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Gelegentlich schickt mir ein Verlag ungefragt das Rezensionsexemplar eines Buches zu. Darunter sind oft genug Werke bei denen die Frage erlaubt sein muss: Wer um Himmels Willen kauft denn das, bitte schön?
Zum Beispiel: "Flirten was das Herz begehrt" – ein Anbändelbuch für über 55Jährige…

Knallpink ist es, das Flirtbuch für die Silver-Golden-Ager-Graue-Schläfen-aber-noch-aktiv-Generation. Das schreckt Mann in der Regel ab. Ich zumindest behaupte, Männer tragen nur rosa Hemden, weil sie ihnen von Frauen/Verlobten/Freundinnen aufgenötigt werden oder weil sie wissen, dass Frauen/Verlobte/Freundinnen-in-spe auf rosa Hemden stehen. Aber ich schweife ab.

"Flirten was das Herz begehrt" also heißt das Buch auf meinem Schreibtisch, geschrieben hat es Peter Hollinger, "Münchener Flirtlehrer", wie mir der Klappentext erklärt, und "bekannt aus Fernsehen, Funk und Presse". Zum Film also hats noch nicht gereicht.
Und er setzt "auf die zeitlos aktuelle Fleischeslust", so dass sich "eine Welt knisternder Erotik" auftue für die "vital jung Gebliebenen", "die das Flirten als fantastisches Betätigungsfeld wieder entdecken".

Nun ist das Ziel ja ehrenwert. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass so mancher ältere Mitbürger nach langen Jahren mit dem vielleicht verstorbenen Partner verlernt hat, andere Menschen anzusprechen. Allein: Ich fürchte auch, dieses Buch wird nicht helfen.

Genießen wir ein paar Passagen (dich ich wirklich nicht erfinde!):

Zum Beispiel zum Thema Wandern: "Entspannen Sie sich lieber bei einem gemütlichen Aufriss auf der Berghütte ("Dürfen wir uns zu euch setzen? Ihr schaut so heimatlich aus!") und geben Sie sich bei einer zünftigen Brotzeit dem rauen Charme der einheimischen Naturburschen hin."

Dann gibt es da den Frührentner Georg, 58, ein "Held des feuchten Elementes": "Das Einzige, was ihn neben dem Schwimmen fasziniert, sind die mehr oder weniger wohl geformten Badenixen, die ihm kraulend und brustschwimmend begegnen…. Kommt ihm da nicht die süße Kraulerin entgegen, die er schon längere Zeit nicht mehr gesehen hat?"
Ja, genau, Ende 30, Anfang 40 mag sie sein und es entspannt sich folgender, von ausgeprägter Lockerheit und extremer Realitätsnähe gekennzeichneter Dialog:
Er: "Ich dachte schon, Sie sind dieser Anstalt hier untreu geworden."
Sie: "Nein, nein, ich hatte beruflich viel zu tun, aber jetzt komme ich wieder öfters her. Ich kann hier einfach gut abschalten. Außerdem dankt’s mir mein Körper."
Er: "Der übrigens in einem interessanten Badeanzug steckt. Sorry, aber ich kann meine Augen nicht davon lassen, weil ich immer wieder damit anfange, die Farben zu zählen. Wissen Sie’s?"
Sie: "Worauf Sie so achten… 6."
Er: "Eine sehr gute Zahl. Jetzt ist es 5 Minuten nach 5:00 Uhr. Darf ich sie um 6:00 Uhr zu einer Tasse Kaffee oben in der Cafeteria einladen? Da könnten wir auch über die Technik des Schwimmens philosophieren."

Ja, so flirten sie, die jungen Alten und fangen sich – glaubt man Herrn Hollinger – keine Ohrfeige ein. Auch Skifreund Walter, 56, nicht, auf der Suche nach "Frischfleich" oder "Chefaufreißer Franz, 71, ein Charmeur mit Silberlocke, goldbeknopfttem Lodenjanker und getupfter Krawatte", der in der "Golden-Oldie Diskothek Maracuja" "das straffe Beinchen seit der Gründerzeit schwingt".

Dem Autor selbst übrigens kommen beim Thema Jogging "die hin und her wippenden Po-Backen in knappen Höschen" in den Sinn. Illustriert ist das ganze mit Comiczeichnungen von Menschen um die 40, die wohl noch lustiger sein sollen, als die Texte. Da öffnet in beanzugter Herr in der U-Bahn seinen Mantel wie ein Exhibitionist. In den Innentaschen stecken Zuckerstangen, eine Schampusflasche, Schokolade und etwas, das wie eine Pillenschachtel aussieht. Interessiert wirfte eine junge Dame einen Blick auf die Auswahl und fragt sich: "Ja, was nehmen wir denn heute…?"

Mein Tipp: Nicht dieses Buch.


Kommentare


Gerold Braun 13. April 2005 um 8:49

Welches Ressort haben Sie eigentlich, dass Sie so außergewöhliche Literatur auf den Tisch kriegen? Letztens Fliege und jetzt das.
A propos rosa Hemden: Da muss ich Ihnen heftigst widersprechen. Es hängt zwar vom Typ ab (Haarfarbe, Teint usw.), ob es einem Mann steht. Wenn es aber passt, dann unterstreicht rosa das Männliche sehr (vielleicht ließt Jo von Jo’s Jobwelt mit, der kann da profunder Auskunft geben).

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tknuewer 13. April 2005 um 9:23

Tja, das mit dem Ressort fällt wieder in den so geliebten Bereich „PR-Leute, die ihren Verteiler nicht pflegen“…

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jo 13. April 2005 um 21:37

Ja, der Jo liest mit. Und Rosa ist beim Mann durchaus akzeptabel (mit der bereits genannten Einschränkung Teint, Haarfarbe, …). Mit einer kräftigen Krawatte evtl. sogar mit pinken Streifen ist das eine elegante Kombi. Nur natürlich nix für den eleganten Abend!
Im übrigen sind Rosa, Pistazie und Orange die Modefarben dieses Sommers.

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tknuewer 14. April 2005 um 9:27

Vergiss nicht apfelgrün – damit läuft derzeit jeder rum…

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Gerold Braun 14. April 2005 um 9:34

uff – apfelgrün – steht mir leider gar nicht. Rosa hingegen schon ;-)))
(Mann muss nicht immer über Fussball rden, gelle)

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Jo 14. April 2005 um 19:08

also apfelgrün iss aber noch die farbe aus dem herbst. was ich aber vergessen habe ist türkis.

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