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Als ich das erste Mal nach London reiste, als pummeliger Teenager Anfang der 80er, war Speakers Corner noch eine echte Attraktion. Dutzende von Rednern standen da, manche debattierten ernsthaft, andere nicht – und natürlich gab es auch die handelsüblichen Irren.

Heute ist am Rand des Hyde Parks nicht mehr viel los. Fünf, sechs Leute stehen an einem normalen Tag noch auf Kisten oder Kästen und brüllen ihre Theorien über die Welt in die Welt. Die meisten dieser Ansichten sind mit „verschroben“ höflich umzeichnet. Doch es werden immer weniger, genauso wie die Zahl Zuschauer abnimmt: Selbst die Narren wissen, dass sie sich zum Narren machen, predigen sie an einem öffentlichen Platz ohne dass sie Mitglied einer Partei im Wahlkampf sind.

Im späten 19. Jahrhundert wurde Speakers Corner eingerichtet um dem Volk einen öffentlichen Ort zum Debattieren zu schaffen. Damals war das sinnvoll. Heute wirkt diese Idee antiquiert. Jede Zeit hat eben ihre Mittel und Wege, ihre Instrumente und Orte der Meinungsfindung und der Moderation des Diskurses der Bürger.

Im Jahr 2012 ist dieser Ort das Internet. Und damit meine ich nicht nur die Versammlung von uns Digital-Narren auf Google+. Jeder von uns kann die Facebook-Updates der eher analog veranlagten Freunde sehen, die genauso Nachrichten über Politik und Gesellschaft verlinken und darüber debattieren. Nehmen wir nur meinen Heimatort Senden: Dort stellt neuerdings ein Unbekannter Tierfiguren in die Mitte eines Kreisverkehrs. Die Gemeinde will das verbieten – die Diskussion in einer privat gegründeten Facebook-Gruppe nähert sich den 300 Kommentaren.

Einen gewichtigen Part im öffentlichen Diskurs übernahmen im Laufe der Jahrhunderte die Massenmedien. Journalismus wird auch deshalb als wichtig für die Gesellschaft erachtet, weil er die Argumente im Rahmen einer Diskussion sammeln und aufbereiten soll und mit seinem Trägermedium einen Ort der Debatte liefern könnte. Über Jahrzehnte erfüllte er diese Rolle: Nehmen wir als plakatives Beispiel nur die Recherchen von Günter Wallraff. Egal ob Obdachlose, Ausländerfeindlichkeit oder die „Bild“ – seine Bücher und Artikel stießen Diskussionen in der Öffentlichkeit an.

Aus diesem öffentlichen Diskurs ist ein medialer geworden, oder besser: eine mediale Verwertungskette. Ein Verlag bringt ein Buch heraus, der „Spiegel“ bekommt den exklusiven Vorabdruckt, die Zeitungen berichten über den Vorabdruck, die „Bild“ versieht das Thema mit menschlichen Beispielen, Fehlern und Übertreibungen, final landet es in den ARD-Talkshows. Ob irgendwo in diesem Zuge überhaupt ein Interesse des Bürger geweckt wird ist oft nicht nachvollziehbar, niemals aber relevant (außer für den Buchverlag, der seine gedruckten Produkte verkaufen muss).

Die Journalisten selbst interessiert dieses Leserinteresse oft genug auch nicht. Seit langen Jahren bewegen sie sich in ihrer eigenen Filterblase. Irgendwann Mitte der 90er gab der „Spiegel“ mal eine Reihe von Themenheften heraus, in dem über „Die Journalisten“ war eine Studie des Publizistik-Professor Siegfried Weischenberg zu finden. Diese besagte, dass Journalisten sich vor allem mit anderen Journalisten in ihrem Freundeskreis umgeben.

Nun verschärft sich diese Filterblase durch den Druck von oben. Die Einschläge der Medienwandelbomben kommen näher, die Redakteure fürchten um ihren Arbeitsplatz. Diese Sache mit dem Diskurs darf gern stattfinden – nachdem bezahlt wurde. Dieses Bezahlen ist fast manisch in den Fokus vieler gerückt.

