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MT-LogoKinder, wie die Zeit vergeht. Morgen werden die Medientage München eröffnet und wieder einmal werden wir viele, viele Zitate überliefert bekommen. Besonders interessant sind natürlich angesichts des Zeitungssterbens jene aus dem Bereich der Print-Medien.

Doch seien Sie gewarnt, liebe Leser: Es gehört auch zur Kultur der Medientage, auf Podien Dinge zu erzählen, die nur einer sehr flexiblen Definition des Begriffs „Wahrheit“ genügen. Manch anderes fällt sicherlich auch unter die Rubrik „Realitätsverleugnung.

Frank Zimmer von „w&v“ erinnerte via Twitter gerade an die Medientage 2012, die am 25. Oktober gestartet wurden. Dort saß ein Print-Kreis zusammen und sagte Dinge, die schon damals absehbar umdieOhrenhaubar waren.

So verstieg sich Brigitte Fehrle, Chefredakteurin der „Berliner Zeitung“ laut „w&v“ zu der Äußerung, Online sei nur ein Geschäftsmodell, die Inhalte kämen aus der Print-Redaktion. Man darf den Online-Vermarktern in Berlin viel Glück dabei wünschen, die Inhalte zu Geld zu machen, die dort entstehen. Schließlich dürfte die Stimmung doch eher gedämpft sein, nachdem es ein halbes Jahr nach jenen Medientagen einen massiven Stellenabbau gegeben hat. Gleichzeitig dürfte auch die schlichte Menge, ebenfalls aber die Qualität, der journalistischen Werke massiv unter der Tatsache leiden, dass Redakteure nun auch Layout-Arbeiten vornehmen müssen – weil die dafür zuständigen Layouter abgebaut wurden.

Auch dürfen wir gespannt sein, wie die Konzernmutter DuMont und andere Verlage auf den Medientagen den Austritt aus Tarifverträgen schönreden möchten. Sicherlich wird es heißen, dass dies toll sei für die Arbeitnehmer, weil es doch mehr Flexibilität gebe. Seien Sie gewiss: Auf diese Flexibilität könnten die Betroffenen dankend verzichten. 

Kandidaten für Böse-Zitate-in-spe sind – so sie sich auf Podien wagen – sicher auch die Vertreter der Südwestdeutschen Medienholding, Mutter unter anderem der „Stuttgarter Zeitung“ und der „Süddeutschen Zeitung“. 2012 sagte Richard Rebmann, Geschäftsführer jener Konzern-Holding, die Leser müssten auf Bezahl-Kanäle „geleitet“ werden. Außerdem: „Die Zeitung ist rentabel und verdient ihr Geld, um es in neue Medien zu investieren.“ Vier Monate später fand sich dann der 2011er Abschluss seines Hauses in den Datenbanken. Konzernjahresfehlbetrag: 22,9 Millionen Euro. Sollte es dieses Jahr ähnlich optimistische Äußerungen geben, sollten sie bereit gehalten werden, wenn es zur absehbaren, massiven Personalabbaurunde bei der „Süddeutschen Zeitung“ kommt.

Den spektakulärsten Fehltritt leistete sich in anderer Medientage-Runde aber Thomas Henkel, der Leiter Unternehmensentwicklung bei Gruner + Jahr. „w&v“ schrieb damals:

„Übrigens, aller Print-Skepsis zum Trotz: Die „Financial Times Deutschland“soll auch die nächsten fünf Jahre fünfmal wöchentlich in gedruckter Form erscheinen. Auf diese Aussage ließ sich Thomas Henkel, Leiter Unternehmensentwicklung Gruner+Jahr, bei einem anderen Medientage-Panel festnageln.“

28 Tage später verkündete Gruner + Jahr das Aus für die „FTD“. Henkel hat das Unternehmen im August recht still und heimlich verlassen.

Sie sehen also: Auf Ehrlichkeit und Sinn für Realität sollten wir Beobachter der Medientage München nicht hoffen. Doch immerhin ist die Veranstaltung inzwischen wie ein guter, böser Witz: Die Pointe erschließt sich oft erst spät.

 


Kommentare


Eine Kapitulation, ein Sapperlott und viele keine Antworten – JakBlog 16. Oktober 2013 um 11:22

[…] Manchmal wirkt das Zusammentreffen zweier Ereignisse wie eine blanke Satire. Da ist zu einen der heutige Beginn der “Medientage” in München, die laut Eigenwerbung “Europas größter Medienkongress” sind, tatsächlich aber eher eine Recyclingmaschine gut abgehangener Trends darstellen. Da gibt es heute beispielsweise einen “Online-Gipfel” (sie haben es dort recht mit den Gipfeln), der die “neuen Regeln der Medienökonomie” zum Thema hat. Diese Regeln lassen sich laut Webseite mit “anytime, anywhere…” zusammenfassen – und wenn Sie jetzt den Eindruck haben, diesen Begriff  zum ersten Mal im Jahr 2003 gehört zu haben, dann liegen Sie vermutlich gar nicht so falsch. Dass man dieses Thema vom “Chef Digital Officer” von Pro7Sat1 und einer Irgendwas von Nestlé diskutieren lässt, passt ins Bild. (Mehr zu den Medientagen lesen Sie beim Kollegen Knüwer). […]

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Boris Borchert 16. Oktober 2013 um 12:24

Vielleicht sollte man einfach Print sein vollstes Vertrauen aussprechen.

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Haben sich die Medientage München bald überlebt? 20. Oktober 2013 um 22:15

[…] Thomas Knüwer (“Der gute, böse Witz namens Medientage München”) […]

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Haben sich die Medientage München bald überlebt? 23. März 2015 um 18:44

[…] Thomas Knüwer: “Der gute, böse Witz namens Medientage München” […]

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