Skip to main content

Im Juli schrieb ich hier, dass es für Deutschlands Zeitungsmitarbeiter ein hässliches, zweites Halbjahr geben wird. Leider scheine ich da recht zu behalten. Kurz zuvor hatte die „Nürnberger Zeitung“ angedroht, bis zu 20 Prozent ihrer Redakteure zu feuern. Dann, im August erfuhren wir, dass die „Westdeutsche Zeitung“ ein Fünftel Ihrer Mitarbeiter entlässt.

Das alles ist bitter – weil es so vorhersehbar ist. Das Zeitfenster, in dem die Verlage den Wandel Richtung digitales Zeitalter noch schaffen können, wird immer winziger – wenn es sich nicht ohnehin schon geschlossen hat. Nirgends hören wir derzeit von spannenden, digitalen Produkten – überall aber von Sparmaßnahmen im Print-Bereich.

Und nun rumort es wieder beim WAZ-Konzern. Erinnern wir uns: Erst 2009 wurden hier 300 Redakteursstellen gestrichen. Im Kleinen ging es dann weiter, eine in diesem Jahr verkündete „Lokaloffensive“ bezeichnen viele intern als reinen Sparakt. Und nun findet sich in den Kommentaren des gewerkschaftsnahen Blogs Medienmoral NRW ein Brief der Chefredaktion der „Westfälischen Rundschau“ (die zum Reiche WAZ gehört). Er zeigt: 20 Prozent Einsparungen sind bei Deutschlands Verlagen das neue Schwarz:

„Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die Chefredaktion hat großes Verständnis dafür, dass sich in den Redaktionen angesichts der innerbetrieblichen Nachrichtenlage Besorgnis und Verunsicherung breit macht. Um ins Kraut schießende Gerüchte und Spekulationen zu vermeiden, hier unser aktueller Informationsstand:

– Angesichts dramatisch wegbrechender Erlöse insbesondere im nationalen Anzeigengeschäft und deutlich geringerer Vertriebseinnahmen hat sich die Geschäftsführung entschlossen, die Kostenstruktur aller deutschen WAZ-Bereiche auf diese auch in den nächsten Jahren zu erwartende negative Erlösentwicklung auszurichten.

– Im Moment ist tatsächlich die Rede davon, dass alle deutschen Bestandteile der WAZ-Gruppe -unabhängig von ihrer aktuellen Ergebnis- und Renditesituation –ihre Kosten bis zum Jahr 2014 um 20 Prozent reduzieren müssen.

– Selbstverständlich ist davon trotz aller auch heute noch spürbaren Nachwirkungen des Schickler-Sparprozesses auch die Westfälische Rundschau betroffen.

– Die Chefredaktion ist dabei zu überlegen, wie und vor allem mit welchen konkreten Maßnahmen dieses Sparziel erreicht werden kann.

– Sie legt bei ihren Überlegungen selbstverständlich auch diesmal besonderen Wert auf den Aspekt der Arbeitsplatzsicherheit der Kolleginnen und Kollegen und die journalistische Handlungsfähigkeit der Redaktionen.

– Derzeit gibt es noch nicht einmal im Ansatz konkrete Sparmaßnahmen oder gar Maßnahmenpakete zur Kostenreduzierung.

– Sobald es konkrete Planungen oder neue Aspekte in der laufenden Debatte gibt, werden wir die Redaktionen natürlich unverzüglich informieren.

Malte Hinz, Chefredakteur; Lars Reckermann, stellv.“

WAZ-Co-Geschäftsführer Christian Nienhaus, der vor allem durch Brandreden gegen digitale Aktivitäten von ARD und ZDF auffällt, gab dem Branchenblatt „Horizont“ Anfang August ein Interview. In diesem sagte er: „Ich bin fest davon überzeugt, dass mit dem Geschäftsmodell Print noch viele Jahre sehr ordentliche Renditen möglich sind.“

Die Redakteure der „Westfälischen Rundschau“ könnten berechtigte Zweifel an dieser Aussage hegen.

Nachtrag: Die Geschäftsführung der WAZ-Mediengruppe hat die 20%-Einsparungen inzwischen gegenüber Medienmoral NRW bestätigt.

Nachtrag II: Eine Einsparung kommt selten allein. Nun meldet Meedia, dass auch die DuMont-Tochter Presse- und Medienhaus Berlin (Mutter von „Berliner Zeitung“, „Berliner Kurier“ und „Berliner Abendblatt“ an Sparplänen arbeitet.

Bemerkenswert bei all diesen Meldungen ist die Berufung auf katastrophale Anzeigenumsätze. Nun bewahrheitet sich, was die Verlagsmanager nie wahrhaben wollten (oder es öffentlich nicht zugaben): Die über Jahre sinkenden Auflagen führen in einem zweiten Schritt zu einbrechenden Anzeigenerlösen. Diese führen nun zu Sparrunden, die machen die Produkte schlechter – woraufhin sie noch seltener gekauft werden: Willkommen in der Todesspirale. Und derweil haben die Verlage verschlafen, ihre Online-Angebote auf den Stand der Zeit zu bringen (mehr dazu hier).