Die eigentliche Funktion des Journalismus gerät darüber in Vergessenheit. Obwohl doch klar ist, dass der Bedarf an Journalismus weiter vorhanden ist und die Menschen natürlich Orte aufsuchen werden, an denen Diskurs entsteht – und an diesen Orten lassen sich dann Geschäfte machen.

„Wie soll eine Gesellschaft ohne Journalismus funktionieren?“, fragen hochrangige Medienchefs in diesen Tagen panisch. Das ist die falsche Frage aus meiner Sicht. Viel zeitgemäßer muss die Betrachtung lauten: „Was tut eine Gesellschaft, wenn der Journalismus seine Funktion in ihrem Rahmen nicht mehr erfüllen will?“

Ein typisches Beispiel dieser Haltung gab es vor ein paar Tagen auf Twitter zu bestaunen. Da hatte Stefan Plöchinger, Chefredakteur von Sueddeutsche.de, sich über einen Text aus dem „Stern“ geärgert und diesen als Foto auf Twitter weitergerreicht. Daraufhin meldete sich Lorenz Wolf-Doetinchen zu Wort, der Ressortleiter Politik & Wirtschaft des „Stern“:

Der Bürger darf debattieren – nachdem er gezahlt hat. Nur: Warum sollte er das so wollen? Eintrittsgeld limitiert die Zahl der Disktutanten – und das Weiterreichen der Debattengrundlage, des Artikels, ist auch nicht möglich. Der menschliche Kommunikationsanlass „Hast Du DAS schon gehört?“ entfällt somit. Erst recht im Rahmen eines E-Papers, das keine Diskussionsoptionen erlaubt, erst recht keine öffentlichen.

Radikal gesagt ist Wolf-Doetinchens Haltung: Nur wer zahlt bekommt das Recht auf eine Stimme. Doch natürlich würde diese radikale Aussage den „Stern“ unnötig überhöhen. Tatsächlich gibt es nun eben überall im Netz Debatten über die Gesellschaft während der „Stern“ sich doch eher einen Namen damit gemacht hat, Themen wie „Sex im Ausland“, „Depression“ oder „Magersucht“ mit schöneren Worten aufzuschreiben als der „Focus“ dies zuvor schon getan hat. In einer Welt, in der es eine dramatisch gestiegene Zahl guter Autoren gibt, müssen hauptberuflich tätige Journalisten besser werden.

Tatsächlich aber ziehen sie sich in diesen Tagen aus dem gesellschaftlichen Diskurs zurück, den sie moderieren sollen. Sie schließen sich den fast irrwitzigen Stechschritt-Kommentaren deutscher Zeitungen an, arbeiten darin nicht nur mit Beleidigungen sondern genauso mit Lügen und dem Verschweigen von Gegenargumenten für ihre eigene Argumentation. Dazu lesen Sie  ausführliche Beispiele hier, hier, hier oder hier. Die Argumentation der Print-Gemeinde ist von intellektueller Schlichtheit: Wir verschenken nicht unsere Leistung (und bevor die entsprechenden Kommentare auflaufen – zur Refinanzierung von Journalismus durch Onlinewerbung habe ich hier und hier etwas geschrieben).

Diese Forderung nach Marginalisierung ist bemerkenswert. Denn wer seine Inhalte im Web hinter einer Bezahlschranke versteckt, der verschließt sich der Gesellschaft – und die vergisst ihn dann Stück für Stück. Er wird zu jenem Kumpel, der ins Ausland gegangen ist. Am Anfang fragt der Freundeskreis noch, wie es ihm wohl geht. Doch er schreibt ja nie, man müsste ihn anrufen, das aber ist teuer. Gelegentlich greift noch mal einer zum Hörer, nach einiger Zeit jedoch wird es still. Irgendwann hat er die Köpfe der anderen verlassen, da hilft selbst die Weihnachtskarte nur noch wenig, „Ach, der Frank, ja… *Schweigen*… Wo fahrt ihr dieses Jahr Ski?“

Auf diesem Weg sind die meisten Print-Medienhäuser. Sie verlassen freiwillig die Wahrnehmung der Gesellschaft. So mancher Redakteur bemerkt das heute schon. „Mir hat ein Pressesprecher gesagt, ich würde ja kaum noch etwas schreiben“, berichtete mir kürzlich der Redakteur einer großen Zeitung. Dabei schreibt er täglich, nur landen seine Artikel nicht mehr online. „Ich schreibe – aber in der Zeitung“, antwortete er jenem Kommunikator und der quittierte dies mit der Höchststrafe: „Dann hab ich das wohl im Pressespiegel übersehen.“

Das von den Verlagen geforderte Leistungsschutzrecht würde diese Entwicklung beschleunigen.

