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Ein Weblog kann einen Basketball-Ersatzbankdrücker zum Star machen – und was PR-Leute daraus lernen können.

Sport ist mehr als Unterhaltung. Doch! Glauben Sie mir! Auch wenn Sie nicht begreifen können, wie jemand seine Samstag-/Sonntag-Nachmittage auf Betonbauten mit Blick auf ein Rasenviereck verbringen kann.

Zum Beispiel kann man lernen, was in Sachen Selbstvermarktung funktioniert – und was nicht. Nehmen wir einen Artikel aus dem „Wall Street Journal“ über Paul Shirley. Sagt Ihnen nichts? Mir vorher auch nicht, obwohl ich ein Freund des Basketballs bin.

Paul Shirley spielt bei den Phoenix Suns in der US-Profiliga NBA. Wenn er denn spielt. Und das ist nicht oft. Er ist 27, hat in der fast abgelaufenen Saison neun Spiele bestritten und dabei insgesamt 12 Punkte gemacht. Kurz: Shirley ist jemand, der im Notfall mal reinkommt, um den Stars eine Ruhepause zu gönnen, er ist nicht zweite Reihe, er ist dritte Reihe – und doch kennt ihn neuerdings ganz Basketball-Amerika.

Das liegt an seinem Weblog. Dort schreibt er genau so, wie man es tun sollte, will man Klicks ranholen: persönlich, unterhaltsam, mit dem Anspruch, einen Blick hinter die Kulissen zu erlauben.

Das klingt dann zum Beispiel so:

I play for (I use the term loosely; play for/cheer for — same thing) arguably the best basketball team in the world. My responsibilities include: 1. Showing up for buses, practices, games, etc. on time. 2. Refraining from causing undue stress to anyone by misbehaving on road trips or wading into the stands to attack fans. 3. Practicing hard when given the opportunity. 4. Entering games when my team is up by an insurmountable margin and attempting to break the shots-per-minute record. It is not a difficult job, really, and I can find very little to complain about, especially tonight.

I awoke to find my rental apartment, with its rented furnishings, entirely bereft of the raw materials I needed to fix myself some breakfast. (Read: the milk in the refrigerator was spoiled, making cereal a difficult proposition.)

Oder:  I have been asked many times over the years if my life is a lonely one. It is most often a question asked by girls; we males tend to think, ?Dude, you have the coolest life ever.? Which, for the most part, is true. I usually answer the loneliness question with a ?No? because I can rarely say that I feel alone in my travels. It is not that difficult to form friendships in these places I go; most of the time there are souls in the same situation as I, and they too need someone to talk to. However, my relationships do often lack depth.

Es ist der – zumindest ehrlich erscheinende – Blick in eine Welt, in die Shirleys Kunden/Fans schon immer hineinblicken wollten. Kein Wunder, dass Shirleys Tagebuch die anderer Spieler auf der NBA-Seite locker schlägt.

So, und nun schauen wir uns an, was, sagen wir mal, Oliver Kahn so im Internet macht. Zum Beispiel unter www.kahn.de Ups, das war wohl nicht richtig. Natürlich www.oliver-kahn.de Ach, auch nicht. War es vielleicht www.oliverkahn.de Nein, auch nicht. Der vielleicht beste Torhüter der Welt hat noch nicht mal eine Homepage, scheint mir. Glückwunsch an das Management.

Michael Ballack hat eine. Und schreibt dort alle zwei, drei Wochen mal spannende Dinge wie: Wir sind jetzt nicht mehr punktgleich mit diesem Verein aus dem Ruhrgebiet, sondern haben uns ein bisschen Vorsprung erspielt. Das ist gut für unsere Stimmung, die dadurch etwas gelöster ist. Wir können nun jede Woche Meister werden, was einfach ein schönes Gefühl ist, das wir uns hart erarbeitet haben. Aber „durch“ sind wir erst, wenn wir „durch“ sind!

Dafür bitte 500 Euro ins Phrasenschwein.

Nun bin ich ja Anhänger eines gewissen Regionalligisten. Das aktivste Diskussionforum über das Team läuft auf der Seite der „Ruhr-Nachrichten-Münstersche Zeitung“. Als es vergangene Saison mal richtig den Bach runterging, meldete sich tatsächlich mal ein Spieler zu Wort (dass er es tatsächlich war, prüften die Forumsmoderatoren nach). Große Verwunderung, noch größere Begeisterung. Doch leider: ein magerer Einzelfall.

