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Es gab einst Herrscher, die sprachen nicht selbst, sondern flüsterten zu einem Untergebenen, der dann ihr Verdikt verkündete. So kommuniziert heute die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ in Form ihres Miteigentümers Stephan Holthoff-Pförtner. Manchmal ist es wirklich schwer, miteinander ins Gespräch zu kommen. Auf Branchenpartys, zum Beispiel, wenn niemand da ist, den man kennt. Der erste Schritt ist da meist der schwerste und gerade Deutsche haben so ihre Probleme mit dem Small Talk, den beispielsweise die Engländer so perfekt beherrschen.

Ähnlich ist es auch mit der Kommunikation im Internet. Die ersten Schritte sind oft holprig, man bekommt auch mal einen drüber. Wenn es aber einmal läuft, dann läuft es meist.

Stephan Holthoff-Pförtner scheint von solch einem Vortasten aber nichts zu halten. Er hat durch seine hingeschluderten Äußerungen beim Medienforum NRW in der Weblog-Szene mächtig einen drüber bekommen.

Zur Erinnerung seine markanten Sätze:
„Blogger verdienen nach meiner Ansicht nicht den Schutz des Artikel 5.“

„Diese Blogger und die schnellen Fotos, das ist wie Wikipedia, da kann auch mal drei Wochen stehen, der österreichische Bundeskanzler heißt Erwin Huber. Da tut sich so viel, das ist keine Alternative zu ernsthaftem Journalismus.“

Nun fühlt sich Holthoff Pförtner missverstanden, das mit dem Artikel 5 habe sich nur auf den zweiten Satz bezogen, in dem es um Pressefreiheit geht und man hofft, dass der Anwalt bei juristischen Gefechten sauberer artikuliert.

Diese Präzsierung nun lässt er verlauten per Pressemitteilung, die als Word-Dokument auf der Homepage der Waz-Mediengruppe herunterladbar ist:

„Den Vorwurf, Bloggern das Recht auf freie Meinungsäußerung abgesprochen zu haben, weist Stephan Holthoff-Pförtner, Bevollmächtigter der Funke-Familien-Gesellschaft, entschieden zurück: „Es geht mir nicht um die Meinungs-, sondern um die Pressefreiheit“, stellt er klar.

Holthoff-Pförtners Äußerung auf dem medienforum NRW, Blogger und Leserreporter fielen nicht unter Artikel 5 des Grundgesetzes, hatte gestern für Aufregung in der Bloggosphäre gesorgt.
„Artikel 5, Satz 1 des Grundgesetzes regelt das Recht auf freie Meinungsäußerung in Wort, Schrift und Bild. Und Satz 2 regelt den Presseschutz. Gerade dieser Schutz steht den Bloggern meiner Meinung nach nicht zu, weil sie keine Organe der Presse sind“, betont Holthoff-Pförtner. Besonders die in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Pressefreiheit sei aus schmerzlichen Erfahrungen der deutschen Geschichte gewachsen.

„Mit dieser Freiheit muss man sorgsam um-gehen“, so Holthoff-Pförtner. Der wichtige Satz 2 sei daher ein Privileg, das aus-schließlich für die Medien gelte. „Wenn jemand abends mal auf dem Fußballplatz den Schiedsrichter spielt, ist er ja noch kein Teil der Judikative.“

Das Recht auf Meinungsfreiheit dagegen gilt für Holthoff-Pförtner ohne Einschränkung: „Gerade die unqualifizierte Meinungsäußerung bedarf des besonderen Schutzes. Für diesen Schutz werde ich mich immer einsetzen.““

Nun kennt sich Holthoff-Pförtner bestens aus, sowohl mit Schiedsrichtern wie mit unbedarften Äußerungen. Schließlich musste er er sich als Anwalt von Skandal-Schiedsrichter Robert Hoyzer beim DFB entschuldigen für seine Behauptung, die Untersuchung des Fußball-Verbandes sei eine „Hinrichtung“.

