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Stumm schauten wir uns gestern Abend an, der Herr Fiene und ich. Auch Frau Bluhm zuckte mit den Achseln.

Das war er also, der so heiß diskutierte und so umsatzstark gestartete Facebook-Film „The Social Network“. Und wir alle drei fanden ihn – nicht weiter erwähnenswert.

Das soll nicht heißen, dass der Film insgesamt schlecht wäre. Er plätschert nett und unterhaltsam dahin. Aber eben auch nicht mehr. Und das liegt aus meiner Sicht am fehlenden Handwerk.

Für gewöhnlich rühmen sich Schauspieler und Autoren, ihre Arbeit beginne nicht erst mit den ersten Zeilen eines Scripts oder dem ersten Drehtag. Nein, wer auf sich hält, der fuhrwerkt sich in das Thema eines Films hinein, geht an die Wurzeln, versucht nachzuempfinden, was die handelnden Figuren erleben oder erlebt haben.

Nicht so Aaron Sorkin. Er erklärt freimütig nicht auf Facebook zu sein. Ebenso Justin Timberlake, der Napster-Gründer Sean Parker spielt. Man darf das mangelnden Recherchedrang nennen. Oder aber eine Verschwörung der alten Medien gegen das Internet, den scheinbaren Feind und Zerstörer des alten Geschäftsmodells. So zumindest sieht es das „New York Magazine“:

„,The Social Network‘ can be seen as a well-aimed spitball thrown at new media by old media—and some is personal.“

Sorkin, so argumentiert Autor Mark Harris, hasse das Web. Weil seine Drogensucht noch immer googelbar ist. Weil seine Werke gerne mal verrissen werden.

Doch egal ob Schlampigkeit, Null Bock oder Hass – der Defekt von „The Social Network“ ist im Endeffekt immer gleich: Der Film kümmert sich weder um die Geschichte noch um seine Charaktere. Er gibt vor, eine Verfilmung der Wirklichkeit zu sein. Doch berücksichtigt der Zuschauer, dass die Realität in einem Punkt massiv von Sorkins Darstellung abweicht, dann fällt die gesamte Erzählung in sich zusammen: Mark Zuckerberg hatte im echten Leben ständig die gleich Freundin. Sie kamen zusammen, bevor er Facebook programmierte – und sie sind noch heute ein Paar.

Dann aber geht nicht mehr auf, was Sorkin der Figur Zuckerberg andichtet. Dass er getrieben einerseits getrieben ist von der Sucht nach Anerkennung in den alten Eliten – andererseits aber von der Sucht nach Anerkennung bei Frauen.

Doch die Frage, was Zuckerberg tatsächlich antreibt, ist nicht der einzige wichtige Punkt, der Sorkin anscheinend egal ist. Genauso ist es die Frage, was Gründer überhaupt motiviert. Er will es einfach nicht verstehen, wie auch Jeff Jarvis in seinem langen und wütenden Beitrag für die Huffington Post erklärt. Er geht nicht ein auf eine spannende moralische Frage wie die, ob ein CFO eines Startups nicht beständig beim Unternehmen sein sollte.

Gegenüber „Fast Company“ hat Sorkin einmal gesagt:

„Drama is basically about one thing: Somebody wants something, and something or someone is standing in the way of him getting it. What he wants—the money, the girl, the ticket to Philadelphia—doesn’t really matter. But whatever it is, the audience has to want it for him.“

Doch das passiert nicht. Weder kann Sorkin recht erklären, weshalb Zuckerberg das will, was er da tut – noch ging ich als Zuschauer mit.

Das Desinteresse drückt sich auch in Bildern aus. Es gibt optisch tolle Momente – keiner von ihnen aber hat mit Facebook, Computern oder Programmieren zu tun. Ständig ist einer der Coder „im Tunnel“. Wie das für denjenigen aussieht, was das überhaupt ist – Sorkin erklärt es nicht. Dafür liefert er tolle Bilder von einem Ruderrennen, an dem die alte Elite teilnimmt. Sie scheint ihm viel interessanter als das Facebook-Team – auch wenn er die Psyche der Figuren genauso flach schildert.

Ohnehin: die Charaktere. Einen Guten gibt es nicht, sehen wir von einer Anwältin kurz vor Schluss ab. Alle sind Arschlöcher, alle sind auch irgendwie sympathisch zu findende Arschlöcher. Außer vielleicht Sean Parker. Ich fühlte mich wie bei einem Fußballspiel mit zwei Mannschaften, die mich nicht im Geringsten interessieren. Das kann ganz nett sein, es gibt schöne Szenen – aber emotional beteiligt bin ich eben nicht.

Keine Sorge: Langeweile kommt auch nicht auf. Der Film ist nicht abgrundtief schlecht. Er ist nett. Einfach nett. Und Nett, das ist bekanntermaßen die Schwester von Scheiße.

Ironischerweise traf gestern auch das Buch „The Facebook Effect“ von David Kirkpatrick bei mir ein. Ich denke, es dürfte die bessere Wahl für Interessierte sein, die sich mit der Geschichte von Facebook und Zuckerberg beschäftigen wollen:

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Kommentare


Philip Engstrand 12. Oktober 2010 um 17:24

Und was in der Werbung hat euch glauben lassen, das das ein Dokumentarfilm ist?

