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Ron Conway ist ein bulliger Mensch – und ein gefragter im Silicon Valley. Er investierte unter anderem in Google und Twitter – keine ganz so schlechte Art, sein Geld anzulegen.

In die Hände des Branchendienstes Techcrunch fiel nun eine vertrauliche Präsentation, die er vor anderen Investoren hielt. Sie enthält eine Liste jener Trends, an die Conway glaubt. Überraschend ist wohl eher, dass diese kommenden Big Things weniger revolutionär wirken, als man erwarten würde – im Detail aber sehr spannend. Und: Da Deutschland rund zwei bis drei Jahre hintern den USA zurückhängt ergibt sich hier auch ein Bild für die nahe Zukunft in Old Europa.

Hier zu Lande ist für Unternehmen aus nicht digitalen Branchen einer der beliebtesten Gründe, sich nicht mit Web-Themen zu beschäftigen die Behauptung des Hype. „Vielleicht sind die Verbraucher morgen schon woanders“, sagen – besser: hoffen – sie. Puh, muss man sich nicht damit beschäftigen. Und: „Wer redet denn morgen noch über Twitter“. Auch die Medienberichterstattung habe doch abgenommen setzen Sie diese gleich mit der Realität.

Wer annimmt, dass einer Investor, der an Google und Twitter früh glaubte, keine so schlechte Nase haben kann, dürfte nun ins Grübeln kommen.

Denn Social ist weiter einer von Conways-Top-Trends. Die Offenheit und Bereitschaft, Inhalte zu teilen, nehme bei den Nutzern von Quartal zu Quartal noch weiter zu. Dabei lockerten sie selbst ihre Privatsphäre willentlich. Einer der Hauptgründe dieser Entwicklung seien dabei die zahlreichen Möglichkeiten, mobil Dienste zu nutzen.

Hier verschiebe sich die Macht weg von den Hardware-Herstellern hin zu jenen, die Informationen filtern und darstellen können. Sprich: Nokia ist nicht mehr wichtig, Apple und Flipboard schon. Hier liegt auch aus meiner Sicht der Fehler in der Wahrnehmung des deutschen Wetab (das tatsächlich viele positive Kritiken bekommt): Nicht die Hardware ist interessant, sondern das Betriebssystem – und das fliegt noch immer nicht.

Dies trifft auf ortsbasierte Dienste und Echtzeit-Daten. Ihre Mischung führe zu immer neuen Anwendungen, von der Real-Time-Staumeldung (heute dank Vodafone-Daten schon Realität bei Tomtom) bis zum örtlichen Rabattangebot. Überhaupt Rabatte: Das Ausbalancieren von Lagerbeständen und Käuferzahlen über schnell rotierende, digitale Angebote hält Conway ebenfalls für einen Trend.

Die beiden spannendsten Trends aus dem Reiche Conway „The Urban Entrepreneur“ und „Behaviour & Transaction“ aber sind für mich die, bei denen er sich mit dem Nutzer beschäftigt. Es gebe eine neue Variante der Gründer, schreibt er, die Innovationen nicht mehr aus technischem Fortschritt heraus entwickeln, sondern aus der Frage, was der Kunde möchte und was ihm gefällt.

Dieser Punkt ist für mich extrem wichtig. Am vergangenen Montag war Zuhörer bei einer Veranstaltung des Düsseldorfer Marketing-Club, die sich eigentlich um Social Media Monitoring drehte. Im Laufe der Diskussion warf dann jemand ein, er könne sich nicht vorstellen, dass nun das komplette Marketing verändert würde durch Social Media. Und er hat Recht. Oder besser: Es ist genau andersherum.

Social Media bringt ganz altes Marketing zurück, Marketing nach der schon verstaubt erscheinenden Definition Heribert Mefferts: Marketing ist marktorientierte Unternehmensführung. Und Social Media ist die Essenz dieses Marketing. Der Wunsch des Kunden rückt wieder in den Mittelpunkt so wie damals im Laden meiner Tante Therese im tiefen Westmünsterland.

Ein Trend aber fehlt mir bei Conway. Er beschränkt den Bereich Mobile nur auf das Handy. Und er denkt zu wenig über den Computer hinaus. Ich glaube, der gesamte Bereich der sozialen Verknüpfungem in digitalen Bereich wird sich weiter ausbreiten in andere Technologien. Zum Beispiel das Auto: Ford arbeitet mit seinem System Sync in den USA daran, Twitter- und Facebook-Nachrichten vorlesen und diktieren zu lassen. Und genauso will Google mit seinem Google-TV Fernsehempfehlungen auf Basis der persönlichen Vorlieben generieren.

Auch wenn dabei Google im Spiel ist: Die Grunddenke des Web-Konzerns passt nicht mehr recht in diese Zeit. Google glaubt an Algorithmen, die Zukunft aber könnte den Menschen gehören. Mein Freundeskreis weiß eben besser, was mir gefällt als ein noch so fein eingestelltes Rechenwerk.


Kommentare


Armin 15. September 2010 um 12:03

Hm, kann man auch anders sehen, das sind die Trends der letzten paar Jahre die jetzt so langsam „mature“ werden:

http://www.broadstuff.com/archives/2311-Angels-hoping-Investors-will-rush-in.html

Wer jetzt noch in den Kram investiert duerfte so 3-5 Jahre zu spaet sein. Ebenso ist die Liste nicht besonders spannend, geschweige denn ueberraschend, eben weil dies die Trends sind die ueber die letzten paar Jahre anfingen.

Das ist bestenfalls fuer die Firmen interessant die den ganzen Social Media Krams anwenden.

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Matthias Nagy 16. September 2010 um 10:06

Hi,

Auch in den USA gibt es die langsamen: http://www.dilbert.com/2010-09-13/

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Social-Media-Realitäten 16. September 2010 um 10:53

[…] Vielen Dank an Matthias Nagy an den Hinweis in den Kommentaren. […]

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