Und so frage ich mich: Was wäre, würde ein wenig bekannter Schauspieler, der höchstens mal im „Tatort“ drei Sätze spricht, bevor seine Leiche ans Flußufer gespült wird, offen, ehrlich und unterhaltsam aus seinem Leben erzählen. Und das täglich? Würde er über Umwege seine Bekanntheit so steigern, dass mehr Angebote kämen?
Oder der Bankdrücker eines Regionalligisten: Würde er mit einem Weblog (nicht erst nach seiner Karriere, wie Ex-Bayer Wolfgang Grobe) die Machtverhältnisse ein klein wenig verschieben? Wäre es schwerer, ihn zu verkaufen, weil die Fans ihn mögen, obwohl er nicht spielt?


Kommentare


Praelat 29. April 2005 um 15:16

Das ist ja mal ein guter Anfang. Der erste Eintrag, den ich lese, und der Autor ist Preussenfan. So lob ich mir das 🙂

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chris 29. Juni 2005 um 5:59

mein guter,

du hast da alles vorn und hinten falsch und dein mangelnder intellekt macht mir angst. wahrscheinlich ist zehnter spieler in einem nba team zu sein finanziell und sportlich besser als auswechselspieler in der BL. shirley is ausserdem kein unbekannter in den US. college basketball is dort um einiges populärer als nba und genau dort war shirley ein ziemlich erfolgreicher spieler mit iowa state (sweet sixteen). was mir aber am wichtigsten scheint ist der punkt das college spieler bsp. im fall shirley impliziert 4 jahre universitäts ausbildung genossen zu haben. in dtl ham ja die meisten BL spieler noch nicht mal realschulabschluss. shirley gilt übrigens auch in den USA als akademischer Sonderfall. Er hat das College nicht wegen athletic scholarship sondern wegen seiner akademischen Leistungen finanziert bekommen. und das ist dort die elite. ausserdem war er in seinem fach bei iowa state einer der besten absolventen, aussergewöhnlich für einen sportler. was die menschen an ihm lieben ist kein marketingscheissdreckk und kein „inside bayern munich“ mist sondern seine herangehensweise aus einem anderen blickwinkel. in dtl. wäre nur vgl. wenn der bekennende schachspieler und mathebegeisterte marco bode einen blog über seine golf und playstation zockenden mannschaftsmitglieder geschrieben hätte. also informier dich bitte bevor du halbwahrheiten von sachverhalten oder „phänomenen“ nach dtl trägst deren wirkungsweise du nicht versteht. mfg, chris

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tknuewer 29. Juni 2005 um 9:18

Lieber Chris,

die Heftigkeit Ihrer Äußerungen verwundert mich jetzt schon. Dass ein Spieler im College Erfolg hat (ich darf kurz einwerfen, dass ich ein Freund des US-Sports bin und mich dort auch einigermaßen auskenne), bedeutet ja noch lange nicht, dass er im Profi-Bereich zum Star wird. Neun Spiele in einer Saison ohne größere Verletzung aber bedeutet Bankdrücker – egal wie toll man mal WAR.

Zum anderen habe ich nur versucht aufzuzeigen, was Sportler tun könnten. Deshalb sind meine letzten Absätze auch in Frageform gehalten. Natürlich fehlt manchem deutschen Profi die intellektuelle Fähigkeit, um etwas ähnliches zu schreiben – aber bei weitem nicht allen. Ich werfe jetzt mal Jens Todt ein, der kürzlich ein Praktikum beim „Spiegel“ absolvierte.

Im Durchschnitt aber ist der deutsche Jungsportler nicht schlauer oder dümmer als der amerikanische. Das weiß jeder, der schon mal College-Spieler kennengelernt hat. Ich zum Beispiel traf einige während meiner Zeit an der UC Berkeley. Dann merkt man, wie unsicher die sind, deren akademische Leistungen bestenfalls für die Abendschule gereicht hätten, die aber jetzt mit Müh und Not durch Top-Schulen gezogen werden, weil Sportmannschaften für die Unis eine wichtige Finanzierung sind.

Und wieso ich das Phänomen Weblogs nicht verstehen soll, werde ich sicher in Ihrem Blog nachlesen können.
Bevor man also andere draufhaut: Einfach mal nachfragen oder höflich sein oder die Klappe halten.

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