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Fünf Tage war ich ja in London bei den Olympischen Spielen – und es war großartig. Am erste Morgen zurück in Deutschland hatte ich einen Emotionskater. Keine Volunteers, die einen herzlich an der Straßenbahn grüßen, keine lächelnden Gesichter, keine verrückten Fans, kein Mitschreien, -freuen, -leiden mit Sportlern mehr. Das schlimmste aber: Die Übertragung der BBC gab es nur noch auf dem Laptop.

Ich bin nicht der einzige, wie ich meiner Twitter-Timeline entnehme, der unsagbar genervt und enttäuscht ist von dem, was ARD und ZDF während der Tage in London angerichtet haben. Den Tiefpunkt erreichte dies ganz zum Ende. „Wir mussten gar nicht viel sagen“, resümmierte ARD-Kommentator Tom Bartels seine „Arbeit“ während der Schlussfeier.

Währenddessen auf Twitter…

Denn Tom Bartels, Franziska van Almsick und der während der Spiele omnipräsente Rolf Seelmann-Eggebert hatten konsequent Live-Musik mit teilweise unfassbar uninteressantem Halbwissen überquasselt. Zum Beispiel meinte Seelmann-Eggebert während Eric Idle mit „Always look on the bright side of life“ das Stadion zum Toben brachte, darauf hinweisen zu müssen, dass Idle ein „Freund“ von Prinz Charles sei. Jenem Mitglied der Königsfamilie also, das während der Spiele überhaupt keine Rolle spielte.

Kurz: Es war unerträglich und respektlos gegenüber den auftretenden Künstlern – und natürlich gegenüber den Zuschauern.

Doch dies war ja  nur der Tiefpunkt. Schon zuvor gab es reichlich Wut und Ärger im Social Web und auch in klassischen Medien gegenüber der Art, wie die Spiele übertragen wurden. Nun hat das Meckern über Sportreporter ja Tradition. Doch konnte man während dieser Spiele dank der Livestreams der BBC auf der Seite der EBU parallel gucken und bekam einen Eindruck davon, was in Deutschland schief läuft.

Hier meine subjektive Liste der Qualitätsdifferenzerklärungsversuche:

1. Missverstandene Digitalisierung

Bei den Spielen in Peking belegten ARD und ZDF ihre Spartenkanäle mit Sport. So gab es die längeren Wettkampfbeobachtungen auf den kleinen Sendern, während die Hauptkanäle ein buntes Gemisch aufbereiteten. Nun aber ist das Breitband-Internet da und so entsteht der Irrglaube, man könne die scheinbaren B-Übertragungen abwälzen auf das Internet.

Technisch ist dies  natürlich möglich. Nur halte ich es für einen strategischen Fehler. Denn „Fernsehen“ ist ja mehreres: einerseits das technische Endgerät, andererseits die Tätigkeit des Zuschauens und schließlich die Arbeit des Senders. Durch die Verlagerung scheinbar weniger interessanter Wettkämpfe ins Netz wurde für viele Menschen das Endgerät Fernsehen ausgeschaltet. Denn ein Webstream ist heute – seien wir ehrlich – für den allergrößten Teil der Bevölkerung nicht auf das TV-Gerät zu bekommen. Vor allem: Das geht nicht in HD-Qualität. Immerhin lässt sich die ZDF-Mediathek-App via Apple-TV aufschalten. Doch die Qualität ist im besten Fall OK, häufig genug unerträglich.

Noch dazu kommt die ohnehin schon labyrinthische Architektur der ZDF-App (ein Gegenstück der ARD existiert ja nicht einmal), die durch das Anflanschen der Olympia-Kanäle nicht leichter handhabbar wurde. Und haben wir schon  über die Abstürze der App gesprochen? Die häufig ungenügenden Bandbreiten auf Seiten der Sender? Die BBC hat ihre Livestreams in eine Olympia-App gepackt die noch dazu auch einen schriftlichen Nachrichtenteil enthielt. Die optische Qualität der Bewegtbilder lag deutlich über der von ARD und ZDF.  Haben die Deutschen den Ansturm unterschätzt? Immerhin haben laut einer Studie 25% der Deutschen irgendwann Olympia auf einem anderen Gerät als dem Fernseher geschaut.

So oder so: Wollen Fernsehsender als Vertreter des linearen TV-Konsums relevant bleiben, dürfen sie ihre Zuschauer nicht in das Internet abdrängen. Im Gegenteil: Die überragenden Bilder aus London sind ja gerade dazu geeignet, die Menschen vom klassischen Fernsehen zu überzeugen. Diese Qualität der Produktion war bisher nur in Dokumentarfilmen zu sehen, nun aber geht das auch live. Es muss das Ziel der Sender sein möglichst vielen Menschen ein HD-Erlebnis zu liefern. Wer aber durchgängig Höhepunkte wie das Basketball-Finale verfolgen wollte wurde in das pixelige Asyl des Web geschickt. Langfristig könnte so der Eindruck entstehen: Lineares Fernsehen macht man eben online, das TV-Gerät selbst wird als Display für HD-Medien genutzt. Das Fernsehen als Sendefunktion würde sich so selbst in die zweite Liga schießen.

Auch muss doch die Frage erlaubt sein: Ist eine Olympia-Übertragung wirklich unattraktiver als ein gewöhnlicher Nachmittag bei den öffentlich-rechtlichen Spartensendern? Nehmen wir doch nur den vergangenen Dienstag: Da liefen parallel „Hart aber Herzlich“ (Produktion: 1982) auf ZDF neo (sic!), „Die Geheimnisse des John F. Kennedy“ (2011) auf ZDF info und die „Hitparade“ (1985) auf ZDF kultur (nochmal sic!). In diesem Moment hätte das Zweite die Chance gehabt einmal nicht deckungsgleich mit Kabelkanal, Servus TV oder Tele 5 zu sein: Die Bilder waren eingekauft, die Kommentatoren kommentierten für das Web – in Mainz hätte nur der Schalter umgelegt werden müssen. Doch sich von diesen Privatsendern zu unterscheiden, das muss man eben auch wollen.

2. Zuschauer-Fehlinterpretation

Keiner von uns weiß, was die Masse der Zuschauer tatsächlich will – auch die Redaktionen von ARD und ZDF nicht. Sicher, es gibt ein paar Rückkanäle: Die älteren TV-Gucker (also das normale Durchschnittsalter von ARD und ZDF) wird vielleicht zum Telefon greifen – wenn es die richtige Nummer findet. Denn eingeblendet werden die Kontaktdaten für Zuschauer schon lang nicht mehr. Bleibt noch das Social Web, das sich kräftigst über das aufregte, was es zu sehen gab. So mancher hegte gar die Hoffnung, den Schluss- und Eröffnungsfeierkommentatoren sei nach den ersten Wutattacken der Regler runtergedreht worden. Ich persönlich mag an so viel Einsicht in der Regie nicht glauben.

