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Heute Morgen war ich Gesprächsgast bei der Aufzeichnung des „Dossiers Politik“, dass BR2 am heutigen Abend ab 21.05 Uhr senden wird. Das Thema: „Gratis in die Armut? Das Urheberrecht im Web-Zeitalter“.

Puh.

Im Vorgespräch gab es einen Moment, in dem wir über den letzten Part jener Sendung sprachen. Und in dem geht es um Lösungen. Für mich aber stellt sich vielmehr die Frage: Wie lautet eigentlich das Problem in Sachen Urheberrecht? Derzeit gibt es eine Kampagne von Verlagen – allen voran Axel Springer und die DVH Medienholding („Die Zeit“, „Handelsblatt“) – mit dem Ziel das bestehende Urheberrecht abzuschaffen – durch eine massive Verschärfung. Dabei ist den Medienkonzernen jedes Mittel recht, wie das „Handelsblatt“ jüngst demonstrierte.

Die Argumentationskette der Urheberrechts-Gegner lautet: Raubkopien sorgen für weniger Umsatz, weniger Umsatz sorgt für darbende Medienunternehmen, darbende Medienunternehmen sorgen für darbende Künstler, darbende Künstler sorgen dafür, dass weniger Musik, weniger Filme und weniger Bücher entstehen – und das bedeutet ein Austrocknen unserer Kultur.

Nur: Das wird durch Fakten nicht gedeckt. Vielmehr zeigt sich an handfesten Zahlen das genaue Gegenteil: Das Internet sorgt für mehr Kultur und mehr bezahlte Kulturschaffende.

Nehmen wir nur einmal die Zahl der selbstständigen bildenden Künstler in Deutschland:

Dazu muss gesagt werden: Die Sache mit den Raubkopien ist nicht brandneu. Napster ging 1998 an den Start und erlebte seinen Höhepunkt im Jahr 2001 – das ist mehr als zehn Jahre her. Doch bis zum Jahr 2009 war offensichtlich keine Wirkung bei den Künstlern zu bemerken – ihre Zahl stieg in der oben gezeigten Rubrik sogar um 28 Prozent. Auch die Zahl der Versicherten in der Künstlersozialkasse steigt munter weiter, von 2000 bis 2010 ebenfalls um sagenhafte 55%:

Wenn es also Künstlern in Deutschland so schlecht geht – warum entscheiden sich immer mehr Menschen für diesen Beruf? Und noch wichtiger: Warum geben nicht mehr auf? Sind dies alles Masochisten? Oder alles Irre?

Tatsächlich gibt es natürlich eine erhebliche Ungleichverteilung, wie diese Statistik der Bühnenkünstler zeigt (sollte jemand aber diese Einkommensklassen-Verteilung im Zeitablauf haben, würde ich mich über eine Meldung freuen):

Doch ist dies wirklich neu? Tatsächlich war es schon immer so, und da nehme ich mal die Gespräche mit Schauspielern und Musikern, die ich in den 90ern beim Uniradio Münster führte, dass ein großer Teil dieser Künstler „für die Kunst lebte“. Sprich: Sie kamen so irgendwie über die Runden und hofften auf den Durchbruch. Dabei waren sie nicht mal unglücklich: Wer sich für diesen Beruf entscheidet weiß, dass es ein harter Weg ist.

Das zeigt auch eine Untersuchung des Pew Instituts aus dem Jahr 2004 unter 2.755 US-Musikern. Schon damals gaben über drei Viertel an, einen Nebenjob für den Lebenserhalt zu benötigen. Immer gab es eben Künstler, die nicht ausreichend den Massengeschmack trafen um mit allein durch ihre Werke überleben zu können. Das ist natürlich schade – aber eben keine Folge des Internets, erinnern wir uns nur an diesen Herrn aus dem 19. Jahrhundert, den sie ganz oben sehen.

Nun ist die Zahl der Künstler, Schauspieler, Musiker und Autoren die eine Sache. Was aber ist mit deren Produktion? Die müsste doch, glauben wir den derzeit so hektischen Urhebern und Verwertern, doch zurückgegangen sein seit Napster 1998 das Licht der Welt erblickte? Zumindest aber dürfte sie nicht großartig gewachsen sein. Denn das ist ja die angebliche Grundangst, die durch die Kampagne getrieben wird: Ohne Verschärfung des Urheberrechts entstünde irgendwann keine Kultur mehr.

Nun hat sich genau das im Januar 2010 Felix Oberholzer-Glee von der Uni Harvard und Koleman Strumpf von der Uni Kansas angesehen. Sie untersuchten die Entwicklung der Musik- und Filmproduktion in den USA, dem Land dessen Kulturprodukte sicherlich als die meist raubkopierten weltweit angesehen werden dürfen. Ihre Zahlen zeigen ein diametral entgegengesetztes Bild. Während in den 90ern durchschnittlich 472 Filme pro Jahr in den amerikanischen Kinos kamen, waren es zwischen 2005 und 2009 578 – ein Plus von 22%. Noch dramatischer fällt die Statistik in Sachen Musik aus. Die Zahl der Musikalben steigt von 35.516 im Jahr 2000 auf 106.000 in 2008 – ein Zuwachs von 298%.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Professor Robert Hammond von der Uni North Carolina bei einem Vergleich von File-Sharing-Börsen und Verkaufszahlen: „I find that one additional download is associated with 2.6 additional sales.“

Wer behauptet, das Internet habe eine Auswirkung auf die Zahl der Künstler und ihrer Werke, der muss sich sagen lassen: Ja – das Internet sorgt für mehr Kunst, mehr Künstler, mehr Musik und mehr Filme.