Wie sich nun auf eine Anfrage der Linken herausstellt, sieht die Bundesregierung juristische Fragen im Zusammenhang mit dieser Verlagssubvention, die nur vor Gericht zu klären sind. Dazu gehört die die Verlinkung von Nachrichtenartikel via Twitter oder Facebook. Das Bundesjustizministerium sagt, es müsse geklärt werden, ob „eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken hergestellt wird und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint“. Sprich: Entgegen aller Beteuerungen der ja ohnehin durch Lügen auffallenden Verlagslobby brächte das Leistungsschutzrecht eine juristische Gefahr für jeden, der ein Blog führt, für jeden, der auf Facebook einen Artikel verlinkt, für jeden, der auf Twitter eine Nachricht weiterreicht.

Der öffentliche Diskurs wird zum wirtschaftlichen Risiko. Und verantwortlich dafür sind die, deren ureigenste und von der Verfassung geschützte Aufgabe es ist, genau diese gesellschaftlich wichtige Funktion zu schützen.

Wer ein wenig im Netz unterwegs ist ahnt, was passieren wird. Seit Anbeginn des Massenmediums Internet kursieren Hoaxes, Falschmeldungen mit einem Inhalt, der vor diesem oder jenem Verhalten im Web warnt. Auch auf Facebook treiben sie ihr Unwesen, vor allem geteilt von Menschen, die nicht Social Media anwenden, ohne groß darüber nachzudenken – die Normalbürger. Einen aktuellen und guten Überblick liefert übrigens jederzeit Mimikama.

Es wird schon ein Prozess egal welchen Ausgangs reichen, um den nächsten Hoax zu erschaffen: „Du sollst nicht auf Nachrichtenseiten verlinken – sonst landest Du vor Gericht“. Was werden die Menschen machen? Nicht mehr verlinken. Und sie tun gut daran, sollte die juristische Splittergranate „Leistungsschutzrecht“ tatsächlich abgeworfen werden.

Werden die Bürger sich deshalb nicht mehr im Netz austauschen? Natürlich nicht. Sie werden jedoch andere Quellen nutzen, Blogs zum Beispiel. Das ist  einerseits schön – andererseits aber sind die Redaktionen der klassischen Medien ja tatsächlich wichtig für unsere Gesellschaft. Und nun werden sie aus den täglichen Gesprächen der Bürger einfach herausfallen.

In der Marketingtheorie gibt es das Bild des „Relevant Set“. Die Kaufentscheidung des Verbrauchers falle in einem mehrstufigen Prozess, sagt die Wissenschaft. Er beginnt mit den verfügbaren Produkten. Von denen werden aber nur die bekannten gekauft, von denen nur die vertrauten und von denen nur die akzeptierten. Am Ende übrig bleiben die präferierten Produkte. Solch ein Relevant Set kann sich ändern. Maßgeblich daran beteiligt ist eben der zwischenmenschliche Kontakt. Wenn mit einem mal alle über eine neue Marke reden, dann arbeitet sie sich in dieses Set hinein. Genauso aber rutschen Produkte oder Marken heraus, wird man nicht immer mal wieder an sie erinnert.

Paid Content sorgt dafür, dass Medienmarken bei jüngeren Menschen erst gar nicht im Relevant Set landen. Und bei älteren? Fallen sie zumindest im Print-Bereich heraus. Denn der Einzelkauf eines gedruckten Produktes ist mit einem kleinen Aufwand verbunden: Ich muss in dem Moment, da ich an einem Verkaufsort vorbeigehe, mich daran erinnern, dass ich ein spezifisches Objekt erwerben wollte. Dabei hilft jener Relevant Set – in dem rutschen die Printobjekte immer weiter nach hinten, denn am zweitwichtigsten Ort der menschlichen Kommunikation (nach dem persönlichen Treffen) werden sie nicht mehr debattiert. Natürlich war das früher anders: Ohne das Internet war der Zwang, sich mit Printprodukten zu informieren eben höher – und somit natürlich der Kaufimpuls.