Nachtrag: Meedia behauptet, die heftigen Reaktionen im Social Web habe die Kommentatoren verstummen lassen. 

Auch manch klassisches Medium schimpfte mit, wodurch der Eindruck entstehen könnte: Es sind nicht nur ein paar Miesepeter, die ihre Probleme mit der Programmgestaltung haben.

Eine Lokalzeitung aus dem Ruhrgebiet schrieb beispielsweise:

„Bei Timo Boll im Tischtennis steht ein Satz zwei Punkte vor der Entscheidung? Schnipp: Weggeschaltet zur  wortreichen Anmoderation des nächsten Beitrags. Noch zwei Stabhochspringerinnen im Wettbewerb? Schnapp: der gefühlt 58. Nachrichtenblock des Tages. Im Fechten geht’s um was? Rüber zum Straßenrennen, und wenn es auch 50 Kilometer vor dem Ziel ist.“

Dabei wird der Zuschauer häufig im Unklaren gelassen, was live ist und was aufgezeichnet. Auch die BBC blendet nicht ein, welche Bilder von der Festplatte kommen – weist aber in der Anmoderation darauf hin. Warum diese Geheimniskrämerei in Deutschland? Ein kleines „Live“-Signet in der Bildschirmecke und alle wären zufrieden gestellt.

Bleibt noch die Programmplanung generell. Auch die BBC bot auf ihrem ersten Kanal einen bunten Mix an. Allerdings hatte sie für mich ein glücklicheres Händchen bei der Frage, welchen Wettbewerb man bis zum Ende zeigt, obwohl eigene Athleten nicht mehr dabei sind. Natürlich sind Medaillenkandidaten aus dem eigenen Land immer am interessantesten. Das ist einfach so: Wir schauen die Olympischen Spiele weil wir Spaß daran haben Menschen dabei zuzusehen, wie sie etwas tun, was sie richtig gut können. Und wir werden nervös, weil diese Menschen zufällig aus dem gleichen Land kommen wie wir.

Doch nimmt der zweite Aspekt gegenüber dem ersten ab, je spannender und faszinierender die Bilder sind. Ich behaupte: Die wunderschönen Aufnahmen aus London waren häufig stark genug um das Interesse der Zuschauer wachzuhalten – sie bleiben auch ohne deutsche Beteiligung am Ball. Die TV-Macher aber agieren noch immer wie zu jener Zeit, da es häufig quälend war die Spiele zu verfolgen, weshalb als Ausgleich deutsche Athleten ins Bild mussten.

Auch die Sendestruktur gefiel bei den Briten: So ließen Sie bei Interviews im Studio mehr Zeit und bereiteten die Zuschauer auf einzelne Sportarten besser vor. Kleine Einspieler erläuterten die grundsätzlichen Regeln – wohingegen das die deutschen Kommentatoren vor allem mit Worten tun mussten. Das aber machte die Sache nicht verständlicher.

3. Die Arroganz

Nichts dokumentiert die generelle Haltung deutscher Journalisten deutlicher als jener Kommentar in der „FAZ“ zu den freiwilligen Helfern von London2012:

„Ist unheimlich zuvorkommend von Euch Engländern, dass Ihr überall, wo es halbwegs olympisch zugeht, einen freiwilligen Helfer hingestellt habt, der ankommende Menschen zu Schlangen aneinanderreiht oder Eintrittskarten prüft oder Fahrstühle beobachtet oder Kaffeeautomaten beaufsichtigt. Wäre allerdings noch viel netter gewesen, wenn Ihr den übereifrigen Volunteers vorab nahegelegt hättet, dass es ein hektisch Daherkommender nicht angemessen zu schätzen weiß, ausgiebig zur Befindlichkeit, zum Wetter und zu der Gesamtsituation befragt zu werden.

Ist ungeheuerlich gut gemeint von Euch, Engländer, aber in vielen Momenten, sorry, passt es nun mal gar nicht: the work calls, Ihr versteht?“

Ja, wo kommen wir da hin, wenn Redakteure einer Zeitung auch noch freundlich sein sollen? Wenn sie nicht mehr grummelig durch den Olympia Park eilen können weil the work calls? Es ist ja so unendlich schwer freundlich zu sein bei all der – Aspiringriff, Kolliergriff – schweren Arbeit und dem ständigen Bestreben, nicht an der eigenen Wichtigkeit zu ersticken.

Diese misantropische Grundhaltung sagt sehr viel aus über das Gefühl der eigenen Bedeutungsschwere. Sie brach sich auch Bahn in den 23 Beteuerungen Franziska van Almsicks, sie sei ja nun als „Expertin“ angereist. Das, was sie sagte war oft genug gut und nicht dumm – aber sie trug es mit einer schwer zu ertragenden Arroganz vor. Diese Wichtigstnehmerei war es dann wohl auch, die von Almsick, Bartels und Seelmann-Eggebert dazu antrieb, bei der Schlussfeier schwer zu stoppende Quasselanfälle auszuleben.

Das Gefühl der eigenen Großartigkeit führt dann vielleicht auch zur Hybris zu glauben, man sei lustig. Das ZDF ließ einen Bassett durch’s Bild laufen und verschenkte dessen vermutlich von kleinen, asiatischen Kinderhänden genähtes Ebenbild. Die ARD schickte Tom Theunissen los um den „Goldrausch an der Themse“ zu dokumentieren. Theunissen ist ohne Frage ein dekorierter TV-Journalist: Aber wer seine Beitragsreihe lustig findet, der lachte einst auch über die in der Zeitung abgedruckten Witze mit der Überschrift „Humor“ oder „Zum Lachen“. Das traf ebenso auf die Zwischenmoderationsfloskeleien von ARD-Nachrichtenvorträger Alexander Bommes und dem jeweiligen Hauptmoderator zu. Bommes selbst machte das locker und ordentlich. Doch immer zum Abschluss der Nachrichten musste es ja lustig werden, zum Beispiel durch gefälschte Schottenrockfotos oder Oberschenkelmessungen – Humor, wie wir ihn seit dem „Blauen Bock“ zurecht für ausgestorben hielten.