Für solche Äußerungen, ebenso wie die inhaltlich falsche über Wikipedia, gilt auch nach seiner eigenen Meinung die Meinungsfreiheit, das wollen wir ihm also nicht ankreiden.

Was aber bedenkenswert ist, und in diesem Punkt würde ich mich freuen, wenn Holthoff-Pförtner nicht nur vom Thron verkünden lassen, sondern kommunizieren würde, ist die Frage, wen er denn als geschützt sieht von der Pressefreiheit?

Nehmen wir das ehemalige Ein-Mann-Unternehmen Günther Kress. Eigentlich waren seine Anfänge so eine Art Blog in Papierform – Pressefreiheitsschutz?

Günter Wallraff: keine journalistische Ausbildung, keine feste Anstellung – darf er presserechtlich geschützte Texte in einem Weblog veröffentlichen?

Die Blogger, die dem US-Starjournalisten Dan Rather Fehler in Zusammenhang mit einem Bericht über George W. Bushs Militärzeit nachwiesen und Rather so zum Fall brachten?

Das schwedische Blogg Friktion, der einem schwedischen Minister nachwies, dass dieser einen nicht anerkannten MBA-Titel aufführte, den er auf einer dubiosen Fernuni erworben hat?

Und was ist mit den nicht-journalistischen Bloggern, die auf dem neuen „Waz“-Portal schreiben sollen?

Das Internet hat unsere Welt so schnell und radikal verändert, dass es nicht möglich war, unsere vorhandenen Regeln behutsam anzupassen. Nicht das Internet, das geboren wurde, um unkontrolliert zu sein, muss sich den vorhandenen Regeln beugen, sondern wir müssen diese Regeln hinterfragen und anpassen an einen völlig neue Welt. Vielleicht ist auch Holthoff-Pförtner irgendwann dazu bereit. Und vielleicht lässt er es nicht verkünden, sondern spricht selbst.


Kommentare


Chat Atkins 22. Juni 2007 um 10:35

Mir fällt der Coyote in den Bugs-Bunny-Filmen ein, der mal wieder über den Rand der Klippe gerast ist, und eine tote Sekunde lang weiterhin festen Boden unter den Füßen wähnt. Weiß auch nicht, wieso …

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mona_lisa 22. Juni 2007 um 11:22

Auch ein Grundgesetz läßt sich offenbar nach Gutdünken auslegen, wenn ich das hier so lese. Okay, ich bin keine Journalistin – aber wenn ich meine Meinung zu wasauchimmer in meinem Blog äußere, unter welche Kategorie fällt dann das Medium \“Internet\“ nach seiner Meinung? Wenn er den Schutz des Artikel 5 ausschließlich für die sog. Medien sieht, dann sollte u.a. die WAZ schnellstens dafür sorgen, ihre Inhalte aus diesem \“ungeschützten\“ Medium zu entfernen.

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Lyssa 22. Juni 2007 um 11:38

mona_lisa, ich fürchte, die sehr enge Auslegung des Pressebegriffs ist nicht irgendwie nach Gutdünken entstanden, sondern Rechtsauffassung unseres Verfassungsgerichtes.

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Andreas 22. Juni 2007 um 12:21

Nicht jedes Blog zählt zur Presse. Genauso wenig wie jedes bedruckte Papier dazu zählt.

Der Veröffentlichungsform \“Blog\“ aber grundsätzlich und pauschal den Status \“Presse\“ aberkennen zu wollen, ohne auf die konkreten Inhalte und dahinterstehenden Tätigkeiten der Autoren und Betreiber/Herausgeber einzugehen, ist weder durch das (Bundes-)Verfassungsgericht, noch z.B. durch die Landespressegesetze gedeckt.

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Don Alphonso 22. Juni 2007 um 12:42

Komisch. Fast jeder PRler, Werber und sonstwie irgendwie auch nur ansatzweise pulizistisch Tätige in meiner Umgebung hat einen Presseausweis. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Aussteller solcher Ausweise, die damit den 5er bemühen, vorher das Verfassungsgericht gefragt haben. Eine Weile bekam man die Dinger vollkommen unkompliziert, wenn man was mit Internet machte. Und irgendein Schmarrnblatt für den nötigen Nachweis findet sich auch heute immer.