Als Lösung blieben noch Abos: Sie brächten die Print-Produkte regelmäßig ins Haus, es gibt eine gewisse Hemmschwelle bei vielen Menschen, diese zu kündigen. Doch agieren die deutschen Verlage in Sachen Abos meist unfair gegenüber ihren Kunden: Sehr schnell rutscht man einfach in das Bezahlen hinein, oft sind Kündigungen nur zu bestimmten Zeiten möglich. Und schließlich verkaufen Verlage anscheinend ohne schlechtes Gewissen die Adressdaten ihrer Abo-Kunden. Kein Wunder, dass Abos oft nur noch durch Beigabe teurer Prämien zu verkaufen sind.

Wer aus dem Relevant Set rutscht, wird nicht mehr gekauft. Und schon steigen die wirtschaftlichen Probleme der Medienhäuser. Es beschleunigt sich jene Todesspirale, in der wir uns längst befinden: Weniger Leser bedeuten weniger Anzeigen bedeuten Sparrunden bedeuten sinkende Qualität bedeuten weniger Leser bedeuten…

Natürlich wird es weiterhin Zeitungsleser geben – doch es werden sehr, sehr wenige. Wir haben solch eine Entwicklung schon häufig im Rahmen der Zeitläufte gesehen: Briefmarkensammeln war früher größer, Küfer gab es einst haufenweise, noch in den 70ern hatten wir Nachbarn, die absolut keinen Fernseher haben wollten und allein dem Radio vertrauten.

Dieser kleiner gewordene Kreis der Anhänger eines bestimmten Produktes oder Lebensstils ist sogar in Grenzen kaufkräftig und -willig. Denn um jene Produkte zu erwerben, die seinen gewünschten Lebensstil ermöglichen, ist ein gewisser Aufwand nötig: Die gibt es nicht an jeder Ecke. Doch die Gruppe ist nicht groß genug, damit der Briefmarkenladen im Herzen der Stadt erhalten bleibt, sie reicht nicht für große Fassmacher-Werkstätten mit Dutzenden von Angestellten.

In der Öffentlichkeit werden jene Lebensstile gern belächelt oder verlacht. Warum erhielt jener imaginierte Artikel-Einstieg um die Modelleisenbahn Horst Seehofers, der erst einen Journalistenpreis erhielt und dann nicht, so aufmerksamkeitsstark? Weil er den CSU-Mann als einen im Kopf des Lesers erscheinen ließ, der als Erwachsener mit Spielzeug hantiert. Als Sonderling. Als Freak. Den man sich auch gut vorstellen könnte, wie er eine Seifenkiste auf einen öffentlichen Platz niederwirft, sie besteigt und dann die Sicht der Welt predigt.

Zeitungsleser und Zeitungsmacher sind auf dem besten Weg, genau so wahrgenommen zu werden: die Speakers Corner der Medienwelt, mit immer weniger Touristen, die sich ob des merkwürdigen Schauspiels belustigt fühlen. Der Journalismus marginalisiert sich selbst.


Kommentare


Journalissmus 12. Dezember 2012 um 15:09

Diese Kritik an Paywalls läuft in die selbe Unbedingtheitsfalle, mit der sie von Onlinemedien großteils konzipiert und angegangen werden – nämlich unbedingt. Paywalls müssen keinesfalls unbedingt das Ende der Bekanntheit von Onlinemedien bedeuten. Wenn sie nur wohldosiert hochgezogen werden und interessante Diskussionen wie die angesprochene im „Stern“ nicht hinter ihr verschwinden.

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Thomas Knüwer 12. Dezember 2012 um 15:51

Theoretisch ja – aber wer zahlt dann noch? Und können die Medien tatsächlich beurteilen, was interessant ist und was nicht? Ich glaube auch nicht, dass ein inkonsistentes Vorgehen Menschen tatsächlich zum Zahlen animiert. Also: ich bin höchst skeptisch.

