Im Januar feiert dieses Blog seinen 16. Geburtstag. Über 3.400 Beiträge hab ich hier geschrieben, deutlich über die Häfte befassen sich mit Medienthemen. Eigentlich dachte ich, ich habe so ziemlich alles gelesen, gesehen, gehört und darüber geschrieben.
Heute Morgen begegnete mir allerdings ein Podcast, der neue Tiefen auslotet. Wäre er von Hobby-Verschwörungstheoretikern produziert worden, sollte man ihn einfach totschweigen. Doch das ist er nicht. Er stammt vom „Business Insider“, einem Portal der Springer-Gruppe. Dieses betrieb früher in den USA brauchbaren Wirtschaftsjournalismus, ist aber inzwischen im Boulevardsumpf… nun ja… versumpft.
Jener Podcast heißt „Macht und Millionen“ und portraitiert sich selbst so:
True-Crime-Podcasts laufen in Deutschland ja sehr gut, obwohl sie produktionstechnisch weit unter dem Niveau ihrer US- oder UK-Gegenstücke liegen. Aber gut, kann man machen.
Also frisch ans Werk: Wovon handelt die erste Folge?
Von Karl-Erivan Haub.
Äh…
Ja, ja, das haben Sie schon richtig gelesen: von Karl-Erivan Hab.
Wurde Karl-Erivan Haub ermordet?
Zur Erinnerung: Karl-Erivan Haub war Chef dessen, was noch vom einst großen Handelskonzern Tengelmann übrig geblieben ist. Seit dem 7. April 2018 ist er in den Schweizer Alpen verschollen.
Und was hat das jetzt mit Verbrechen zu tun? Mit Betrug? Mit Korruption?
Lassen wir Kayhan Özgenc zu Wort kommen, den stellvertretenden Chef von Business Insider. Der Podcast beginnt mit seinen Worten:
„Es sah ja alles danach aus, als sei es ein Unfall. Es gibt bisher auch keine Beweise, dafür, dass es kein Unfall war. Aber über diesen längeren Zeitraum und über die ganzen Details, die jetzt über die Familie bekannt geworden sind und insbesondere über das geheimnisvolle Leben von Karl-Eriwan Haub, gibt es jetzt wirklich sehr viele ernstzunehmende Gerüchte – und zwar innerhalb der Familie und im Umfeld –, dass es kein Unfall war.“
Beweise gibt es keine – aber „ernstzunehmende Gerüchte“. Wenn ich Ihnen als Information mitgebe, dass Özgenc lange für die „Bild“ tätig war, ahnen Sie sicher: Seriöser wird’s auch nicht mehr – aber grotesker.
Zitat:
„Es gibt zwei weitere Theorien. Eine geht in die Richtung, dass er womöglich umgebracht worden ist. Und die zweite Theorie, dass er weiterhin lebt und zwar mit einer Frau, mit der er über Jahre ein Doppelleben geführt hat.“
Begleitet wird Özgenc von Redakteurin Hannah Schwär. Weil auch der Business Insider kein Geld in die Produktion seines Podcasts steckt, braucht es eine zweite Stimme. Denn während angelsächsiche Produktionen extra Menschen anrufen, Gespräche nachstellen, Soundeffekte mitnehmen, gibt es in Deutschland fast ausschließlich zwei Menschen, die miteinander reden.
Auch Schwär fixt den Hörer an:
„Es ist ein Verschwinden, dass möglicherweise sogar ein Verbrechen ist. Ganz sicher aber ist: Es ist ein Ereignis, das den Schleier von einer der reichsten und mächtigsten Unternehmerfamilien lüftet, in der Intrigen, Lügen und sogar Spionage an der Tagesordnung sind.“
Möglicherweise ein Verbrechen, sagen Gerüchte
Also das Verschwinden lüftete sicher keinen Schleier. Schließlich ist seit langer Zeit bekannt, dass die Haubs Anzeichen einer dysfunktionalen Familie zeigen – und dies wurde weiträumig berichtet.