Humor ist die schwierigste aller journalistischen Stilformen. Genau deshalb werden heute so wenig Glossen geschrieben. Und vielleicht ist das der Grund, warum die BBC auf solche Einspieler, so weit ich es registrierte, verzichtete. Übrigens: Früher überließen ARD und ZDF den Humor  Profis. Die heute so moralinsaure Elke Heidenreich erlebte ihren großen Durchbruch als Olympia-kommentierende Hausfrau Else Stratmann in den 80ern, wie sich die Älteren vielleicht erinnern.

Letztlich aber geht es ja um die Kompetenz in Sachen Sport. Leider erschien die Vorbereitung der Berichterstatter auch hier ausbaubedürftig. Weder waren sie immer auf der Höhe des Wettkampfs und seinem verbundenen Regelwerk, noch war das Allgemeinwissen fehlerfrei. Geht es auch anders? Ja. Das bewies Eurosport ständig. Dort sitzen die Experten – leider aber, so weit ich weiß, nicht mit Akkreditierung vor Ort.

Auch die Reporter und Moderatoren der BBC waren nicht immer hochkompetetent in all den Sportarten, über die sie berichteten. Aber: Sie erschienen deutlich sicherer als ihre germanischen Gegenstücke. Bei denen war auffällig, wie lustvoll sie sich in englischen Fachbegriffen suhlten. Nicht, dass sie Anglizismen verwendeten störte – sondern mit welch aufgesetztem Tonfall sie dies taten. Und wie gern sie Fachvokabeln mit dem blödsinnigen Adjektiv „sogenannt“ versahen. Wenn etwas so genannt wird, dann wird es so genannt – und das muss nicht betont werden. Außer der Sprecher will mit scheinbaren Fachwissen strunzen.

4. Die mangelnde Achtung vor Leistung

Dies ist die Titelgeschichte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ von gestern:

Was für eine unsagbare Arroganz trieft aus diesen Zeilen?

Das deutsche Olympiateam ist nach der Anzahl der Medaillen die Nummer 5 im Medaillenspiegel, nach Goldmedaillen die Nummer 6. Aber die „FAS“ hätte wohl gern Deutschland über allesn gesehen. Besonders verachtenswert ist dabei der Vergleich mit Kasachstan. Es ist die erste Nation, die im Medaillenspiegel nach dem deutschen Team auftaucht, die irgendwie skurril und klein klingt. Tatsächlich liegt Deutschland auch vor Frankreich, Italien oder Australien und all diese vor Kasachstan – aber für den gemeinen, grundsätzlich beschissen gelaunten FAZ-Mitarbeiter war das nicht lustig genug. Man will rumhacken und vernichten – jeder, der nicht Gold gewinnt, sei aus dem Land gejagt und nie wieder mit einem Cent Fördergeld bedacht. Auch hier bietet sich der Vergleich mit der BBC und den englischen Zeitungen an: Im Königreich dominiert zunächst die Achtung vor der sportlichen Leistung. Was nicht heißt, dass schwache Leistungen nicht kritisiert werden.

Beispiel Thomas Lurz: Vor seinem Wettkampf im Langstreckenschwimmen betonte er, gewinnen zu wollen. Die anderen aber seien auch gut, sagte er, und dass er kein Übergott sei. Er gewann Silber. Reaktion der Medien: Im Fernsehen wurde immer wieder betont, dass es „nur“ Silber sei. Die „Welt“ jammert, dass seine Krönung ausgeblieben sei. Spiegel Online klagte: „Dass er mit seiner Silbermedaille nun die Ehre der deutschen Schwimmer gerettet hat, ist ihm jedoch völlig egal – er hatte auf Gold gehofft.“

Das sind nur einige der ähnlich klingenden Artikel, die allen klar machen sollen: In Deutschland zählt für Journlaisten am Ende nur der Sieg. Hoffentlich konnte sich Lurz trotzdem ein wenig über Silber freuen – wo es ihm doch alle vermiesen wollten.

Diese aggressive Haltung überträgt sich dann auf die Zuschauer. Doch wendet sich deren Gefühl, glaube ich, nicht gegen den Sportler – sondern gegen den Berichterstatter. Denn geht es um Wettbewerbe, bei denen Sportler des eigenen (in diesem Fall: deutschen) Teams antreten, so erwartet der Zuschauer eine Euphorisierung. Er will den Berichterstatter auf der Seite der favorisierten Mannschaft sehen, er will die vokale Unterstützung des Athleten als Verlängerung der eigenen Gefühlswelt. Deshalb war es auch ziemlicher Unsinn, dass die „Zeit“ in der vergangenen Woche den Patriotismus der ARD- und ZDF-Leute kritisierte.

4. Das Mary Poppins-Syndrom

Eine besondere Rolle spielen bei Sportereignissen die Interviews mit den Sportlern. Denn was Reporter im Moment der Erregung so babbeln, das ist fast schon egal. Sind die Deutschen unerfolgreich, wird der Kommentatorenton niemals wieder zu hören sein. Gewinnen sie Medaillen überschlägt sich die Stimme am Mikrofon derart, dass über jeden Patzer als Emotionsausbruch hinweg gesehen wird.

Doch Interviews sind anders. Hier erleben wir die Emotion der Sportler. Wir Menschen aber sind ja nun soziale Wesen. Wenn wir einen von uns verletzt sehen, mit Tränen in den Augen gar, leiden wir mit ihm. Deshalb auch waren eine ganze Reihe in meiner Twitter-Timeline entsetzt, als die schwach geschwommenen Fünfkämpferinnen im laufenden Wettbewerb vom ARD-Reporter kritisch hinterfragt wurden. Annika Schleu ging weinend ab, mit fast verächtlichem Grinsen klärte uns der ARD-Mann auf, dass sie nichts sagen wolle. Mitleid? Nicht im öffentlich-rechtlichen System.

Dabei hat der deutsche Sportjournalismus in den vergangenen Jahren eine Art der Frage entwickelt, die den Sportlern kein Entkommen lässt. Die sie nur dumm aussehen lassen kann: die unbeantwortbare Frage. Sie hat den klassischen Kategorien wie offener, geschlossener oder reflektierender Frage längst den Rang abgelaufen.

Beispiel: „Wie glücklich sind Sie jetzt?“

Versuchen Sie mal für sich selbst dies zu beantworten. „Sehr glücklich?“ „Superhyperglücklich?“ Was erwarten Reporter, die solche eine Frage stellen? Dass der Sportler einen schwarzen Regenschirm öffnet, fröhliche Musik erklingt und dann Robert Harting wie Mary Poppins singt, alles sei „superkalifragilistischexpiallegetisch“? Diese Frage kann kein Mensch der Welt vernünftig beantworten. Erst recht nicht nach einem kräftezehrenden Wettkampf.