An dieser Stelle immer wieder zu empfehlen:
William Goldmann, Adventures in the Screen Trade, Kapitel über ‚All the president’s men‘.

oder

Wie man ein spannendes Drehbuch schreibt, über Leute die noch leben und über eine Geschichte, deren Ausgang ungefährt 99% der Zuschauer schon kennen. (Um dann das Ende noch nicht mal filmisch zu zeigen…)

Ohne den Film schon gesehen zu haben, ich erwarte nicht aus dem Film neuere Erkenntnisse über FaceDingsda zu erlangen, sondern unterhalten zu werden. Die Namen Fincher und Eisenberg im Vorspann sind mir an der Stelle schon genug.

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Thomas Knüwer 12. Oktober 2010 um 17:52

Es ist klar, dass dies kein Dokumentarfilm ist. Aber: Durch die Verwendung echter Namen und Ereignisse und Geschehnissen aus nicht allzu ferner Zeit täuscht das Konzept Authentizität vor.

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Philip Engstrand 12. Oktober 2010 um 18:06

und das tut ‚All the president’s men‘ (Die Unbestechlichen)
als Film über den Watergate Einbruch und die Folgen nicht?

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Links des Tages vom 12.10.2010 » HTML5 games, internet, kindle single, the social network, windows 7 » Digital Life 12. Oktober 2010 um 20:58

[…] The Social Nett-Work Wenn man eine Dokumentation erwartet aber in einen Unterhaltungsfilm […]

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Der Soundtrack deines Sozialen Netzwerks | stk 12. Oktober 2010 um 21:17

[…] von „erstklassig“ bis „dahinplaetschernd und nichtssagend“. Der Knuewer findet beispielsweise letzteres (natuerlich verbunden mit einem Rant „Alte Medien — Internet“) und unterstellt […]

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joha 12. Oktober 2010 um 22:08

Die Argumente von Jeff Jarvis zu wiederholen, macht sie nicht wahrer. Natürlich zeigt er die Beweggründe auf, schon in den ersten Szenen. Winning the world to win the girl ist ein klassisches Thema, da kannste weiter als Gatsby zurückgehen. Wird das der Realität gerecht? Nein, aber darum geht es in einem Hollywoodfilm nicht (die ethische Frage, wie man bei sowas mit den Fakten umgehen muss, klammere ich jetzt mal aus).

Natürlich sind viele der Charaktere flach, Sorkin ist ein Dialog-Autor, und das funktioniert auch bei The Social Network gut. Bei The West Wing haben manche Figuren drei oder vier Staffeln gebraucht, bis sie Tiefe jenseits ihrer Rolle im Machtgefüge Weißes Haus erlangt haben.

Natürlich gibt es die Idee des Social Graph (wann auch immer sie Zuckerberg gekommen sein mag); das unglaubliche Geschenk eines Internets, in dem ein Student mit der richtigen Idee die Welt umkrempeln kann; natürlich die Schönheit des Codes, der mit der Kraft der Logik Brücken an den Rand des Machbaren schlagen kann. Aber das alles wird in ein paar Jahren PBS mit einer Frontline-Doku beleuchten, so hoffe ich. The Social Network ist Hollywood, Konsens-Unterhaltung für ein möglichst großes Publikum, nicht mehr, nicht weniger. Ich habe mich jedenfalls recht gut unterhalten gefühlt.

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Oliver Dresen [Mobile] 13. Oktober 2010 um 6:08

Ist das Absicht oder ein Bug, das der Link am Ende des Textes fehlt?

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Tanja 13. Oktober 2010 um 8:40

Mich beschleicht so langsam das Gefühl, dass der Film der„Eiskalte Engel“ des neuen Jahrhunderts werden sollte und die Rolle der intriganten Schwester (Sarah Michelle Gellar), die im Hintergrund die Fäden zieht und ihre Kreise zieht, im Film anscheinend Facebook übernimmt.
Facebook als böse Schwester, Zuckerberg als naives aber durchtriebenes Jüngelchen quasi.
Gemein haben beide Filme laut aller Kritiken, die ich bisher dazu lesen durfte, die eisige, kühle Grundstimmung und unsympathische Charaktere. Naja, weniger reizvoll. Zuckerberg ist immer noch mit dieser Freundin zusammen? Nächster Punkt der für mich schon negativ ins Gewicht fällt: Gäbe es wenigstens eine Konstante im Film, eine Frau die zu Zuckerberg hält, seiner Figur eine menschliche Tonalität verpasst, für romantische Szenen bereitsteht und für die ich wenigstens ein Fünkchen Sympathie empfinden könnten…aber der Dramatik halber ihr keinen Platz im Drehbuch einzuräumen – schade.
Ich seh ihn mir wohl dennoch an, gibt es schon Besucherzahlen in Deutschland…?

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Thomas El 13. Oktober 2010 um 8:41

Die Vermischung von Fiction und Non-Fiction erfordert eine sehr genaues Hinschauen, auch wenn man sich der Vermischung bewußt ist. Wie heißt der Gründer von Napster? Sean Park…
Nein, es war Shawn Fanning.

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Thomas Knüwer 13. Oktober 2010 um 8:44

@Thomas El: Der Gründungsmythos von Napster ist ja noch mal so eine Sache. Parker gilt gemeinhin als Mit-Gründer.

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