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Heute vor 40 Jahren wurde der Begriff „Gimmick“ in die deutsche Sprache eingeführt.

Ja, ehrlich. Kannte man vorher nicht. Doch am 13. Oktober 1975 erschien das erste „Yps“-Heft und dessen wöchentliche Spielzeug-Beigabe erhielt diesen Titel. In Frankreich hieß diese übrigens Gadget und so erging diese Vokabel der Einführung in Deutschland durch die Verlagsentscheidung von Gruner + Jahr…

Yps Nummer 1Nicht nur im Vokabular veränderte das Heft meine Generation. Sechs war ich beim ersten Erscheinen und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich von Anfang an Leser war (an das Katapult des ersten Heftes kann ich mich jedenfalls erinnern). Jede Woche kaufte ich es beim Tabak- und Zeitschriftenhandel Balster in meinem Heimatort Senden, es war meine Lieblingslektüre zu dieser Zeit. Dank der Gimmicks lernten wir die Welt neu zu sehen und zu erkunden. Da gab es ein Periskop zum um die Ecke gucken, die legendären Urzeitkrebse, die mexikanischen Springbohnen (die leider Tierquälerei waren) oder Gimmicks, die mit Magnetismus spielten. Erstaunlicherweise kann ich mich nicht mehr an den Solarzeppelin erinnern, der anscheinend bei so vielen im Kopf geblieben ist.

„Yps“ machte aus uns Kindern Forscher, Entdecker, Erkunder – und Technikliebhaber. Vielleicht ist es bezeichnend, dass ich mich noch an viele Comics aus jener Zeit erinnern kann, jedoch nicht wirklich an die Serien aus „Yps“. Neben dem Namensgeber fallen mir noch Pif & Herkules ein. Doch ansonsten?

In der vergangenen Woche kam mir „Yps“ unabhängig von seinem heutigen Geburtstag in den Kopf. Und das hat mit einem unserer Kunden und dem  Barcamp Düsseldor zu tun. Letzteres campte am vergangenen Wochenende – und es waren wieder zwei wundervolle Tage (Disclosure: kpunktnull war erstmalig Sponsor der Veranstaltung).

Ich meldete dort einen Vortrag an, dessen Thema mich seit längerem umtreibt. Titel: „Print ist geil!“

Natürlich war das anders gemeint, als es der geschätzte Herr Fiene tweetete.

Seit über einem Jahr arbeitet kpunktnull für die drupa, die weltweite Leitmesse für Druck, Papier und Verpackung, die 2016 wieder in Düsseldorf stattfinden wird. Eines der Projekte ist das drupa-Blog, in dem es wochentägliche Branchennachrichten gibt und außerdem mehrfach pro Woche Geschichten rund um Innovations- und Trendthemen bis hin zum 3D-Printing. Ständig überrascht mich unser Autorenteam dort mit der Innovations-Power der Druckindustrie. Es gibt so viele, großartige Beispiele, was man mit dem Bedrucken von Papier, Pappe und Zellstoff anfangen kann. Und, nein, praktisch keines dieser Beispiele kommt aus Deutschland.

Hier mal einige Beispiele, die ich auch beim Barcamp erwähnte:

Nivea Brasilien lieferte per Zeitschriftenanzeige ein Papp-Armband mit buttongroßem Aufsatz, der sich via Bluetooth mit einer Handy-App koppeln ließ. Das Armband kommt ans Kinderhandgelenk und wenn der Nachwuchs am Strand die Bluetooth-Reichweite verlässt, wird ein Alarm ausgelöst.

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Aus dem gleichen Haus: eine Anzeige mit Solarzellen und USB-Anschluss zum Aufladen des Handys.