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Alexander 22. Juni 2007 um 12:56

„Gerade die unqualifizierte Meinungsäußerung bedarf des besonderen Schutzes. Für diesen Schutz werde ich mich immer einsetzen.“

Gut, dass der Herr sich für sich selbst einsetzt. Zeugt von Selbstbewußtsein.

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mona_lisa 22. Juni 2007 um 13:27

@Lyssa: Damit meinte ich nicht die Rechtsauffassung durch das Verfassungsgericht , sondern die Auslegung durch Herrn Holthoff-Pförtner.

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Sven 22. Juni 2007 um 14:17

Grundrechte als ein \“Privileg\“ für eine gesonderte Gruppe zu definieren halte ich schon für dreist. Ein zweiter Satz ist in meinem Verständnis keine Kernaussage sondern ein Zusatz. Einer, der neben jeder einzelnen natürlichen Person die Meinungsfreiheit auch für \“juristische\“ Personen bzw. nicht an konkreten Personen festzumachenden Institutionen ausweitet. Das \“Privileg\“ besteht darin, dass die Medien als Institution auch den Schutz des GG genießen, wie schon und sowieso jeder einzelne Bürger.

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Jörg Friedrich 22. Juni 2007 um 17:12

Jenseits der Frage nach der unbedacht-dumm-arroganten Äußerung von Herrn Holthoff-Pförtner muss eine Frage geklärt werden:

Die Frage ist, worin der besondere Schutz der Pressefreiheit gegenüber der Meinungsfreiheit konkret besteht.

Ich vermute, hier geht es darum, dass derjenige, der als Teil der Presse Informationen erhebt, in dieser Tätigkeit geschützt wird. Wenn z.B. ein Fotograf in Rostock zwischen den Polizisten und dem Schwarzen Block steht und Fotos macht, wird die Polizei heute einen Unterschied machen ob der Mann von der Presse ist oder nicht. Wenn einem Politiker eine Frage gestellt wird, wird er bei einem Journalisten eine andere Verpflichtung zur Antort haben als bei einem anderen Bürger.

Der Unterschied der Freiheit der Presse zu der der Meinung liegt also nicht in der Äußerung und Verbreitung sondern in der Erhebung der Informationen.

Blogger haben Informationen, wenn sie keine ausgewiesenen Journalisten sind, meistens nur aus zweiter Hand. Sie sind deshalb heute auf Journalisten angewiesen. Dies gilt aber, Heiligendamm und Rostock zeigen das, immer weniger. Die Digitalkamera des Zuschauers reicht immer häufiger aus, und sie ist meist auch in ausreichender Zahl verfügbar.

Andererseits: Die Informationen der Journalisten sind so schnell beim Blogger, dass er sich auch darauf stützen kann. Durch die Vielfalt der Nachrichten kann er sie auch prüfen und bewerten. Er braucht den Schutz der Pressefreiheit also gar nicht.

Blogger sollten nicht darüber nachdenken, ob sie die besseren Journalisten sein wollen. jeder sollte seinen Weg, die Meinungsfreiheit zu nutzen, suchen und ausbauen. Das wird reichen.

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Jens 22. Juni 2007 um 17:46

@Jörg Friedrich:
Es geht auch vor allem um Quellenschutz. Ist es nicht so, dass ein Blogger in den USA in Erzwingungshaft war, weil er Namen von irgendwelchen G8-Demonstranten (beim Gipfel in Seattle?) nennen sollte?

