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simoneit portraitVon oben betrachtet war es ein merkwürdiges Treiben. Da saß ein seniorer Herr mit reichlich wenig Haaren und einem Tweed-Sakko vor einem Kreis junger Menschen, verschlang Fisherman’s Friend in Großhandelsmengen und diskutierte über den Journalismus. Die Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten. Und wir, fünf Bewerber, saßen oben, auf einer winzigen Empore und bereiteten uns darauf vor, um einen Platz in dieser Runde zu kämpfen. Das war irgendwann im Sommer 1995.

Damals hörte ich zum ersten Mal das knurrige „Nächste Runde Hockenheim!“ Das Verkaufen von Themen an den Schulleiter-Chefredakteur Ferdinand Simoneit war an jedem Schulmorgen und bei jedem Bewerbungsgespräch die erste Übung. Und wer den Schulleiter nicht mitriss, der musste es so lange neue Ideen entwickeln, eben Runden drehen, bis endlich ein Thema für Gefallen sorgte.

Ein paar Wochen später die Zusage. Und dann 18 Monate Volontariat unter Simoneit, 18 aufregende Monate. Einerseits die Redaktionsarbeit, andererseits die Organisation der Schule. Denn eine Sekretärin gab es nicht, alle Reisen und Interviewtermine wurden von den Volontären organisiert. Der Name Simoneit öffnete Türen: Beim „Spiegel“ unter Augstein war er, hatte „Capital“ geformt, war oberster Journalist der Motorpresse.

Und so empfing uns Frank Schirrmacher – damals noch Jungstar – und Österreichs Kanzler Franz Vranitzky. Monika Wulff-Matthies überflutete uns mit einem Redeschwall, ohne dass wir Gegenwehr leisteten – wofür wir uns reichlich zornige Worte des Lehr-Herren gefallen lassen mussten. Erst blieb die Hälfte der Volontäre im Aufzug von Jörg Haider stecken, dann jagte der uns mit seiner Chamöleon-Art kalte Schauer über den Rücken. Immer galt die Regel: „Wir reden nicht mit Pressesprechern.“ Wollte kein Vorstand eines Unternehmens sich mit den Volontären treffen, blies Simoneit notfalls eine Reise ab.

Und bei all dem lernten wir schreiben. Die eigentlich ertragreichsten Schulwochen waren jene, in denen sich „der Alte“ mit seinem Ehrfurcht gebietenden Gefühl für Sprache mit unseren Texten beschäftigte. Wir haben mit ihm diskutiert, uns gerechtfertigt, uns fluchend zurückgezogen – um alles neu zu schreiben. 80 Prozent des Journalismus seien Handwerk, sagte er. Die restlichen 20 Prozent waren das, was ihn so einzigartig machte. Dieses Blog verdankt seinen Namen dem Buch, das Simoneit über den Journalismus geschrieben hat. „Indiskretion Ehrensache“ – er hat mir zum Start erlaubt, den Titel zu verwenden.

simoneit schuleDie Anekdoten um ihn könnten Bücher füllen. Da ist zum Beispiel seine Fisch-Allergie. Ob sie nur Macke oder real war ? Wir wissen es nicht. Wollten wir auf Reisen ein wenig Ruhe von ihm haben, suchten wir einen Nordsee-Ableger. Gern lief er zu Terminen mit Baseball-Kappe und legerer Kleidung auf – obwohl für die Volontäre feiner Zwirn angeordnet war. „Der Alte!“, stöhnten wir wie Teenager, die sich ihrer Eltern schämen. Bei Interviews hielt er sich raus – bis zur letzten Frage. Und die war brillant.

Wann immer wir keine Lust hatten auf normalen Unterricht baten wir Simoneit von der „Spiegel“-Affaire zu berichten. Die erlebte er hautnah mit, im Moment der Durchsuchung war er mit dem Autor der Geschichte „Bedingt abwehrbereit“ in Ungarn. Und, nein, dieser Autor war nicht Conrad Ahlers, wie es in manchen Geschichtsbüchern steht – dummerweise fällt mir sein Name aber nicht mehr ein. Die beiden flüchteten über Nacht gen Deutschland, Simoneit setzte den Kollegen beim BND ab.

