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Australien, wo ich die vergangenen zweieinhalb Wochen verbrachte, ist kein normales Land. Irgendwas so um die 80 Prozent des Kontinents sind rote Wüste, irgendwas so um 80 Prozent der Bevölkerung lebt im Rest des Landes. Und diese Bevölkerung, das sind nur 20 Millionen. Weshalb in Australien fast alles kleiner ist, als in Deutschland – außer der Landschaft.

Vielleicht darf man angesichts dieser Konstellation nicht erwarten, dass ein funktionierender Medienmarkt entsteht. Ausgenommen von ein paar lokalen Ausnahmen ist er ein Duopol: Zwei Konzerne beherrschen fast alles, der eine heißt PBL, der andere ist die uns gut bekannte News Corp. von Rupert „Paid Content“ Murdoch.

Man kann nicht sagen, dass dies der Qualität der produzierten Medien zuträglich ist.

AustralianSicher, die Zeitungen sind geschmackvoll gestaltet, der „Sydney Morning Herald“ oder der „The Australian“ wirken in Sachen Optik weitaus moderner als „Süddeutsche“ oder „FAZ“.

Inhaltlich aber sind sie… schrecklich. Investigativer Journalismus darf mit der Lupe gesucht werden, internationale Berichterstattung wird in homöopathischen Dosen verabreicht (was erstaunlich ist für ein exportorientiertes Land mit einer Bevölkerung, die einen starken Migrationshintergrund hat). Verlautbarungsberichterstattung mit starkem Hang zur Sensationsheische dominiert  die Schlagzeilen.

Selbst ein blattbreites Foto des atemberaubenden Silvester-Feuerwerks ist für den „Sydney Morning Herald“, der sich selbst wohl als Qualitätszeitung sehen würde, Anlass ein wenig mit Blut zu spritzen. Unter dem Bild lautet die Unterzeile: „Simply red… the Harbour bridge was ablaze with fireworks last night als the city celebrated the arrival of the new year. In south-western Sydney a two-year-old girl was killed when the cars she was in crashed was struck by a stolen vehicle being pursued by the police.”

SMH Silvester

Nicht anders das Fernsehen, wenn es mal nicht gerade Sport sendet (die Australier sind auf alles verrückt, auf das gewettet warden kann): Die abendlichen Hauptnachrichten enthalten reichlich Meldungen über Dinge, die Australiern so passiert sind. Zum Beispiel der Elefant in Thailand, der „nearly“ zwei kleine, australische Jungen getötet hätte, als er durchging. Sie trugen ein paar Schrammen davon und einen Schreck. „In ein paar Tagen werden sie das als tolles Abenteuer im Gedächtnis behalten“, meint der Vater. Nein, das war nicht die bunte Rausschmeißermeldung der Sendung – es war die zweite Meldung.

Australian WetterUnd natürlich das Wetter. Seine Wichtigkeit ist verständlich  angesichts der Bedeutung der Landwirtschaft  für Australien. Kein Tag verging ohne neue Meldungen über wahlweise Trockenheit oder Gebiete, die nach einem oder mehreren Jahren mal wieder Regen (und somit gleich Überschwemmungen) erlebten. Der „Australian“ widmet der Vorhersage deshalb täglich eine Seite.

Auch den Wirtschaftsteil dominieren Themen, Unternehmen und Analysten, die in Deutschland deutlich weniger Raum bekommen: Agrarkonzerne, Minen, Rohstoffunternehmen. Und während in Deutschland Minenfirmen, die Schürfrechte an gewissen Gebieten besitzen, dort aber noch nicht fündig wurden, als Zockerwerte gelten, sind sie downunder Alltag in der Anlagerberichterstattung.

Die Radiolandschaft erinnert – wie so vieles – an die USA. Reichlich Musiksender plus das nicht-kommerzielle PBS, das mit der Deutschen Welle partnert.

Zeitschriften werden dominiert von Frauen- und Yellow-Press-Blättern. Auffällig aber, dass eine ganze Reihe von Koch- und Einrichtungsblättern mit toller Optik protzen. Da könnten sich die deutschen Gegenstücke mal ein Beispiel nehmen.

So ziemlich die besten Kinokritiken, die ich je las, fand ich aber im „Sydney Morning Herald“. Mehrfach wiesen Autoren auf ihre persönlichen Vorlieben und Abneigungen hin, dass sie den einen Schauspieler noch nie mochten oder ein großer Freund eine Regisseurs sind. Das macht die Einschätzung der Rezension deutlich einfacher. Ein Beispiel ist die Kritik über „Sherlock Holmes“.

Teils unerträglich dagegen ist der Schreibstil der meisten Zeitungen. Manches erinnert an Besinnungsaufsätze nach dem Motto: „Klein-Aussie entdeckt die Welt“. Aber wie mit den durchgehenden Elefanten versuchen praktisch alle Medien eine Art nationales Gemeinschaftsgefühl zu wecken, das an die USA in ihren schlimmsten Momenten erinnert.

Diese mediale Situation bei den Koalas sollten sich deutsche Politiker durchaus mal anschauen. Schließlich rufen die Medienunternehmen in Germany in diesen Zeiten, die so fruchtvoll sind wie die australische Wüste, nach der Lockerung des Kartellrechtes. Endgame nennen es die Unternehmensberater und Analysten, wenn ein Markt überreif wird und die einzige Zukunftschance der Marktteilnehmer eine immer stärkere Konzentration ist. Die Medien in Deutschland beginnen vielleicht gerade mit einem solchen Endgame.

Am Ende kommt dann vielleicht Australien dabei heraus.


Kommentare


DSDS 2010 10. Januar 2010 um 15:21

Wenn man sich die deutsche Medienlandschaft so anschaut und sich eine Weg bahnt durch das Gestrüpp der Unternehmen, dann wird man auch bei uns feststellen, dass sich meinungsbildende Macht teilweise ungesund bündelt. Gut, dass wir von solch oberflächlicher Berichterstattung noch einige Schritte entfernt sind.

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Ben 10. Januar 2010 um 15:30

Eine kleine, feine, anekdotische und sehr interessante Analyse der australischen Medienlandschaft.

Danke dafür!

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Medial Digital» Linktipps Neu » Linktipps zum Wochenstart (42) 10. Januar 2010 um 23:06

[…] Downunder droht die Zukunft […]

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Medienlinks zum Wochenstart: Paul Carr frei online lesen — CARTA 10. Januar 2010 um 23:37

[…] Downunder droht die Zukunft […]

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Ulrich Voß 11. Januar 2010 um 9:25

Kein schöner Blick in die Zukunft … Sieht die Lage im Netz genauso ernüchternd aus?

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René Schmöl 11. Januar 2010 um 23:45

Danke für den kurzen Einblick in die australische Medienwelt.

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QotD #7 « Seeing Beyond the Absurd 12. Januar 2010 um 1:11

[…] Zwei Konzerne beherrschen fast alles, der eine heißt PBL, der andere ist die uns gut bekannte News … – Thomas Knüwer […]

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Tim J. 19. Januar 2010 um 16:24

Wie lustig, ich war zur gleichen Zeit dort und habe einen sechsmonatigen Aufenthalt in Sydney beendet. Vieles hab ich ähnlich empfunden, treffend erkannt, insbesondere die Nähe zu den USA.

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