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Ein alter Werberspruch besagt: „Tiere und Kinder gehen immer“. Sprich: Sobald eine dieser beiden Gruppierungen inszeniert wird, sichert das Aufmerksamkeit.

Das ist nicht nur Gerede: Der gemeine Internetnutzer kennt dies ja, Kinderbilder und Katzenvideos stören die Konzentration schon deutlich, Katzenbabyvideos sind jedoch das Fokussierungsarmageddon.

Nun könnte es passieren, dass ein weitaus ernsteres Thema durch die Einbeziehung von Kindern eine höhere Aufmerksamkeit erfährt: der Handel von Verbraucherdaten durch Verlagskonzerne.

i can haz data

Diese gehören zu Deutschlands größten Datenhändler, ein Thema, das in den vergangenen fünf Jahren immer mal wieder hier in der Indiskretion auftauchte. Doch außerhalb des Kreises der sehr Medieninteressierten ist dieses Faktum nur wenig bekannt. Das liegt einerseits daran, dass die Print-Medien selbst nicht darüber berichten – ein deutliches Zeichen dafür, dass Redaktionen und kaufmännischer Verlagsteil keineswegs so getrennt sind, wie es die Konzerne gern behaupten. Die Landesdatenschützer andererseits, gemeinhin ja marktschreierisch veranlagt, fürchten wohl um ihre Publizitätsmacht (und damit um ihre öffentlichen Zuschüsse), kümmerten sie sich intensiver um dieses Feld. Bundespolitisch hat Angela Merkels Regierung im Jahr 2009 ja bereits eine klare Abwägung zwischen Datenschutz der Bürger und wirtschaftlichen Interessen der Print-Industrie vorgenommen – zu Ungunsten der Bürger. 

Nun aber kommt die Kinder-Komponente ins Spiel. Richard Gutjahr berichtet in seinem Blog von einem Vorgang, der den Mund offen stehen lässt vor Entgeisterung. Eine Bertelsmann-Tochter namens Inmedia One verteilt an Schulen Gutscheine für kostenlose Duden-Bücher. Diese gibt es gegen – Herausgabe der Adressdaten. Die entsprechende Widerspruchsregelung ist klein gedruckt und schön verschwurbelt. Ein absolut inakzeptables Vorgehen eines Unternehmens, das sich eigentlich konservativen Werte verpflichtet fühlt.

Doch es geht ja noch verwerflicher, wie eine der Lobbyorganisationen der Datenhandels- Verlagskonzerne demonstriert. Denn derzeit entsteht eine neue EU-Datenschutzverordnung. Und der Verband der Zeitschriftenverleger VDZ dringt darauf, jene Passage zu streichen, die den Schutz von Daten Minderjähriger besonders betont. Diese Recherche beruht übrigens auf den Daten von Lobbyplag, einem Projekt, das höchst unterstützenswert ist.

Erinnern wir uns noch kurz, wofür der VDZ so steht. 2008 verkündete er öffentlich, ohne Datenhandel seien Verlage nicht überlebensfähig. Später erklärte er, jegliche rechtliche Beschränkung von Verlagen sei nicht vereinbar mit „vernünftiger Medienpolitik“.

Nun aber sind Kinder im Spiel – und das könnte die Medienlage verändern.

Denn Kinder gehen immer. So dürften sich jetzt die öffentlich-rechtlichen TV-Magazine auf das Thema stürzen. Die verspüren ohnehin ein wenig Brast angesichts der Kampagne der Verlage gegen die öffentlich-rechtlichen Internet-Aktivitäten und die neue TV-Gebühr. Die Medienbranche gehorcht halt auch immer der Gaya-Theorie. Diese Magazine, tippe ich mal, werden die Datenschützer anfragen. Und die werden sich kaum um klare Worte herumdrücken können – das Listenprivileg, der von der CDU ausgeteilte Freibrief zum Gebrauch der Bürgerdaten könnte also in die Diskussion geraten.

Angesichts der bisherigen Position der Verlegerverbände könnte die öffentliche Debatte dabei auch schnell auf eine klare Wahl zulaufen: Wollen Sie, liebe Bürger, lieber Verlage oder Datenschutz?

Bis dahin wird es noch ein wenig brauchen. Weshalb ich einen Vorschlag machen möchte:

Bringen wir doch noch Tiere ins Spiel!