Eines Tages klingelte das Telefon, ein Volontär nahm ab – Dieter von Holtzbrinck war dran und verlangte Simoneit sofort zu sprechen. Der hörte zu, nickte und sagte: „Herzlichen Glückwunsch“. Wozu? Verriet Simoneit nicht. Geheim. Am nächsten Tag erfuhren wir: Holtzbrinck hatte „Die Zeit“ gekauft.

Es waren gute Zeiten für eine Journalistenschule: Sie entließ Absolventen, die gut schreiben konnten und mit viel Selbstbewusstsein ausgestattet waren. Sie mussten sich nicht um Wohnbeihilfe kümmern, denn damals wurde noch nach Tarif bezahlt. Die meisten Absolventen kamen prima unter, eine ganze Reihe machte Karriere. Joachim Dorfs ist heute Chef der „Stuttgarter Zeitung“, Steffen Klusmann leitet die „Financial Times Deutschland“. Vielleicht wäre es, auch wenn er es nie zugegeben hätte, Simoneits größter Wunsch gewesen, dass Gabor Steingart, sein Vorzeigeschüler, es zum „Spiegel“-Chef gebracht hätte. Denn der „Spiegel“, das war für ihn immer etwas besonderes. Nun ist Steingart seit kurzem Chefredakteur des Handelsblatts. „Qualität kommt von quälen“, wurde er zitiert – es war eine von 10 Weisheiten der Georg von Holtzbrinck-Schule.

Zuletzt sah ich Simoneit vor drei oder vier Jahren. Ich besuchte ihn in Löffingen, seinem Alterssitz. Er war verdammt fit für einen Mann über 80, es war ein wunderschöner, nostalgischer Nachmittag.

Am vergangenen Sammstag ist Ferdinand Simoneit im Alter von 84 Jahren gestorben. Der deutsche Journalismus hat einen Großen verloren.

Danke für alles.

(Fotos: Georg von Holtzbrinck-Schule)


Kommentare


Alexander Hauser 8. April 2010 um 16:01

Wir hatten das große Vergnügen, daß Ferdinand Simoneit damals Gastdozent an der Berufsakademie Ravensburg war und so kamen wir auch in den Genuss seiner Lehre. Große, alte Schule!

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Harald Kaiser 8. April 2010 um 16:11

Dem Autor kann ich voll zustimmen. Ich kam 1975 als 25-jähriger Rocker zu auto motor und sport, wurde dort Sport-Reporter. Er war damals Chefredakteur, später Redaktionsdirekter der Motor Presse. Er hat mich geholt – und anschließend geprägt. Ich habe sehr viel von ihm gelernt, wofür ich dankbar bin. Unter anderem habe ich mir seine Unaufgeregtheit abgeschaut sowie die Empfehlung, sich die scheinbar Mächtigen, mit denen man es ab und zu tun hat, in Unterhosen vorzustellen. Das hat oft geholfen, bei manchem war der Lack schnell ab. Vor etwa einem Jahr habe ich mit zuletzt telefoniert. Er war putzmunter. Schade, dass er nun nicht mehr ist.

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Mathis 8. April 2010 um 16:11

( Laut Wikipedia ist der Text „Bedingt abwehrbereit“ von Conrad Ahlers verfasst, beim SPIEGEL selbst ist das nicht zu sehen: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25673830.html )

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Ulrich Toholt 8. April 2010 um 16:31

Ich bin Ferdinand Simoneit zutiefst dankbar, dass er mir als Verlagsmann den „echten“ Journalismus nahe gebracht hat. Denn er hat nicht nur die Holtzbrick-Journalistenschule aufgebaut, sondern auch für den Führungskräftenachwuchs in der Verlagsgruppe von Holtzbrick Anfang der 90er Jahre ein Management-Programm geleitet. Gerade heute wäre es angebracht, einigen Verlagsmanagern und Consultants den Wert von gutem, hintergründigen Journalismus wieder nahe zu bringen. Einer der das perfekt konnte, weilt nun nicht mehr unter uns.