Das sieht Özgenc natürlich anders:
„Wir wollen spektakuläre Wirtschaftsaffären neu beleuchten. Affären, an denen wir jahrelang recherchiert haben… und mit den Betroffenen gesprochen haben. Und jetzt versuchen wir uns der Wahrheit zu nähern. Ich finde das ist ein ganz wichtiger Punkt, uns so verstehe ich auch meinen Beruf als Journalist, wir sind auch Wahrheitssucher. Wir versuchen immer der Wahrheit zu nahe wie möglich zu kommen. Das ist jedenfalls mein Anspruch. Und bei diesem Fall… ist es besonders schwierig, der Wahrheit so nahe zu kommen.“
Also, außer natürlich die Wahrheit wäre ganz schlicht: Dass Karl-Eriwan Haub, wie andere vor ihm, beim Extremskifahren verunglückt ist. Dann wären wir alle der Wahrheit sehr, sehr, sehr nahe – der Podcast wäre allerdings nicht so spektakulär.
Denn, wie Özgenc superlativt:
„Das hat es noch nie gegeben, dass ein Milliardär, ein Unternehmenschef einfach so in einer Gletscherspalte verschwunden ist.“
Interessant ist natürlich, dass Özgenc weiß, dass Haub in einer Gletscherspalte verunglückt ist – dieses Wissen dürfte er tatsächlich exklusiv haben.
Aber Haub ist nicht der erste Mensch seiner Position, der auf vergleichbare Art und Weise ums Leben gekommen ist:
- Robert Maxwell ist einst beim Pinkeln an der Reling von seiner Yacht gefallen und ertrunken.
- Quicksilver-Chef Pierre Agnes ist ebenfalls auf See verschollen.
- Jens-Olaf Bartels, der ehemalige Fiducia-GAD-Chef ist bei einem Skiunfall umgekommen.
Und das sind nur drei Beispiele von vielen.
Von Minute zu Minute verirrt sich das Ansagerpaar im Dickicht der Realität und dem Dschungel der deutschen Sprache. Beispiel Schwär:
„Am nächsten Tag startet eine großflächige Suche mit Hubschraubern, Wärmebildkameras, mit Suchhunden, also wirklich ein unvergleichbarer Aufwand für diesen Mann.“
Unvergleichlich? So wie der Einsatz von Hubschraubern, Wärmebildkameras und Suchhunden bei Mordfällen, der Suche nach Bewaffneten oder Autodieben?
„Inzwischen weiß man fast jedes Detail über diese Familie.“
Nein, weiß man nicht.
„Aber die Familie hat ein bisschen Pech, es fällt mehrere Meter Neuschnee, die Temperaturen liegen im Minusbereich und die Hoffnung schwindet Tag für Tag.“
Ja, bisschen Pech. Schnee halt, machste nix.
Es gibt auch viele Passagen, die an längst vergangene Edgar-Wallace-Zeiten erinnern:
„Wir haben Akten hier…“
„Er bucht 2 Übernachtungen. Wir wissen jetzt, die zweite Übernachtung wird nie stattfinden.“
„Warum bricht ein Milliardär alleine in einem der gefährlichsten Gletschergebiete Europas auf? Hat der keine Bodyguards?“
Kein Geheimnis: Haub trainiert für die Patrouille des Glaciers, eines der schwersten Skibergsteiger-Events der Welt.
„Minutiös“ ließen sich Haubs letzte Stunden nachvollziehen. Nach Business Insider-Maßstäben, natürlich. Und die sehen so aus: Um 19 Uhr kauft Haub etwas in einem Sportgeschäft, „danach geht er wohl zurück ins Hotel, schläft dort.“ Abendessen vor einem schweren Training? Anscheinend nicht.
Und immer wieder ballern Özgenc und Schwär dem Hörer in die Birne wie wahnwitzig geheimnisvoll Karl-Erivan Haub gewesen sein soll.
„Und er war, das ist glaube ich ein ganz wichtiger Punkt, ein sehr geheimnisvoller Mann.“
Er sei immer wieder ohne Bodyguards aufgebrochen, weil er „Geheimnisse hatte, die er vor seiner Familie, vor seinen Freunden, vor der Öffentlichkeit verbergen wollte“.
