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Es gibt Volksvertreter, die sich allen Ernstes wundern, dass die Menschen insgesamt, besonders aber Jugendliche, eine abneigende Haltung gegenüber der Politik haben, ja, dass sie eben „politikverdrossen“ sind.

Mich wundert, dass das noch jemand wundert. Warum sollte es denn anders sein?

„Politik“ ist natürlich ein weites Feld. Niemand dürfte es schaffen, in allen Aspekten, Sphären und Facetten sicher zuhause zu sein. Die meisten Menschen wollen das auch gar nicht, was keineswegs verwerflich ist.

Die allermeisten Menschen interessieren sich eben für jene Politikfelder, zu denen sie einen persönlichen Bezug haben – das ist ganz natürlich.

Auch bei Jugendlichen ist das so. Nur jene, die ein Agrarerbe antreten, werden sich für Agrarpolitik interessieren. Die allermeisten aber interessieren sich für Politikbereiche, die in ihren Alltag eingreifen.

Wie also sieht Berlin 2012 für die Jugendlichen aus?

Die meisten von ihnen werden in irgendeiner Art und Weise illegale Digitalkopien von Musikstücken, Filmen oder TV-Serien besitzen. Die meisten wissen auch, dass dies nicht legal ist – doch wie sollten sie sich diese Kulturgüter sonst leisten können? Für diese Situation werden sie von der Politik kriminalisiert.

Man droht ihnen gar mit Internet-Entzug. Was gleichzeitig bedeutet: Massive Nachteile bei den Hausarbeiten, soziale Entnetzung, keine Vorbereitung auf das künftige Leben.

Wir wissen aus Studien, dass die freie Kommunikation über digitale Kanäle für Jugendliche ein hohes Gut ist. Die Politik sollte diese mit dem Acta-Abkommen maßgeblich überwachen und beschneiden. Nur ein wenig Google-Recherche zeigte den Jugendlichen, dass dieses Abkommen nicht in einem Parlament verfasst wurde – sondern von der Wirtschaft. Die Politik sollte hier nur ergebener Abnicker sein.

Diese junge Generation erlebte, wie die Piratenpartei noch vor all dem Kuddelmuddel, das sie selbst verursachte, hämisch niedergemacht wurde.

Eine massive Bürgerüberwachung durch die Vorratsdatenspeicherung ist bei der CDU wie der SPD en vogue. Für Jugendliche aber ist die Welt der Daten häufig genug der einzige Ort, an dem sie zwischen Ganztagsschule, Sportverein, Musikunterricht noch selbstgewählt unter Ihresgleichen sein können. Auch hier sollen sie sich nicht unbeobachtet fühlen.

Sie sehen weiterhin Abgeordnete aus dem Bundestag eilen, nachdem sie ein Gesetz zu mehr Transparenz abgelehnt haben. Diesen Standpunkt vor der Kamera rechtfertigen mag keiner, wie erwischte Ladendiebe stehlen sie sich aus dem Parlament.

Und nun das Leistungsschutzrecht. Es könnte im Extremfall zu einer Auslistung der Inhalte führen, die Jugendliche suchen – egal ob für Hausarbeiten oder für privates Interesse. Es ist ein Gesetz, gegen das sich nicht nur die besten der deutschen Urheberrechtsexperten stemmen – sondern auch die Jugendorganisationen der Parteien.

Jeder Abgeordnete, der diesem Gesetz zustimmt, sollte deshalb künftig den Mund halten, geht es um sinkende Wahlbeteiligung und Politikverdrossenheit.

Vielmehr darf er die Frage beantworten, warum gerade Jugendliche NICHT politikverdrossen sein sollten?


Kommentare


Sven Scholz 29. November 2012 um 14:32

Wenn du jetzt noch die gemeinsame Erklärung der Jugendorganisationen von CDU, SPD, Grünen und Piraten verlinkst hülfe das dem Kontext ungemein… 😉

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Thomas Knüwer 29. November 2012 um 14:45

Habe gerade mobil geschrieben, WordPress-App hat den Link nicht angenommen… Reiche ich nach!