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Thomas Bauer 8. April 2010 um 16:38

Danke für diesen wunderbaren Nachruf! Ich habe ihn nie kennen gelernt, aber bei der von ihm geprägten Motorpresse Stuttgart als Motorrad-Redakteur so arbeiten dürfen, wie es Journalisten immer wollen und dürfen sollten, unabhängig. Unabhängig auch von den Begehrlichkeiten von Anzeigenkunden. Dieses selbstverständlich rein redaktionell genormte Denken steht mir finanziell gesehen (als inzwischen Kleinverleger) heute noch im Weg. Und ich bin ihm dankbar dafür.

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Margaret Heckel 8. April 2010 um 16:43

Die Fischallergie war echt. Ich habe es einmal bei einem Essen erlebt, als ein nichtwissender Nebensitzer von Ferdinand Simoneit Fisch bestellt hat. Simoneit blieb höflich und hat still vor sich hingelitten.
Wie schade, diese Nachricht: Ferdinand Simoneit war ein wunderbarer Lehrer, Ratgeber und natürlich Journalist. Ein echtes Privileg, von ihm gelernt und mit ihm gearbeitet zu haben.

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Tim 8. April 2010 um 16:46

Prof. Simoneit unterrichtete an der Uni Hohenheim. Mir hat das immer viel Spaß gemacht. Er war witzig und sympathisch. Sein Unterricht war einfach anders, als ich das von der Uni gewohnt war. An seinen Sakkos baumelte ab und an noch das Etikett am Ärmel. Uns Studis konnte er wirklich gut leiden. Der Mann war einfach kult. R.I.P.

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Martin Kunz 8. April 2010 um 17:01

Ich kam als Exot (Physik-Ingenieur) in Simoneits Wirtschaftsjournalisten-Schmiede. Er hat es mich spüren lassen und so war mein Kompetenzbereich lange Zeit auf die marode Elektrik des Schulzimmers (Lichtschalter, Vorführgeräte) beschränkt. Erst durch einige Textwerke konnte ich den strengen Simoneit davon überzeugen, dass Naturwissenschaftler und Journalismus sich nicht unbedingt ausschließen müssen. Am Ende bot er mir die Adoption an – ich lehnte ab, ahnte aber, dass ich den Beruf vielleicht doch nicht verfehlt hatte.
Wir haben sehr viel von ihm gelernt: Haltung wahren, auch in schweren Zeiten!

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Hans-Robert Richarz 8. April 2010 um 17:01

Mir ist die Nachricht vom Tod Ferdinand Simoneits sehr nahe gegangen. Ich durfte bei ihm als Voilontär bei Capital das journalistische Handwerk lernen. Damals – und auch später, als er mich als Redakteur zu auto motor und sport geholt hatte – war er wie ein Vater zu mir und förderte mich nach Kräften. Ohne ihn und das bei ihm erworbene Wissen wäre mein Lebenslauf als Journalist mit Sicherheit weniger erfolgreich verlaufen.
Danke, Herr Simoneit. Schade, dass Sie uns verlassen haben.

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Jo Clahsen 8. April 2010 um 17:35

Mir wurde das Privileg zuteil, an seinen Autorenseminaren teilnehmen zu dürfen. Weg von der Motorpresse, hin in ein Kaff im Schwarzwald, wo uns Lehrer von Zwergschulen, Landräte und Pfarrer präsentiert wurden, die wir dann in Worte pressen mussten. Wenn Herr Simoneit dann als Letzter der Runde seinen Text vorlas, fiel uns der Unterkiefer runter. Schade, dass wieder einer gehen muss, der die Fahne der journalistischen Unabhängigkeit hoch hielt und uns alle ordenlich ge“quält“ hat.

