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"Leserbriefe – find ich gut" – das wär doch mal eine Idee für eine Kampagne der Zeitungsverleger. Denn niemand hat etwas gegen Leserbriefe, gern werden sie abgedruckt, bevorzugt weit vorne. Doch wer sagt, dass es sich tatsächlich um real existierende Leser handelt?

Weblog-Autor Dan Gillmor hat eine journalistische Randnotiz aufgetrieben. Die "Contra Costa Times" berichtet über einen manischen Leserbriefschreiber, der über die Jahre hinweg mehr als 100 Leserbriefe unter falschem Namen verschickt hat.

Das trifft einen Nerv: Denn wer sagt, dass ein Leserbrief tatsächlich von einer realen Person verfasst wurde? In den Zeiten des Datenschutzes mag so mancher seinen Namen vielleicht nicht in der Zeitung lesen. Und da die Politische Korrektheit amerikanischen Zuschnitts auch hier zu Lande grassiert, ist eine pointierte Meinung für fest Angestellte, egal welcher Branche, oft genug nicht opportun: Wenn der Chef CDU wählt, ist ein Brandbrief gegen Angela M. wenig karriereförderlich.

Immer schon gab es falsche Namen unter Leserbriefen. In Zeiten der E-Mails werden es noch mehr. Früher stand wenigstens jeder im Telefonbuch – aber heute? Es ist kaum möglich, die Echtheit solcher Autorenschaften zu klären. Und wenn sich jemand den Spaß (und die Arbeit) machen will, ein Medium leserbrieftechnisch zu unterwandern, dürfte er kaum zu stoppen sein. Wem das passiert, der sei an jenen Lehrer namens Winfried Bornemann erinnert, der schon in den 80ern die Republik mit seinen "Briefmacken" titulierten Witz-Briefen erfreute.

Eine Frage bleibt mir als Journalist aber trotzdem: Wie viele Nicht-Journalisten lesen eigentlich Leserbriefe?


Kommentare


marcc 25. April 2005 um 13:27

Ich gucke – wenn – nur bei meiner Lokalzeitung in die Leserbriefe rein. Und da dann auf den Schreibernamen. Denn oft hat man von dem Schreiber schonmal was gehört und kann ihn „einsortieren“.

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Gerold Braun 25. April 2005 um 17:09

Vor zwei Jahren hab ich mal einen Leserbrief an die Lokalredaktion der Rheinpfalz geschrieben (Kritik an der Haltung eines Bürgermeisters). Daraufhin wurde ich aus der Redaktion angerufen und regelrecht getestet (zum sachlichen Inhalt). Dann erst erschien der Leserbrief. Geht das überhaupt anders?

Rückfrage: Waa finden Journalisten an Leserbriefen so interessant?

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tknuewer 25. April 2005 um 17:22

Feedback, wie der Niederrheiner sagt, ist immer gut. Natürlich weiß journalist gern, was sein Kunde so denkt und meint.

Ein Beispiel: Die Kursteile im Handelsblatt werden immer knapper. Doch werfen wir einen Kurs raus, gibt es oft genug wütende Leserbriefe. Erkenntnis: Auch wenn man glaubt, jeder überprüfe seine Aktien ohnehin nur noch im Internet, gibt es immer noch reichlich Leser, die das einmal täglich in der Zeitung tun.

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Gerold Braun 25. April 2005 um 17:43

Ahh Feedback – ist klar. Ich hatte mir bei meiner Frage vorgestellt, dass ein Journalist, wenn er irgendeine Zeitung aufschlägt, sofort lesen muss: Was gibt es denn für Leserbriefe?

Apropos Aktienkurse: Nach meinen schaue ich auch täglich beim Frühstück in der Zeitung – obwohl ich täglich im Internet bin. Menschen entwicklen halt Rituale! (Ich lese auch gerne Leserbriefe, nur um festzustellen, dass Kurt H. aus B. ein beknackter Vogel sein muss, und dass ich mit Karl G. aus H. durchaus ein Bierchen trinken gehen würde :-))

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