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Vor einiger Zeit erreichte mich ein Brief, den ich leider nicht mehr finde. Das ärgert mich. Denn zu gern hätte ich ihn hier gezeigt, konterkarierte er doch aufs Feinste die wohlfeilen Aussagen der Gruner + Jahr-Chefin Julia Jäkel vor dem Parlamentsauschuss für Kultur und Medien.

Dort waren ja verschiedene Verlagsmanager im Februar aufgelaufen um ihr Klagelied zu singen über das böse, böse Internet. In diesem Rahmen verwehrten sie sich auch gegen mehr Datenschutz. Ohne den Handel und die Ausbeutung von Adressdateien, behauptete Jäkel, existierten Zeitschriften wie „Eltern“ bald nicht mehr. Was wohl bedeutet, dass jenes Blatt so miserabel gemacht ist, dass es am Kiosk nicht auffällt. Oder gehen Eltern neuerdings nicht mehr in Gedrucktprodukthandlungen?

Nein, die Verlage wollen weiterhin Verbraucher „qualifiziert anschreiben“, wie Jäkel fabulierte. Was damit gemeint ist, erleben in diesen Tagen neben mir vielleicht auch andere Abonnenten der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

faz zerknüllt

Jener Brief, den ich nicht mehr habe, erinnerte an meine Universitätszeit. Denn er war so schlecht kopiert, definitiv nicht gedruckt, wie einst unsere im Copy-Shop produzierten Ableger von Fachbuch-Seiten. An der Seite war ein kleiner, schwarzer Rand, der von unpedantischer Auflegung auf dem Vervielfältigungsapparat zeugte. Die etwas grisselig geratenen Buchstaben wiesen das Kopiergerät entweder als tonerbedürftig oder minderwertig aus.
Kurz: Mit optischer Qualität hatte dieses Schreiben nichts zu tun.

Sein Inhalt ärgerte mich. Denn die „Frankfurter Allgemeine“ erklärte mir, als langjähriger Bezieher der Sonntagszeitung bekäme ich nun gratis und ohne weitere Verpflichtungen drei Wochen lang die tägliche „FAZ“. Nach diesen drei Wochen ende die Zusendung automatisch.

Nun gibt es ja Gründe, warum ich keine Tageszeitung beziehe. Zum Beispiel habe ich am Morgen nicht die Zeit, eine Zeitung zu lesen. Vom grundlegend dem Internet unterlegenen Produkt Tageszeitung schreibe ich ja ohnehin häufig.

Selbst wenn ich aber Tageszeitungen bezöge, so gehörte die „FAZ“ nicht dazu. Denn: Sie wird nicht über die lokalen Zeitungszusteller verteilt, sondern über die Post. Sprich: Sie kommt frühestens am Mittag, eher am Nachmittag. Wenn ich also am Abend meine Wohnung erreiche, so könnte ich ein Produkt konsumieren, dessen Nachrichten 24 Stunden alt sind.

Hinzu kommt der Nachteil der Postauslieferung. Postboten sind angewiesen, Sendungen in den Briefkasten zu werfen. Unser Briefkasten aber ist nicht ausgerüstet für Tageszeitungen. Das Ergebnis sehen Sie im Bild oben: Täglich pule ich ein zusammengeknülltes Etwas aus dem Briefkasten um es seiner direkten Entsorgung in der Altpapiertonne zuzuführen.

Natürlich könnte ich die „FAZ“ anrufen um diesen umwelt- und kundenunfreundlichen Unfug zu stoppen. Doch gab jener Kopierbrief eine kostenpflichtige Hotline an. Ich müsste also Geld und Zeit investieren um ein Produkt abzubestellen, dass ich nicht möchte und nicht konsumiere.

Das ist es, was Verlage als Service ansehen. Und sich dann wundern, warum immer weniger Menschen Subskriptionen ihrer Produkte in Erwägung ziehen.


Kommentare


TLevermann 14. Mai 2013 um 20:16

Bei den Verlagen stehen die Kunden im Mittelpunkt, aber genau da stehen sie im Weg. Passt zu dem FAZ-Beispiel, passt zum Thema #Adblocker

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egghat 14. Mai 2013 um 21:13

In Düsseldorf kommt die FAZ nicht mit der Tageszeitung? Ich staune, das geht ja selbst in Oberhausen.

