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Mein Lehr-Herr Ferdinand Simoneit versorgte uns Volontäre auf der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten nicht nur mit reichlich fachlichem Rüstzeug sondern auch mit vielen Anekdoten. Eine davon geht so:

Der Verleger des „Alb-Boten“ aus Schwaben spaziert über die Fifth Avenue in New York. Er bleibt bei einem der Zeitungsstände stehen, sein Auge fliegt über die Auslage – kein „Alb-Bote“.

Der Verleger reibt sich die Hände: „Hei na… scho wieder ausverkauft.“

So sei eben die Weltsicht mancher Verleger, war die Lehre: Sie hielten sich für die Herren der Welt, weil sie die großen Herren auf der Schwäbischen Alb sind.

Das Weltbild von Christoph Keese scheint dem ähnlich. Obwohl er doch gerne angekündigt wird als „Außenminister“ des Axel Springer Verlags und solch eine Position, möchte man meinen, beinhaltet doch einen Blick für das Große und Ganze und für das Herumkommen mit offenen Augen.

Nun aber berichtet Sebaso via Twitter – und wir nehmen mal einfach an, dass der geschätzte Sebastian Sooth da richtig zitiert – Unfassbares von einer Diskussion der Heinrich-Boell-Stiftung (mehr zu dieser Veranstaltung bei Irights).

Keese soll allen Ernstes gesagt haben:

„Wir Verleger verdienen nur 160 Mio im Netz in de, Google 2 Mrd – das kann ja nicht nur am genialen Produkt von Google liegen.“

Wo lebt Christoph Keese?

Auf dem Planeten Germania, auf dem alle Menschen Deutsch sprechen? Allein schon die Tatsache, dass Google als globales Angebot logischerweise mehr Geld einnimmt als brave, deutsche Verleger sollte ihn von solchen Äußerungen abhalten. Und dann wäre noch zu bedenken, dass Google mit seinen Suchanzeigen einen kompletten Markt gegründet hat und dort dominierend ist. Ach ja, man könnte Google für das innovativste Unternehmen unserer Zeit weltweit halten, gar für eines der innovativsten in der Geschichte.

Wer aber so etwas nicht in Relation setzen kann, der geht wahrscheinlich auch durch Palo Alto, betritt einen Kiosk, sucht nach der „Welt“, findet sich nicht und freut sich: „Schon wieder ausverkauft.“

(Gefunden bei Turi2)


Kommentare


Ugugu 21. Januar 2010 um 18:02

Wobei aus historischer Perspektive tatsächlich interessant ist – man braucht dazu nur etwas in Zeitungsarchiven zu wuseln – welche Provinzblätter vor 100 Jahren an der Fifth Avenue tatsächlich erhältlich waren, einige davon findet man 100 Jahre später gerade mal so knapp im Netz. Aber auch nur dank wirklich guten Suchmaschinen.

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Ulrike Langer 21. Januar 2010 um 19:32

Zur Klarstellung: Christoph Keese bezog sich beim Google Umsatz auf den in Deutschland erzielten Umsatz. Der weltweite Umsatz dürfte mindestens zehnmal höher liegen. (Ich war nicht bei der Diskussion, habe sie aber komplett per Livestream verfolgt). Trotzdem ist Keeses Vergleich natürlich eine Manipulation, denn er suggeriert, dass Google die 2 Milliarden mit Suchergebnissen erzielt, die auf deutsche Medienwebsites verweisen. Aber dazu gab es vor einem halben Jahr eine interessante Studie: Nur fünf Prozent der Suchen führen zu Medienwebsites (der weitaus größte Teil der Suchen bezieht sich auf Produkte und Dienstleistungen). Und damit verdient Google sein Geld, auch in Deutschland. (Google Werbe-Umsatz mit Google News weltweit außer in USA bekanntlich: 0 Euro.) War aber klar, dass dieser Tweet mit dem knackigen Vergleich die Runde machen würde. War bestimmt auch Keese klar.