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Johannes Zumbusch 8. April 2010 um 18:26

Habe gerade vom Tod Ferdinand Simoneits gehört. Ein trauriger Tag. Ich kann mich noch genau an unsere erste Begegnung im Frühjahr 1988 erinnern. Im fünften Stock des Verlagshauses in der Düsseldorfer Kasernenstraße saß mir ein freundlicher älterer Herr im Tweedjacket gegenüber. Sehr aufgeregt, war ich auf alles gefasst, nur nicht auf eine scheinbar harmlose Unterhaltung. Gepflegt unterhielten wir uns über Gott und die Welt, Golf und Schnapsbrennen. Wer und wie wir auf diese Themen kamen, es ist mir inzwischen entfallen. Nach einer viertel Stunde wurde Simoneit zu einen Telefonat nach draußen gerufen (Handys gab es damals noch kaum und wenn, waren sie zwei bis drei Kilo schwer). So konnte ich einen Blick auf die Tabelle werfen, die der Lehrherr vor sich auf dem Tisch hatte. Fein säuberlich hatte er die Volontariats-Kandidaten mit einem Punktesystem bewertet. Noch bevor er den Raum wieder betrat, hatte ich gesehen, dass mein Rang im mittleren Bereich der Tabelle lag (eine für einen Kölner sehr komfortable Position). So konnten mich seine abschließenden Fragen nicht mehr aus der gerade gewonnenen Ruhe bringen. Da meine Frau eine eigene Apotheke betrieb, hatte ich in meiner Bewerbung keck angegeben, „Erfahrung in der Führung eines Klein-Unternehmens“ zu haben. Den Titel eines „Klein-Unternehmers“bin ich während meines Volontariats nicht mehr losgeworden und habe ihn gerne getragen. Ferdinand Simoneit hat mich nicht nur journalistisch sondern auch privat geprägt. Ein wirklich großer Journalist ist von uns gegangen.

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Claus Mühlberger 8. April 2010 um 23:33

Eigensinnig und manchmal ein bisschen eitel (zum Beispiel in seiner auto motor und sport-Kolumne „Aus dem Tagebuch eine Vielfliegers“), dann wieder jovial und geradezu charmant: Ferdinand Simoneit hatte viele Gesichter. Uns Volontären hat er es Mitte der achtziger Jahre nicht immer leicht gemacht – im Gegenteil. Er war oft ein sehr strenger Kritiker.

Aber wieviele Lehrmeister haben es geschafft, dass sich ihre Thesen bei den ehemaligen Schülern so im Hirn festgebrannt haben, dass sie diese Leitsätze auch nach einigen Jahrzehnten noch fehlerfrei rezitieren? „Wohnen Sie nie schlechter als Ihre Gesprächspartner“, pflegte Volontärs-Vater Simoneit seinen Nachwuchsjournalisten einzubläuen. Ob die Controller angesichts der zu erwartenden saftigen Hotelrechnungen blass wurden war ihm völlig wurscht. Oder gab´s diesen Beruf damals noch gar nicht im deutschen Verlagswesen?

Auch in puncto Interpunktion stellte Simoneit klare Regeln auf. Er hasste das Ausrufezeichen. „Ein Ausrufezeichen dürfen Sie niemals verwenden“, sagte er uns oft, um dann schmunzelnd hinzuzufügen: „Es gibt nur eine Ausnahme, und zwar bei der Headline „Simoneit gestorben.“

Am 3. April 2010 war es soweit: „Simoneit gestorben!“ Ein Jammer.

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Alexander E. Lang 9. April 2010 um 1:24

„Dem Kollegen Lex Lang in Freundschaft zugeeignet.“ Mit dieser Widmung in seinem Buch „Die Neuen Bosse“ bot mir Ferdinand Simoneit vor gut 40 Jahren das Du an. Vorausgegangen war eine heftige Fehde zwischen ihm („sim“) als Düsseldorfer und internationaler Wirtschaftskorrespondent des SPIEGL einerseits und mir („lex“) als jungem Redakteur in der Hamburger Zentrale, der die Berichte der Außenredaktionen in Form zu bringen hatte. Viele ließen sich das gern gefallen, sim beschwerte sich wegen jeder Änderung in seinen Manuskripten bei Chefredakteur Claus Jacobi. Da dieser aber mir in den meisten Fällen Recht gab, mochte der Düsseldorfer den Hamburger zunächst noch weniger leiden.