Kommentare


Raventhird 16. Mai 2012 um 18:10

1. Äh. Nein. Es behauptet niemand, dass die Kultur ausstirbt, wenn es kein Urheberrecht mehr gibt (zumindest niemand, der bei Verstand ist). Die Zahl der professionellen Kulturproduktionen wird aber zurückgehen, je weniger Menschen von ihrer Kunst leben können, also der aufwendigen Kinofilme mit viel Budget, der Romane, die viel Zeit brauchen, um geschrieben zu werden usw. Und: Ja, ich gehöre auch zu denen, die das als Problem empfinden, weil für mich Kultur nicht aus Katzenbildern allein besteht. Dass die Hobby-/ Nebenberufskünstlerzahlen steigen, ist unbestritten, das hat meiner Meinung nach vor allem mit sinkenden Produktionskosten durch technischen Fortschritt zu tun, was mich führt zu:

2. Wo in diesen zitierten Studien taucht in irgendeiner Weise das Internet als Faktor auf? Sehe ich beim Überfliegen gerade nicht. Der letzte Absatz und die Überschrift des Artikels wären damit freie Assoziation, genauso könnte man die steigende Zahl der Nichtwähler mit der steigenden Künstlerzahl koppeln.

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Thomas Knüwer 16. Mai 2012 um 23:18

1. Doch dieses Argument taucht mehrfach bei den Urhebern auf, die derzeit von Verlagen instrumentalisiert werden.

2. Die Studie aus Harvard heißt: „The Effect of File Sharing on Record Sales“. Außerdem wird ansonsten behauptet, das Internet habe einen negativen Einfluss auf die Kultur-Entstehung. Es gibt aber keinen empirischen Nachweis.

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anonymous 16. Mai 2012 um 19:09

Lieber Thomas,
als selbstständiger Künstler, genauer: Musiker im Bereich der Neuen Musik, möchte ich hier auch mal meinen Senf dazu abgeben, bisher wird nämlich sehr gerne ÜBER uns geringverdienenden Künstler (ja, dazu gehöre ich leider) geschrieben, aber zu wenig VON uns.

Das Internet ist eine feine Sache, was die Verbreitung von Kultur angeht. Zugriff für jeden, zu jeder Zeit, legal wie illegal. Niemand möchte hier etwas verhindern, das absolute Gros der Künstler (die ich kenne), weiß, dass das Internet mehr als eine Chance ist, sich zu etablieren. Sprich: Werbung und Verbreitung der eigenen Werke.

Es mag schon zutreffen, dass die Zahl der Künstler steigt. Sicherlich wissen die meisten auch ‚worauf sie sich einlassen‘ und dass es kein einfacher Weg ist davon zu leben, genauso wie es Künstler mit nicht-massentauglichem Geschmack, wie ich es scheinbar auch bin (sagt mein Kontostand), schon immer gab und geben wird. Daraus aber abzuleiten dass die Künstler sich damit zufrieden geben müssen ist eine himmelschreiende Frechheit. Wenn das Internet eine Chance für Konsumierende ist indem sie günstigen Zugang zu einem exorbitanten Angebot ist, warum soll es dann keine Chance für Künstler sein, für ihre Kunst ANGEMESSEN entlohnt zu werden?! Warum will jeder seinen Teil vom Kuchen abhaben, Konsumenten mit Gratis-/Billig-Angeboten, Verlage/Produktionsfirmen/… mit brutaler Durchsetzung Urheberrecht und von den Künstlern wird verlangt dass sie ‚für die Kunst leben‘?

Künstler sollte es nicht nur beiläufig und abschätzig zugestanden werden ‚für ihre Kunst zu leben‘. Sondern auch VON ihrer Kunst!

Ideen zur Umsetzung? Kulturflatrate (auf die ich jetzt nicht näher eingehen werde).

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Aerar 16. Mai 2012 um 21:24

Der Artikel ist in dieser Form ziemlich witzlos, da es nicht allein um Quantität, sondern auch um Qualität geht. Selbst wenn es ein „Mehr“ geben sollte, ist dieses gerade im Bereich von Kunst und gerade unter dem Aspekt immer billigerer Produktionsmethoden kein wirklicher Hinweis auf ein „Besser“. Behauptet der Artikel, soweit ich es beim Überfliegen sehe, auch gar nicht explizit. Doch entweder will er es implizit nahelegen, dann wäre er bloße Polemik oder aber es ist eine zusammenhangslose Faktenzusammenstellung. Oder habe ich etwas übershen?

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Thomas Knüwer 16. Mai 2012 um 23:15

Sie übersehen etwas: Wollen wir wirklich über Qualität diskutieren? Was ist denn ein „guter“ Song? Was ist ein „schlechtes“ Buch? Diese Diskussion fände ich höchst erschreckend…

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hiro 16. Mai 2012 um 22:27

@anonymos: Gegenfrage – warum sollte es ein Recht darauf geben, von seiner Kunst leben zu können? Wenn Sie ein Werk schaffen, für das niemand bereit ist, etwas zu zahlen – dann ist das so. Falls es Sie tröstet: Die Chancen stehen gut, daß es dann auch illegal nicht besonders weit verbreitet ist. Die Korrelation zwischen „populär“ und „finanziell erfolgreich“ existiert nach wie vor, das ändert sich auch nicht durch unbezahlte Fernkopien im Internet.

Was sich ebenfalls nicht ändert, jedenfalls nicht positiv, ist das verfügbare Einkommen der Konsumenten. Da geht nicht nur zunehmend Geld für das nackte Überleben drauf – Strom, Gas, Lebensmittel -, während gleichzeitig Einnahmen stagnieren oder sich gar verringern, etwa durch Arbeitslosigkeit. Nein: Die Kunst konkurriert auch noch zunehmend mit anderen Angeboten, die Geld kosten: Mobiltelefon, Internet, ausartende Kindergeburtstage, … und auch die Kunst selbst wird teurer – was kostet heute ein Kinobesuch, was kostete er früher?

Also: Die Kunst wird teurer, das Geld wird weniger, gleichzeitig verteilt es sich – hier kommen die Zahlen ins Spiel – auf immer mehr Veröffentlichungen. Kein Wunder, wenn Künstler heute weniger vom Kuchen abbekommen als früher.

Liegt das am Internet? Nein, es liegt am verfügbaren Einkommen und am immer größeren Kuchen.