Es sei jetzt erst, anderthalb Jahre später, „Stück für Stück rausgekommen“, was in der Familie „abgegangen“ ist.
Kommen wir also zur wichtigen Frage, die nach Meinung der Gesprächspartner die offensichtlichste ist:
Schwär: „Warum heißen die eigentlich alle Eriwan?“
Özgenc: „Ich habe Karl-Erivan mal kennengelernt…“
Schwär: „Weil auch der Sohn so heißt. Über drei Generationen heißen die alle gleich…“
Özgenc: „Das hängt damit zusammen, dass die Familie eine frühere Abstammung aus Armenien hat. Ganz, ganz früher kommt die Familie aus Armenien.“
Ist dem so? Am 11.4.2009 schrieb die „WAZ“ in einem sehr tiefen Familienportrait noch dies:
„Unterdessen ordnet Karl Schmitz-Scholl sein Privatleben: 1895 heiratet er Elisabeth Weynen, Tochter des Technischen Direktors der Bergeborbecker Zinkhütte. Die Hütte ist in belgischem Besitz, und auch der Direktor ist Belgier – was freilich seinen erstaunlichen Vornamen nicht erklärt: Er heißt Erivan; als Vorname ist das in Belgien so ungewöhnlich wie überall sonst auch. Selbst in der Familie weiß man heute nicht, wie die Vorfahren einst auf Erivan gekommen sind. Dennoch: Der 1896 geborene Sohn von Karl und Elisabeth Schmitz-Scholl heißt Karl Wilhelm Erivan Schmitz-Scholl, und auch über folgende Generationen hat man das geheimnisvolle Erivan traditionsbewusst fortleben lassen, wiewohl das braven deutschen Standesbeamten mangels Präzedenzfall schlaflose Nächte bereitet haben mag.“
Immerhin: Den Alten hat der Killer nicht erwischt
Ganz wichtig aber ist noch ein Hinweis zu Erivan Haub, dem Vater von Karl-Erivan. Der Patriarch, sei „übrigens wenige Wochen vor dem Verschwinden von Karl Eriwan gestorben ist, aber in einem betagten Alter und wirklich ne natürliche Art und Weise“.
Puh, tief durchatmen. Den Alten hat der Killer nicht erwischt.
Kommen wir nochmal darauf zurück, dass Özgenc Haub „mal kennengelernt“ hat. Er hat ihn im März 2016 interviewt für die „Bild“. Zwar sagt er im Podcast, dies sei 2017 gewesen, aber mit Details nimmt es hier wirklich keiner genau.
In diesem Gespräch betonte Haub, und das kann der Hörer als einzigen Soundschnippsel auch tatsächlich hören, dass die Familie sich gut verstehe.
Dies wertet Schwär als jahrelange Lüge. Und Özgenc sagt: „Das ist unfassbar, wenn ich das jetzt nochmal höre… Wenn man es hart ausdrückt, ist dass er mich glatt angelogen hat.“
Überraschend ist, dass ihn das überrascht. Denn er hätte das ja wissen können. Schon 2009 beispielweise schrieb das „Manager Magazin“ über die Haubs:
„Nach außen demonstriert die Sippe Eintracht, hinter den Kulissen aber rumort es. Längst geht ein Riss durch die Familie…
Die beiden Fraktionen sind uneins über die Ausrichtung der Unternehmensgruppe; manchmal dreht sich der Streit sogar um Details wie die Höhe der Vergütung von Beratern…
Besonders heftige Auseinandersetzungen gab es vor gut zehn Jahren, als das Imperium vor dem Untergang stand…“
Warum hat Özgenc also nicht nachgehakt? War er schlecht vorbereitet auf das Gespräch?
18 Minuten sind im Podcast vergangen und noch immer ist kein Verbrechen begangen worden. Das muss sich dann doch langsam ändern:
Schwär: „Fangen wir erstmal vielleicht mit der ersten Theorie an, dass es vielleicht ein Verbrechen sein könnte. Da spielt nämlich jetzt ne Rolle, dass sich Karl-Erivan sehr viele Feinde zu seinen Lebzeiten.. oder.. na ja, wir wissen es nicht, ob er noch lebt oder nicht…
Özgenc: „Wir nennen ihn mal den Verschollenen.“
So framed man einen bei Skifahren Umgekommenen mal schnell zur ermordeten Person.