Eine weitere Frage-Unsitte ist das Erfinden scheinbar lustiger Situationen. So wurde ein kenianischer Olympiasieger gefragt, ob sein Vater (Bronze-Gewinner in einer anderen Disziplin vor langen Jahren) ihm nun sagen würde: „Du bist der bessere Olympionik“. Munter werden Begebenheiten erfunden, die irgendwie lustig sein könnten aber wenig bis gar nichts mit der Realität zu tun haben. Es ist der missglückte Versuch der Verbrüderung, so als ob man am Tresen lehnt und zum Kumpel murmelt: „Stell Dir vor, der Barkeeper lässt jetzt die Flasche fallen.“ Nur man ist eben nicht verkumpelt und gerade bei ausländischen Sportlern scheinen diese Fragen mittelgut anzukommen.

Beide Arten der Un-Fragen sind vor allem eines: vernachlässigtes, journalistisches Handwerk. In England geht auch das anders: Hier wird zuallererst die Leistung des Athleten gewürdigt und das in einem Ton, der ernst gemeint scheint. Dann folgt fast immer eine Frage, die den Athleten in seiner Komfortzone lässt. „Wie sah das Rennen für sie aus?“, zum Beispiel. So beschreibt der Sportler das, was er auch seinem Trainer beschreibt. Er muss nicht betont witzig sein oder unterhaltsam – er ist in seinem Geschäft. Das ist wichtig, denn viele der Olympioniken sind nicht so medientrainiert wie Fußball-Profis.

Vielleicht ist das der Grund, warum die englischen Medaillensieger um ein vielfaches sympathischer und eloquenter wirken: weil man ihnen Sympathie entgegenbringt. Wohingegen Britta Steffen nach ihrem Halbfinal-Aus lapidar verkündet: „Der Weltfrieden ist nicht gefährdet.“ Einem Feind zeigt man eben nicht seine wahren Gefühle.


Kommentare


Pottblog 14. August 2012 um 5:30

Links anne Ruhr (14.08.2012)…

Dortmund: Antifa-Camp will über alternative Standorte reden (Ruhrbarone) – Herne: „Das war eine Spitzenkirmes“ (halloherne.de) – Datteln: Autos verschmutzt: Staub am Kraftwerk (Recklinghäuser Zeitung) – Dortmund:…

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Peter Raffelt 14. August 2012 um 7:27

Ein Höhepunkt der unsicheren Regieleistung, was denn nun gesendet werden soll, war die Unterbrechung des hochspannenden Hockeyfinales Niederlande – Deutschland für das Finale der 4 x 100m Staffel. Nur der Umweg über den Livestream hat diese Situation auffangen können. Ich stimme dem zu, dass diese Vorteile nur dem zu Gute kommen, der die nötige Ausrüstung hat. Die Qualität war aber in unserem Fall gut, um ein ungetrübtes Sehvergnügen geniesen zu können. Schöner Nebeneffekt: die Kommentare der Streamkollegen waren eher zurückhaltend und sachlicher. Aber es wurde deutlich, dass auch die gute Leistung der deutschen Hockeymannschaft und ein hochspannendes Spiel nicht vor einer Unterbrechung schützt, wenn ein Medienstar wie Usain Bolt aufläuft. Man kann halt nicht alles haben, jedes Ereignis covern und zufriedene Zuschauer.

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Tim 14. August 2012 um 8:11

Abschaffen, das öffentlich-rechtliche Elend …

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jali 14. August 2012 um 8:19

Ich war nie der große Sport-Gucker. Olympia-Übertragungen im deutschen Fernsehen gucke ich seit den Spielen von Sydney nicht mehr. Damals hatte beim Schwimmern ganz überraschend eine junge Rumänin Gold geholt, die deutschen sind -glaube ich- vierte geworden. Es war hinreißend mit anzusehen, wie die junge Frau sich über ihren Sieg, mit dem sie offenbar selber nicht gerechnet hatte, gefreut hat. Das Publikum hat sie frenetisch gefeiert. Und was machen die deutschen Kommentatoren? Rummäkeln, warum ja eigentlich die deutschen den Sieg verdient hätten, und das man das jetzt ja nicht zu hoch aufhängen solle.
Da ist mir dann die Lust vergangen weiter zu schauen.

Ein Tipp für alle, die eine Satellitenschüssel haben: Fast im gesamten Bundesgebiet kann man die BBC unverschlüsselt und in HD empfangen (Astra 2, 23,5°O). Im Süden und Osten der Republik sollte es eine 100cm Schüssel sein. Ich schaue seit mehreren Jahren gar kein deutsches Fernsehen mehr. Auch bei der BBC ist nicht alles super, klar, aber die Qualität des gesamten Programms ist trotzdem um Größenordnungen besser als bei uns. Und das nicht nur bei der Sportberichterstattung.

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Matthias Hase 14. August 2012 um 8:29

Ein Höhepunkt war auch das Interview mit den Hockey-Herren nach ihrem Finalsieg im Studio. es gab zwei Möglichkeiten: Rudi Cerne läuft weinend aus dem Studio oder ihm platzt der Kragen. Selten so einer unsouveräne Interview-Führung beigewohnt. Inhaltlich und handwerklich ganz schwach.

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Matt 14. August 2012 um 8:44

Sehr schoen einige Kritikpunkte zusammengefasst, danke.

Habe selbst allerdings die Livestreams im Netz als ganz angenehm empfunden, vor allem die unkommentierten (die ich zunaechst fuer eine technische Panne hielt). Da gab es beispielsweise zu verfolgen, wie sich die Hochspringerinnen waehrend der Qualifikation darauf zu verstaendigen suchten, dass alle uebrig gebliebenen die naechste Hoehe auslassen, damit alle in’s Finale kommen. Der britische Wettkampfrichter laechelte dabei immer vielsagend vor sich hin, durfte aber natuerlich keine Ratschlaege geben. Das war ein Gefuehl, als Zuschauer mitten drin zu sein, dass ich bisher noch nicht gekannt hatte. (Ist dann wohl aber irgendwie anders gekommen, denn da war Ariane Friedrich noch dabei).