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Zensurgegner 12. Dezember 2012 um 15:34

Filterblase und Pressespiegel sind die richtigen Stichworte.
Ich hatte den Eindruck, das die tendenziösen Artikel zum Leistungsschutzrecht der letzten Monate nicht für die Leser, sondern in erster Linie für die Pressespiegel unserer Volksvertreter geschrieben wurden. Denn FAZ, SZ, Zeit usw. wissen genau, wie sie die dort vorhandene Filterblase zu ihrem Vorteil manipulieren können.

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Andre 12. Dezember 2012 um 15:41

Stimmt schon, wenn die Gefahr besteht, schon für einen Link vor gericht zu landen, wird man eben nicht mehr verlinken. Mir persönlich stößt aber noch mehr auf, wie die Verleger-Erzeugnisse rund um LSR in den letzten Wochen mit einseitigen, teilweise falschen Berichten aufgefallen sind. Wenn die Journalisten zeigen, dass sie eben nicht unabhängige Berichterstattung liefern, bin ich nicht mal mehr bereit, sie mit Aufmerksamkeit zu bedenken, geschweige denn Geld.

Mir ist das letzte Woche akut aufgefallen, als Spon, FAZ, SZ und vermutlich andere Verlage alle inhaltlich gleich berichtet haben, dass Google als Wirtschaftsunternehmen eine Kampagne gegen das LSR veröffentlicht hatte. Wer als ‚Argument‘ nur darauf verweist, dass Google eine Firma ist, die Geld verdienen will, ohne wenigstens zu erwähnen, dass der jeweilige Arbeitgeber gerade kein wohltätiger Verein ist, hat entschieden einen Bruch in meinem Vertrauen ausgelöst. Besonders übel ist mir da die ARD aufgefallen, die in die selbe Kerbe geschlagen hat. Und ich hatte mich vorher noch gefragt, was es mit der Deutsche Content-Allianz auf sich hätte…

Wo gibt es denn gute, aktuelle Informationen, die nicht von deutschen Verlegern beeinflusst sind?

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Patrick 12. Dezember 2012 um 16:03

Also Tiere im Kreisverkehr gibt es hier in Schweden ja schon seit vielen vielen Jahren: http://www.jannealmqvist.com/rondelldjur.html

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Diskussion gibt’s wo ? 12. Dezember 2012 um 17:56

In Diktaturen muss man aufmucken und Diskussionen verbieten.
In wahren Demokratien wie Deutschland kann man auf zeitaufwendige Diskussionen verzichten und die Presse dafür bezahlen Politiker und Manager wirksam wie bei Formel 1 (wo die Autos jedes rennen schneller werden) zum besseren zu kontrollieren.
Denkbefreite Jubelpresse gibt’s zum Glück nur in Diktaturen oder früher beim Adel.

Nenn mal die Länder in denen man schikanefreie demokratische konstruktive Diskussion findet.
Hateforen gibt’s genug. Amazonrezensionen sind oft noch das seriöseste.
Google Facebook Piraten Gewerkschaften Heise und digiges bieten mW keine Orte konstruktiver angstfreier Diskussion wo zb auch Parteimitglieder oder Beamte schikanefrei (also wirksam technisch anonym) konstruktiv diskutieren oder auf Probleme hinweisen können.
CrowDemocracy klappt in England wohl nicht, was aber kein Argument gegen die Idee an sich ist.

Ich sehe keine relevanten Diskussionen. Warum also sollte es heruntergekommenen unternehmen oder Branchen dann also besser gehen ?
Wir müssen das alle bezahlen.

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Thomas Wiegold 12. Dezember 2012 um 18:31

Sie merken es selbst kurz vor dem Ableben nicht, wie ein heutiger Kommentar in der Frankfurter Rundschau zeigt (Link natürlich nicht):

Interessieren sich die Deutschen zu wenig für die Auslandseinsätze der Bundeswehr? Ja, wenn man Verteidigungsminister Thomas de Maizière glaubt. Nein, wenn man die Berichterstattung der deutschen Qualitätspresse oder Nachrichtensendungen und Talkshows der öffentlich-rechtlichen Medien als Maßstab anlegt, in denen diese Frage regelmäßig diskutiert wird.

