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Times Square am Nachmittag, strömender Regen. Aber das hält natürlich niemand davon ab, sich in der Schlange für die reduzierten Eintrittskarten zu den Broadway-Shows am gleichen Abend einzureihen. Manche Dinge können etwas dauern. Aber vielleicht gibt es ja irgendwo ein Wlan…

Nein, nicht irgendwo strahlt vielleicht ein Starbucks seine Web-Wellen hinüber – der gesamte Times Square ist mit öffentlichem und kostenfreien Wlan abgedeckt. Und so stehe ich unter meinem Schirm und verfolge den ORF-Livestream (der ORF hat sich anscheinend nicht so sehr mit Länderkennungen wie ARD und ZDF) des EM-Spiels Polen – Russland.

Es ist ein Vorgeschmack dessen, was möglich wäre – auch in Deutschland. Doch Kommunen in Old Germany kümmern sich selten bis überhaupt nicht um öffentliche Netz-Zugänge. Für kleine Gastronomen ist die Störerhaftung noch dazu ein gewaltiges Problem. Es wäre ein wichtiger Schritt würden die Politik den heute gemachten Vorschlag der Digitalen Gesellschaft zu einer Gesetzesänderung aufgreifen. 

Denn es geht ja hier nicht nur ums Fußballgucken. Tatsächlich hat die Möglichkeit per Smartphone nach Informationen zu indirekte Effekte: Touristen müssen nun nicht mehr eher unseriös erscheinende Personen nach dem Weg fragen und Ticket-Schwarzhändlern wird es schwerer fallen Karten zu überhöhten Preisen anzubieten. Wenn wir über offenes Wlan reden, geht es häufig um Geschäftsideen und Startups. Doch mit steigender Verbreitung von Smartphones – und weiterhin überhöhten Roaming-Preisen – gewinnt drahtloses Internet eben auch eine touristische Bedeutung.

Doch auch in anderen Punkten prägt digitale Technik inzwischen das New Yorker Stadtbild. So gibt es über vielen Eingängen zu U-Bahn-Stationen Meldungen über Betriebsstörungen auf einem HD-Bildschirm. Und weil der Bahnnutzer garantiert dort garantiert hinsieht wird darüber natürlich Werbung platziert. In einer so mit Werbung überbordenden Stadt sind diese wohl einige der wenigen Flächen, oder besser Displays, die tatsächlich wahrgenommen werden.

Wenn wir über Werbung in New York reden, kommen wir nicht um das Thema Social Media herum. Social is everywhere ist überall. Kein Restaurant, kein Supermarkt, keine Drogerie, die nicht an ihrer Eingangstür auf ihre Aktivitäten bei Facebook, Twitter und Foursquare hinweisen würde. Überhaupt Foursquare: Wie spannend dieser Dienst sein kann zeigt, sich wenn ihn viele nutzen. Dann sind die Tipps an Orten hilfreich und ebenso die ortsbezogene Suche nach Restaurants oder Geschäften.

Wer an deutsche Verhältnisse gewöhnt ist, den überrascht vielleicht die Selbstverständlichkeit mit der digitale Begrifflichkeiten in Werbung einfließen, die auf die breite Masse zielt. Wer nicht weiß, was @ und # bei Twitter sind, der wird beispielsweise mit der aktuellen Kampagne für das Nike Fuelband wenig anfangen können:

Diese Kampagne ist für mich – Nike ist ja häufig Vorreiter – Zeichen einer neuen Zeit. Auch weiterhin werden wir analoge Werbung sehen, egal ob als Plakat, Magazin-Anzeige oder TV-Spot. Doch im nächsten Schritt wird sie das Ziel haben den Kunden auf die Online-Präsenzen des Unternehmens zu bekommen. Denn dort erfährt man, wer er ist und bringt ihn in die Konversation.

Auch in Sachen Museum gibt es einen gravierenden Unterschied. Bei der Nacht der Museen in Düsseldorf hatte das NRW-Forum, das vielleicht innovativste Museum Deutschlands, Foto-Blogger angeworben. Die sollten durch die Nacht und die beteiligten Häuser schlendern und mit ihren Bildern Lust auf Kunst machen. Leider aber wurde dies von einigen Museen wie den Landeskunstsammlungen NRW nicht erlaubt. Die rechtlichen Begründungen wirken dabei vorgeschoben, geht man durch das New Museum an der Lower East: Dort ist Fotografieren ganz offen erlaubt. Mehr noch: Freies Wlan gibt es ebenfalls überall, in jedem Raum wird offensiv für die Digitalität geworben.

In einem Punkt immerhin hängt New York aber zurück: Taxibestellung per App. „In New York sind Taxizentralen gesetzlich untersagt“, erfuhr ich zum Erstaunen während der Le Web in London vergangene Woche vom CEO des britischen Minicab-Verteilers Hail. Und da New Yorker Taxen angesichts der Sprach- und Ortsunkundigkeit der Fahrer ohnehin nur so mitteltoll sind hat sich in den vergangenen Jahren eine teure Alternative breit gemacht: Limousinen. Die musste man bisher vorbestellen (außer während des Taxistreiks, bei dem sie offen für ihre Dienste warben).

Im Januar 2011 aber startete in San Francisco Uber Cars – und der Jubel über diesen Dienst kennt seitdem im nordamerikanischen Teil meiner Twitter-Timeline keine Grenzen. Vergleichbar mit MyTaxi in Deutschland kann der Fahrgast per Mobile App eine Limousine bestellen, abgerechnet wird nach einem (allerdings eher komplizierten) Zeit-/Distanz-Maßstab. Zum Bezahlen ist dagegen gar nichts nötig. Der Betrag wird von der bei Uber hinterlegten Kreditkarte abgebucht, das Trinkgeld kann entweder standardmäßig als Prozent vom Fahrpreis festgelegt werden oder jedes Mal manuell justiert werden. Interessant auch: Anscheinend bewerten nicht nur die Fahrgäste die Fahrer – sondern auch anders herum.