Uebrigens, diesen Satz im letzten Ansatz von Kritikpunkt 3 habe ich nicht verstanden: „Er will den Berichterstatter auf der Seite der favorisierten Mannschaft sehen.“

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Tak 14. August 2012 um 8:48

Hatte schon Gründe, dass ich diese Spiele nur auf Eurosport verfolgt habe.
Die Leute wissen wenigstens wovon sie reden. Während bei ard oder zdf beim Bahnradfahren der Damen standhaft erklärt wurde, sowohl die Britinnen im Halbfinale als auch die Chinesinnen im Finale seien „disqualifiziert“ worden, hat man bei Eurosport erklärt, was eigentlich der Unterschied zwischen „Disqualifikation“ und „Relegation“ ist.
Ob die Eurosport Kommentatoren vor Ort saßen, weiß ich nicht. Das Bildmaterial kommt bei denen ja zentral aus Paris, inwieweit die deutsche Dependance da nochmal was dran machen kann, den Fokus auf bestimmte Sportarten legen kann, das weiß ich nicht. Anhand der Wechsel zwischen den Wettbewerben und picture by picture Überblendungen mit kurzen Dialogen zwischen den Moderatoren schien aber zumindest eine gewisse gestalterische Freiheit zu herrschen.

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Simon 14. August 2012 um 8:48

Es gab ja – allen Göttern sei es gedankt – Eurosport. Schon bei der Eröffnungsfeier nach dem ersten gefasel von Poschmann gleich umgeschaltet. Aber in Deutschland bekam Kürten nachdem er die Oly 2008 in Grund und Boden gesülzt hatte dafür noch einen Fernsehpreis. Wie sagte schon Urban Priol: „Ich bin dann mal brechen gegangen…“

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Julian 14. August 2012 um 8:49

Einige der Eurosport-Kommentatoren hatten Akkreditierungen für die Wettkamfpstätten (beim Schwimmen z.B. sprach der Kommentator davon, dass er von seinem Platz aus gerade irgendwas sehen könnte).

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pseu 14. August 2012 um 8:53

Die Unterbrechung zum 4x100m-Finale fand ich jetzt nicht soo schlimm, obwohl ich Hockey sehen wollte. Das ging ja schnell vorüber und war durchaus interessant.

– „Beispiel: “Wie glücklich sind Sie jetzt?”“
Jeder Fußballer wird auch gefragt: „Wie fühlen Sie sich jetzt?“ – und ich könnte mich jedes Mal darüber aufregen.
Ich warte auf den ersten, der sagt „so ungefähr 5 oder 6“ oder irgendeine andere blödsinnige Antwort gibt.

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pseu 14. August 2012 um 8:54

@Eurosport: schade war nur, dass dort kein HD-Bild vorhanden war. So war ich immer hin und her gerissen zwischen schlechtem Bild oder schlechtem Moderator. Meistens hat Eurosport trotzdem gewonnen…

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nobbi 14. August 2012 um 8:55

Im Grunde Zustimmung, aber was Stream auf dem Fernseher angeht, sollte man weniger Apple Fanboy sein. Nie war es einfacher einen Stream auf den Fernseher zu krigeen, schließlich sind Flachbldschirme mit HDMI oder VGA Anschluss verbreitet wie nie. Ein Kabel reicht da, da braucht man kein AppleTV oder ZDF App….

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VM 14. August 2012 um 8:59

Sehr schöner Blogpost, der bis auf 1-2 Ausnahmen meine Meinung sehr gut wiederspiegelt.

Zu den Ausnahmen:

Grundsätzlich stimme ich zu, dass Eurosport deutlich bessere Kommentatorenduos hatte und ich gehe soweit und sage, dass die Olympiaübertragung und auch das Expertenwissen in den Übertragenden Sportarten um längen besser war als der ÖR. Was mir jedoch nicht gefiel und mich bisweilen dazu verleitete, doch wieder auf ARD/ZDF umzeusteigen war der Umstand, dass der Kommentator dem Experten sehr oft ins Wort fiel. Sehr gut zu beobachten bei der Marathonübertragung vom vergangenen Sonntag.

Ein weiterer Punkt, der hier ruhig hätte als Gegenpol hätte erwähnt werden dürfen: Der Kommentar zum Finale des Deutschland 8ers im Rudern war mit der authentischste, was ich seit Jahren im TV gehört habe.

Ansonsten – wie gesagt – sehr guter Blogpost.

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Dennis R. 14. August 2012 um 9:04

Die Sabbeleien des ZDF erreichte für mich den Höhepunkt, als Norbert König – als Aufzeichnung gesendet – während einer Siegerehrung die jamaikanische 4x100m-Staffel interviewte. Zu der großen Inkompetenz kam auch noch eine himmelschreiende Respektlosigkeit gegenüber anderen Athleten. Nur, weil der Blablaologe von ARD und ZDF offenbar seinen jahresurlaub hatte.

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jörn 14. August 2012 um 9:07

Einer der besten Beiträge, der zusammen fasst und deutsches Fernsehen beschreibt. Vielen, vielen Dank dafür….das ist hier heisser Scheiss und wird aber sowas von verbreitet. Aber sowas von!
Toll…Bestens, Jörn

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Olym pia 14. August 2012 um 9:26

In NRW kann man problemlos schielend 28 Ost (BBC, ITV und die anderen englischen Freesat-Kanäle, teilweise auch Free-HD ) bekommen.
Das Programm ist nicht durchgängig besser, aber halt anders und daher teilweise interessanter.

Du kannst ja mal spieltheoretisch überlegen wenn du ein einer Groß-Diktatur leben würdest und Regional-Fürst wärst was Du mit Deinem Landes-Fürsten-TV machen würdest. Pöstchen für Parteimitglieder, Kritik der anderen Regionen, Selbstbeweihräucherung… ? Demgegenüber kannst Du dann das demokratische deutsche TV und BBC stellen und vergleichen. So wahlomat-mäßig. Und man kann natürlich von Abschaffung des TV reden oder immer wieder auf bessere Alternativen hinweisen. Schade das Piraten die Option der Dienstleistungs-Partei nicht sehen und deutschlands TVs digitalisiert hätten. Dann würde auf der Hälfte der Sat-Schüssen ein Piratenlogo kleben und jeder Bürger würde in Apps bequem seine Lieblings-Sendungen sehen und Crap-TV wäre ausgeblendet. Programmiert wäre das schnell. Aber die Lizenzen für das EPG sind mir zu aufwendig. Wer von „TV schaut keiner mehr“ schreibt, hat einen Realitätsverlust wenn er die IVW-Zahlen von TV-Programm-Zeitschriften ansieht. Irgendwer muss man die Konkurrenz-Parteien wählen.
Kritik ist nett. Konstruktive verbessernde Kritik mit (realen) Alternativen (ohne Steuer-Subventionen oder Änderung politischen Verhaltens) sind noch besser.

