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Einerseits könne man es als Zeichen für Fortschritt werden. Andererseits für Zerrissenheit. Oder für eine Scheiß-egal-was-wir-gestern-geschrieben-haben-Haltung. Oder ist es journalistische Verzweiflung, von der die Kollegen der „FAS“ gestern in Sachen Burma getrieben wurden? Liebe Kollegen von der „FAS“,

Ihr seid mir schon rechte Rabauken. Da wettert Ihr Seiten lang gegen Weblogs. Unrelevant seien die, gebt Ihr zum Besten. Jeder dürfe schreiben, was er will – wie schlimm. Eine Revolution hätte es doch geben sollen, doch die bleibe aus. Überhaupt verpuffe die Diskussion in Form eines „Ich mein ja bloß“-Gestus.

Doch, doch, habt Ihr so geschrieben. Anfang Mai war das. Vorher schon hattet Ihr mal behauptet, Weblogs seien so fürchterlich selbstbezogen. Und hattet verschwurbelt über das Verhältnis von Blogs und Journalisten philosophiert.

Weblogs, also, treiben Euch ganz schön rum, Ihr wollt es nur nicht zugeben. Aber eigentlich, Ihr kleinen Racker, habt Ihr sie doch gern. Gebt es zu. Anders lässt es sich doch nicht erklären, dass Ihr gestern das Feuilleton eröffnet habt mit einer Seite, auf der Ihr Weblog-Einträge aus Burma zusammengetragen habt:

Und bei der Auswahl dieser Quellen geht Ihr vor, als schere Euch all das nicht, was Ihr so gern an Weblogs kritisiert. „Wir haben Zeugenaussagen“ gesammelt“, behauptet Ihr, Ihr kleinen Äppelwoi-Schlitzohren. Dabei stimmt das so doch gar nicht. Nehmen wir nur das von Euch als Quelle genannte Blog von Ko-Htike. Falls Ihr es noch nicht gemerkt habt: Der Autor sitzt in London und ist ein 20-jähriger Student, der die Nachrichten einsammelt, die ihm Landsleute zukommen lassen. Angeblich zukommen lassen, ergänze ich mal mit der von Euch übernommenen Skepsis. Da ließe sich doch anmerken, dass dieses Weblog erst seit Juni existiert. Und habt Ihr Schlawiner eigentlich die entsprechende Software-Ergänzung, um aus myanmarischen Schriftzeichen schlau zu werden?

Oder diese Sache mit der BBC. Die veröffentlicht E-Mails, die sie erhalten hat. Die hat sie auch mit Sicherheit bekommen – nur ist wirklich verbürgt, dass diese Zuschriften aus dem Land selbst kommen? Und das mit dem „wir“ beim Zeugenaussagensammeln, bezog sich das dann auf eine Herzensverwandtschaft mit den BBC-Kollegen?

Ach ja, und die Seite www.xanga.com/dawn_109 – die gibt es nicht mehr.

Also, Kollegen und Kupferstecher, eigentlich findet Ihr Blogs doch klasse, oder? Steht doch dazu. Tut auch nicht weh.

Oder findet Ihr Blogs nur dann gut, wenn Ihr Platz zu füllen habt und über ein Land berichten müsst, für das der Korrespondent kein Einreisevisum bekommt?

Ich mein ja bloß…


Kommentare


XiongShui 1. Oktober 2007 um 15:34

Schlimmer noch: Die SonntagsFAZ hat sogar ein eigenes Weblog (http://planckton.de/) ganz verschämt und nur zu finden, wenn man es weiß. Ich habe es allerdings bald aufgegeben, dort zu posten. Die Herrschaften möchten unter sich bleiben.

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Tobias Gallo 1. Oktober 2007 um 15:50

Hallo Herr Knüwer!

Ich finde es eigentlich ganz gut, dass die FAS diese redaktionsinterne Pluralität hat. Ich fände eine Zeitung, in der ein Boss die Linie vorgibt und dann alle Redakteure sich dran halten müssen, furchtbar. Dass gerade Sie als Redakteur fordern, dass jemand anders Ihnen vorgibt, was Sie in ihren Artikeln zu schreiben haben und wie Sie die Dinge zu kommentieren haben, kann ich nicht verstehen. Ich finde: Redakteure mit abweichenden Meinungen sollten diese ebenfalls im Blatt vertreten dürfen – und da lobe ich mir die FAS!

Beste Grüße
Tobias Gallo

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stefan niggemeier 1. Oktober 2007 um 16:04

Und so richtig berühmt für ihren Äppelwoi ist die Mittelstraße in Berlin auch nicht.

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dogfood 1. Oktober 2007 um 17:27

Re: eMails an die BBC

Im aktuellen Podcast des Media Guardian (letzten Freitag produziert) äußert sich eine Redakteurin des World Service dazu. Tatsächlich hat \“die BBC\“ (keine Ahnung ob das nur für den BBC WS galt) bis letzten Freitag das zugesandte Material nachrecherchiert und Leute in Burma angerufen. Ab Freitag war es nicht mehr möglich, da in Burma die Telefon- und Internetverbindungen gekappt wurden. Sagt die BBC-Vertreterin.

Mag jeder mit einer Portion Skepsis nehmen, aber zumindest sind Teile der BBC nicht völlig blauäugig an die Sache rangegangen.

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Thomas Knüwer 1. Oktober 2007 um 17:36

Das wollte ich damit übrigens auch überhaupt nicht angedeutet haben. Ebenso habe ich wenig Zweifel an dem erwähnten Weblog. Ich versuchte eher ironisch zu zeigen, dass die sonst von der \“FAS\“ gern gezeigte Skepsis auch auf sie selbst angewendet werden kann.

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The Stig 1. Oktober 2007 um 18:18

Ich habe mich auch gefreut, dass die FAS die Blogger ernst genug nimmt, um sie an prominenter Stelle im Blatt zu platzieren, und mich gleichzeitig gefragt, ob sie das auch getan hätte, wenn andere Quellen verfügbar gewesen wären.

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XiongShui 1. Oktober 2007 um 20:17

Mein \“schlimmer noch\“ war ebenfalls ironisch gemeint, weil die FAZ Weblogs im Allgemeinen nur spitzen, mit sehr spitzen Fingern anfasst – gern über deren Nichtrelevanz sinniert und in Leserbeiträgen Hinweise auf Logs eliminiert, auch wenn sie einen professionellen Beitrag zum besprochenen Thema bieten.

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