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Leistungsschutzrecht – was ist das denn? bei Metronaut.de – Big Berlin Bullshit Blog 21. Januar 2010 um 21:43

[…] sein soll, wusste danach auch niemand so genau. Vor allem die Verlage nicht. Mehr Infos gibts hier, hier, hier und da die Video- und Audioaufzeichnung der […]

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Thomas Television 21. Januar 2010 um 22:16

Ich bin eigentlich überzeugt davon, dass Christoph Keese alles weiß, was wir auch wissen, und vielleicht sogar noch sehr viel mehr. Dass er solche Sachen sagt, hat also nichts mit der Weltfremde schwäbischer Verleger zu tun, er sagt das aus strategischen Gründen könnte ich mir denken. Und zwar solange und so oft bis alle anderen die Divergenz der Umsätze von Google und Springer im Netz auch für ungewöhnlich halten.

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SvenS 22. Januar 2010 um 14:43

Das was man momentan von Verlegerseite hört, klingt verdächtig nach Panik. Jahrelang hat man „dieses Internet“ für eine Spielerei von Spinnern oder bestenfalls als Spielwiese für Jugendliche gehalten. Interesse sich mit dem Medium, seinen Möglichkeiten und Grenzen wirklich auseinander zu setzen war und ist beim Führungspersonal bis heute nicht da, dazu hat man ja keine Zeit. Wahrscheinlich hat man darüber hinaus, wie seinerzeit Wilhelm II. das Automobil, das Internet für eine vorübergehende Erscheinung gehalten. Danach ist man zum Tagesgeschäft übergegangen.

Während man sich also die letzten 10 Jahre dem Tagesgeschäft gewidmet hat, hat sich aber die Welt verändert. Das Internet hat sich in alle möglichen Bereiche des Lebens und der Geschäftswelt hineingeschlichen. War bisher das Internet mit dem Schreibtisch verbunden, verliert es seit WLAN, Notebook/Netbook und nun Smartphones die Beschränkung auf einen fixierten Ort. Der erste Schritt war durch WLAN und tragbare Rechner die Eroberung der Couch und des Gartenstuhls. Seit nun Datentarife in bezahlbare Größenordnungen rutschen und damit Smartphones zum Normalfall werden ist das Internet damit zum ständigen Begleiter geworden.

Sobald die Zahl der Smartphones die der „nur Telefone“ übersteigt wird es einen neuen Schub von Anwendungen geben die wir uns heute evtl. nicht vorstellen können und die wieder etablierte Märkte verändern werden. Innerhalb der netzaffinen Bevölkerungsgruppe sind diese Themen Binsenweisheiten. Viele Entscheider in der Verlagsbranche sind aber offenbar damit überfordert darauf zu reagieren.

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SheephunteR 24. Januar 2010 um 21:21

Ich halte es allerdings für wahrscheinlicher, dass der schwäbische Verleger „Ha noi…“ gesagt hat, als „Hei na…“. Aber das nur am Rande.

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Sebs 30. Januar 2010 um 9:53

Eiegentlich ist es ja lustig, das traurigedaran ist, daß solche Leute Verbindungen anch ganz oben haben und die Politik schon in deren Sinne agiert.
Ich kann mich da nur immer weider gebetsmühlenartig wiederholen:
Soll der Herr och einfach mal 2000 Server aufwärts kaufen und betreiben und dann mal sehen ob er die, und die zugehörigen Menschen die sie bedienen, profitabel bekommt.
Selbst mit nur einem minimalen Wissen in BWL und Volkswirschaftslehre sind seine Absonderungen lächerlich und durchaus gefährlich, denn sie suggerieren das es möglichkeiten gibt solche Summen ohne die großen Investitionen die Google in Mensch und Maschine tätigt zu verdienen.
Nunja, was will man erwarten von dem Verlag der beim Thema Krautcomputing, egal ob online oder offline, Federführend ist. Selbst die hier ja immer ach so innovative Bildzeitung kopiert recht oft was in anderen Ländern vorgemacht ist und wundert sich nun wieso wir onliner das nicht spannend finden. Ich wohne zwar in Deutschland, gehe aber durchaus im Web nach Palo Alto an den Kiosk 😉
#facepalm

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Axel Springer 12. März 2010 um 11:06

[…] ist das eher nicht, Keese belustigte realitätsnähere Medienmenschen ja auch schon durch absurde Vergleiche und seine Forderung nach einer Abgabe für beruflich genutzte […]

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