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Das traurigste Interview meines Lebens führte ich mit einer bekannten amerikanischen Soul-Funk-Sängerin, die zwei Welthits in ihrer Karriere gelandet hat. Schon vor der Tür stand die Mitarbeiterin ihrer deutschen PR-Agentur, die mich kannte: „Thomas, wir haben ein Problem“, sagte sie. Und dass jene Sängerin nicht gut drauf sein. Ein Mitarbeiter des WDR habe das Interview abgebrochen und sie beschimpft, weil er das Gehörte nicht hätte brauchen können.

Tatsächlich war jene Sängerin geistig nicht zugegen. Sie hat eine Suizid-Versuch-Historie und ich weiß nicht, ob es ein Zuviel an Anti-Depressiva oder an Drogen war. Nur die erste Hälfte jedes Satzes war klar, dann wurde ihre Sprache undeutlich, ihre Gedanken schweiften ab, ihre Stimme klang wie die Karikatur eines Hippie-Mädchens. Es war unendlich deprimierend. Am Abend sah ich sie auf der Bühne beim Bonner Sommer Open Air auf der Museumsmeile. Sie stimmte a capella einen ihrer bekannteren Songs an, brach ab und sagte: „Not this time. They told me not to sing this one. Maybe next time.“

Robert_Downey_Jr_full_interview__star_walks_out_when_asked_about_past_-_YouTube

Zu lesen war von ihrem Zustand nichts und das ist natürlich auch besser so. Ganz viel, was in Interviews mit Stars, egal ob Musiker oder Schauspieler (bei Sportlern ist es ein wenig anders – sie nehmen deutlich seltener Drogen), passiert, findet nicht den Weg in die Öffentlichkeit. Denn diese Stars bewegen sich oft genug in einer besonderen Art der Realitätsverzerrung, abgeschirmt von normalen Menschen, ständig umhegt von einer Entourage, auf Promotiontouren durchgetaktet von ihren Presseleuten. Und dazu kommen eben oft noch Drogen weicherer und härterer Art.

Die meisten Journalisten gehen im Umgang mit solchen Stars Abkommen mit den PR’lern ein. Interviews sind eng getaktet, oft genug wird der Themenkreis der erlaubten Fragen vorgegeben. Immerhin: Je hochrangiger das Medium, desto lockerer diese Regelung: „Spiegel“-Abgeordnete dürften in der Regel mehr Frage-Freiheit bekommen als die Abgesandten von „Prisma“ oder „Düsseldorfer Anzeiger“.

Ein anderer Deal ist schlicht die Übernahme angelieferten Materials – dies ist besonders beliebt bei Hörfunk und Fernsehen. Selbst die Öffentlich-Rechtlichen schnippeln in ihre Kultur-Shorties gern Pseudo-Interviews, die von den Produktionsfirmen der Streifen eingereicht werden und tun so, als hätten sie die Gespräche selbst geführt.

Dieses System funktioniert, ist irgendwie erklärbar und wird nicht weiter hinterfragt. Umso interessanter ist das, was vergangene Woche in England passiert: Robert Downey Jr. präsentierte sich nicht als Iron Interviewpartner, sondern brach ein Gespräche mit Channel 4-Mann Krishnan Guru-Murthy ab:

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Grund für das abrupte Ende: Guru-Murthy wollte auch über Downey Jr.’s Drogenvergangenheit und das problematische Verhältnis zu seinem Vater reden – der Schauspieler dagegen nur Werbung für den „Avengers“-Film machen. „Are we promoting a film?“, fragte Downey Jr. während des Gesprächs und Guru-Murthy meint: „Sie vielleicht.“

Diese Meldung brachte es auch in die deutschen Medien. Interessant aber die Auseinandersetzung von Guru-Murthy mit dem Vorfall. Für den „Guardian“ grübelt er über genau dieses Ökosystem aus Stars und Journalisten nach. Auszüge:

„We don’t do promotional interviews on Channel 4 News. We agree with PR people that as well as talking about a new movie for a while we want to ask wider ranging questions on relatively serious topics, and we don’t guarantee to run any answers in particular. When Robert Downey Jr’s PR man rang up asking what we wanted to talk about, we said we had no particular agenda but would ask about the new Avengers superhero movie and his recovery from jail and drug abuse to Hollywood stardom…

An interview with a movie star isn’t intended to be “news”. We do it to add texture to the normal diet of politics, foreign affairs and investigations in a Channel 4 News running order. Some are happy to engage, and seem quite relieved to escape the junket monotony engineered by the PRs. Robert Redford, Michelle Pfeiffer, Samuel L Jackson and Carey Mulligan have all happily taken the chance to talk to me about things ranging from politics to sexism, from violence to Alzheimer’s disease. That’s what makes a movie star interview worth running on the news. We love to have talented people saying surprising and intelligent things about serious topics. Superheroes alone, no matter how Marvel-ous, don’t quite cut it…

These interviews are the contractual obligation of being a movie star, and it must be awful to be unable to escape the past. But my sympathy runs only up to a point. If I was going to ask any other interviewee about difficult topics I would probably have a chat beforehand to prepare them. Movie stars don’t do that…

Maybe, like a bad relationship, this just isn’t working. We want different things out of it. I want something serious and illuminating, they just want publicity. Maybe we and the movie stars should just go our separate ways, and find people more suited to our needs. But I think that would be a shame. There’s an easy marriage to be worked out here with a bit of give and take. And some intelligent casting by the PR companies. If a movie star has no interest in engaging, maybe don’t offer them up to the news. Find one of the cast who does.“

Den gesamten, lesenswerten Text gibt es unter diesem Link. 


Kommentare


Hobelbruder 29. April 2015 um 19:16

Schön wäre, wenn du deine Texte mal korrekturlesen würdest, bei aller Aufregung.

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Mein Kommentar 29. April 2015 um 19:29

Ich hatte auch schon einmal die Gelegenheit, an einem solchen Film PR-Event in Los Angeles dabei zu sein. Am meisten hat mich die nach aussen sehr höfliche aber in der Sache doch sehr ernste Art der stets präsenten PR-Assistenten beeindruckt, die den Teilnehmern stets den Eindruck der absoluten Kontrolle vermittelten, um mit „Non-Disclosure Agreements“ selbst banalste und teilweise bereits öffentliche Informationen unter dem Deckel zu halten.

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Dierk Haasis 30. April 2015 um 7:00

Downeys Gründe, im Zusammenhang mit einem Familienfilm nicht über seine ‚dunkle‘ Zeit zu sprechen, scheinen mir sinnvoll. Es ergibt sich auch die Frage, inwieweit das Privatleben von Schauspielern – SCHAUSPIELERN! – für ihre spezifischen Werke von Interesse ist.

Klar, eine ganze Branche, Schmierblätter/Regenbogenpresse, lebt von Gerüchten, schlechtem Benehmen, persönlichen Katastrophen. Aber das muss niemand unterstützen.

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Egal Schnurz 30. April 2015 um 7:03

Gibt es nicht auch einen bekannten Filmkritiker, der NIE mit den Darstellern spricht, sondern nur mit den Regisseuren. Ich finde das vollkommen nachvollziehbar. Der Schauspieler soll eine Rolle spielen und gut ist. Was in dem Interview oben gefragt wird ist doch alles ziemlicher Quatsch.

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Hotcha 1. Mai 2015 um 8:38

Im Interview sagt der Journalist nie den hier zitierten Satz, sondern er schreibt das im Nachhinein, er hätte das vielleicht tun sollen. Und ich finde die Frage wirklich unglaublich: Mit dem Film, mit seiner Arbeit hat das wohl kaum zu tun, ob sein Vater Drogen genommen hat. Der Journalist denkt einfach, er habe einen Deal: Du darfst über deinen Film reden, wenn ich dafür in deine dunklen Ecken leuchten darf. Man stelle sich bloss vor, das würde auch bei anderen Interviewten so gehandhabt. Nein, das ist ganz einfach widerlich, was der glaubt sich leisten zu dürfen.

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