Jetzt aber verstanden wir uns, und sim, mittlerweile Chefredakteur bei „Capital“, holte mich als seinen Stellvertreter nach Köln. Ich habe selten einen so knorrigen, mutigen und aufrechten Journalisten kennengelernt. Wir verstanden uns prächtig. Das Nummernschild seines neuen Dienstporsche „K – UW“ deuteten wir als „Kann Uns Wer!“

Auf diese übermütige Frage wurde uns 1975 Bescheid gestoßen. Sim hatte eine noch unfertige und der juristischen Nachprüfung harrende Geschichte in meiner Abwesenheit in eine grob fahrlässige Vorbmeldung umgießen und über den Ticker jagen lassen. Überschrift: “ GünterNollau ein Agent des KGB“ – ohne Fragezeichen. Das Unglück für „Capital“ nahm seinen Lauf. Nollau, hochrangiger
Abwehrchef und Günstling des mächtigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner, nahm zügig Rache. Er erstritt einen Widerruf und ein symbolisches Schmerzensgeld.

Die Kaufleute des Verlages Gruner+Jahr, ohnehin über eigenmächtige Chefredakteuren verärgert, nutzten die Gelegenheit zur Demonstration ihrer Macht. Sie stellten Simoneit kalt und ließen ihm
zur Überraschung vieler Fachleute den Essayisten Johannes Gross folgen. Ich, bis zum Auslaufen meines Fünfjahresvertrages vorerst noch Stellvertretender Chefredakteur, erinnerte den neuen Boss gelegentlich an den Wahlspruch des alten: „Wir schreiben hier nicht für die Wirtschaft, sondern über die Wirtschaft.“ Genutzt hat’s nichts.

Adieu, Ferdinand Simoneit! Wenn es denn doch ein Leben nach dem Tode geben sollte, gönne ich Dir noch viele große Portionen Cordon Bleu. Bratkartoffeln dabei und ein grüner Salat

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Joachim Weidemann 9. April 2010 um 15:04

Wir saßen nur einmal richtig zusammen: der Schulgründer senior – und der Schulleiter junior, der zweite seiner Nachfolger. Mit Gründern kann man sich nicht vergleichen, aber man sollte sich von Ihnen inspirieren lassen. Wir ließen die Alumni-Feier aus der Asche auferstehen – vor allem aber pflegten wir, was auch dem Gründer und seinem Verleger wichtig und wertvoll war: die gründliche und rücksichtslose Recherche, die verständliche und spannende Schreibe. Wenn auch die Stile sich erneuern – noch dazu im Web 2.0 und was danach kommen mag: Fakten und fundierte Meinungen werden das A und O des journalistischen Erfolgs bleiben. Das wäre ein Erbe, auf dass Herr Professor Simoneit und seine Nachfolger sicher stolz sein könnten.

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Christoph Moss 9. April 2010 um 15:17

Ich hatte die große Ehre, diese wunderbare Journalistenschule führen zu dürfen. Und obwohl Ferdinand Simoneit schon viele Jahre nicht mehr an der Kasernenstraße aktiv war, spürte ich praktisch täglich seine Anwesenheit. Er hat dieser Institution eine unverwechselbare Kultur vermittelt, die sich über Generationen gehalten hat. Ich bin sehr dankbar, dass ich mich mit ihm noch einmal über das Wesen und den Charakter der Schule austauschen durfte. Ich möchte allen, die um diesen außergewöhnlichen Journalisten und Pädagogen trauern, mein tiefes Mitgefühl zum Ausdruck bringen – verbunden mit der Hoffnung, dass sein Werk noch sehr lange Bestand haben wird. Thomas: Vielen Dank für Deine Worte.

