeblogger 5. Dezember 2005 um 17:04

Marc von Being Reasonable hat jetzt Teil 2 seines Interviews mit Douglas Rushkoff (wir berichteten) eingestellt.

Zum Einstieg geht es unter anderem um Veränderungen in der Medienlandschaft, die die eingeübten Reflexe der Mediplaner („da buchen wir …..

Antworten

Steven 24. Dezember 2005 um 23:18

Ich seh das mit der verschlüsselung auch eher leidenschaftslos. Derzeit wird das Programm ja wirklich immer schlechter und wenn die die Sateliten sperren, braucht man diese bald nicht mehr. Weil, wenn die Leute zu einem nicht bereit sind, dann dazu, für Privatfernsehen zu zahlen!!!

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*