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behrtam 15. Mai 2013 um 0:18

In Berlim bekomme ich die FAZ auch per Post, nie vor 10Uhr … landet also direkt im Müll, weil ich zu der Zeit schon x-mal durch rivva und meine twittertimeline durch bin.

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Christoph W 15. Mai 2013 um 1:00

Noch schlimmer als für den End“kunden“ (man kann ja schlecht von Kunden reden wenn man etwas so schwer nur vermeiden kann) ist das echt nur für den Zusteller der Post.

Man muss sich das mal vorstellen: da läuft jeden Tag ein Zusteller oder Zusteller mit wahrscheinlich nem Dutzend Zeitungen extra zu dem Kram den er sonst noch schleppt rum, frickelt die in irgendwelche Briefkästen rein und sie landen nach 10 Sekunden im Altpapier…

Da kann man nur hoffen dass die FAZ der Post Entschädigung zahlt… die dann natürlich auch nicht wirklich bei den Leuten die es tragen müssen ankommt 🙁

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Hendrik 15. Mai 2013 um 16:46

Also, ich bekomme die FAZ auf der Brehmstrasse mit der RP, also per Boten. Was die Themen unaufgeforderte Zusendung/ kostenpflichtige Hotlines/ generelles Verständnis von Kunden-Orientierung angeht, das ist (leider) nicht verlagsspezifisch. Und nur Verlage glauben, daß sie als Branche irgendwie besser, wertvoller, schützenswerter seien als–sagen wir mal–die Tatortreiniger-Branche (weil ich gerade von Niggemeyer komme 🙂

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FKTVTwipsy 15. Mai 2013 um 18:08

Und mit solchen Mitteln lügen die Verlage dann ihren Werbepartnern eine Reichweite vor, die sie de facto nicht haben! Kannst Du nicht einen Aufkleber anbringen „Keine Zeitung einwerfen“? Und Samstags wieder entfernen.

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teekay 15. Mai 2013 um 23:08

Hauptsache, die FAZ kann eine gedruckte Zeitung in ihrer Statistik irgendwie als ‚zugestellt‘ darstellen…mein Tip: Einfach ein paar Wertstoffhoefen 5.000 kostenlose Abos ‚anbieten‘, die per Kleinlaster ausliefern und gleich der Vewertung zufuegen…

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Karsten Werner 16. Mai 2013 um 10:36

Schöne Glosse & schöne Headline. I Like. Und: Zustimmung in allen Punkten (Briefkasten, Zustellung, Zeitfaktoren, Müll).
Wie schön die Aktion doch hätte sein können, wenn: In dem Brief einfach ein 4 Wochen-Code für die FAZ-iPad-App, oder das e-Paper drin gestanden hätte. Mit einem äußerst sympathischen Hinweis, dass der Code innerhalb von 3 Monaten eingelöst werden könne. So dass -natürlich- auch die Sommerferienzeit mit abgedeckt wäre & man sich im Urlaub, wo man denn auch mal Zeit&Muße hätte, in Ruhe der Zeitung widmen könne. Damit man auch sogar im Auslandsurlaub ein „kluger Kopf“ bleiben könne. Der die Zeitung vom Folgetag bereits gemütlich am Abend (FAZ-e-Paper ist um 21:00 fertig, SZ um 19:00), lesen könne, etc.

Keine Kosten für Druck & Vertrieb, Rücklaufquote der Aktion ließe sich ganz simpel tracken & tracen (da in Gänze digital), Benefits & Incentives beschreiben sich im Anschreiben ja fast von selbst (siehe oben) & last but not least: Bestenfalls würden sich Briefeempfänger das Anschreiben sogar direkt an die Pinnwand heften, wegen des Codes (und es nicht verdameln), um am Abreisetag in den Urlaub noch schnell die FAZ-App im iPad zu aktivieren. Und bis dahin hinge der Brief dann in der Küche oder im Büro an der Pinnwand, würde einem zwischendurch immer wieder ins Blickfeld geraten & den positiven Spin der Aktion evtl. sogar noch verstärken. Win. Win. Win. Und keine Kosten. Ganz einfach alles. Eigentlich.

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