Würde sich etwas ändern, wenn sich illegale Kopien verhindern ließen? Nein, denn der Konsument kann sein Geld nur einmal ausgeben.

Man kann nicht jede Tätigkeit in eine stabile Einnahmequelle verwandeln. Jeder, der ein Hobby hat, weiß das. Aber aus irgendeinem Grunde sind viele Urheber der Meinung, die Gesellschaft schulde ihnen was für die Arbeit, um die sie keiner gebeten hat – und zwar immer wieder, bis zu ihrem Tode und noch 70 Jahre darüber hinaus.

Auch ich sehe ein ungehöriges Maß Gier in dieser Debatte.

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In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? « … Kaffee bei mir? 17. Mai 2012 um 4:41

[…] Thomas Knüwer: Das Internet sorgt für mehr Künstler, mehr Musik und mehr Filme […]

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Michael Schneider 17. Mai 2012 um 5:01

Ich will nicht dass die Kultur-Flatrate auf den Preis fürs Internet drauf geschlagen wird. Das ist Kontra-produktiv. Das macht das Internet teurer, weniger Leute – gerade der unteren Einkommensklassen – können sich dann noch Internet leisten.

Und das nicht nur aus finanziellen Gründen wenn ich 20 Euro ausgeben muß fällt mir das mental leichter als 30 und nicht nur weil es 10 mehr sind. 30 hat eine andere Dimension für mich.

Wenn schon eine Kultur-Flatrate möchte ich eine Zusammenlegung mit der GEZ. Das halte ich für viel sinnvoller und könnte für Künstler vielleicht auch mehr bringen.

Wenn aber schon eine Kultur-Flatrate eingeführt werden soll, verlange ich auch das Künstler ihren Beitrag dazu leisten – und damit meine ich die reichen Künstler.

Zum Beispiel so:

Jeder Künstler kriegt einen Freibetrag. Sagen wir mal 2.500 monatl.
Das Einkommen darüber wird mit einer Abgabe belegt.
Diese Abgabe dient zur Einkommensaufstockung armer Künstler.

Aber ich höre jetzt schon die Aufschreie der Künstler die ganz dick im Geschäft sind.

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Aerar 17. Mai 2012 um 10:35

@hiro: Es geht nicht darum, ein grundsätzliches Recht auf „Von Kunst leben können“ zu schaffen. Den Satz „Wenn Sie ein Werk schaffen, für das niemand bereit ist, etwas zu zahlen – dann ist das so.“ kann ich daher insoweit teilen. Nur, wenn jemand etwas schafft, was für viele so interessant ist, dass sie es gegen seinen Willen kopieren, dann sollte es doch immerhin die Möglichkeit geben auf „Von Kunst leben können“

@Thomas Knüwer: Wir müssen über Qualität reden, denn das ist überhaupt der Kern der Debatte. Mengenmäßig kann jede Einzelperson täglich tausende „Kunstwerke“ erstellen. Aber die Werke, die anrühren sind in den meisten Fällen keine Massenware, sondern das Ergebnis von harter Arbeit. Wenn diese nicht entlohnt werden, werden viele diese Arbeit nicht mehr leisten können oder wollen. Die Menge wird dadurch nicht notwendig sinken.

Es geht tatsächlich um die Qualität. Natürlich soll es keine zentrale Kunstpolizei geben. Das wäre fatal. Doch jeder ist für sich selbst in der Lage zu entscheiden, ob ihm ein Buch oder ein Song besser oder schlechter gefällt. Dabei ist natürlich ausgeschlossen oder abzusprechen, dass im Einzelfall auch Laienkünstler hervorragende Werke erstellen können.

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Daniel 17. Mai 2012 um 10:37

hiro spricht aus meiner Sicht den Punkt an, der mich in der Debatte am meisten nervt: wo steht geschrieben, das KünstlerInnen von ihrer Kunst leben können müssen?

Das Problem der Raubkopien ist zweifelsohne vorhanden und nicht zu leugnen oder schönzureden, aber auf der anderen Seite erleben wir IMHO (auch dank des Internets) eine Inflation an KünstlerInnen, von denen viele bewusst Qualität online kostenlos zur Verfügung stellen, sei es via Youtube oder der eigenen Website. Natürlich vergrößert dass das (kostenlose) Angebot und macht es somit schwerer für die, die von ihrer Kunst leben können wollen.

Besonders bemerkenswert finde ich das „wir müssen doch davon leben können“ Argument in der Buchbranche, die ja noch mit am wenigsten vom Problem des Raubkopierens betroffen sein sollte. Jahr für Jahr werden mehr Bücher herausgebracht, als ein normaler Mensch in seinem Leben jemals lesen kann, und da wundert/beklagt man sich, dass nicht alle zu Bestsellern werden. Für diese Tagträumerei habe ich kein Verständnis.

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Marcel 17. Mai 2012 um 10:55

,,1. Äh. Nein. Es behauptet niemand, dass die Kultur ausstirbt, wenn es kein Urheberrecht mehr gibt (zumindest niemand, der bei Verstand ist). “

Und ob, der Thenor heißt doch durchweg:
,,Wir brauchen ein schärferes Urheberrecht“ – ,,Raubkopierer vernichten/töten die Kunst!“ und so weiter…

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Raventhird 17. Mai 2012 um 13:47

1. „Urheber, die von Verlagen instrumentalisiert werden“ ist auch so ein schöner Internetkampfbegriff. Als ob professionelle Autoren, Künstler und Musiker hirnlose Zombies wären, die brav als Marionetten das tun, was ihre Verlage sagen. Hinweis: Sind sie nicht. Ist aber ein schöner Kniff, um den schwarzen Peter den Verlagen zuzuschieben, weil die Künstler doch im Netz erstaunlich viele Sympathisanten haben. (Große) Verlage dann schon viel weniger, gegen die kann man leichter anschreiben.