Neulich konnte man irgendwo lesen das alle Negativ-Berichte über Fußballmannschaften nur dazu dienen, das Trainerverhalten systematisch als schlecht und fehlerhaft darzustellen. Reporter orientieren sich auch gerne an den anderen Reportern oder meinungsgebenden Medien. Daraus ergibt sich der deutsche qualitäts- und Leistungs-Journalismus der eine Platinmedaille verziert mit Kronjuwelen und ewiges Gebühren-Recht verdient.

Was wirkt besser ? Kritisieren oder selber machen ? Dinge die jeder sehen kann, kann die Crowd auch kollektiv (und wenn man es richtig macht auch problemlos konstruktiv ! statt nur Hatestorms) kommentieren („second screen“). Auch geschriebene News lassen sich schnell von der Crowd und Kennern kollektiv zusammentragen und bewerten bzw. einstufen. Leider macht es keiner und ich kenne kein Land wo das streßfrei ginge. Organisationen rufen zwar gerne nach Spendengeldern, sind aber möglicherweise wenig am Schutz von Machern interessiert die gar keine Finanzierung bräuchten.

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Sebastian 14. August 2012 um 9:32

Also ich habe auch fast nur auf Eurosport geguckt, Sigi Heinrich und Dirk Thiele sind einfach super kompetent und immer für ein Spaß zu haben. Und wenn Rolf Kalb das Rudern und Schießen kommentiert finde ich das auch immer sehr angenehm. Die Leute von ARD/ZDF konnte man wirklich in die Tonne kloppen, bei so großen Veranstaltungen ist das immer das gleiche, ob Olympia, Fussball-EM oder damals noch Tour de France. Es macht einfach keinen Spaß.

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Fabi 14. August 2012 um 10:07

Hm, ich kann mich diesem Eurosport-Lob hier nicht anschließen. Ich kenne mich nur im Turnen aus, aber was Sigi Heinrich dort verzapft hat, war alles andere als kompetent. Sylvio Kroll hat immer versucht, noch das beste draus zu machen, aber Sigi Heinrich ist (zumindest im Turnen) definitiv nicht mehr Experte als das Pendant bei ARD/ZDF (u. a. Ronny Ziesmer) gewesen.
Die Livestreams im Internet fand ich übrigens sehr angenehm und hatte auch keine Probleme mit der Verbindung. Den übrigen Kritikpunkten kann ich mich aber größtenteils anschließen.

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Oliver 14. August 2012 um 10:21

Zu Kasachstan: Erinnern Sie sich nicht mehr an den BILD-Aufmacher am Montag nach dem ersten Olympia-Wochenende? Da wurden die ausbleibenden Medaillen beweint und in der Unterzeile hieß es „Über uns lachen sogar die Kasachen“. Wenn man das weiß, bekommt der FAS-Vorspann doch eine angenehm ironische Note, oder?

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Thomas Knüwer 14. August 2012 um 10:38

Nein, erinnere ich mich nicht dran – denn ich lese die „Bild“ nicht. Und wie viele Leser der „FAS“ lesen a) die „Bild“, haben b) die Schlagzeile registriert und erinnern sich c) 6 Tage später noch daran? Mutmaßlich ein winziger Bruchteil.

Dabei nimmt der Text der „FAS“ ja die gleiche, abwertende Haltung der „Bild“ ein. Die Frankfurter schließen sich der negativen Grundstimmung des Boulevardblattes an.

Insgesamt aber: Dies wäre ein Insiderscherz der Journalistenbranche. Und so was geht fast immer auf Kosten der Leser.

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Nasas 14. August 2012 um 10:31

Ich habe bevorzugt Eurosport in HD geschaut 🙂
Mit dem Inhalt hier kann ich mich nämlich 100%ig identifizieren!!

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Tobias Kirch 14. August 2012 um 10:42

Wenn ich das richtig mitbekommen habe, war zumindest ein Teil der Eurosportkommentatoren in London. Denn sinngemäß erwähnte derjenige, der die Abschlußfeier kommentierte etwas darüber, daß es schön war, auch wenn nicht alles erleben konnte, da man ja oft im Bus zwischen den Veranstalltungsorten unterwegs war.

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Hans 14. August 2012 um 10:47

Ich kann mich zum ersten Mal überhaupt nicht über das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen beschweren. Die Internetstreams waren klasse und, soweit ich das mitbekommen habe, sehr stabil. Tatsächlich hätte ich mir bei Sportarten,, von denen ich wenig oder gar keine Ahnung habe, öfter einen Kommentar gewünscht.
Wie der Fernsehauftritt der ÖR ausfiel, kann ich nicht beurteilen. Wer 2012 noch fern sieht, ist selber schuld. Schaltet den Mist endlich ab! Es laufen doch auch keine Herolde mehr durch die Straßen und verkünden das Neueste.

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Christoph D. 14. August 2012 um 11:08

Kalkofe hat mehr als nur obigen Twitter-Tweet geschrieben. Auf facebook wird er sehr deutlich, was er von der Übertragung hält. Lesenswert.

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egghat 14. August 2012 um 11:24

Deutschland hat übrigens in London einige Medaillen mehr gewonnen als in Peking. Aber wir jammern halt gerne …

Und nun ja, das Gelaber? Ton aus. Mache ich beim Fußball schon lange. Ansonsten ging diese Olympiade größtenteils an mir vorbei. Wer weiss, vielleicht lag das (unbewusst) an der Berichterstattung …

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Daniel V. 14. August 2012 um 11:29

Zustimmung zu den meisten Punkten. Ich konnte dank Astra 28.2 Grad die Olympischen Spiele auf den 24 Digitalkanälen der BBC sehen und war dementsprechend seltener bei den ÖR und Eurosport. Dort hat mich insbesondere van Almsick mit ihren unreflektierten Kommentaren („Uiuiuiuiui“ / „Das freut mich jetzt total“ / „Ich als Expertin bin da, um es kritisch zu bewerten“ / „Wahnsinn, toll geschwommen“) genervt, auch Bommes wurde viel zu häufig für elend lange Telegramme zugeschaltet.

Eurosport hatte zwar kompetentere Kommentatoren, doch Heinrich und Thiele waren teils sehr grenzwertig unterwegs. Äußerungen wie „Nein, die kommt nicht aus dem Busch, sondern startet für Dänemark“ bei einer dunkelhäutigen Athletin sind eigentlich nicht tolerabel. Doch bei den ach so lustigen Eurosport-Preisträgern wird eben über vieles hinweg gelächelt.