Äh, ja. Die Berichterstattung der Qualitätspresse als Gradmesser, wofür sich die Deutschen interessieren. Neben Talkshows. Die glauben das wirklich.

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Michael Mayer 12. Dezember 2012 um 18:46

Mal wieder ein Blog-Post nach dem Motto „everything happens for a reason you make up“. Die Paywall war eher nicht das Problem der FTD, bei der New York Times scheint’s ganz gut zu funktionieren und Illustrierte wie den Stern, Focus und vermutlich auch die Superillu als „wichtiges“ Medium für die Meinungsbildung und öffentliche Debatten zu sehen, naja. Nicht umsonst fehlen diese in der Bibliothek des Bundestags – interessiert keinen wirklich. Sowas gibt es kostenlos ohne Paywall bei Lufthansa, um sich die Zeit totzuschlagen…

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Joachim Sondermann 12. Dezember 2012 um 19:53

Eine Anmerkung am Rande: Ich finde es schon relativ peinlich, wenn Journalisten sich selbst „Qualitätsjournalismus“ bescheinigen. Also nicht mehr nur „wie diese Zeitung berichtete“ (= ha, wir hatten es nicht verpennt), sondern „wie dieses Organ der Qualitätspresse berichtete“. Brrrr.

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Skalg 12. Dezember 2012 um 21:12

guter blogpost!

In der Debatte um Journalismus gibt es ein Problem: Es reden nur Journalisten mit, und die sind befangen. Lässt das Internet die Einnahmen einbrechen? Ja, aber nicht wegen zahlungsunwilliger Leser, sondern wegen Werbeeinnahmen.
Ist gutbezahlter Journalismus unentbehrlich? Ja, aber nicht da, wo es um Meinungen und Kommentare geht. Das können auch blogs. Für harte Dakten, Recherchen und Ähnliches muss bezahlt werden, und genau da liegt auch die Stärke der Medien – auch wenn sie das ab und zu mal vergessen.
Zu paywalls hat die taz ein interessantes modell. Man muss nicht zahlen, wird aber mit ner zahlungsaufforderung genervt bis mans tut.

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Michael Lohmann 13. Dezember 2012 um 10:40

Wer Bezahlinhalte anbieten will, muss zuerst einen Mehrwert bieten, der die Geldausgabe lohnt. Ich finde, da beginnt bereits das Problem. Guter Journalismus mag auch für Käufer attraktiv sein. Aber er wird weniger. Das liegt nicht nur daran, dass sich Printmedien aus der öffentlichen Debatte zurückziehen. Es liegt auch an einem Verzicht auf kritische Recherche.

Allzuoft liest man lediglich Übertragungen der Agenturmeldungen. Dann gibt es jede Menge Artikel, die mit rhetorischen Tricks vorgaukeln, Wissen zu vermitteln. Das ist der Fall, wenn Printtexte in Phrasen und Metaphern flüchten, um so zu verdecken, dass es an belastbaren Fakten fehlt. Dafür ließen sich etliche Beispiele nennen. Etwas wirklich neues ist das auch nicht. Für meine Doktorarbeit habe ich Zeitungsartikel aus den frühen 1990er Jahren als Quellen verwendet. Nicht selten haben Journalisten auch seinerzeit steile Thesen ohne Beleg aufgestellt, Zusammenhänge suggeriert, ohne sie argumentativ herzuleiten und mit drastischem Pathos geurteilt und gewettert, wo sie eigentlich kaum in der Lage waren, die berichteten Verhältnisse zu durchschauen. Nicht jeder mag so kritisch bei der Zeitungslektüre vorgehen wie ein Doktorand. Aber es wird auch nicht wenige anspruchsvolle Zeitungsleser geben, die sich enttäuscht von den Printmedien abwenden, weil sie allzu oft nur seicht sind, anstatt zu informieren. Der „SPIEGEL“ ist ein gutes Beispiel dafür. In seinen politischen Reportagen regieren die human interests. Die Autoren spekulieren über die Befindlichkeiten von Politikern und fragen, wer mit wem kann oder auch nicht. Aber oft genug fehlt es dann an einer Beschäftigung mit der Sache selbst: Was wird da eigentlich konkret beschlossen? Lieber macht man dann Boulevard für Gebildete und zeichnet das Bild von miteinander kämpfenden Protagonisten. Nur reicht das auf Dauer nicht wirklich, will man wissen, was in der Politik los ist.