Abgesehen davon: Ja, natürlich müssen wir in dem Zusammenhang über Qualität diskutieren. Mein Kommentar und die beiden darauffolgenden haben auf genau das hingewiesen: Natürlich steigt die Zahl der aktiven Musiker, wenn sich jeder für 150 Euro Apple Logic Pro kaufen kann, respektive über Netz publizieren und YouTube-Videos hochladen. Aber steigt die Zahl derer, die davon leben können? Die es nicht nur als Hobby machen? Die Geld von den verhassten „Verwertern“ zur Verfügung gestellt bekommen, damit sie in Ruhe ein Jahr lang an einem Buch schreiben können? Oder Geld, um in Ruhe einen Hollywoodfilm drehen, der kein sicherer Blockbuster wird? Geld, um in Ruhe ein Album aufzunehmen, das nicht radiotauglich ist? Imho nicht und genau das ist es, was angeprangert wird. Natürlich kann man sagen: „Wenn Du Deine Kunst nicht ganz alleine vermarkten kannst und davon leben, dann such Dir doch nen anständigen Job, Du scheisslanghaariger Hippie!!“ – Wenigstens ich aber bin froh, dass wir noch nicht bei so einer technokratisch-ökonomischen Kunstdefinition angekommen sind, dass Kultur noch aus diesem Wettbewerbsdings ein bisschen rausfällt, alles andere wäre gruselig. Und dafür sorgen – überraschenderweise – auch die bösen Verlage, denn meines Wissens sind es die „Hits“, die bei den „Verwertern“ für die Einnahmen sorgen, die wiederum die Experimente querfinanzieren. Eine Charlotte Roche finanziert zehn andere Autoren quer. Genau deswegen brauchen wir die böse „Content-Mafia“ und genau die könnte ohne das Urheberrecht in der Form nicht weitermachen.

2. Hab diese letzte Studie jetzt gelesen:

Zitat:

„Conclusion
We find that file sharing has no statistically significant effect on purchases of the average album in our sample. Moreover, the estimates are of rather modest size when compared to the drastic reduction in sales in the music industry. At most, file sharing can explain a tiny fraction of this decline. This result is plausible given that movies, software, and video games are actively downloaded, and yet these industries have continued to grow since the advent of file sharing. While a full explanation for the recent decline in record sales are beyond the scope of this analysis, several plausible candidates exist.“

Die stellt nicht fest, dass das Internet für irgendwas sorgt, sie sagt nur, dass Filesharing keinen Einfluss hat, das ist aus meiner Sicht kein „diametral entgegengesetztes Bild“. Wie gut die Studie ist, kann ich nicht sagen, aber die Überschrift und die Schlussfolgerung des Blogartikels sind immer noch freie Assoziation.

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Steffen 17. Mai 2012 um 15:30

Ich habe die Sendung gerade angehört. Fand ich eigentlich ganz OK und fair gemacht, nur im Beitrag von Achim Wendler war ein gravierender Fehler:
„[…] Umstritten ist zwischen den Parteien die Schutzfrist für geistige Werke – also die Dauer in der jemand Lieder, Bücher usw. nach Gutdünken und ausschließlich vermarkten darf. Die Grünen z.B. hatten mal erwogen, diese Frist radikal zu kürzen, von derzeit 70 Jahre auf nur noch 5. Daraus wurde nichts. Jetzt prüfen dei Grünen verschiedene Modelle, etwa die Schutzfrist an die Lebenszeit des Künstlers zu knüpfen. […]“
Da hat jemand schlecht recherchiert. Wahrscheinlich kam Herr Wendler gar nicht auf die Idee, dass es 70 Jahre NACH DEM TOD sein könnten, weil diese Vorstelung so absurd ist. Schade dass die Hörer nun nichts von dieser Absurdität mitbekommen haben.

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Das Internet sorgt für mehr Künstler, mehr Musik und mehr Filme « Das Urheberrecht 17. Mai 2012 um 20:28

[…] noch wichtiger: Warum geben nicht mehr auf? Sind dies alles Masochisten? Oder alles Irre?, fragt Thomas Knüwer auf indiskretionehrensache. Sharen mit:TwitterFacebookFlattrE-MailGefällt mir:Gefällt mirSei der Erste, dem diese(r) Artikel […]

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Daniel 17. Mai 2012 um 22:12

@ Raventhird:

wenn ich das Thema ernsthaft diskutiere, dann finde ich niemanden, der sagt (Zitat): “Wenn Du Deine Kunst nicht ganz alleine vermarkten kannst und davon leben, dann such Dir doch nen anständigen Job, Du scheisslanghaariger Hippie!!”

Selbstvermarktung ist sicherlich nicht zwingend notwendig und wird auch nur von wenigen gefordert. Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn ein Künstler das nicht kann kann/will. Aber Fremdvermarktung bringt einen „Kostenblock“ mit sich, den Eigenvermarktung erstmal so nicht hat. Das das „Verlagswesen“ ein Türöffner für unbekannte Künstler ist, die sich nicht selbst vermarkten/verlegen können/wollen, ist sicherlich klar.

Was mich daran stört ist das Gefühl bzw. die Erfahrung, dass es a) KünstlerInnen gibt, die diesen Kostenblock als notwendig (und daher bitte vom Kunden als mit zu bezahlen) ansehen und/oder b) die Meinung vertreten, dass der Künstler von seiner Kunst leben können sollte.

Und da kann ich bei beiden Punkten nur sagen: sorry….

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Das Internet sorgt für mehr Künstler « Bennis Welt 18. Mai 2012 um 8:48

[…] https://www.indiskretionehrensache.de/2012/05/urheberrecht-internet/ Gefällt mir:Gefällt mirSei der Erste, dem diese(r) Artikel gefällt. […]

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Ben 18. Mai 2012 um 8:51

Kunst war schon immer eine brotlose Domäne, daran wird das Internet auch nichts ändern. Goethe und Schiller haben auch nicht von ihren Werken gelebt, sondern im Falle Goethes von ihren Berufen. Schiller wäre nun ja auch fast verhungert. Kunst war schon immer Hobby und wer Kunst macht um Geld zu verdienen, hat da irgendwas falsch verstanden finde ich.