Aber wer mag der Täter sein?
Der Gärtner?
Der Butler?
Viele Feinde habe Haub sich gemacht. So einen Bodyguard, den er des Geheimnisverrats zichtigte, was vor Gericht endete. Anscheinend nach seinem Haub-Interview bekam Özgenc einen Hinweis auf dieses Verfahren:
„Ich habe dann einen Hinweis bekommen, dass der Anwalt in Bonn sitzt. Habe diesen Anwalt angerufen, bin nach Bonn geflogen, habe mich mit ihm getroffen…“
Doch wessen Anwalt war dies? Wohl kaum der von Haub.
Später im Podcast wird Özgenc sagen: „Da sind ja noch weitere Akteure dabei. Da gibt es PR-Berater, Rechtsanwälte, die versuchen, einen bestimmten Spin hinzubekommen. Und da müssen wir natürlich auch als Journalisten aufpassen, dass wir uns, weil wir ganz tolle Dokumente präsentiert bekommen…, nicht vor den Karren spannen lassen.“
Würde ihm natürlich nie passieren. Denn jener Anwalt, warum hat der ihm die Akten überlassen?
„Das Verfahren war schon länger her. Es ist nicht öffentlich geworden und er hatte das Gefühl, dass er etwas Gutes damit tut.“
Nun gut, es gab ja noch einen Überwachungsfall. Und der muss im Duktus von „Macht & Millionen“ – klar – „noch spektakulärer“ sein. Denn Haub habe seinen Bruder Georg ausforschen lassen. Georg sei „das schwarze Schaaf der Familie, der irgendwie nichts auf die Reihe gekriegt hat, dem man auch nichts zugetraut hat, der verschiedene Ehen hatte und Kinder gezeugt hat und beruflich nie ziemliche Null war. Das war auch in der Familie klar.“
Harsche Worte. Erst recht, wenn das „Manager Magazin“ richtig läge, das 2009 schreib: „Georg (47), der mittlere der Haub-Brüder, ist ebenso reizend wie Karl–Erivan und Christian, aus gesundheitlichen Gründen aber nicht voll einsatzfähig.“
Und auch der Vater der drei Brüder schien nicht ganz so klar von Georg Haub abgewandt, wie der gleiche Artikel berichtet:
„Auf der einen Seite stehen der Vater und Sohn Georg, der ihm besonders ans Herz gewachsen ist, weil er sich in ihm wiederzuerkennen glaubt, auf der anderen Karl-Erivan und Christian.“
Mehr noch: Das angeblich so schwarze Schaf, die berufliche Null, machte Christian Haub zu seinem Trauzeugen, als er im Mai 2018 heiratete. Hat der nix gemerkt?
Die Familienverhältnisse sind also eventuell einen Hauch komplexer, als man es im Podcast zu hören bekommt. Dort wird stattdessen ein Familienbild von der Haub-Ranch in Wyoming seziert wie eine Familienaufstellung beim Psychiater. Dieses Bild wurde übrigens im „Manager Magazin“ abgedruckt. Obwohl das Magazin weitaus länger schon über die Haubs berichtet, wird es konsequent ignoriert.
ABER WER WAR DENN DER VERDAMMTE MÖRDER?
Aber wer hat denn nun den Konzernchef in über 3.500 Metern Höhe in eine Gletscherspalte gestoßen? Vielleicht war es Mutter Helga? Weil sie wusste, wie schlimm sie nach dem Tod ihres Mannes behandelt werden würde (ich weiß auch, dass das keinen Sinn ergibt…)?
Denn Erivan Haub, also der Vater von Karl-Erivan, liegt auf jener Familienranch in Wyoming begraben. Özgenc sagt:
„Christian Haub hat seiner Mutter Helga, und das ist jetzt kein Gerücht, sondern Fakt, hat seiner Mutter Helga verboten, an das Grab ihres Mannes in Wyoming zu gehen.“
Fakt ist das!
Jawoooohl!
Faaahaaakt!