So wird in New York das Web mit der Betonung auf Social immer mehr zum Alltag. Und natürlich ist klar, was hier in Deutschland passiert: In zwei Jahren wird es hier ähnlich aussehen.


Kommentare


vera 26. Juni 2012 um 17:33

Deinen Optimismus wage ich vorsichtig zu bezweifeln. Eher in fünf Jahren – vielleicht.

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DAMerrick 26. Juni 2012 um 17:51

Stimme @vera zu. Sie haben eine seltsame Art wenn es um Technik, Konzerne und Möglichkeiten von drüben geht.

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teekay 27. Juni 2012 um 12:10

Nun ist der Times Square in NYC natuerlich nicht gleich ‚Amerika‘. Man findet in (Gross)Staedten zwar recht unkompliziert freies Internet, aber oeffentliches Gratis-Netz ist nach wie vor selten-eben auch weil die Rechtslage nicht ganz eindeutig ist. Mir gefaellt aber der pragrmatische Ansatz: Haelt man sich wirklich am Times Square auf um ‚in Ruhe‘ Filme illegal runterzuladen?! In einigen deutschen Innenstaedten wird das vielleicht auch kommen-aber viele Touristenattraktionen liegen ja ausserhalb der Staedte. Finde mal am Drachenfelsen bei Bonn vernuenftige englische Informationen…da ist WLAN noch gaaaaaanz weit weg

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mahrko 27. Juni 2012 um 12:54

WLAN war in NYC echt toll. In der Schlange zur Sicherheitskontrolle Richtung Freiheitsstatue. Free WiFi gesponsert von der Stadt. In vielen Parks ebenso. Ja sogar Kirchen in Lower Manhattan und wie bereits erwähnt viele Museen spendieren gratis WLAN 😉

Und wenn mal keine Kirche, Museum oder Park in der Nähe ist, dann hält man Ausschau nach Starbucks oder McDonald’s und okkupiert ein wenig den Gehweg davor.

Wenn du an einem stinknormalen Dienstagvormittag mal ins National History Museum eincheckst und einen Swarm-Checkin mit 67 Leuten erreichst, dann merkst du, dass Foursquare über dem großen Teich ganz anders genutzt wird 😉

Montagabend auf dem Flughafen dann 260 Leute. In Frankfurt bei der Landung am Dienstagfrüh warens immerhin 8 Leute.

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Wifi everywhere 28. Juni 2012 um 9:15

Die Gemeinden u.ä. legen Taxipreise fest, um z.b. Touristen nicht abgezockt werden zu lassen. In manchen Ländern kleben die Tarife in den Fenstern. Wenn es um eigene Bezahlung geht, sind Dumping-Anbieter „böse“. Als Kunde hingegen sind sie einem oft egal. Wenn der DJV die Anzahl benötigter Journalisten monatlich festlegen und die Über/Unterbezahlung dank Finanzamt und Internet messen würde, könnte man von Journalismus auch auskömmlich leben und Qualität liefern als wenn man jederzeit nach einem Anruf eines Dorf-Politikers bei den Freischreibern anfangen und Texte für Firmen schreiben muss und für Journalismus-Berichte grade mal die variablen Kosten (Benzin,…) herausbekommt.

Solche Dienste brauchen oft aber gar kein Wifi sondern kämen mit SMS oder GSM locker aus. Trafficsparendes Programmieren ist bei den meisten Apps aber unüblich wie man bei UMTS und GSM schnell merkt.
Hyper-Lokal-Dienste für Transport und Dienstleistungen („gigalocal-meets-craigslist-as-App“) wären nett. Schade das man auf USA warten muss weil man sowas hier ohne Investoren ohne rechtlichen Stress vermutlich nicht programmieren kann. Sonst gäbe es das längst. Denn ich hätte immer Missionen per Handy zu vergeben oder will von A nach B und mich an die Straße stellen und mitgenommen werden und bewerten und bewertet werden und keine horrenden Preise latzen müssen. PKW-Pseudo-ÖPNV per GSM hätte 1999 schon Realität sein können.

Und in Museen ist auch blöd, wenn man nicht zumindest Proper Credits kriegt sondern die Fotos wahllos im Internet herumschwirren. Der Viewer sollte zumindest eine Quellenangabe haben. Ich will doch sogar wenn ich sowas 3D-nachdrucke oder ein Poster davon mache oder eine Tapete das der Künstler 10% kriegt. Aber ohne das ich von Section-451(Content-Polizei) gefangen und gehangen oder tausendseitige Notariats-Verträge unterschreiben muss. Museen haben auch eine Verpflichtung gegenüber ihren Künstlern. Freie Videoaufnahmen von Broadway-Shows auf den Bürgersteig vor dem Theater zu Wifi-beamen fordert hier ja auch keiner. Fotos vom Ende wo die sich immer alle verbeugen (falls das dort üblich sein sollte wie hier im Theater) sollten allerdings beispielsweise erlaubt sein. Aber auch dort sollten Proper-Credits irgendwie in den Bildern drin stecken. Content-Consumer interessieren solche Themen allerdings oft eher nicht. Gejammert wird erst, wenn man selber betroffen ist.

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Endlich hat der Check-In Sinn! | nullenundeinsenschubser 2. Juli 2012 um 10:10

[…] Knüwer beschrieb vor ein paar Tagen ein schönes Beispiel aus New York. [via Indiskretion […]

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