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peer 18. Mai 2012 um 9:08

Ich würde eher sagen beide Faktoren (Anzahl Künstler und Verbreitung des Internets) hängen vom selben Faktor ab: Dem Wohlstand im Lande. Und da der letztlich insgesamt irgendwo gestiegen ist, steigen auch die Sekundärfaktoren. Kausualität zwischen Intrenet und Künstlerzahl ist so nicht nachzuweisen.

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Letztens war ich Urheber. Verwerter. Verwender. « 3Toastbrot 18. Mai 2012 um 14:45

[…] – Die Enteignung der Wirklichkeit – Wer den Apfel küsst – Schneiden wir den Kuchen neu an – Das Internet sorgt für mehr Künstler, mehr Musik und mehr Filme – Wieder ein Erfolgs-Autor, der sagt, Filesharing sei Marketing für Buchverkäufe – Sven Regener […]

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Malte 18. Mai 2012 um 22:29

Ich bin ein großer Anhänger der rhetorischen Frage: Wo steht denn geschrieben, dass Künstler von ihrer Kunst leben können müssen?

Die Frage kann man ja durchaus erweitern: Wo steht geschrieben, dass alle Zuarbeiter und Subunternehmer der Kunstindustrie (z.B. Lektoren, Übersetzer, Musik-Produzenten etc.) ein Recht auf eine (gut) bezahlte Arbeit in ihrem Wunschberuf haben?
Wie viele Branchen hat es im Laufe der Zeit gegeben, die sich einfach überlebt haben und deren Arbeitnehmer sich einfach andere Berufe suchen mussten? Natürlich gab es für diese Branchen durchaus auch Sündenfälle (der Kohlepfennig für die siechende Bergbauindustrie), aber im Nachhinein betrachtet fragt sich bestimmt jeder, warum jahrzentelang gigantische Subventionen in eine nicht mehr lebensfähige Industrie geflossen sind. Warum also muss unbedingt dafür gesorgt werden, dass die Verwertungsindustrie am Leben gehalten wird?

Denn es muss ja auch festgestellt werden, dass es auch in heutiger Zeit Künstler gibt, die nicht nur von ihrer Kunst leben können, sondern es sogar zu Multimillionären schaffen. Inwiefern dabei die Qualität eine Rolle spielt, sei mal dahingestellt (die grandios erfolgreiche Lady Gaga weckt – zumindest bei mir – keinerlei Assoziationen zu Qualität), aber es ist dennoch möglich. Lady Gaga als Beispiel bietet sich m.E. dabei als besonders gutes Beispiel an, weil ihre Erzeugnisse gerade der Generation der Digital Natives und Filesharer hingeworfen werden. Man müsste also erwarten, dass der Ruhm der armen Frau ausschließlich auf Raubkopien beruht und dennoch mache ich mir wirtschaftlich um die Dame keinerlei Sorgen 😉

Ich bin beileibe kein Verfechter des freien Raubkopierens (mehr), blicke aber natürlich auch auf eine Jugendzeit zurück, in der ich mich dieses Vergehens schuldig gemacht habe. Mit dem Einkommen aber stieg auch die Bereitschaft zum Konsum künstlerischer Erzeugnisse. Heute nutze ich liebend gern Plattformen wie iTunes, Steam oder Amazon Downloads. Ich käme nicht im Traum darauf, tausende von Raubkopien anzuschaffen.

Ich sehe aber durchaus, dass sich das Verhalten ändert und ich bin der Meinung der Künstler, dass sie im Erfolgsfalle (also wenn einem Konsumenten das künstlerische Erzeugnis gefällt) für ihr Schaffen belohnt werden sollten. In diesem Moment ist auch die unterstützende Arbeitskraft (Lektoren etc.) wieder gefragt, denn diese können behilflich sein, die Qualität eines Produktes noch zu steigern und es damit erwerbenswerter zu machen.
Dummerweise habe ich keine Idee, wie diese Belohnung finanziert werden soll. Eine Kulturflatrate hat aufgrund der Einfachheit einen gewissen Charme und könnte im Zuge der GEZ-Haushaltsabgabe durch die Hintertür mit eingeführt werden, aber ich halte diese Idee dennoch für falsch, denn wer legt den Verteilungsschlüssel fest und wie wird verhindert, dass nur die Künstler die Unterstützung „verdienen“ (nach deren Kunst also Nachfrage herrscht) auch etwas davon haben?
Übrigens ist die GEZ das beste Beispiel für eine ineffektive Verteilung (Exkurs: Vielleicht sollte man eine der beiden großen Anstalten abschaffen und das freiwerdende Geld in die Künstlerkasse zahlen…?).

Wir stehen also in der Tat vor einem gewissen Problem, aber ich bin zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werden kann. Sobald die ideologischen Hürden überwunden sind, sollte es den klugen Köpfen gelingen, hier eine Lösug zu finden.

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lab 19. Mai 2012 um 7:45

@Aerar, @Raventhird: Wie soll das denn aussehen, das „Reden über Qualität“ – und wie soll es den Profi-Künstlern nützen?

Richtig ist allerdings, dass das wahre Problem der Profi-Kreativen nicht die Filesharer sind. Aus meiner Sicht wird – wenn es denn jemals eine große negative Rolle gespielt hat – illegales Filesharing in Kürze völlig bedeutungslos werden. Für alle, die auch nur andeutungsweise bereit sind, Geld auszugeben, gibt es inzwischen günstige Download- und Streamingangebote. Warum soll ich mir die Mühe machen, etwas illegal herunterzuladen (mit dem Risiko, dass die Qualität schlecht ist oder ich mir einen Virus einfange) wenn ich für 10 € / Monat so viel hören kann wie ich will – oder für lau mit ein bisschen Werbung..?

Nein, das eigentliche Problem der Musikschaffenden liegt in der wachsenden Konkurrenz durch Amateure.