Kommentare


Pottblog 20. September 2012 um 6:26

Links anne Ruhr (20.09.2012)…

Castrop-Rauxel: Die FNR-Retter geben nicht auf (WR.de) – Wie sollen Rat, Verwaltung und Bürgermeister mit der Aussage der Bezirksregierung, wonach das Bürgerbegehren in Sachen Fridtjof-Nansen-Realschule (FNR) ungültig sei, umgehen?…

Antworten

Moki 20. September 2012 um 10:25

Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Und was machen die Verlage? Sie reagieren nur passiv mit Sparen und Personalabbau, statt endlich ein zukunftsfähiges Konzept für ihr Produkt auf die Beine zu stellen. Natürlich würde ein zukunftsfähiges Konzept auch ungemütlich für so manchen Mitarbeiter im Unternehmen werden. Beispielsweise für die Mitarbeiter in den oft realtiv neuen Druckzentren. Man möge sich nur mal überlegen, was mit denen geschieht, wenn eine Zeitung plötzlich den größeren Anteil ihrer Auflage als E-Ausgabe verkauft. Aber was war beispielsweise mit den Setzern, als diese aufgrund neuer Drucktechnologien nicht mehr gebraucht wurden? Das ist eben der Lauf der Zeit. Da bringt es nichts, auf Teufel-komm-raus das olle Printgeschäft in seiner althergebrachten Form bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen.

Es ist vielmehr längst überfällig, dass die Verlage offensiv mit den technischen Neuerungen umgehen. Sie beklagen wegfallende Anzeigenerlöse. Warum ist das so? Na, weil sie die Marktmacht im Anzeigengeschäft an größere und effektiver arbeitende Akteure im Netz verloren haben. Doch statt ihre Kraft für so etwas unsinniges wie das Leistungsschutzrecht zu bündeln, könnte eine solche Bündelung doch viel konstruktiver eingesetzt werden. Warum schließen sich regionale Verlage nicht zusammen, um ihr Produkt gemeinsam elektronisch unter’s Volk zu bringen? Das klingt jetzt vielleicht auf den ersten Blick abstrus. Aber als Vorbild nehme ich jetzt einfach mal die vielen kleinen Skigebiete in den Alpen, die sich unter einem Skipass zu einem schlagkräftigen Marktteilnehmer zusammengeschlossen haben. So könnten sich regionale Verlage zusammenschließen und ihren Lesern zu einem Preis elektronisch ihr Produkt anzubieten. Ein solcher Zusammenschluss ordentlich online umgesetzt, hätte man auch gegenüber Anzeigenkunden wieder eine bessere Verhandlungsposition. Und der Leser hätte einen Mehrwert, da er sich zu einem Preis viele verschiedene Verlagserzeugnisse online oder als E-Paper durchlesen könnte. Die Verlage kostet dieser Mehrwert für den Leser nichts, da sie zwar pro Leser/Abonent die Einnahmen untereinander aufteilen müssten (wie die Skigebiete). Dafür steigert sich aber die Gesamtzahl der Skifahrer… ääh… Leser. Und durch den digitalen Vertrieb des eigenen Produkts beleiben die Kosten gleich, egal ob der Verlag seine Online-Zeitung/E-Paper an 1000 oder 100000 Leser verkauft. Das wäre doch mal eine Idee, wie man sich zukünftig an einem Markt halten kann, in dem man mächtige Gegenspieler hat.

Antworten

vera 20. September 2012 um 23:12

Noch einer: http://www.bjv.de/news/2012-09-20-droht-nuernberger-abendzeitung-aus

Antworten

Aktuelles 20. September 2012 — neunetz.com 21. September 2012 um 5:30

[…] 20 Prozent Einsparung ist das neue Schwarz Auch bei der deutschen Printpresse kommen die Einschläge näher. […]

Antworten

kein-Redakteur 21. September 2012 um 6:44

Angebot und Leistung und Markt.
Keiner berichtet vom vollen Redakteursmarkt. Keiner berichtet Durchschnittslöhne obwohl Presse, gewerkschaften, aber auch Fachschaften dafür bezahlt werden.

Weniger Redakteure bräuchten sich weniger bieten lassen. Aber keiner zieht von Schule zu Schule und macht klar, welche Berufe man besser nicht lernen sollte um zB als Freischreiber oder bezahlter Blogger oder Fake-rezensionist mit Diplom zu darben.

Wer ein Land kennt, wo man schikanefrei den Journalismus neu überarbeiten kann, kann sich ja mal melden. Ein Hybridation ist auch nur ein benziner oder Diesel. Und onlineartikel sind meist auch nur printartikel mit Multimedia-Schnickschnack oder bilder-klickstrecken von Print-journalisten mit Print-mentalität.

Alte Sportler werden auch ausgetauscht.

Schau mal was it-Projekte kosten. Sowas können kleine Verlage nicht bezahlen und ich kenne kein Land wo ich sowas streßfrei aufsetzen kann. Post, adobe, newsstand und Amazon-Kindle mögen nette Angebote für User haben oder planen. Den Anbietern hilft das aber bisher oft kaum. Hier versagt auch die digital-Wirtschaft. Denn bei der Druckerei muss man eh PDF abgeben und müsste es nur „recutten“ um auf allen Geräten oder smarTVs gut lesbar zu sein.
Wer das Berliner Dackel-Magazin oder sv-pusemuckels Vereinszeitung in New York am iPad per AirPlay am hotelTV liest, braucht kein multimediaschnickschnack.

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*