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Vor zwei Wochen hielt ich einen Vortrag im Rahmen des Campus Symposiums in Iserlohn – und ich war beeindruckt. Da entsteht an der Bits-Hochschule am Seilersee eine ganze Zeltstadt, Bankettsaal inklusive. Das Vortragszelt ist durchaus edel (und vielleicht sollte ich den Begriff „Zelt“ nicht so häufig verwenden, weil ein falscher Eindruck der Atmosphäre entsteht). Die Redner sind erstaunlich: Am ersten Tag, an dem ich leider keine Zeit hatte, sprachen Condoleezza Rice und Ehud Olmert – das gibt es nicht alle Tage, erst Recht nicht in Iserlohn (womit ich nichts gegen Iserlohn sagen will, aber seien wir ehrlich: Metropole geht anders).

Das absolut Bemerkenswerteste aber ist: Hinter dem Campus Symposium stehen Studenten. Und vor deren Leistung habe ich höchsten Respekt. Nicht nur, dass sie dieses Ambiente mit dieser Rednerqualität auf die Beine stellen, sondern auch weil Redner so persönlich betreut wurden, wie ich dies selten erlebt habe. Während meiner Studienzeit in Münster war ich Teil des Symposium Oeconomicum, einer Gruppe von Studierenden, die etwas Vergleichbares mit anderem inhaltlichen Konzept organisieren. Deshalb weiß ich, wie hart es ist, solche eine Veranstaltung neben dem Studium zusammenzustellen und wie viel Schweiß (und auch Tränen) dabei fließen.

Den Redakteuren der „Rheinischen Post“ dagegen ist dies ziemlich egal.

Sie waren auch in Iserlohn – um Condoleezza Rice zu interviewen. Stolz lässt sich „RP“-Redakteur Matthias Beermann mit der Ex-Außenministern ablichten (warum dann ein Agenturbild als Aufmacher gewählt wurde, erscheint merkwürdig). Eine halbe Seite wird so gefüllt.

Nur noch mal zur Erinnerung: Rice war nicht in Iserlohn wegen der „Rheinischen Post“. Sie war auch nicht dort auf einer Buchtour oder weil sie mal schauen wollte, ob im Sauerland die Mädchen wirklich wilder als die Kühe sind. Sie war dort wegen des Einsatzes und des Organisationstalentes der Studenten.

Und wie wurde dieser Einsatz des Hochschul-Nachwuchses von Seiten der „Rheinischen Post“ gewürdigt? Schauen wir doch mal:

„Die frühere US-Außenministerin Condoleezza Rice im Gespräch mit unserem Redakteur Matthias Beermann am Rande einer Veranstaltung in Iserlohn.“

Das wars. Eine Bildunterzeile. Mit der Erwähnung „einer Veranstaltung in Iserlohn“.

Anders formuliert: Die „Rheinische Post“ gibt einen Dreck auf das Engagement der Studenten. Klar, es musste ja Platz bleiben um zu die privaten Interessen von Rice zu erwähnen: „Klavierspielen, Football- und Baseball-Fan.“ Da bleibt kein Raum mehr für „am Rande des Campus Symposium in Iserlohn“. Es geht ja nicht mal darum, ein Kästchen darauf zu verwenden, das Symposium zu schildern oder lange Elogen zu verfassen. Nein, es wäre ein Frage der Höflichkeit gewesen, den Namen jener Veranstaltung einfach mal fallenzulassen. Doch so viel gute Manieren brachte „unser Mitarbeiter“ nicht auf.

Im Jahr 2008 sagte „RP“-Chefredakteur Sven Gössmann auf der Verbandstagung des BDZV: „Die Leser haben häufig nicht mehr das Gefühl, dass wir ihre Zeitung sind.“ Jene jungen Menschen, die an der wirtschaftsorientierten FH in Iserlohn ihren Abschluss machen und anschließend eine Stelle am Wirtschaftsstandort Düsseldorf finden, werden sich irgendwann auch fragen, ob die „Rheinische Post“ ihre Zeitung werden soll. Ihre Antwort dürfte lauten: „Ne, lass mal.“


Kommentare


Kurze Artikel lesen sich besser 28. September 2012 um 14:37

Irgendwo hiess es mal sarkastisch, das der NDR auch nur deshalb 5 (?) Minuten von der Cebit berichtet, weil es in Hannover stattfindet.

Andere Zeitungen haben sich adaptiert und trotz Widerständen von Leuten die sich für wichtig halten und täglich Berichte in der Zeitung lesen wollen, z.b. Sportberichte oder Stadt-Parlaments-Berichte eher gesammelt statt wie bisher täglich auf Extra-Seiten.
Wenn SmarTVs sich weiter verbreiten (5%-10% pro Jahr denke ich mal) werden Zeitungen bald eh am Internet-SmarTV erscheinen.

Wie wenig interessiert, sollte man online die Langversion mit Referenzen usw liefern während auf Papier oft nur Platz für kurze Artikel ist. Das Besondere ist vielleicht nicht mal, welche Prominenten man hat, sondern das die lokalen Studenten sowas organisieren. Lokale Musik-Festivals sind vergleichbare Veranstaltungen.
Davon abgesehen sollte man Reden von zu Hause halten, per FaceTime oder Skype verbreiten und automatisierte Transcripte danebenstellen. Wer Urheberrecht will, sollte die Schreiber seiner Reden benennen und bekennen und die Reden auf den Transcriptserver vom Bundestag o.ä. hochladen. Sammelt eigentlich irgendeine coole Internet-Organization die Wahlreden ? Das sind doch in jedem Ortspartei-Wahl-Event dieselben Reden die man (aus Wetter-Gründen) transcripted verkünden und sammeln sollte.

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Thorsten 28. September 2012 um 21:44

Tja, das ist genau die Seite des Journalismus, die PR-Treibenden viel zu oft den letzten Nerv raubt. Immer wieder stellst du dir die Frage: wenn Sie schon von deinen Inhalten profitieren, warum nennen sie nicht auch die Quelle?

Akzeptierter ist natürlich, auf die bösen, „platzierenden“ PR-Fuzzis zu schimpfen.

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Fundraising-Wochenrückblick vom 24.-30.09.2012 | sozialmarketing.de – wir lieben Fundraising 1. Oktober 2012 um 17:01

[…] Und sonst? MySpace versucht’s noch mal, Jörg redet über den digitalen Tod und die Zukunft wird spannend. Die Huffington Post kommt nicht nach Deutschland und Smartphones können Kreditkarte. Klout kann man nicht mehr ignorieren und Apple googled. Timeline geht groß, Kirchengemeinden brauchen Social Media und Reinhold Messner mag Facebook nicht. Es gibt Schulen, die Twittern tatsächlich und die Rheinische Post verliert. […]

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Mike Egbert 1. Oktober 2012 um 23:56

Thomas,

spannender Vortrag auf dem Campus Symposium! Tante Therese lässt grüßen;-).
Bin froh, dass dieser Fehltritt der RP hier nochmals erwähnt wird. Arbeite im Presseteam des Campus Symposiums und wir sind froh, dass die Berichterstattung – zumindest in lokalen Titeln – insgesamt deutlich besser ausgefallen ist.

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