Und tatsächlich können Amateure die gleiche Qualität liefern wie Profis – nur i.d.R nicht so schnell, kontinuierlich und auf Bestellung. Im Gegenteil sind oft Amateurwerke auch im Vergleich zu Profiarbeiten hochwertiger, weil sie eben nicht gewerbsmäßig (also auch unter Effizienzgesichtspunkten) hergestellt werden (womit ich nicht sage, dass Profis generell weniger Herz in ihre Arbeiten stecken. Aber wer von seinen Produkten leben muss, unterliegt einfach gewissen Zwängen).

Aber zurück zum Problem: Durch die generelle Verbilligung der Produktionsmittel und die durch das Internet dramatisch gesenkten (um nicht zu sagen: weggefallenen) Distributionshürden konkurrieren Amateure in großer Zahl mit Profis. Es ist sehr schwierig, einen Plattenvertrag zu bekommen, aber auf Youtube kann jeder auf gleicher Höhe anbieten.

Die Folge: eine Verbreiterung der Anbieteranzahl. Bei gleicher verfügbarer Masse an Geld, das für Kultur ausgegeben wird, bleibt weniger für den einzelnen Künstler übrig. „Herr Schmitz“ hat das in einem Blogbeitrag anschaulich beschrieben (mit analogen Infografiken): http://labom.at/J9KuWH .

Insofern ist es eine Selbsttäuschung, darauf zu hoffen, dass durch Einschränkung/Verhinderung illegalen Filesharings die Einnahmen wieder steigen werden. Für den einzelnen Künstler ergeben sich Chancen durch Verbreiterung seiner Kundenbasis (durch das Internet einfacher denn je: einen Gratis-Download anzubieten oder bei Youtube etwas einzustellen, kostet quasi nichts. Vergleicht das mal mit den Kosten für klassische Werbung), durch Kostenersparnis (z.B. durch Kürzen der Verwertungskette) oder ganz neue Finanzierungsmethoden (z.B. Crowdfunding).
tl;dr

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Hartmut B. 19. Mai 2012 um 11:34

Was ist mit der Kombination bedingungsloses Grundeinkommen BGE (Existenz gesichert) und Flattr als urdemokratische Internet-Bezahlmethode (Finanzierung).

Ist doch u.a. für Künstler gar nicht schlecht oder?

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peer 19. Mai 2012 um 13:30

@Malte: Und wo steht geschrieben, dass „wir“ (=alle anderen) Dir unsere Erzeugnisse SOFORT und umsonst zur Verfügung stehen müssen?
Filme sind ja umsonst im Free TV erhältlich, Musik umsonst im Radio – Warum noch Filesharen?

Sicher ist auch, dass Lady Gaga immer trotz Filesharing genug umsetzen wird (zur Not eben Merchandising). Wenn es Opfer gibt, dann unter den weniger Mainstreamingen Sachen. Die Folge, die ich sehe ist eher eine Zweiklassengesellschaft: Auf der einen Seite ein paar Große, die sehr gut von ihrer Arbeit leben können und auf der anderen Seite eine große Schar von „Hobby-Künstlern“, die nebenbei arbeiten und daher weder qualitativ noch quantitativ bei den „Großen“ mithalten können. Der Mittelbau fiele dann weg.
Aber vielleicht tut eine Bereinigung des Musikmarktes auch mal ganz gut, habe sowieso viel zu viele CDs 😉

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Daniel 19. Mai 2012 um 15:05

@ Malte und @ lab:

grundsätzlich bin ich erstmal bei euch, was die Einscheätzung hinsichtlich Filesharing angeht. Dass „das Problem“ überhaupt so groß wurde, hat sich die Musik- und Filmbranche wohl in erster Linie selbst zuzuschreiben, weil sie nicht komfortable und bezahlbare Alternativen anbieten konnte/wollte. Aber mittlerweile bieten Downloads von z.B. Songs für 99 Cent eine deutlich bessere Alternative zur langwierigen Suche nach dem gewünschten Song in der gewünschten Qualität mittels Filesharing. Nur sind die bislang erfolgsverwöhnten Endverwerter nicht mehr die Nutznießer.

Das Thema „Filesharing“ wird IMHO ohnehin völlig unnötig aufgeblasen und als gern gesehener Sündenbock genutzt. Einen gewissen „Bodensatz“ wird an Raubkopierern wird es natürlich immer geben, den gab es aber auch schon vor den „digitalen Zeiten“. Mir kann niemand erzählen, dass die ganzen Video- und Audiokassetten in erster Linie gekauft wurden, um den Familienurlaub auf Sylt oder den eigenen Gesang zu vervielfältigen…..Nur jetzt kann man es halt (etwas besser) messen/ in Zahlen fassen.

Was mir aber auf der anderen Seite völlig fehlt, ist eine schlüssige Begründung, warum die „Verwertungskette“ (schönes Wort übrigens) gekürzt werden sollte. Auch die Piratenpartei hat dafür IMHO bislang keine schlüssige Begründung. Die Spezialisierung hat uns erst zu der entwickelten (und wohlhabenden) Menschheit gemacht, die wir sind. Ich habe vollstes Verständnis für z.B. jeden Sänger, der wunderbar singen kann, aber nicht in der Lage ist (oder dafür aufgebrachte Zeit mit Singen besser füllen könnte), daraus CDs zu produzieren und zu vermarkten. Klar ist nur, dass die über das reine Singen hinaus erfolgenden Schritte erstmal kosten, sei es in Form von Zeit (wie bei Amateuren) oder Geld (=erkaufte Zeit oder Kenntnisse/ Fähigkeiten). Das kann man IMHO nicht wegdiskutieren/leugnen. Einen wundervollen Sänger, der nicht produzieren/verlegen kann oder will, würden wir nicht zu hören bekommen, wenn die Verwertungskette prinzipiell ausgeschaltet bzw. nicht ausreichend bezahlt werden würde.

