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Eine Frage treibt mich schon länger um: Für wie dumm halten PR-Leute eigentlich Journalisten? Heute erreichte mich ein Brief des Bundesverbandes Rolladen + Sonnenschutz. Allein die Existenz eines solchen Verbandes ist ja schon einen deftigen Lacher wert, aber andererseits: Warum sollten sich in der verbandswütigen deutschen Wirtschaft nicht auch die Hersteller von Rolladen und Markisen ein Wochenende in einem hübschen, sonnenabgewandten Hotel gönnen, um einen Vorstand zu wählen? Sicherlich ist der BV Rolladen (so zumindest die Abkürzung der Homepage) auch eine gewichtige Stimme in der Hauptstadt, geht es um die Bekämpfung von Hautkrebs und uneinheitlicher Fassadengestaltung.

Der Aufreger dieses Briefes ist aber ein anderer. „Unabhängige Informationen rund um Schutz vor Sonne, Blendungen und Energieverlusten“ heißt es da mit Verweis auf die Homepage www.bv-rolladen.de.

Das Thema Unabhängigkeit ist ein beliebtes bei Unternehmens- und vor allem Branchenkommunikatoren. Denn natürlich sind die Informationen eines Verbandes so unabhängig wie die Entscheidungen von Schiedsrichter Hoyzer.

Gern erinnere ich mich an den Anruf einer PR-Agentur, die mir einen absolut unabhängigen und neutralen Artikel eine freien Journalisten über eine bestimmte Branche offerierte. Auf meine Bemerkung hin, dass selbstlose Gutmenschen eher selten in der PR-Branche arbeiten und dahinter doch vermutlich ein Kunde stecke, gab es einen garstigen Wortwechsel, der mit dem Eingeständnis endete: „Ja, natürlich kommt der Kunde darin vor – aber absolut neutral.“
Ich bin sicher, der freie Journalist ist vom Agenturkunden explizit aufgefordert worden, sich dem Thema mit besonderer Ausgewogenheit und ohne Sperre im Kopf zu widmen.


Kommentare


Thomas Thelen 2. Februar 2005 um 7:17

Für wie dumm halten vor allem die Auftraggeber Journalisten und PR-Agenturen, wenn sie solche sicher nicht zielführenden Vorgehensweisen zulassen / wünschen / absegnen / bezahlen? Und wie vernichtend muss eine sachgerechte, ehrliche Evaluierung solcher „Kommunikationsprozesse“ ausfallen? – Vernichtend!
Da bleibt nur zu hoffen, dass handwerhlich und vor allem inhaltlich saubere PR ihre Bedeutung ausweiten kann…

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Peter Busch 2. Februar 2005 um 11:08

Sehr geehrter Herr Knüwer, natürlich sind PR-Agenturen in den seltensten Fällen unabhängig. Aber warum verwundert Sie das? Hinter jeder Agentur steht immer ein Auftraggeber, der ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt. Sie als Journalist müssten das eigentlich wissen und damit umgehen können. Und noch eine Anmerkung: Wenn ich mir die Wochenend- und übrigen Beilagen im Handelsblatt anschaue, muss ich mir leider auch regelmäßig die Neutralitätsfrage stellen…

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Thomas Knüwer 2. Februar 2005 um 11:28

Lieber Herr Busch,

dass PR-Leute nicht neutral sind wundert mich überhaupt nicht. Schließlich bekommen Sie Geld von Ihren Auftraggebern und als Freund der Marktwirtschaft wäre ich auf 180 wenn Dienstleister nicht im Sinn ihrer Kunden arbeiten würden.

Was mich aber wundert ist, dass die PR-Agenturen BEHAUPTEN unabhängig zu sein. Dies sogar teilweise mit einer solchen Inbrunst, dass man ihnen dies sogar abnehmen möchte. Gerade das Angebot dieser angeblich neutralen Artikel ohne den Hinweis darauf, welchen Kunden die Agentur betreut, ist für mich schlicht: Lüge. Und Geschäftspartner, nichts anderes sind Journalisten für PR-Leute, sollte man nicht belügen.

