Ich bin Mitte 30, seit zehn Jahren hauptamtlich in diesem Beruf – und habe doch eines noch immer nicht gelernt. Nimm NIE, NIE, NIE Medien-Fachblätter als Urlaubslektüre mit. Sie dämpfen den Erholungsfaktor beträchtlich.
Rein theoretisch könnte der Nicht-Journalist auf folgende Idee kommen: Wenn Journalisten für Journalisten schreiben, dann knien sie sich richtig rein. Machen ein optisch so avantgardistisches Blatt, wie es sich kein normaler Verleger trauen würde. Greifen stilistisch richtig in die Harfe, auf dass es schöner als schön werde und besser als gut. Dazu servieren sie exklusive Themen und tiefgründige Analysen. Rein theoretisch könnte man das also glauben.
Es wäre ein fataler Irrtum.
Medienfachblätter sind entweder dröge und der Zeit hinterher oder sie machen genau das falsch, was Journalisten so gerne an Kollegen, Verlegern und Geschäftsführern kritisieren. Bei meinem Urlaub in der vergangenen Woche konnte ich das in aller Ausführlichkeit unter die Lupe nehmen, hatte ich doch den „Wirtschaftsjournalist“, das „PR Magazin“ und den „Journalist“ ins Handgepäck geworfen.
Der „Wirtschaftsjournalist“ ist ein Ableger des „Medium Magazin“ und folgt dem modernen Layout, die Artikel sind immer ordentlich, aber äußerst selten glänzend geschrieben, Exklusives gibt es wenig. Nur durch eines zeichnen sich die Blätter aus: hohe Fehlerquote. Rechtschreibfehler, Informationsschludrigkeiten und vor allem vertauschte Portrait-Bilder ziehen sich seit Jahren durch die Produkte – und entwerten sie.
Der „Journalist“ dagegen ist eigentlich ein Gewerkschaftsblatt, nämlich das Organ des DJV. Immerhin ist es layouttechnisch schon in den 80ern gelandet, was Hoffnung macht, dass es bis zum meiner Pensionierung einigermaßen modern gestaltet sein könnte.
Immerhin ist der aktuelle Aufmacher das heiß diskutierte Stück über Schleichwerbung beim „Marienhof“. Doch so viel Recherche und Exklusives ist die Ausnahme beim monatlich erscheinenden „Journalist“. Der Großteil der Artikel ist gähnend langweilig und dröge geschrieben. Dazu kommen 08/15-Bilder und müde-grau unterlegte Nachrichtenseiten. Allein die Stellenanzeigen sind noch interessant.
Warum allerdings Pressestellen von Großunternehmen Kleinanzeigen schalten, in denen sie ihre Kontaktdaten veröffentlichen, ist mir ein absolutes Rätsel. Entweder sie halten Deutschlands Journalisten für so deppert, dass die nicht mal eine Telefonnummer recherchieren können – oder Deutschlands Journalisten SIND so deppert, dass sie nicht mal eine Telefonnummer recherchieren können.
Noch ärgerlicher: das „PR Magazin“. Nun waren im Kreis meiner Mit-Urlaubenden zwei PR’ler, keiner von ihnen liest das Blatt obwohl sie es bekommen. Es erscheint im gleichen Verlag wie der „Journalist“ – und ist ähnlich mitreißend gehalten.
Es demonstriert in seiner Gesamtheit das, was viele Öffentlichkeitsarbeiter gerne hätten: völlige Kritiklosigkeit gegenüber ihrer Arbeit. Alles ist so wunderschön in der Welt der PR, da muss man den Leser doch nicht mit Diskussionen behelligen, die ihm den Tag versauen könnten. Ein paar Überschriften aus dem Inhaltsverzeichnis: „LEWIS Communications: Ohne Allüren“ – „KfW Bankengruppe: Standfeste Rhetorik“ – „Dresdner Bank: „Alles wieder grün“.
„Ups“, dachte sich da wohl der Chefredakteur, „ganz so konfliktfrei darf es doch nicht sein. Also versucht er durch Fragezeichen so zu tun, als würde seine Redaktion scharf rangehen. Beispiele: „Automobilindustrie: Ausgeschlafen?“ oder „Brauereien: Dumme Fragen per Rauchzeichen?“ Doch natürlich werden die Berufskommunikatoren in den Texten schön sanft mit dem flauschigen Mikrofasertuch poliert – no Kritik please, we’re PR-Guys and Dolls.
Zum Beispiel wird da die Münchener Agentur Lewis gelobt, die mich seit Jahren mit IT-PR-Nachrichten bombardiert, die auch aus der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt stammen könnten. Aber wahrscheinlich bin ich einfach zu blöd, schließlich heißt es über eine Mitarbeiterin: „Gemeinsam mit einem Kollegen ist sie für das Qualitätsmanagement verantwortlich, durchleuchtet alle ausgehenden Pressemeldungen auf Stil und Richtigkeit.“
Besonders bemüht wirkt die Kuschelarie beim „PR Magazin-Test“. Dabei werden die Kommunikationsabteilungen von Größen einer Branche angerufen um zu sehen, wie schnell und wie gut sie reagieren. Egal wie langsam und schlecht sie sind, das „PR Magazin“ findet immer eine Entschuldigung für die armen Hascherl. Beispiel:
„Zitieren darf man Frau Petzold damit nicht, aber als Hintergrund verwenden, und das reicht letzten Endes völlig aus.“
Frau Petzold ist anscheinend die Sekretärin oder Assistentin von Interbrew-Sprecher Jörg Petzold (ihre genaue Position verschweigt uns das „PR Magazin“). Ihr Chef ist nicht erreichbar, was ja durchaus zu kritisieren wäre. Dass aber eine Hintergrundinformation (was in der Regel bedeutet, sie darf auch nicht niedergeschrieben werden) ausreichen soll, das ist schon eine mutige Behauptung.
Gerne ermutigt das Fachblatt für Berufskommunikatoren auch die Unternehmen, sich keine Berufskommunikatoren zu halten. Brauer, die keine PR-Leute haben, sind doch toll: „Angenehm unkompliziert, auch wenn hier keine Pressestelle vorhanden ist“, heißt es über Früh Kölsch. „Man muss keine eigene Pressestelle haben, wenn irgendwie geregelt ist, dass rasch Auskünfte gegeben werden“, über Oettinger.
Vielleicht stimmt das ja. Denn Berufskommunikatoren, die sich Wissensgewinn aus solchen Artikeln erhoffen – die braucht man wohl wirklich nicht.
Kommentare
stefanolix 30. Juni 2005 um 10:42
Ich werde mir also im nächsten Urlaub *keine* EDV-Fachzeitschriften kaufen. Mit einer Ausnahme: wenn in dieser Zeit mein erster Artikel erscheinen sollte 🙂
Helgoländer Vorbote 1. Juli 2005 um 0:58
… bei Medienmagazinen sagt noch nichts über den Inhalt…
Uwe Lang 5. Juli 2005 um 11:44
Hallo Herr Knüwer, wir lesen Ihren Blog natürlich regelmäßig. Tut mir leid, wenn Sie von uns mit IT-PR Nachrichten bombardiert werden. Laut unserer Datenbank sind Sie lediglich im Verteiler bei 3 von über 35 LEWIS-Kunden. Wir löschen Sie natürlich gerne auch aus diesen Verteilern, so wie wir das bei jeder Versendung von Informationen anbieten.