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In der vorletzten Woche gab es eine Meldung, die nur in den Fachdiensten der Medienindustrie zu finden war. Dabei wäre sie  für gewisse Teile der Allgemeinheit durchaus interessant gewesen. Schließlich haben Deutschlands Datenhändler wieder zugeschlagen: Über 40.000 physische Adressen unbescholtener Bürger wurde einfach so verschachert – gefragt hat sie niemand.

Nicht nur die Medien hätten darüber berichten können. Vielleicht hätten auch die handelsüblichen Datenschützer, vielleicht gar Verbraucherschutz-Ministerin Ilse Aigner das Wort erheben können. Jenes Datenhandelsgeschäft war zwar nicht illegal – aber trotzdem hätte ja ein erhobener Zeigefinger die mangelnde Moral jenes Deals in die Öffentlichkeit gebracht.

Wovon ich spreche?

Das „Handelsblatt“ hat die Abonnenten-Datei der „Financial Times Deutschland“ gekauft.

Dies ist erlaubt, da Verlage sich per Lobbyismus das Listenprivileg erkämpft haben. Es geht ihnen ja so schlecht, dass sie ohne diesen Adressdatenhandel gar nicht überleben können. Das sage nicht ich, das sagte Wolfgang Fürstner vom Zeitschriften-Verlegerverband VDZ.

Rechtlich, also ist es erlaubt, dass die Käufer der „FTD“ nun mal probeweise das „HB“ erhalten. In Zeiten aber, da die Aufregung groß ist um Themen wie Datenschutz und Privatsphäre sollten sich Verlage fragen, ob dies tatsächlich ein so kluges Vorgehen ist. Ihre Kunden haben ihnen diese Daten anvertraut. Sie haben sich vielleicht bewusst für die „FTD“ entschieden, weil ihnen der Stil, der Inhalt oder die Aufmachung des „Handelsblatts“ nicht gefielen. Und nun bekommen sie exakt dieses Blatt geliefert. Ob sie sich darüber freuen? Ich glaube nicht. Vielmehr sind es genau solche Aktionen, die Menschen davon abhalten, leichten Herzens ein Abonnement abzuschließen: Sie müssen Angst um ihre Daten haben.

Denn an wen sind sie da geraten? An ein Blatt, dessen Chefredakteur Gabor Steingart ihnen ankündigt, der Gründungs-Chefredakteur der „FTD“, Andrew Gowers würde nun Kolumnist beim „Handelsblatt“ sein.

Nur: Das stimmt nicht.

Er wurde gefragt, hatte britisch-höflich geantwortet, er werde es sich überlegen. So schildert es Meedia. Nun ist Gowers – verständlicherweise – sauer. Also, so richtig sauer. Auf der Facebook-Seite der „FTD“ ist seine Reaktion zu lesen:

„I am writing one piece for HB about a subject I feel strongly about – Britain and Europe – as commissioned by Torsten Riecke (Anmerkung der Ex-Redaktion: Torsten Riecke ist Kommentarchef des Handelsblatt). I just sent Steingart a note complaining about his tasteless, poorly-judged and misleading remarks and saying I will never write a column for his shit, declining newspaper! You can tell that to the colleagues too.”

Wir dürfen mal gespannt sein, ob er auf eine Gegendarstellung drängt – dann dürften die „Handelsblatt“-Leser von der Unverschämtheit Steingarts auch direkt erfahren.

Tasteless, poorly-judged, misleading, shit und declining – dieses Urteil fällt der Sprecher der Association for Financial Markets in Europe, ein Mitglied der unmittelbaren Kernleserschaft, über das Vorgehen des Düsseldorfer Verlags.

Und dieser Verlag handelt mit den Daten von 40.000 Lesern. Sie werden Post erhalten von Gabor Steingart, absehbar aber auch von den anderen Blättern des Hauses. Und sie ahnen, wem sie das zu verdanken haben: Gruner + Jahr.

Wundert sich wirklich irgendjemand darüber, dass es schwer geworden ist, Print-Abos zu verkaufen?


Kommentare


Bingo! Financial Times – 42.000 Kundendaten verkauft | SAFE-ADDRESS 10. Dezember 2012 um 17:10

[…] Deutschlands Datenhändler schlagen wieder zu Bewerten:Share this:TwitterFacebookGefällt mir:Gefällt mirSei der Erste dem dies gefällt. 29. November 2012 by ansch11 Kategorien: Datenhändler vorgestellt, Financial Times Deutschland, Konsumentenprofile, Neckermann | Schlagworte: air berlin, datenhandel, DIE ZEIT, Financial Times Deutschland, Frankfurter Rundschau, Handelsblatt, Nutzerdaten, nutzerprofil | Hinterlasse einen Kommentar […]

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Christian Preiser 10. Dezember 2012 um 17:50

Treffender Kommentar. Bleibt die Frage: Warum nur ist Gabor so gierig und Steingart so schamlos? Und: Hatte nicht eben derselbe den FTD-Lesern Ende August das Angebot „100-Tage-HB-für-umme“ unterbreitet? Wieviele Neu-Abonnenten hat Holtzbrinck durch diese PR-Aktion eigentlich gewonnen? Apropos: Ist Steingart in der Holtzbrinck-Geschäftsführung eigentlich auch für Leser-Werbung und -Marketing zuständig?