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Eine verlorene Generation » 29. November 2012 um 16:32

[…] Thomas Knuewer stellt die provokante Frage: «Warum sollten Jugendliche NICHT politikverdrossen sein?». Detlef Borchers twitterte gestern: «Parteien, die für das schwachsinnige LSR stimmen, sparen sich 2013 die Knete für den Online-Wahlkampf: Das Netz vergisst nicht». Die Studie der IFSE zeigt eindeutig, dass die junge Generation das #LSR ablehnt (siehe obige Grafik). […]

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teekay 29. November 2012 um 19:11

Naja, ‚Politikverdrossenheit‘ ist erstmal eine ziemlich leere Phrase, weil sie dem politischen Betrieb ja letztlich nicht schadet (auch wenn man das in hochtrabenden Sonntagsreden mit Bezug auf Verfassung, Geschichte der BRD usw. anders propagiert). Wenn die Wahlbeteiligung *dramatisch* einbrechen wuerde, wenn CDU und SPD zusammen weniger als 50% der Stimmen bekommen wuerden und wenn sich kein Jungpolitiker mehr fuer Aemter finden wuerde, wird sich was aendern. Wenn ich Politiker waere, waere ich recht unbesorgt, denn auch bei lokalen Wahlen mit 30% Beteligung bin ich am Ende Buergermeister o.ae. und Fragen nach der Legitimation verstummen ca. eine Woche nach Amtsantritt…

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AM 30. November 2012 um 9:07

auch wenn ich gegen den Entwurf zum Leistungschutzrecht bin, finde ich ihr Argument: „Alle besitzen Raubkopien, weil die Jugendlichen sich sonst Kulturgüter nicht leisten können und die Politik sollte sie dafür nicht kriminalisieren“, falsch, gefährlich und der Ernsthaftigkeit der Debatte um das LSR nicht angemessen. Hätte ich mit dieser Begründung in Vordigitalzeiten Schallplatten klauen dürfen? Weil ich ein Kulturgut nur so besitzen konnte? Nö.

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Thomas Knüwer 30. November 2012 um 9:10

Nein. Aber Sie hatten keine Kassetten, voll mit Aufnahmen vom Radio?

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AM 30. November 2012 um 9:09

und hier noch Produktionshilfe: http://www.junge-union.de/content/presse/mitteilungen/1366

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Thomas Knüwer 30. November 2012 um 9:12

Danke! Hatte ich schon eingefügt. Die WordPress-App ist… ausbaufähig 😉

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Aufgelesen … Nr. 57 – 2012 | Post von Horn 30. November 2012 um 12:09

[…] sind. Mich wundert, dass das noch jemand wundert. Warum sollte es denn anders sein? Aus: Indiskretion Ehrensache b. Eine verlorene Generation Der Kampf um das Leistungsschutzrecht ist nicht nur ein Kampf Google […]

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sportinsider 30. November 2012 um 12:17

Wir haben keine Politikverdrossenheit sondern eine Politikerverdrossenheit. Es fehlen charismatische, authentische Persönlichkeiten die mit beiden Beinen in der Lebensrealität stehen. Da die meisten Volksvertreter eher in der Kategorie mausgrau zu verorten sind, und gerne das Spiel rein in die Kartoffeln in der früh und gegen mittag aber schleunigst wieder raus (ohne Brille oder Fernglas für jeden Bürger bei der abrupt vollzogenen vor Fukushima Einknick-Energiepolitik zu erkennen, wenige Monate vorher war gerade die entgegengesetzte Politik in Sachen AKW von den Damen und Herren der Bundespolitik und der Atomlobby geritten worden ), fehlt auch ein wenig der Glaube an die Arbeit der Parlamentarier.

Eigentlich bräuchten die Damen und Herren im Berliner Glashaus eine ernsthafte Konkurrenz mit starken und richtigen Piraten. Die haben sich aber selbst zerlegt.

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Friday-Link-Tipps | satzGrund 7. Dezember 2012 um 11:11

[…] “Warum sollten Jugendliche NICHT politikverdrossen sein?“: Sehe ich auch so. Welche Partei nimmt sich den Jugendlichen überhaupt ernsthaft bitte […]

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Stigma Videospiele » Blog Archive » Replik zu “Kaiser ist cooler” von Christian Schmidt 7. April 2013 um 14:01

[…] als gewagt ansehen, hier ein Desinteresse zu beklagen. Darüber hinaus hätte die Jugend – hier schön dargestellt – wohl jedes Recht politiker- und parteienverdrossen zu […]

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