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Oder – schon wieder aus Brasilien – das Magazin, das sich dank Coke als Anzeigenkunden in eine Boombox verwandelt:

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Eine Zeitung aus Sri Lanka mischte Citronella in ihre Druckfarbe und vertrieb so Mücken, die Dengue-Fieber verbreiten:

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Microsoft dagegen schenkte „Forbes“-Abonnenten eine Pappanzeige, die ein Wlan aufbaute und die sich sogar wieder aufladen ließ:

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Natürlich ist vieles davon verspielt und ohne dauerhaften Mehrwert. Aber war das nicht mit den „Yps“-Gimmicks genauso? Und warum wagt nicht mal wenigstens ein Verlag mal einen Versuch? Warum will nicht mal einer für einen Tag ypsig sein? Dass so etwas dem Leser gefallen könnte, scheint kein Argument zu sein. Bei der Erstausgabe der deutschen „Wired“ hatten wir die Idee, das Cover mit Neonfarbe bedrucken zu lassen, so dass es im Dunkeln geleuchtet hätte. Das wäre nicht billig gewesen – aber ein schöner PR-Coup. Ergebnis: zu teuer. So teuer war es aber eigentlich gar nicht.

Ich glaube, dass es für Zeitschriften heißt: Von „Yps“ lernen, heißt siegen lernen. Unter anderem durch Drucktechnik lassen sich heute jene Momente der Verzauberung erzeugen, die uns „Yps“ in der Kindheit schenkte, in wir für ein paar Minuten überrascht, gespannt, begeistert oder verwirrt waren, Momente, in denen sich der Blick auf die Welt ein klein wenig veränderte, sei es auch nur temporär.

Dies ließe sich ja auch von Anzeigenkunden finanzieren. Nur müssten auch die mit den Möglichkeiten der Drucktechnologie bekannt gemacht werden. Und hier liegt vielleicht die Crux: Vielleicht wissen die deutschen Verlage selbst nicht, was möglich wäre? Oder die heimischen Werbeagenturen? Oder ist in den Anzeigenabteilungen der Medienkonzerne bisher niemand auf die Idee gekommen, etwas anderes zu verkaufen als Anzeigenraum?

Dabei besteht ja gleich die nächste Chance und in diesem Fall könnte Buzzfeed das Vorbild sein. Denn dort können ja keine regulären Anzeigen geschaltet werden. Vielmehr muss der Werbekunde mit den Kreativen der Plattform arbeiten um Formate zu entwickeln, die zu Buzzfeed passen. Folge: Buzzfeed erhält logischerweise mehr Geld. Genau dieses Modell ließe sich von Print-Konzernen kopieren, wenn sie mehr anbieten können, als nur Papierplatz.

Und selbst wenn man „Yps“ nur kopierte und um das eigene Produkt Plastik hüllte, um neben einer Zeitschrift noch ein Gimmick zu servieren, gäbe es  Möglichkeiten – das demonstriert Quarterly. Dieses Startup erlaubt das Abonnement (und den Einzelkauf) von Wundertüten für Erwachsene. Weil wir aber erwachsen sind (und in der Regel finanzkräftiger als mit sechs Jahren) sind es Wunderpakete. Zusammengestellt werden sie in Kooperation mit prominenten Kuratoren, so dass man zumindest die Richtung kennt, in die es geht.

Seit rund einem Jahr beziehe ich die Quarterly-Box von Kevin Rose, dem Digg.com-Gründer und ehemaligen Google-Chefinvestor, den ich bei meiner Arbeit für das „Handelsblatt“ mehrfach traf. Aus dieser Zeit weiß ich, dass sich viele unserer Interessen decken, darunter auch die Liebe zu gutem Essen. Bisher hat mich keine der Rose-Sendungen enttäuscht, es gab zum Beispiel ein tolles Bildschirm-Reinigungsmittel, eine Mini-Drohne, einen sensationell guten Tee oder das beste Brillenputztuch, das ich jemals besaß.

Nur eines fehlt: die Comics.


Kommentare


redaktion42 14. Oktober 2015 um 7:59

Wunderbare Erinnerungen habe ich an Yps und ich gratuliere mit diesem Blogpost zum Geburtstag: http://redaktion42.com/2015/10/13/yps-feiert-40-geburtstag-alles-gute/

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Carsten 14. Oktober 2015 um 10:09

„Uhrzeitkrebse“? Die Unterart „Artemia salina rolexia“ oder eher die „Artemia salina omega“?

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Thomas Knüwer 14. Oktober 2015 um 12:30

Weiß ich nicht mehr. Liefen aber auf dem Betriebssystem Aqua.

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Leseempfehlung vom 22. October 2015 – off the record 22. Oktober 2015 um 16:03

[…] Print ist geil […]

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