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Nachtwächter-Blah » Datenschleuder des Tages ist der Kadaver der Fin… 10. Dezember 2012 um 18:45

[…] des Tages ist der Kadaver der Financial Times Deutschland, aus dessen Nachlass mal eben die kompletten Abonnentendaten an das Handelsblatt verhökert wurden. Datenhandel, Datenschleuder, FTD, Handelsblatt, Indiskretion Ehrensache, […]

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geheim 10. Dezember 2012 um 19:18

Vor allem: Glaubt das Handelsblatt wirklich, dass die Leser so blöd sind, sich eine eigene, neue Wirtschaftszeitung zu suchen? Da hat also jemand jahrelang die FTD gelesen, diese wird jetzt eingestellt und im Zweifelsfall will dieser dann auch eine neue Zeitung.

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Andreas Schumann 10. Dezember 2012 um 23:23

Im Zusammenhang mit der Zustellung des Handelsblatt sind nun die Datenschutzbehörden auf den Plan gerufen. Sie prüfen, “ob beim Abschluss der Abonnentenverträge entsprechende Einwilligungserklärungen abgegeben worden seien und wer die Ex-FTD-Abonnenten tatsächlich angeschrieben habe.”

Quelle Reuters Deutschland: http://de.reuters.com/article/companiesNews/idDEBEE8B905320121210

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Aufgelesen … Nr. 68 – 2012 | Post von Horn 11. Dezember 2012 um 12:06

[…] leichten Herzens ein Abonnement abzuschließen: Sie müssen Angst um ihre Daten haben. Aus: Indiskretion Ehrensache c. Eine große Spende, bitte! In Europa werden große Zeitungen von gemeinnützigen Stiftungen […]

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Print-Abonnent 11. Dezember 2012 um 12:46

Meine 5 abozeitschriften haben meine Adresse nicht verkauft. Ebensowenig die Vereine deren Mitglied ich bin.
Mein freemail-Anbieter hingegen meine Adresse an Lotterie-Anbieter.
Die triviale Idee, alle Firmen und ihr werbeverhalten zu Listen haben digiges, Piraten und Verbraucherschützer bisher nicht realisiert.

Sowas Triviales macht man im Programmierpraktikum und wäre ein öffentliches outing für die Verkäufer und Vorbild für gute Vereine und Zeitschriften.
Ampeln (rot rotgelb gelb gelbgrün Grün) wären ein nettes listenattribut zb in einer tagcloud der zeitschriftennamen.

Leider wollen manche erst Regierungsbeteiligung oder hinterzimmertreffen mit Politikern statt jetzt und heute steuerfrei Probleme zu lösen und von der Werbung leben zu können oder dann aus dank gewählt zu werden.

Deinem Schlusswort kann ich nicht zustimmen. Bei Abos gibt es nicht viele Substitute im Gegensatz zum Supermarkt wo man dann Milchprodukte von subventionsfreien Firmen kaufen kann die ihr Geld nicht im Ausland versteuern und Fabriken der lohnerosion (also eu-beitrittsländern ) folgen lassen. Es soll hingegen nur noch zwei Speiseeisproduzenten in Deutschland geben…
Aber ftd ist nicht durch Spiegel oder Hamburger Abendblatt nicht durch Berliner Morgenpost substituierbar. Der adresshandel stört auch nicht so sehr, das irgendwer etwas dagegen macht. Danke rot-grüne Regierung.

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Respekt! Wie würde das alles bloß werden? » xtranews – das Newsportal aus Duisburg » Financial Times Deutschland, Gruner + Jahr, Handelsblatt, Opel 11. Dezember 2012 um 18:25

[…] schreiben. Das ist respektvoll, aber auch ziemlich klug. Denn viele FTD-Leser haben sich, worauf Thomas Knüwer aufmerksam macht, „vielleicht bewusst für die `FTD´ entschieden, weil ihnen der Stil, der […]

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Gelassenheit durch Kompetenz 12. Dezember 2012 um 9:33

Datenhändler austrocknen…

Wie der Blogger und Journalist Thomas Knüwer berichtet, hat das "Handelsblatt" die Abonenntendaten der insolventen "Financial Times Deutschland" gekauft. Möglich ist dies durch das sogenannte "Listenprivileg", eine explizi…

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Deutsche sind vom Internet nicht überfordert 14. Dezember 2012 um 15:05

[…] der aktuellen Debatte um den Verkauf der Adressdaten von “Financial Times Deutschland”-Abonnenten sollten sich Verlage fragen, wie sehr ein solcher Datenhandel angesehen wird, wenn 53,9% der […]

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Instagram und die traurige Realität des Journalismus 19. Dezember 2012 um 16:31

[…] Dies gilt nicht für die gesamte deutsche Journaille – aber für den allergrößten Teil. Dem würde ich soviel Verve in Sachen Datenverkauf auch wünschen, wenn seine eigene Branche massenhaft mit Daten handelt – bei der gehört es ja zum Geschäftsp… […]

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