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Heiko 14. August 2012 um 11:58

Diese Kritik spricht mir zu 99% aus dem Herzen. Eins sehe ich jedoch gründlich anders: der Sportkommentator KANN gar nicht die „Verlängerung meiner Gefühlswelt“ sein, weil er sie gar nicht kennen kann. Ich kann immer noch selbst entscheiden, ob und für wen ich Partei ergreifen will. Oft genug (etwa wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielt) bin ich auf Seiten der „anderen“. Der Reporter soll deshalb nicht unbedingt seine wahren Emotionen verbergen, aber mir bitteschön den Raum lassen, davon abzuweichen. Eine Vereinnahmung wie „Wir alle drücken XY die Daumen“ finde ich immer unerträglich.

Die Fixierung auf deutsche Sportler fand ich übrigens auch während der Eröffnungs- und Schlussfeiern peinlich. Mit eigenen Kameras wurden dauernd Bilder gemacht, auf denen ganz klein deutsche Sportler meist von hinten zu sehen waren. Kann man ja mal ganz kurz machen, aber dass wir dadurch nur noch die Hälfte der Ereignisse zu sehen bekamen, war ganz schwach.

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Lars 14. August 2012 um 12:04

Treffender Bericht. Allerdings muss ich im Falle des von der „Zeit“ kritisierten Patriotismus Ihnen widersprechen: Wenn dieser als ernstgemeinte Freude über deutsche Erfolge und Interesse am Abschneiden der deutschen Teilnehmer herübergebracht würde, wäre ja alles in Ordnung. Aber darum geht es dabei ja nicht. Es ist auch hier reine mit Ignoranz gepaarte Arroganz und eben keine Verlängerung der Gefühlswelt des Zuschauers.

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Sebastian 14. August 2012 um 12:51

Ganz schwach. Mehr gibt es zur Leistung der Öffentlich Rechtlichen zu diesen Olympischen Spielen nicht zu sagen.

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ulf weinert 14. August 2012 um 13:26

@ peter raffelt

Ich hätte geschimpft wenn das Finale NICHT für lächerliche 5 Min unterbrochen geworden wäre. Es war mitten im Spiel und „hochspannend“ wurde es erst zum Schluss. Der größte Athlet der Welt (aller Zeiten?) versucht mit der Staffel sein 6. Gold zu holen? Weltrekord? Ach was, bleiben wir lieber mitten in der 2. Hz. von dem Spiel der deutschen Mannschaft.
Da muss ich die ÖR mal loben…

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Jordanus 14. August 2012 um 14:00

Mir ist dieses unerträgliche Geseier der öffentlich-rechtlichen Kommentatoren auch beim Fußball aufgefallen.

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M. Boettcher 14. August 2012 um 15:41

Das spricht aus, was ich die ganze Zeit gefühlt habe. Leistungen runtermachen, wer Silber bringt hat verloren, an den Zuschauerinteressen vorbei senden, peinliche Spielchen a la Oberschenkel messen präsentieren und gute Shows zuquatschen, zum Schlzß noch mit dem royalen Fossil Seelmann-Eggebert. Das ist auf der nach unten offenen Quialitätsskala wirklich schwer zu unterbieten, außer vermutlich 2016 durch ARD und ZDF.

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Marco 14. August 2012 um 16:35

Zunächst mal zeugt es von einer gewissen Ignoranz, bei der Erstellung dieses Artikels nicht zu recherchieren, dass Eurosport mehrere akkreditierte Journalisten vor Ort hatte. Allen voran waren das Sigi Heinrich und Dirk Thiele, die in erster Linie von den Leichtathletikwettbewerben berichteten. Angenehm bei den beiden ist neben der Tatsache, dass sie fachlich über jeden Zweifel erhaben sind, ihre „Nicht-Fixierung“ auf deutsche Athleten. Hier wird sich für jede gute Leistung gefreut, aber auch eine schlechte Leistung ohne Wenn-und-Aber mal kritisiert, egal welche Flagge auf dem Trikot klebt.
Auch bei den Schwimmwettbewerben hatte Eurosport einen Moderator (Matthias Stach) zusammen mit dem Ex-DSV-Schwimmer Thomas Rupprath direkt in der Halle.
Von daher boten sich dem deutschen TV-Zuschauer durchaus – i.d.R. fachkundiger kommentierte – Alternativen zu ARD und ZDF. Warum wird diese in sämtlichen Artikeln und Blog-Beiträgen der TV-Übertragung in Deutschland eigentlich permanent ignoriert oder bestenfalls mal in einem Nebensatz erwähnt?
Zum anderen finde ich es wirklich drollig zu beobachen, wie jetzt alle auf ARD und ZDF eindreschen, dass man die Digitalkanäle nicht zu Olympiakanälen umgeflaggt hat, wie noch 2008. Noch vor 4 Jahren drosch man auf die ÖR ein, weil das Gebührenverschwendung sei und beschwor schon wieder den Untergang des Privatfernsehens herbei. Naja, das reflexartige (wenn auch in diesem Falle berechtigte) Gebashe gegen die ÖR ist man ja gewohnt.
Ich jedenfalls habe die Olympiade fast ausschließlich bei Eurosport geschaut – Sky sei dank in HD. Schade, dass dieser Sender keine Lobby hat, er hat mit im Vergleich zu den ÖR oder auch der BBC minimalen Mitteln eine tolle Übertragung auf die Beine gestellt – leider mal wieder fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

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Rosa Schreiber 14. August 2012 um 16:51

Auch wenn ich nicht der absolute Fan der Eurosport Kommentatoren bin, hat Eurosport etliches besser gemacht als die öffentlich-rechtlichen. Zum Beispiel mochte ich das geteilte Bild, wenn man die aktuelle Übertragung nicht unterbrechen wollte, es aber eine Entscheidung oder einen spannenden Moment in einer anderen Disziplin gab. Auch wurde zumindest in der Moderation des öfteren (ob immer kann ich natürlich nicht beurteilen) erwähnt, dass eine Übertragung jetzt eine Aufzeichnung war.

