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Glaubt man in diesen Tagen deutschen Verlagsmanagern, dann gibt es da draußen irgendwo ein Internet (eines, das nur sie empfangen) in dem ihre Inhalte in rauen Mengen raubkopiert werden. Nun, wir alle wissen, dass diese Verlagsmanager ein anderes Internet haben als wir. In unserem Netz, nämlich, sind es keine Blogger, die Inhalte raubkopieren – sondern Verlage wie Axel Springer. Ein Haus, das so laut wie kein anderes nach einem Leistungsschutzrecht schreit – bei dem aber das raubkopieren von Inhalten Alltag ist, wie wir kürzlich erst am Beispiel einer Fußball-Satire erleben durften (und wie wir es in den Fällen Plakat-Satire, Sarrazin-Interview und Kachelmann-Gespräch bereits kennen).

Tatsächlich aber gehört das raubkopieren journalistischer Inhalte zum Alltag der allermeisten Verlage – und anscheinend nun auch der Nachrichtenagentur DPA. Gestern fiel mir ein winziges, leicht zu übersehendes Beispiel dafür in die Hände wie sehr das Abschreiben voneinander inzwischen journalistischer Alltag in Deutschland ist.

Auf Focus Online fand ich die Meldung, dass eine Weinflasche per Kühlmanschette schneller kalt zu bekommen ist als im Eisfach.

Nicht uninteressant, wenn man Wein mag. Die Quelle aber für jene Meldung war der „essen & trinken“-Ableger „Für jeden Tag“ aus dem Hause Gruner + Jahr. Hat Focus Online abgeschrieben? Nein – die DPA. Und so findet sich diese Meldung auch bei den Online-Ablegern von „Augsburger Allgemeine“, „Westfälischen Nachrichten“, Mitteldeutscher Zeitung“ und „Schwäbische Zeitung“. Alle verwenden dabei das gleiche, von DPA mitglieferte Bild. Einen Linke auf „essen & trinken“ setzt auch niemand – was verständlich ist, denn dort ist die Geschichte online nicht zu finden. Selbst wenn dies anders wäre, sollte man aber nicht mit einer Verlinkung rechnen.

Was also ist passiert? DPA schreibt eine winzige Meldung aus einem Magazin ab. Es ist keine hoch wichtige Recherche, keine Seiten lange Geschichte, die in der Agenturmeldung runtergedampft wird, es ist platte, kleine Lebenshilfe. Hätte ein Blogger dies getan, das Wehklagen wäre groß gewesen.

So aber ist es journalistischer Alltag (so man dies als Journalismus bezeichnen möchte) in Deutschland. Und für diese Agenturraubkopien wollen Deutschlands Verlage künftig nicht nur ein Leistungsschutzrecht – sondern auch noch Geld in Form einer Bezahlschranke.

In meinem Internet würden sich Verbraucher ob solcher Leistungen betrogen fühlen. Aber ich habe ja auch ein anderes Internet als Verlagsmanager.

(Warum Indiskretion Ehrensache nicht mehr auf Verlagsinhalte verlinkt, lesen Sie hier.)


Kommentare


Schattenwirtschaft ist böse 19. Juli 2012 um 16:57

Gestern oder vorgestern gab es bei Newsroom ein langes Interview mit einem Agentur-Chef oder Chefredakteur wo man auch einiges über die Branche lernt.
Abmahnungen wegen Content-Übernahme wären günstiger als andere Rechtswege.

Die regeln das dann unter sich und Normale Leute haben Abmahngebühren ja anscheinend im Zehnerpack als Trinkgelder in der Brieftasche stecken.

Schade das keiner in freien Ländern sowas dokumentiert. Bildblog in „vollständiger“.

Die Lösung ist nicht Verhandeln und auf Einsicht hoffen. Die Lösung wären neue legale! News-Anbieter. „Crowd-News“. Gewicht kriegt das über „Crowd-Promi-News“ wo man foursquare-mäßig einbuchen kann, wo man grade welchen Promi gesehen hat. Darüber kriegt man dann auch die bildenden Themen an die Leserschaft.

Google-News wurde wohl neulich auch mit Schattenwirtschaft in Verbindung gebracht. Ich weiss gar nicht ob news-Google überhaupt Werbebanner und Text-Werbung hat.

Interessant wird dann bald auch, wenn Blogger für ihre Beobachtungen oder „Entdeckungen“ oder Statistische Spielereien mit Open-Data („Wie viel Tage später müssen wir dank Griechenland/Spanien/NeuemMarkt/SolarSubventionen/… in Rente“,…) Gebühren zahlen sollen weil die Quellen“chain“ Lücken hat.
Auch dafür wäre ein News-Wiki in Demokratien nett wo man alle Quellen und Hintergrundinformationen verlinken kann und welches früher oder später auch Reporter als Quellen nutzen würden. Andere nennen sowas Semantik-Web und kriegen vielleicht Millionenschwere Fördergelder dafür.

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Thomas Wiegold 19. Juli 2012 um 17:25

Hm. Nach meiner Erfahrung bei Nachrichtenagenturen sitzt da kaum ein Redakteur, blättert durch solche Zeitschriften und schreibt das dann einfach ab … Im Regelfall wird eine so wichtige 😉 Nachricht von eben diesen Verlagen als Pressemitteilung versandt, die die Agenturen dann übernehmen – weil’s ein bisschen Lebenshilfe ist; vor allem aber, weil diese „Nachrichten“lieferanten auch wichtige Kunden sind. Und ich hatte oft genug Ärger, weil ich so wichtige Pseudo-Nachrichten von Kunden in den Papierkorb geworfen habe …
Ich würde erst mal klären, ob es in diesem Fall nicht auch so gelaufen ist – das klingt mir mehr nach der üblichen Verleger-Schizophrenie, die gerne ihr Produkt über die Agenturen und möglichst in vielen Zeitungen bekannt machen wollen, denn nach Raubkopie.

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Thomas Knüwer 19. Juli 2012 um 21:54

Thomas, habe ich. Auskunft von G+J: einfach abgeschrieben.

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Thomas Gottlöber [Mobile] 20. Juli 2012 um 6:33

Hmm. Aber in dem Screenshot steht doch „Inhalte bereitgestellt von dpa“. Das passt doch irgendwie nicht ganz zu dieser Story, oder?

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Thomas Knüwer 24. Juli 2012 um 9:49

Doch: DPA schreibt ab, Focus bezahlt DPA für Inhalte.

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