Das sollen sie auch mal der „Süddeutschen“ sagen. Die schrieb nämlich am 17. Oktober 2020:
„Im Oktober 2019 ließ Christian Haub sie über einen seiner New Yorker Anwälte wissen, sie solle bitte vorerst nicht einplanen, auf der Ranch zu übernachten. Generell würden Besuche eingeschränkt. Grund dafür sei, dass Wertgegenstände abhanden gekommen seien. Zudem sollen die Kosten zur Bewirtschaftung des Anwesens heruntergefahren werden. Das Personal auf der Ranch sei angewiesen worden, Besuch bis auf Weiteres abzuweisen, es sei denn, er genehmige es ausdrücklich. Er würde sich aber freuen, ihr zu helfen, falls sie das Grab ihres Mannes besuchen wolle, wenn es denn zugänglich sei. Aber zum Übernachten müsse sie woanders hin. Er habe auch Verständnis, falls sie ihre persönlichen Gegenstände aus ihrem Landhaus vermisse. Gern schicke er ihr diese zu, wo immer sie sei.“
Spannend, das alles, oder? Aber, der Mord, was ist denn nun mit dem Mord, Frau Schwär?
„Nun müssen wir ganz kurz auf die dritte Theorie, neben den Feindschaften, die Karl-Eriwan so gepflegt hat, zu sprechen kommen…“
Die Feindschaften sind jetzt also eine Theorie? Und was ist mit dem Unfall, der angeblich keiner war? Die Diskussion ist hiermit beendeet.
Stattdessen geht es nun mit Schwär um „das mutmaßliche, oder musst Du gleich mal sagen, ob das mutmaßlich ist, aber das Doppelleben dieses Milliardärs.“
Haub hatte, dies ist erst kürzlich bekannt geworden, 15 Jahre lang eine Geliebte in Russland namens Veronika. Haubs Ehefrau wusste davon, „es war wohl ein Arrangement“. Ist dies dann nicht das genaue Gegenteil eines Doppellebens?
Jene Dame soll seit anderthalb Jahren nicht auffindbar sein, sagt Özgenc:
„Und deshalb gibt es diese Theorie und diese Theorie habe ich mir nicht ausgedacht, sondern das haben wirklich Leute im Umfeld und aus der Familie gesagt, dass sie es für am Wahrscheinlichsten halten, dass Karl-Eriwan Haub mit dieser Veronika jetzt an einem geheimen Ort lebt und dieser Unfall nur eine große Geschichte war, damit er abtauchen kann.“
Denn angeblich soll ein zweistelliger Millionenbetrag fehlen und Hab habe sich einen russischen Pass „besorgt“ haben.
Also könne es doch sein, dass er noch lebt.
Schwär: „Das zeigt auch der Streit ums Erbe.“
Denn Ehefrau Katrin Haub glaube oder wünsche sich, dass ihr Mann noch lebt. Deshalb wolle sie verhindern, dass er für tot erklärt wird: „Sie will ihren Mann noch nicht aufgeben.“
Ist doch egal, dass andere schreiben, Frau Haub streite sich mit der Familie darüber. wer die Erbschaftssteuer von 450 Millionen Euro zahlen solle. Denn DAS kann echt nicht der Grund sein, weiß Vermögensexpertin Schwär:
„Jetzt mal blöd gefragt. Das ist doch ne reiche Familie. Ich würde mal sagen, 450 Millionen, kann man doch mal locker so auftreiben.“
Özgenc sieht das auch so: „Geld ist auf jeden Fall genug da.“
Nun ja. Das Vermögen der Familie wurde vom „Manager Magazin“ 2019 auf 3,4 Milliarden Euro geschätzt. Am Anfang spricht Schwär von 4,5 Millionen, vermutlich ist sie beim Googlen mausgerutscht und auf diese mittelmäßig seriös erscheinende und nicht aktuelle Seite gekommen.
Teilen wir diese 3,4 Milliarden durch drei und ziehen von der sich ergebenden 1 Mrd. fast die Hälfte ab, dann ist das immer noch sehr, sehr viel Geld. Nur reden wir eben nicht über Barbestände, sondern über die Bewertung des Vermögens. Und das bedeutet, um diese Summe zahlen zu können, müssen Anteile, Häuser, Grundstücke oder worin auch immer das Geld steckt, verkauft werden.