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PS 22. Juni 2007 um 18:48

@Chat Atkins:
Deine Vorstellung zum Thema finde ich schön!
Falls Du es mal brauchst: das beschriebene nennt sich \“Tex Avery-Effekt\“

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Solon 22. Juni 2007 um 19:19

Sven oben in den Kommentaren hat alles gesagt, was dazu zu sagen ist: Im Artikel 5 gibt es keine besondere Privilegierung der Presse gegenüber jedem einzelnen Bürger in Bezug auf die Meinungsfreiheit. Artikel 5 hält in Bezug auf die Presse eben nur fest, dass die Meinungsfreiheit _auch_ für Institutionen gilt und nicht nur für Menschen. Das muss besonders herausgestellt werden, weil in Artikel 1 explizit von der _Menschenwürde_ gesprochen wurde, die jetzt in den nachfolgenden Artikeln weiter ausdefiniert wird. Da \“die Presse\“ kein Mensch ist, erschien es den Verfassern des Grundgesetzes wohl als notwendig, sie hier noch einmal extra zu erwähnen.

Die Presse kann also froh sein, nicht vergessen worden zu sein in Artikel 5. Daraus, also aus Artikel 5, irgendein Privileg gegenüber Nicht-Presse-Angehörigen ableiten zu wollen, ist absolut lächerlich.

Ich hoffe, dass weitere missverständliche Äußerungen von Holthoff-Pförtner jetzt ein Ende finden. Es wäre nicht schön (und ab einem gewissen Punkt auch strafbar), wenn er weiter Grundrechte einzelner in negativer Weise relativieren würde.

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SvenR 22. Juni 2007 um 22:10

Sven, so einen Blödsinn wie

\“Blogger haben Informationen, wenn sie keine ausgewiesenen Journalisten sind, meistens nur aus zweiter Hand.\“

habe ich schon lange nicht mehr gelesen.

Nehmen wir einmal an, ich hätte ein Blog (hab keins, ohhhh). Ich bin heute morgen nach Frankfurt gefahren und habe gesehen wie der Blitz in das Commerzbank-Hochhaus eingeschlagen ist. Darüber würde ich einen Blogeintrag schreiben. Und der wäre dann aus zweiter Hand, weil ich ja keinen Presseausweis hätte, der belege, ich sei Journalist.

Herr, lass\‘ Hirn regnen.

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Jörg Friedrich 23. Juni 2007 um 16:22

Hallo SvenR,

\“meistens\“ habe ich geschrieben. Wenn Du über den Blitz schreibst, den du da gesehen hast, wird dein Artikel ziemlich kurz. Wenn du dann noch darüber schreiben willst, was in dem Hochhaus für Störungen entstanden sind, ob die Commerzbank Probleme bei der Beseitigung von Schäden hatte, usw usf dann wirst du wahrscheinlich als Blogger mehr Schwierigkeiten haben als als Journalist.

Genau deine Einstellung, dass du glaubst, nur weil du einen Blitz gesehen hast, könntest du etwas schreiben, was jemanden interessiert, ist der Grund, weshalb Journalisten sich von Bloggern abgrenzen.

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Solon 24. Juni 2007 um 19:47

Und genau diese Einstellung, Herr Jörg Friedrich, dass Journalisten meinen, nur weil ihnen der Zugang zu manchen Informationen dank Presseausweis leichter gemacht wird, hätten andere Leute kaum Interessantes zu berichten, ist der Grund, warum Journalisten oftmals von Bloggern als arrogant wahrgenommen werden.

Wenn der Journalist seine Arbeit gut macht, braucht er keine Angst vor nichtjournalistisch tätigen Bloggern zu haben. Er würde sich schlicht durch seine Arbeit abgrenzen und bräuchte den Unterschied nicht extra betonen. Der Leser ist klug genug. Er holt sich schlicht, das, was er braucht. Wenn ihn ein subjektiver Erlebnisbericht über einen Blitzschlag interessiert, wird kaum ein noch so guter Journalist ihn davon abhalten können, einen Blogeintrag darüber zu lesen. Und wenn ihn privates Blog-Geschreibsel anödet, wird kein Blogger ihn zwingen können, es trotzdem zu lesen.

Alles Naserümpfen auf beiden Seiten nutzt nichts. Das Wort verbieten kann man dem anderen nicht. Soll doch der Leser entscheiden, wem er seine Aufmerksamkeit schenkt.

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Sven 25. Juni 2007 um 17:41

Hi NamensvetteR, da haste wohl journalistisch bissl geschlampert und deine Quellen verwechselt, was? 😉

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