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Tinga Horny 9. April 2010 um 15:26

Ferdinand Simoneit war in jedem Sinne noch alte Schule. Er war ein guter Lehrer, wenn nicht gerade streng. Und er mochte eckige Menschen wie mich. Allein schon deswegen mochte ich ihn. Ich habe mein Volontariat beim HB unter seiner Ägide sehr genossen. Noch heute habe ich manchmal die Wäscheleine mit den Zetteln im Kopf …

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Michael Machatschke 9. April 2010 um 15:38

Die „Bild“-Zeitung (die Simoneit sehr schätzte) würde jetzt vom „großen Simoneit“ schreiben, wäre er denn den Massen bekannt. . Zurecht. Jeder seiner Schüler – ich hatte ab 1991 das Vergnügen – hat unendlich viele seiner wegweisenden Sprüche in Erinnerung. Mir hängt noch eine persönliche Bemerkung nach, als ich in der Schule etwas vortragen sollte, mit einigen Papieren herumwirbelte und eine gewisse Anstrengung erkennen ließ. „Michael“, sagte der Lehr-Herr, „Sie hätten sich viel Mühe ersparen können, wenn Sie sich nie für die Schule beworben hätten.“ Wohl wahr – aber was wäre mir alles entgangen?
Unvergesslich bleibt mir vor allem Simoneits subversiv-alberner Humor, der nie darauf abzielte, dass alle lachen, sondern darauf, dass die Richtigen lachen. Leb wohl, verehrter großer Simoneit!

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Susann Michalk 9. April 2010 um 16:56

„Die Recherche ist der Tod eines jeden Knüllers“, pflegte Profossor Simoneit zu sagen, wenn sich ein vielversprechendes Thema zerschlagen hatte. Und weil er, wie er gestand, diesen Spruch von irgendjemandem „geklaut“ hatte, schob er der guten Ordnung halber häufig den Satz nach: „Das Plagiat ist die höchste Form der Anerkennung.“

Ich war die erste Ostdeutsche, die Anfang der 90er-Jahre auf Simoneits Schule losgelassen wurde – und die sich nicht schrecken ließ, als der Lehrherr alsbald mit einem Gegenbesuch „drohte“. Flankiert von einer aufgeweckten Volo-Runde hat Ferdinand Simoneit die Lausitz erkundet – im Braunkohlerevier, in einem nur noch von einem zahnlosen Mann bewohnten, ehemals von Umsiedlung bedrohten Dorf und in einem Cottbuser Hotel, dessen Außenfassade teilweise mit roten Sowjetsternen verziert war… Danke, lieber Ferdinand Simoneit, für jede wunderbare Schnurre, für jedes verworfene Thema, für jegliches Streitgespräch.

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Katharina Onusseit 10. April 2010 um 9:31

„Schreiben sollst du in deinen guten Stunden..“, Themen finden und verkaufen, zweite Runde Hockenheim, Weisheit der Woche, Willis Stunde, Kuchenrunde, Zettel an der Wäscheleine und gehobener Hotzenplotz: Da sitzen wir nun und erinnern uns einer Zeit, die die meisten von uns erst zu Journalisten gemacht hat. Für mich eine schöne. Zwar zählte ich nie zu den Hoffnungsträgern der Holtzbrinck-Schule – gemocht hat Simoneit mich trotzdem. Spätestens jedenfalls seit ich einem Schulgast einmal per Brief seine Honorarforderung ausgeredet habe. Fortan durfte ich an jedem Taxistand für Simoneit die Preisverhandlungen führen. Dass er mich dabei immer „Käthchen“ nannte hat mich nicht gestört. Schließlich war er so alt wie mein Vater und ich legte das als Wohlwollen aus. Wie seine Kinder lud Simoneit uns Volontäre im Sommer 1995 auch in sein Haus nach Löffingen ein. Neugierig inspizierten wir das Anwesen am Kurpark vier, von dem wir schon so viel gehört hatten und tranken Bowle auf der Terrasse. Sogar zu seinem Lieblingsitaliener führte Simoneit uns an jenem Abend aus, nicht jedoch ohne uns auf der Busfahrt dorthin wie ein guter Reiseleiter die Sehenswürdigkeiten rund um den Drehort der „Schwarzwaldklinik“ zu erklären. Kaum hatte er das Mikrophon zurückgesteckt, nahm es seine damals etwa achtjährige Enkelin Jasmin zur Hand und stellte klar: „Das war ihr Ferdinand Simoneit!“ Mensch ja, das war er: Unser Ferdinand Simoneit, unser „Lehr-Herr“ mit Bindestrich unser „Alter“ im Tweed-Jackett. Und solange nur einer von uns noch die Feder spitzt wird er das wohl auch bleiben.