Was die Wochenendbeilagen betrifft, laufen wir hier in eine psychische Falle, der wir Berufszyniker aus der Medien- und Kommunikationsindustrie gern zum Opfer fallen: Wenn es Positives über irgendwas im Blatt steht, muss es gekauft sein. Stimmt aber nicht. Oder wie es Josef Thesing, Redakteur der „Westfälischen Nachrichten“ zu meinen seligen Lokalzeiten sagt: „Wenn was gut ist, schreibs auch gut.“

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Mark Pohlmann 2. Februar 2005 um 14:38

… und genau dieser unselige Tipp ihres seligen Redakteurskollegen befeuert nun seit vielen Jahren unsere Branche: Die PR-Szene. Würden Redaktionen – ich meine auch die Wirtschaftsblätter – sich mit trockener Information statt meinungsfreudigem Infotainment begnügen, würden wir PRler uns nicht angeregt sehen, Ihnen einen tendenziösen Artikel nach dem anderen aus dem Ärmel leiern zu wollen.

Wo wir gerade dabei sind: Es erstaunt mich immer wieder, wie sehr Journalisten mit PR-Methoden hadern, an deren Existenz sie selbst nicht unschuldig sind (Sie wissen schon: Warum haben Sie auch so scharfe Kurven; selbst schuld…). Ich kann an dieser Stelle gerade große Medienhäuser nur ermutigen, klare Verhaltensregeln im Umgang mit ihren Redaktion aufzustellen und diese an leicht einsehbarer Stelle zugänglich zu machen: Redakteur XY schreibt nur über Thema A-L, nimmt Meldungen am liebsten per Fax und ist telefonisch erst nach schriftlicher Voranfrage montags zwischen 8 und 10 Uhr erreichbar. Es wäre ein Versuch wert.

Ein Hinweis in eigener Sache: PRler bekommen regelmäßig den Spiegel (ja, auch das Blatt) vorgehalten mit der Frage: Warum sind die „drin“ und nicht wir? Dies zu ändern ist unser Job. Dies als Grundlage des Umgangs mit uns zu verstehen, Ihrer. Wo Sie natürlich recht haben: immer mit offenem Visier angreifen, alles andere ist unwürdig und Zeitverschwendung.

Im übrigen: Vielen Dank für dieses Blog, ich freue mich auf viele inspirierende Indeskretionen!

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Erhan Indir 2. Februar 2005 um 21:03

PRler halten grundsätzlich einmal alle für blöd. Anders kann ich mit nicht mehr erklären, warum in der PR so ungeheuer dreist gelogen wird. PRlern graut vor garnichts.

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Carsten Mühlberg 9. Februar 2005 um 12:25

Hallo, mein Name ist Carsten Mühlberg und ich bin der PR-Berater für den Beitrag über den Bundesverband Rolladen+Sonnenschutz. Danke für die Diskussion, aber ich kann nur bedingt zustimmen:

Der Begriff „unabhängig“ ist natürlich dehnbar. Wie Sie schon ausführen, kann eigentlich überhaupt kein Text einer PR-Agentur unabhängig sein, da es immer einen Auftraggeber gibt, der ihn bezahlt. Im besonderen Fall des Bundesverbandes sind die Informationen allerdings insofern unabhängig, da im Verband sowohl verschiedene Hersteller von Rollläden, Markisen usw. als auch die eigentlichen Handwerksbetriebe organisiert sind. Die Website informiert dementsprechend über ziemlich alle Produkte, Varianten und Lösungen, die zur Zeit am Markt erhältlich sind. Sie bekommen hier schon ein breites Bild von dem Angebot. Ich möchte Sie damit auch wirklich nicht für dumm verkaufen, sondern schlage nur eine – für meinen Kunden positive – Sichtweise vor. Sie als Redakteur haben wie immer das Recht und die Pflicht, unsere Texte zu prüfen, zu ändern bzw. zu verwerfen. Kein Mensch erwartet von Ihnen, dass Sie den Text 1:1 abdrucken. Wobei dies allerdings viele Ihrer Kollegen eben tun… weshalb er auch entsprechend formuliert ist.

Und jetzt nochmal was deutlicheres: Die PR-Agentur steht in der Pflicht, die Themen des Kunden so pfiffig und öffentlichkeitswirksam wie möglich zu verkaufen. Wir haben nicht die Aufgabe des unbeteiligten, ordentlichen Chronisten. Das ist die Ihre.

Das mit dem Spiegel stimmt. Da sagte doch vor kurzem ein Kunde zu mir (sinngemäß) „Der Stern hat doch auch immer so einen Immobilienteil. Warum gehen wir da nicht einfach rein?“

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