Und das geht so: Sollten Sie, liebe Leser, in den kommenden Wochen und Monaten ihre Daten einem Medienkonzern überlassen – zum Beispiel bei der Bestellung eines Abos oder eines E-Mail-Newsletters -, so verändern Sie doch ihren Namen ein wenig oder setzen den ihres Haustieres ein. Und zwar pro Medienhaus ein bestimmter Name. Diesen notieren Sie sich bitte und warten ab. Wann immer dann ein „seriöses Anschreiben“ (wie es Gruner + Jahr-Chefin Julia Jäkel es bezeichnet) sie erreicht, so lassen Sie es mich wissen. Und dann werden wir hier einfach mal eine Auflistung machen, was Daten so treiben, da draußen, in den Datenbanken der Adresshändler.


Kommentare


Kinder und Tiere gehen immer – flashfonic.de 25. Februar 2013 um 13:53

[…] Kinder und Tiere gehen immer → […]

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Moki 25. Februar 2013 um 14:17

Da bin ich dabei, nicht zuletzt, da ich gerade dabei bin, in einem Selbstversuch meinen Daten im digitalen Raum hinterher zu laufen. Interessant, auf welche Reaktionen und Erkenntnisse man da so stößt…

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Andreas Schumann 25. Februar 2013 um 15:31

Daten über Schwangere und Säuglinge sind auch noch im Angebot

http://ow.ly/i1nvR

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Schwangere und Säuglinge im Focus von Datenhändlern (I/3) | SAFE-ADDRESS 25. Februar 2013 um 15:35

[…] Kinder, Tiere, Datenhändler […]

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Jens Arne Männig 25. Februar 2013 um 15:44

Genau so – mit den individuellen, kleinen Modifikationen in Namen und Adresse für jede einzelne »Datenspende« – hat man uns das in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Direktmarketing-Studenten beigebracht. Seither habe ich es immer so gehalten, und konnte schon öfter interessante Rückschlüsse aus dem Auftauchen bestimmter Datensätze an ganz anderer Stelle ziehen.

Im Netz geht ist das aber erfahrungsgemäß nur dann wirksam umsetzbar, wenn man auch in jedem einzelnen Fall eine separate und eindeutige E-Mail-Adresse verwendet. Das setzt natürlich voraus, dass man über einen entsprechenden Fundus oder »Nummernraum« im Rahmen einer eigenen Domain verfügt. Welche Rückschlüsse man daraus gegebenenfalls ziehen kann, hatte ich schon vor längerer Zeit einmal anhand eines Beispiels mit dem Adresshändler Schober beschrieben.

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Alexander Merz 25. Februar 2013 um 20:02

@Jens Arne Männig
Bei Yahoo Mail können problemlos und ohne Aufwand unter einem Account zusätzliche Email-Adressen angelegt werden.

Bei Google Mail gibt es den Bug oder das Feature, je nach Sichtweise, das Punkte im Namen ignoriert werden. Die Adressen:
xxx@gmail.com
x.xx@gmail.com
xx.x@gmail.com
x.x.x@gmail.com
werden alle gleich behandelt und landen bei xxx@gmail.com.

Bei beiden Lösungen ist aber stets ersichtlich, welche Email ursprünglich benutzt wurde. Eine eigene Email-Infrastruktur ist also nicht notwendig.

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Nic Frank 25. Februar 2013 um 21:34

Ich war mal bei einem Onlineanbieter mit falschem Vornamen gelistet. Das konnte ich innerhalb von Tagen ändern.
Nicht ändern konnte ich das aber bei all den Werbebriefen, die mich dann jahrelang mit dem falschen Namen erreichten.
Ein Schelm, wer nun denkt, dass Arcor Adressen verkauft hat…

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Ute 26. Februar 2013 um 12:22

Wir haben recht viele Zeitschriften im Abo und ich muss sagen: Die Marketingmethoden der Verlage sind schon ziemlich unter aller Kanone. Allein wie oft wir durch G&J regelrecht mit Anrufen belästigt werden…

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fj 26. Februar 2013 um 19:17

Gute Idee!

Ich hab hin und wieder einen leichten Buchstabendreher in meinen Vornamen gemacht, dann weiß ich gleich, welche Post ich wegschmeißen kann. Mit unterschiedlichen Namen zur Herkunftserforschung ist natürlich besser. Mal sehen, ob sich demächst eine Gelegenheit ergibt.

Das Haustier als Empfänger ist natürlich deutlich charmanter. Wenn der Postbote mitmacht… Aber weil unsere Katzen alle gleich hießen, kann ich damit leider gar nicht mehrere Medienhäuser unterscheiden. 😉

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