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Thomas Kuhn 11. April 2010 um 20:46

Lieber Thomas,

wenn auch als Absolvent der Konkurrenz hatte ich – der ja zum nahezu zeitgleich wie Du an die Kaernenstraße kam – gelegentlich das Vergnügen, Deinen alten Lehrherrn noch mitzuerleben. Und mich hat er bei den seltenen Gelegenheiten schon sehr beeindruckt. Den Schul-Schirm, den ich bei einem der Besuche zum Dank erhielt, halte ich noch immer in Ehren. Insofern kann ich Deine treffenden Worte nur unterstreichen. Wir „Kölner“ haben Euch in Düsseldorf zuvor gelegentlich durchaus um Euren Schulleiter beneidet.

Einer (winzigen) unterlassenen Qual muss ich Dich dennoch zichtigen – nämlich der Erst-Qellen-Recherche in Sachen Ahlers. Zwar fehlt unter dem entscheidenden Artikel (http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=25673830&aref=image035/E0246/10218446.001.dp-T2P-25673830.pdf&thumb=false) die Autorenzeile. Aber wenn man dem Spiegel selbst Glauben schenken darf, dann war der gute Conny Ahlers sehr wohl (Mit-) Autor der Geschichte: „Der damalige Chefredakteur Jacobi, Verlagsdirektor Becker und Artikelautor Conrad Ahlers wurden verhaftet“.
(http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,221714,00.html).
Gruß
Thomas

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Susanne Rohmund 12. April 2010 um 11:38

„Schreiben ist doch ganz einfach: Erst ein schöner Satz, dann noch ein schöner Satz und dann noch ein schöner Satz…“ Professor Simoneits Ratschläge und Lehren wirken bis heute bei uns allen, die wir ihn als Lehr-Herren geniessen durften. Mittlerweile profitieren meine Volontäre oder Jungredakteure von seiner „Stunde der Wahrheit“, der „Wäscheleine“, dem „Schaum vorm Mund beim Kommentar schreiben“, seinem „Schön und nicht ganz falsch“ oder dem „Thema in einem Satz“. Er stattete alle seine Schüler mit einem unglaublichen Selbstbewußtsein aus und dem Glauben, dass die Presse einen Auftrag hat: Aufgreifen und verstärken. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

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Jürgen Salz 12. April 2010 um 13:25

Ich zähle zum zweiten Jahrgang der Holtzbrinck-Schule. Wir haben Daimler, Veba und die Bundesagentur für Arbeit besucht und deren Chefs ausgefragt. In die Schule haben wir uns Gäste eingeladen, die wir ausquetschen oder auch mal auseinandernehmen durften. Manager, Politiker, wichtige Journalisten kamen zu uns; auch die RTL-Moderatorin Erika Berger war auch dabei. Ich habe damals gelernt, meine Scheu vor wichtigen Interviewpartnern abzulegen.
Wenn ich heute Geschichten schreibe, denke ich oft an Ferdinand Simoneit. Beim ersten Absatz frage ich mich zuweilen, ob er denn auch einem Erdbeben ähnelt – und wie es sich noch steigern lässt. Wenn es bei einer Formulierung hakt, tröstet mich sein Motto „Qualität kommt von Quälen“. Selbstverständlich habe ich die Geschichte vorher durchstrukturiert – allerdings verwende ich dafür kein Wäscheleine mehr.
Einige Lebensweisheiten gab es noch obendrauf. Ferdinand Simoneit hat mir mal geraten, öfter Nein zu sagen. Und er hat uns beigebracht, dass Redaktionsalltag auch aus Konkurrenzkampf besteht.

Danke für alles!

