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Jener Facebook-Post, von dem im Folgenden die Rede sein soll, war ein Versehen. Der in ihm eingepflegte Link sollte nicht auf Facebook gespielt werden. Ich habe auch keinen Grund, an dieser Behauptung zu zweifeln. Trotzdem ist dieser kleine, scheinbar unbedeutende Beitrag ein kleines Dokument der Medienwelt 2015, zeigt er doch sehr schön das Dilemma, vor dem klassische Medienhäuser in Zeiten der Digitalisierung mit dem Schwerpunkt Social Media stehen.

Jener Post, also, kam vom „Handelsblatt“. Die Wirtschaftszeitung verschiebt auf ihrer Homepage mehr und mehr ihrer Inhalte in Richtung Paid Content, wie so viele Verlage in diesen Tagen. Gleichzeitig betreibt sie aber eine Facebook-Seite mit aktuell 126.000 Likes. Damit ist sie nach einem Ranking von Statista auf Rang 6 der deutschen Zeitungen. Und praktisch jeder Redakteur betreibt inzwischen ein Twitter-Konto – häufig genug mit sehr gedämpfter Aktivität, was auf eine gewisse Zwangsverpflichtung hindeuten könnte.

Vergangene Woche also postete das „Handelsblatt“ dies:

handelsblatt jägermeister 1

Sie sehen es schon beim ersten Kommentar: Die Reportage über Jägermeister ist nicht frei zu lesen sondern liegt im Paid Content-Bereich. Und damit haben Nutzer so ihre Probleme. Zwar ist es durchaus möglich, Umsätze im Social Web zu generieren. Was die Nutzer aber nicht mögen ist, hinter’s Licht geführt zu werden. Genauso wirkt es aber, wenn ein Link ohne Hinweis auf Paid Content verweist.

Es ist eben Fluch und Segen von Social-Plattformen wie Facebook: Marken (und Medien) agieren im Newsstream auf Augenhöhe mit Bekannten, Freunden und Familie. Sie bewegen sich somit in einem sozialen Umfeld – und müssen sich sozialkonform verhalten. Doch was würden wir von einem Bekannten halten, der uns einen Teller mit Kuchen vor die Nase hält, „Willste probieren? Saulecker!“, sagt und wenn wir zugreifen, den Teller wegzieht und 2 Euro fordert? Eben.

Diesen Ärger bekamen auch andere Verlage schon zu spüren. Die „Braunschweiger Zeitung“ musste sich beispielsweise unter jedem Facebook-Post harsche Kritik anhören, als sie dort Links auf Paid-Inhalte anführte. Zwischenzeitlich wies sie diese dann aus. Inzwischen tut sie dies nicht mehr. Gefühlt sinkt die Interaktion aber bei der Erwähnung von Bezahl-Inhalten.

Die unschöne Wahrheit ist: Menschen reichen deutlich seltener Links auf Inhalte herum, die ihre Kontakte im Social Web nicht lesen können. Intuitiv scheint dies als ebenso unhöflich und unsozial (um den Begriff asozial zu umgehen, obwohl er richtig wäre) wie die oben beschriebene Tellerreichung.

Auch auf Twitter sehen wir dies: Mir begegnen immer mehr Journalisten dort, die nur Links auf Artikel ihres Arbeitgebers umherstreuen. Besonders absurd sind dann Hinweise wie „Den Artikel morgen in unserer Zeitung“ – gerade so, als ob sich der Leser morgen noch daran erinnert (mal abgesehen davon, dass auch Tweets durch die Kooperation mit Google wieder ein längeres Leben eingehaucht bekommen). Die Followerzahlen dieser Journalisten pendeln dann auch recht überschaubar im maximal mittleren, dreistelligen Bereich.

Hier zeigt sich das erste Dilemma der Verlage: Sie glauben noch immer, Paid Content sei ihre Rettung. Gleichzeitig aber ist Social Media der wichtigste Nachrichtenfilter unserer Zeit – und seine Bedeutung steigt durch den Bereich Messaging noch einmal an. Je mehr sich die Medienhäuser durch Paid Content also abschotten, desto mehr steigt die Bedeutung jener News-Anbieter, die sich gen Social Media orientieren wie die Huffington Post oder Buzzfeed. Klassische Medien schotten sich also freiwillig von potenziellen neuen Nutzern ab – sie sind nicht mehr relevant. Versuchen sie jedoch für Paid Content im Social Web zu werben, wird dies als nicht akzeptabel empfunden.

Doch es gibt ja noch ein zweites Dilemma. Schon bevor es den Begriff „Content Marketing“ gab, lizenzierten viele Verlage ihre Inhalte weiter, zum Beispiel an Unternehmen, die damit ihre Intranets befüllten. Dieses Geschäft wächst noch, verstehen doch viele Unternehmen jene Vokabel „Content Marketing“ als „sinnloses Befeuern von Verbrauchern mit irgendwelchen Inhalten“.

Nun lizenzieren allerdings auch Web-Anbieter jene Inhalte. Und wer zahlt, der kriegt – selbst wenn das Inhalte erstellende Medienhaus seinen Lesern Geld für einen Text abverlangt. Folge: Unter jenem Post des „Handelsblatts“ tauchte flott ein Link auf. Zu Yahoo. Einem Lizenznehmer der Verlagsgruppe Handelsblatt. Und dort war jene Geschichte über Jägermeister frei zu lesen.

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Fun Fact: Von Yahoo ist dieser Artikel anscheinend gelöscht. Doch Premium-Inhalte des „Handelsblatts“ werden trotzdem weiter verkauft. So ist diese Geschichte über die Sparkasse Ulm:

scala handelsblatthier bei Yahoo frei zu lesen.

Wie gesagt, jener Post oben ist eigentlich nicht weiter bedeutsam. Doch zeigt er eben im Zusammenhang, dass die meisten Verlage daran scheitern, sich in das wachsende Öko-System Internet sinnvoll und erfolgreich einzubringen. Sie wollen ihr Geschäft weiter so betreiben, wie sie dies immer taten. Und das wird nicht funktionieren.


Kommentare


Erik Hauth 18. Februar 2015 um 17:26

Das wäre doch ein schöner Test gewesen, das via „Facebook Offers“ anzubieten.

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Peter Turi 19. Februar 2015 um 7:44

Vollkommen einverstanden!

Nur würde ich gern mal aus deiner Feder lesen, wie’s die Verlage richtig machen. Ich hab da so meine Ideen, würde es aber gern mal von Dir hören. Wobei ich ja den Verdacht hege, dass Problemlösungen bei Knüwer generell in den Bereich Paid Content fallen 😉

Falls nicht, könnten wir ja mal ein Interview dazu machen.

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Die Links aus dem Social Media Newsletter von heute (19.2.2015) – socialmedianewsletter.de 19. Februar 2015 um 12:29

[…] Das ganze Dilemma der Verlage – kondensiert in einem Facebook-Post https://www.indiskretionehrensache.de/2015/02/social-media-verlage-paid-content/ […]

Antworten

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