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JLloyd 19. Mai 2012 um 20:07

„Das Internet sorgt für mehr Künstler, mehr Musik und mehr Filme“ – Genau das ist das Problem der Medienkonzerne., denn aus ihrer Sicht müsste es heissen: „Das Internet sorgt für mehr Künstler, mehr Musik und mehr Filme außerhalb unserer Vertriebskanäle“

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Aerar 20. Mai 2012 um 1:40

Es steht nirgendwo geschrieben, dass Künstler von ihrer Kunst leben können müssen, nur wenn sie es nicht mehr können, muss man eben damit leben, dass die Kunst darunter leidet. Ich hatte versucht, das in dem Satz auszudrücken: „Werke, die anrühren sind in den meisten Fällen keine Massenware, sondern das Ergebnis von harter Arbeit.“

Ich glaube, dass die Folgen drastisch sein dürften und dass sich da viele falsche Vorstellungen vom Investions- und Arbeitsaufwand machen. Meiner Meinung nach gäbe es ohne, dass jemand dafür bezahlt folgendende Dinge nicht mehr (und man kann das gerne unterschiedlich schade finden): keine Hollywood-Blockbuster, so gut wie keine Filmproduktionen, keine ernstzunehmen Nachrichtenportale, so gut wie keine Romane, kaum allgemein bekannte populäre Musik, und und und….

Die Abschaffung eines Urheberrechts würde zudem meiner Meinung nach dazu führen, dass viele nichtkommezielle Künstler ihre Arbeit einstellen würden.

Arbeitsteilung und Verwerterketten sind prinzipiell sinnvoll, weil wie jemand schon schrieb, nicht jeder Künstler Technik und Vertrieb kann. Die Verwertungskosten sind dann aber Teil der Leistung des Werks und müssen mit bezahlt werden. Oder eben nicht, denn das schöne Mittel, ein subjektiv zu teures Produkt nicht zu kaufen steht (fast) immer frei. Nur dann muss man auch darauf verzichten können.

@lab: Mit deinem Beitrag kann ich nicht so recht einverstanden sein. Was meines Erachtens daran liegt, dass wir komplett unterschiedliche Bedeutungen den Begriffen zuordnen. Zum Thema „über Qualität reden“ siehe den ersten Absatz. Nicht von mir gemeint ist eine zentrale Qualitätskontrollinstanz, die natürlich Blödsinn wäre.

Wenn du von Künstlern redest, scheinst du diese in Profi-Künstler ala Lady Gaga und in Amateurkünstler einzuteilen und vergisst damit die ganzen Künstler dazwischen, die nicht notwendig in der Kategorie von Downloadportalen denken. Leider weiß ich nicht, was für dich ein Amateurkünstler ist, aber Sätze wie „können Amateure die gleiche Qualität liefern wie Profis“ meine ich mit dem ersten Absatz bereits widerlegt zu haben. Und damit meine ich nicht, dass nicht auch ein „Amateur“ einen guten Roman schreiben kann oder Profi-Künstler besser sind, weil sie Profis sind. Profis sind Profis, weil sie sich auf das was sie tun voll konzentrieren. Und darum sind sie meist besser als Amateure. Und wenn sie nicht besser sind, dann will man ihre Werke nicht. Und man muss sie auch nicht. Und daher finde ich in Ordnung, wenn irgendein Superstar sein Album für 30 Euro anbietet, obwohl die Produktionskosten in den letzten Jahren drastisch gesunken sind. Ich kaufe es dann einfach nicht, wenn es mir zu teuer ist. Und es ist auch, um das abschließend zu sagen, gut, dass die Produktionskosten gesunken sind und dass Kunst von viel mehr Menschen gemacht werden kann als früher. Und hier bin ich am Ende doch wieder bei dir: ich mag Amateurkunst, weil sie eben nicht so perfekt ist und man dadurch eine Wahrhaftigkeit spüren kann, die einem rundum geschliffenen Werk häufig fehlt. Ich würde auf Amateurkunst nimmer verzichten wollen.

Aber ich will auch nicht auf professionelle Künstler verzichten, denn ohne sie könnte ich jetzt nicht noch schnell ein paar Seiten „Game of Thrones“ lesen, denn ich habe leider noch keinen Amateur-Fantasyroman (erst recht nicht einen so umfangreichen) gelesen, der mich ansatzweise überzeugt hätte

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lab 20. Mai 2012 um 14:04

@Daniel
Ich meine nicht, dass die Verwertung gekürzt werden *muss* oder *sollte*. Ich meine, dass sich in den Bereichen Werbung und Vetrieb Kosten senken lassen beispielsweise durch Direktvertrieb über eine eigene Website oder Aktivität in sozialen Netzwerken (inkl. Youtube). Das muss man nicht machen und ist auch nicht für jeden etwas, aber es hilft, den eigenen Anteil am Verkaufspreis einer Ware zu vergrößern.

Ein Beispiel: Wenn ich ein von mir geschriebenes Buch über amazon verkaufe, ist mein Anteil am Erlös geringer, als wenn es direkt über die Website des Verlages verkauft wird. Wenn ich als Autor eine eigene gute Website über das Werk habe und darüber (als Partnerlink) über die Verlagsseite Käufer erziele, verdiene ich pro Buch gut doppelt so viel wie bei einem einfachen Verkauf über amazon.

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lab 20. Mai 2012 um 14:24

@Aerar
Es ist natürlich richtig, dass unterschiedliche Werkformen (drastisch) unterschiedlich hohe Investitionen erfordern.
Es sagt ja auch niemand, dass ohne irgendwelche Bezahlung Filme drehen kann und soll (Ausnahmen einmal abgesehen). Allerdings werden auch jetzt schon viele Filme gefördert und/oder bedienen sich anderer Finanzquellen (James-Bond-Filme sind soweit ich weiss schon vor Ausstrahlung durch Product Placement finanziert…).