Oder wie Schwär es sagen würde: Man treibt das locker auf.
Am Ende dieses Kampfes, so wollen Schwär und Özgenc vermitteln, leidet das große, traditionsreiche Unternehmen Tengelmann.
Schwär: „Es geht auch um das Unternehmen. So wie ich das aus Deinen Artikeln verstanden habe, ist das Unternehmen durch diesen Familienstreit existenzbedroht, da geht’s um Begriffe wie Zerschlagung… Dieses Traditionsunternehmen ist in Geiselhaft der Eigentümerfamilie geraten.““
Ähm… Na ja.
Eher nonchalant wird über den Fakt gewischt, dass Tengelmann als operatives Unternehmen gar nicht mehr existiert. Tengelmann 2020 ist eine Vermögensverwaltung der Familie mit 40 Mitarbeitern. Weshalb das ganze Gerade über einen Machtkampf im Unternehmen sich reduzieren lässt um einen Kampf um das Familienerbe – aber das wäre natürlich weniger spannend.
Womit wir dann aber beim eigentlichen Versprechen dieses Werkes wären. Ist Karl-Erivan Haub nicht verunglückt, sondern in hoher Höhe gemeuchelt worden? Oder hat er sich aller Verpflichtungen mit seiner russischen Geliebten entledigt?
Kayhan Özgenc und Hannah Schwär liefern in „Macht & Millionen“ dafür exakt so viele Indizien (wir wollen nicht mal von Beweisen reden) wie irre Verschwörungstheoretiker für die These, dass Elvis noch lebt und an einer Tankstelle arbeitet oder Hitler eine Basis auf der Rückseite des Mondes errichtete.
Dieses Pocast-Machwerk ist Hörerverdummung und sollten auf den Journalistenschulen der Republik als Musterbeispiel dafür gehört werden, dass es im angestrebten Berufsfeld Akteure unterwegs sind, die mit Moral, Ethik oder professionellem Handwerk abgeschlossen haben.
Kommentare
Sven Hansel 9. Dezember 2020 um 19:41
Anlässlich der Verleihung eines Journalistenpreises 2018: "Auch Festredner Kayhan Özgenc hob in seiner Ansprache die Bedeutung sorgfältiger und hartnäckiger journalistischer Nachforschungen hervor. „Die investigative Recherche ist das pochende Herz des Journalismus“, sagte Özgenc, Mitglied der Chefredaktion der Bild am Sonntag."
Hörst Du es schlagen, das pochende Herz? Das zuckende Herz der Gletscherspalte.
OMG
Karsten Freimuth 17. Dezember 2020 um 12:21
Ich finde den Artikel bzw. Podcast von Herrn Kayhan Özgenc sehr gut.
Natürlich ist das keine wissenschaftliche Abschlussarbeit an der Universität, aber dennoch gut journalistisch aufgearbeitet. Ist doch ok. Der Leser bzw. Zuhörer hat zumindest die Möglichkeit, die Dinge selbst zu interpretieren.
Ich bin kein Journalist.
Aber ein recht naher Nachbar von Familie Haub in Köln.
Und ja, Herr Haub war geheimnisvoll. Ich könnte viel schreiben, mache ich aber nicht.
So wie sich der Kommentar von Thomas Knüwer liest und vor allem das detaillierte Sezieren des Podcast, komme ich zu der Meinung dass Herr Knüwer nicht unbefangen schreibt.
Keiner gibt sich soviel Mühe, um ein Podcast zu verunglimpft.
Lieber Herr Knüwer, wenn Sie leidenschaftlich so ausgiebig über wilde Theorien rezensieren, dann gucken Sie besser kein RTL 2 o. ä.
Ich als unmittelbarer Nachbar bin dankbar für die Arbeit von Kayhan Özgenc.
Und das schreibe ich aus tiefster Überzeugung – ohne dass ich dafür gebeten werde. An Geldzuwendungen möchte ich gar nicht erst denken.