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Jochen Kruse 12. April 2010 um 16:35

Mitte der 80er-Jahre bat der der ehemalige Volontär bei der Motorpresse Stuttgart (1979 – 1981) den Volontärsvater Simoneit um ein Zeugnis. Leider mit dem launigen Einstieg: „Bitte Sie um ein paar warme Worte für meinen neuen Arbeitgeber…“
Folgerichtig begann dieses Zeugnis mit: „Lieber Jochen, Sie baten mich um ein paar warme Worte…“ , was in der Personalabteilung des großen Industrieunternehmens doch manche Augenbraue runzeln ließ.
Da der Rest des Briefes dann doch viel Gutes vermeldete, erfüllte das Schreiben schließlich seinen Zweck.
RIP, Simi

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Annette Eimermacher 21. April 2010 um 9:43

Lieber Thomas,

was für ein wunderschöner Nachruf. – Das wäre nicht der perfekte erste Satz gewesen, den unser Lehr-Herr sich gewünscht hätte.
Aber eigentlich – für das eigentlich hätte ich bei Willis Stunde ordentlich löhnen müssen – ist es genau der Satz, der mir in den Sinn kam, als ich den Nachruf las.
Ferdinand Simoneit ist gestorben. Und mit ihm der Mann, der mir die Lust am Schreiben für immer ins Herz gegraben hat.
Ich hatte das Vergnügen, zu einem der ersten Jahrgänge zu gehören, mit Gabor Steingart, Joachim Dorfs und Co die Schulbank zu drücken. Ich kam von den VDI-Nachrichten, was Simoneit, bevor er mich persönlich kannte, äußerst skeptisch machte. Dann aber stellte er fest, dass ich kein Ingenieur war, nicht nur Zahlen sondern auch viele Worte im Kopf hatte und schenkte mir Gummibärchen. So begann unsere Freundschaft.
Als ich bei n-tv anfing, schrieb er mir, dass er seinem Enkel immer erzähle, die Frau auf dem Bildschirm, die würde er kennen. Das hat mich stolz gemacht.
Wir haben gestritten, wir haben gelacht, wir haben über unseren Lehr-Herrn geschimpft und getobt – wir haben ihn glaube ich geliebt.
Danke, Du hast unser Leben ein großes Stück reicher gemacht.

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@Mercedes: ich mag Dich – die Bedeutung schwacher Bindungen für Unternehmen 6. August 2010 um 17:04

[…] dar. Die meisten empfinden zu gewissen Marken Zu- oder Abneigung. Mein journalistischer Lehr-Herr Ferdinand Simoneit, zum Beispiel, liebte “Fisherman’s Friends”. Andere schwören auf Softies und […]

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Glauben Sie Gabor Steingart kein Wort 15. April 2011 um 6:40

[…] Steingart und ich teilen den Lehr-Herren: den leider verstorbenen Ferdinand Simoneit. Wird er im Grab rotieren angesichts dessen, was sein Schüler da treibt? Nein, er wird irgendwo im […]

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Steffen Hellner 23. April 2012 um 13:55

Es war anstrengend, Ferdinand Simoneit zufriedenzustellen. Es war lehrreich, seine Kritik an den eigenen Texten zu hören. Es war unterhaltsam, ihn über seinen Beruf und sein Leben sprechen zu hören. Zwei Seminare habe ich mit ihm in der Uni Stuttgart erlebt. Über jedes „druckreif“ unter einem Text habe ich mich gefreut. Noch mehr über Lob wie „Wo haben Sie diese Information her?“ Das war quasi der Ritterschlag durch den Erfinder der „Simoneit-Masche“, auf die er zu Recht stolz war. Ich denke, der Alte mochte mich auch und meine Art, dennoch habe ich den angebotenen Schritt in die Motor Presse nicht getan, wofür eine Redaktionskonferenz bei „mot“ den Ausschlag. So viel automobile Inkompetenz in elementarer Autotechnik bei sogenannten Fachjournalisten hat mich seinerzeit komplett abgeschreckt. Dazu die Arroganz, die einem jungen Studenten entgegen schlug, der selbstbewusst genug war, das Richtige zu sagen. Stattdessen ging ich nach dem Studium in die Werbung und arbeitete parallel als Fachautor. Die richtige Entscheidung für mich. Wir haben uns nie wieder getroffen, aber ich habe oft an den kleinen Mann mit dem hellwachen Verstand gedacht. Er war ein prima Lehrer, ein brillannter Schreiber und ein großartiger Motivierer.

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