Mir fehlt es in der ganzen Diskussion an einer Qualitätsdebatte. Ohne Qualität gibt es nämlich gar keinen Grund, hinter die Paywall zu schauen.

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Aufgelesen … Nr. 69 – 2012 | Post von Horn 13. Dezember 2012 um 17:32

[…] Rahmen eines E-Papers, das keine Diskussionsoptionen erlaubt, erst recht keine öffentlichen. Aus: Indiskretion Nebensache b. Bochum ist überall Die Berichterstattung der New York Times, die hier wie so oft besser über […]

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teekay 14. Dezember 2012 um 15:57

Interessanter Beitrag-aber mal ganz ehrlich: Das wissen die Zeitungen/Verlage/Journalisten doch alles. (Tages)Zeitungen waren nie Gelddruckmaschinen, und in dem Moment wo die Maxime ‚wie koennen wir mit der MARKE […] so viel Geld wie moeglich verdienen?‘ wurde, war klar, dass das wenig mit dem Interesse an Debatte, Journalismus, Demokratie etc. zu tun hat. Wenn die Klickzahlen stimmen, die Buchverkaeufe in meinem Shop gut sind, und ich Teil der Filterblase bin, dann setzte ich mich doch nicht hin und sage ‚vielleicht haette ich eine kritische Rezension schreiben sollen‘, oder, SchockHorror, ich haette das Buch durch Nichtbeachtung bestrafen sollen. Unter dem Dach von Zeitungsmarken werden nicht mehr bloss Werbung, sondern PR, Buecher, Konferenzen und 1000 Sachen verkauft, die nichts mit Journalismus zu tun haben. Das lohnt sich fuer die Verlage und den letzten ‚unproduktiven‘ Rest der Zeitung will man sich durch das LSR noch subventionieren lassen.

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David 15. Dezember 2012 um 11:45

Den von Ihnen dargestellten Widerspruch zwischen Paywalls und öffentlichen Diskussionen kann ich nicht nachvollziehen. Die von Ihnen genannten Recherchen von Günter Wallraff sind doch beispielsweise gerade nicht in Millionenauflage auf Handzetteln unter die Leute gebracht worden, sondern man musste dafür Bücher und/oder Zeitungen ganz real kaufen. Und trotzdem wurde breit darüber diskutiert. Warum sollte es im bzw. über das Internet anders laufen?

Solange die Verlage alle Inhalte kostenlos und zudem noch vor Erscheinen der Print-Ausgabe ins Netz stellen, sind die zahlenden Abonnenten der gedruckten Inhalte die Dummen.

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Thomas Knüwer 17. Dezember 2012 um 9:51

Sie müssen das andersherum sehen: In Zeiten des Internets wird dort diskutiert. Als Wallraff seine „Bild“-Recherchen veröffentlichte gab es diese Möglichkeit noch nicht. Heute aber ist ein Inhalt, der die Konversation im Internet nicht erreicht kein Gegenstand des öffentlichen Diskurses.

Finden Sie, dass Abonnenten die Dummen sind? Ich nicht. Sie erhalten ein physisches Produkt, dessen Herstell- und Vertriebsaufwand bezahlt wird. Und es gibt eine große, aber sinkende Zahl von Menschen, die solch ein physisches Produkt wünschen. Insofern haben wir durch das Netz schlicht und ergreifend eine reale Preisbildung, die zuvor durch das Oligopol im Bereich Print nicht möglich war.

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Fundraising-Wochenrückblick vom 10.-16.12.2012 | sozialmarketing.de – wir lieben Fundraising 17. Dezember 2012 um 18:03

[…] allfacebook: Whitepaper: Facebook Tracking & Monitoring PR-Doktor: Der Klick als sozialer Kitt PR-Blogger: Zukunft der Online-PR: Agenturen müssen sozialer werden Indiskretion Ehrensache: Wie der Journalismus sich marginalisiert […]

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