Thomas Knüwer 17. Dezember 2020 um 14:49
Lieber Karsten Freimuth, ist das wirklich Ihr Ernst?
Nein, dieses Machwerk ist keine "wissenschaftliche Abschlussarbeit". Aber es unterfliegt jedes Maß, dass man an journalistische Arbeit anlegen sollte. Wenn ich behaupten würde, Sie, bester Karsten Freimuth, hätten ihre Großmutter gemeuchelt, hätte ich genauso viele "Beweise" für diese unsinnige Behauptung, wie Herr Özgenc für die seinen.
Mir dann Befangenheit vorzuwerfen, das kenne ich von Menschen, die zu viel Quellen wie Bild, Welt oder eben Business Insider konsumieren. Aber nur um es festzuhalten: Ich habe in den vergangenen 16 Jahren in diesem Blog über 3.400 Artikel verfasst, viele davon kritisieren Medien, eine ordentliche Zahl tut dies en detail. Und übrigens: Ich schaue kein RTL2. Wenn aber der Maßstab für Business Insider das Programm von RTL2 ist – dann wäre das natürlich ein drastischer Absturz für Herrn Özgenc.
Sie selbst finden überhaupt kein Indiz, dass meine Kritik widerlegen würde. Vielleicht gibt Ihnen das zu denken.
Karsten Freimuth 17. Dezember 2020 um 17:15
Lieber Herr Knüwer,
Danke für Ihre Antwort.
Ja, es ist mein Ernst. Ich bin dankbar für den Podcast, gerade deshalb, weil ich Nachbar bin und die Dinge vor Ort mit dem Gesagten recht gut zu beurteilen weiss.
Herr Özgenc sagt im Podcast, dass der ehem. Personenschützer Felix W. der Haubs vor Gericht zog. Das finde ich sehr merkwürdig. Da muss doch irgendetwas Schlimmes vorgefallen sein. Warum wurde der MANN., WIE ES HEISST, BESCHATTET? Zumal so sehr, dass er vor Gericht auf Unterlassung klagte.
Was muss ein Personenschützer machen, dass er für 2 Mio. Euro observiert wird?
Auf jeden Fall kein geklautes Tafelsilber bei ebay verkaufen.
Wie bereits erwähnt, könnte ich hier viel schreiben – die eine oder andere Peinlichkeit sickert immer durch: Personal ist nicht Familie – und das redet irgendwann und irgendwo auch!
Und glauben Sie mir mit Verlaub, ich kann es vor Ort besser beurteilen als Sie. Die Menschen hier, insbesondere die Alteingesessenen, reden miteinander.
Ich kann mich nicht negativ über Familie Haub äußern, sie traten nach außen hin immer bescheiden auf.
Dass hier von verschiedenen Seiten gezielt Informationen gestreut wurden, ist mir schon bewusst – der Wink mit dem Zaunpfahl kommt mit dem Kommentar von Herrn Özgenc, dass er sich nicht vor den Karren spannen lässt.
Dennoch bleibe ich dabei: als unmittelbarer Nachbar, bin ich dankbar für die Infos, die ich der Presse entnehmen kann. Der Artikel von Herrn
Özgenc ist eine Bereicherung. Und es soll Ihr gutes Recht sein, das zu kritisieren.
Fakt ist aber auch, und dabei möchte ich es belassen:
auch unter Herrschaftshäusern verlaufen Abwasserkanäle – und das ist empirisch bewiesen.
Thomas Knüwer 17. Dezember 2020 um 22:55
Ne, damit lasse ich Sie nicht von der Leine. Dieser Podcast behauptet, Karl-Erivan Haub sie nicht eines natürlichen Todes gestorben – und liefert nicht mal den Hauch eines Indizes. Er behauptet dann, es sei das Wahrscheinlichste, er habe sich mit seiner Geliebten nach Russland verzogen – auch hier nicht mal der Haus eines Beweises.
Wildeste Behauptungen ist nicht besser als "querdenken" oder zu behaupten, Bill Gates beherrsche die Welt.
Martin 2. Januar 2021 um 11:14
Ein interessanter Bogbeitrag! Vielen Dank!