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A. Hopfenschauer 14. August 2012 um 17:07

Danke. ÖR fand ich auch diesmal besonders nervig; insbesondere die „patriotische Begeisterung“ hat leider wieder zugenommen. Beim Achterfinale wurde ein neuer Weltrekord darin aufgestellt, während des Laufs möglichst oft „Deutschlandachter“ zu rufen (den Namen des Reporters will ich gar nicht wissen, der ist auch bei anderen Läufen einschlägig in Erscheinung getreten).
Die Livestreams sind im Prinzip eine gute Idee (technische Probleme dabei mal außen vorgelassen). Es war sehr angenehm, nicht nur die Entscheidungen, sondern auch die Vor- und Nachbereitungen in Ruhe zu verfolgen. Dorney Lake nach einem Rennen ist ausgesprochen kontemplativ. Und immer wieder bei Olympia die Erfahrung, dass man jede Sportart interessiert bis fasziniert beobachten kann, sofern man behutsam mit dem notwendigen Grundwissen versorgt wurde (Rhythmische Sportgymnastik, Mountainbike, Taekwondo).
(Danke für den Tipp mit der BBC, da bin ich leider nicht drauf gekommen.)

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lupe 14. August 2012 um 17:23

Richtig, Daniel V., der Tiefpunkt war die selbsternannte „Expertin der ARD“, van Almsieck, die diese Expertenschaft auch auch noch penetrant wiederholte. Sie schaffte es, für jeden Cent ihres Honorars (Wie hoch war es?) nichts anderes als Banales abzusondern und diese Banalitäten auch noch zu wiederholen.
Es ist unsäglich, wofür Rundfunkgebühren verschwendet werden.

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dodo 14. August 2012 um 17:38

Vom Weitsprung der Frauen wurden ganze 8 Sprünge gezeigt, aber die ÖR zeigten lieber Harting beim Spazierengehen.
Dieser Adelsexperte mit seinem Gequassel über Fellmützen, während die Olympischen Spiele laufen – unsäglich! Wenigstens zum Teil konnte man auf das Weltbild über den Stream ausweichen. Aber als dann Leichtathletik kam, wurden Stream-Spuren freigelassen und die Leichtathletik am Nachmittag nicht im Stream übertragen, denn man hatte ja jetzt die eigenen, die nationalen Kameras dabei, was Poschmann denn auch gleich bejubelte – mir drehte sich dabei der Magen um.

Andererseits wurde eine Sportlerin wie Nadja Drygalla von Delling gleich mit einer Verbrecherin gleichgesetzt: „Hat Sie schon ein Schuldeingeständnis abgelegt?“ Ekelerregend!!

Eurosport hatte damals mit dem Reporter …?… die Abschlusskundgebung in Peking großartig moderiert! Das war eine Meisterleistung gewesen! Damals schaltete ich von der ARD weg, weil Bela Rethy und Maischberger mit ihren kruden Klischees über „das Regime“ in China herzogen, statt, wie der Eurosport-Reporter seine Erwartungen zu resümmieren, mit denen er nach Peking gekommen war, seine Erfahrungen dagegenzustellen und Schlüsse zu ziehen, und alles das zu verweben mit den Bildern der Abschlussfeier.

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Die digitalen Olympischen Spiele: Gold für Locog und Marcel Nguyen 14. August 2012 um 17:47

[…] an die Digitalität von London2012 waren hoch. Erfüllt aber wurden sie nicht immer. Über die Qualitäten der Livestreams schriebe ich ja bereits. Nun soll es einerseits um den mobilen Alltag gehen, andererseits um die […]

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hilti 14. August 2012 um 21:28

So wie Punkt 1 formuliert ist offenbart das leider deine Unkenntnis und ist so Unfug. Die Hauptursache dafür ist der politische Druck durch die Privatsender, die seit 2004 dagegen vorgegangen sind, dass ARD und ZDF zu Olympia die Digitalkanäle zu Sportsendern umwandeln. Da muss man auf die Politik draufhauen und nicht auf ARD/ZDF. Wenn ich mich richtig erinnere war sogar schon die Übertragung der Digitalkanäle 2008 nicht mehr so umfangreich wie 2004.

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Andi 15. August 2012 um 8:11

Vieles stimmt schon. Manches ist aber auch die Kategorie: Bei uns ist alles doof, anderswo ist alles besser.

Und zum Thema Arroganz: Wenn wir das Wort mal im Hinterkopf behalten und uns dann den Absatz beginnend mit „Das Gefühl der eigenen Großartigkeit“ durchlesen, kann man durchaus die Stein@Glashaus assoziation haben.
Zum Thema: wir wollen mit Volunteers nicht erst über Wetter reden: Es gab mal einen interessanten Artikel auf bbc.co.uk über eine Studie einer deutschen und einer britischen Uni zum Thema Smalltalk. Ich glaube obiges Problem entsteht, wenn Leute ohne GB Erfahrung das erstemal mit dieser (in ihrer Ritualisierung tatsächlich für mich etwas lächerlichen klingenden ) How are you- i’m fine how are you-Kultur in Kontakt kommen. Würde ich als simples kulturelles Mißverständnis sehen und nicht überanalysieren.
In Musikdarbietungen quatschen ist aber bei allem Wohlwollen und Verständnis inaktzeptabel, besonders wenn man nix zu sagen hat.

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Die Organisatoren des Leistungssports · Potemkins gelehrige Schüler — CARTA 15. August 2012 um 8:37

[…] Thomas Knüwer: Olympia bei ARD und ZDF: Mary Poppins schafft das Fernsehen ab […]

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Verena 15. August 2012 um 13:53

Werde auch nicht vergessen, dass während der Mountainbike Übertragung der Herren der Livestream nur verfügbar war, solang ins Studio geschaltet wurde und anschließend sofort wieder abgeschaltet wurde. Ich bin bereit auf andere Medien auszuweichen, aber nicht, hin und her laufen zu müssen…

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grafiksammler 15. August 2012 um 14:32

Ich hab mich täglich gefreut, dass mein Fernseher noch über einen „Aus“-Button verfügt. Demnächst wird das der tiefere Grund sein, Gebühren zu zahlen.

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peter_raffelt 15. August 2012 um 18:52

@ ulf weinert
OK. Ich bin halt kein Leichtathletik-Fan, obwohl ich auch die anderen Läufe von Bolt gesehen habe 😉
Hockey liegt mir als Sportart aber näher. Eine Unterbrechung in einer laufenden Partie tut aber immer weh, es wurde ja auch nicht die Möglichkeit einer Bild-im-Bild Übertragung genutzt. War doch „früher“ mal ein Renner…

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Blogposting 08/16/2012 « Nur mein Standpunkt 16. August 2012 um 11:31

[…] Olympia bei ARD und ZDF: Mary Poppins schafft das Fernsehen ab […]

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