Was Amateure betrifft, haben wir entweder unterschiedliche Vorstellungen von Qualität oder reden von verschiedenen Branchen. Erste einmal: für mich ist ein Amateur („Liebhaber“) jemand, der seine kreative Tätigkeit nicht (oder nicht im wesentlichen) zur Sicherung seines lebensnotwendigen Einkommens ausübt (oder ausüben will).
Insofern ist jemand entweder Amateur oder Profi (natürlich gibt es auch erfolglose Profis).
Im Bereich der Fotografie kann ich nicht erkennen, dass Amateure nicht die gleiche künstlerische Qualität erreichen wie Profis – und zwar nicht nur in Ausnahmefällen. Auch bei Musik ist das mMn. nicht zwingend so. Im Filmbereich schon eher, aber auch hier ist mir ein mit geringem Budget gedrehter origineller Film lieber als „Transformers 3“ und ähnlicher Hochglanz-Trash.
Ich definiere die Qualität eines Kunstwerkes in erster Linie über seine inhaltliche Bedeutung – nicht über die Technik. Und ich weiss als Science-Fiktion-Fan durchaus auch letztere zu schätzen.
Am Ende entscheidet immer der Konsument, was sich durchsetzt (was auch immer man davon halten mag). Ich bin auch dafür, dass Kreative die Zeit haben, sich lange und in Ruhe ihrem Werk zu widmen. Ich bin allerdings der Meinung, nicht die Filesharer nehmen ihnen diese Ruhe, sondern schlicht die Konkurrenz der anderen Kreativen (und zwar sind das Amateure und Profis – aber erst jetzt kommen die Amateure zu Vertriebskanälen direkt zum Kunden). Chris Anderson hat in seinem Buch „Free“ ein prägnantes Beispiel aus seiner Familie dargestellt: vor die Wahl gestellt, entweder die technisch perfekte Originalversion von Star Wars zu sehen oder auf Youtube „Lego Starwars“-Filme von Amateuren, haben sich seine Kinder für letzteres entschieden. Hier liegen die Probleme für Profi-Kreative…

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peer 20. Mai 2012 um 18:41

Beobachtung: Wenn eine Mehrheit (Nutzer) von einer Mindehreit (Künstler) verlangt, dass die Minderheit, der Mehrheit ihre Produkte schenken sollen, riecht das nach Ausbeutung.
Oder wo ist der Unterschied?

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Thomas Knüwer 20. Mai 2012 um 19:49

Sie machen einen beliebten Fehler. Die Menschen zahlen für Inhalte im Internet – fragen Sie mal bei Apple. Oder Amazon. Oder Netflix. Was aber fehlt sind leicht handhabbare Angebote, die gleichzeitig den Verbraucherschutz respektieren. Derzeit sind die Käufer digitaler Inhalte gegenüber den Käufern analoger Inhalte massiv schlechter gestellt. Wer glaubt, das sie das nicht merken, hält sie für dumm. Und ganz nebenbei: Dies ist auch umweltschädlich.

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cb 21. Mai 2012 um 13:44

Prof. Felix Oberholzer-Gee hat auch mal einen spannenden Vortrag gehalten “It Is Time to Rethink Copyright”. Etwas länger, aber durchaus hörenswert: http://www.radio-ohr.fm/musikwirtschaftsdialoge/audio/vmbrd/vbd%202010_oberholzer-gee.mp3

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Aerar 21. Mai 2012 um 15:39

@jab: Dann sehen wir die Begriffe Profi und Amateur doch ähnlich. Aber auch viele Amateure legen Wert auf das Recht an ihrem Werk und wollen es nicht gegen ihren Willen kopiert sehen. Zudem ist der Übergang zwischen beiden Gruppen natürlich fließend. Dabei ist Filesharing vermutlich tatsächlich für „kleine“ Künstler – egal ob Profi oder Amateur – in der Praxis ein kleineres Problem, weil sie dort derzeit u.U. nicht einmal zu finden sind. Dies könnte sich evtl. aber ändern, wenn sich die Praxis verbreitet. Und natürlich gibt es ja auch diverse andere Wege des Kopierens, etwa in Text oder Bildform.

Bei einigen professionellen Werken habe ich auch manchmal den Eindruck, dass sie keine besondere Kunst erfordern und beinahe jeder sie hätte erstellen können. Aber das ist dann Geschmackssache oder ich bin dann einfach nur zu blöd, die Kunst zu erkennen. Es geht ja nur darum, dass ich versuche, das für mich beste zu finden. Oder eben das für mich beste kostenlose. Nur, wenn man das kommerzielle besser findet und haben will, dann muss man es bezahlen oder eben mit dem zweitbesten vorlieb nehmen.

Dabei finde ich außerdem wichtig, was ich in meinem letzten Blogartikel geschrieben habe: wenn es gute kostenlose oder zumindest alternative Texte, Musik, Bilder, Software oder was immer gibt, dann sollte man das fördern und dafür (im Bekanntenkreis) Werbung machen. Denn illegal kopieren ändert nichts an der Marktmarkt der Großen im Vergleich dazu Alternativen zu schaffen und zu fördern.

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vogelschiss 22. Mai 2012 um 14:18

@Raventhird: „Wenigstens ich aber bin froh, dass wir noch nicht bei so einer technokratisch-ökonomischen Kunstdefinition angekommen sind, dass Kultur noch aus diesem Wettbewerbsdings ein bisschen rausfällt, alles andere wäre gruselig. Und dafür sorgen – überraschenderweise – auch die bösen Verlage, denn meines Wissens sind es die “Hits”, die bei den “Verwertern” für die Einnahmen sorgen, die wiederum die Experimente querfinanzieren. Eine Charlotte Roche finanziert zehn andere Autoren quer. Genau deswegen brauchen wir die böse “Content-Mafia” und genau die könnte ohne das Urheberrecht in der Form nicht weitermachen.“

Wow, Du hast offensichtlich wirklich überhaupt keine Ahnung, was dieser ökonomische Wettbewerb eigentlich so ist. Genau das Gegenteil ist nämlich richtig. Kaum ein Markt ist so stark umkämpft, so sehr im Wettbewerb wie der Kunstmarkt. Deswegen können auch so wenige Leute damit ein gutes Geschäft machen, weil es zig andere Menschen gibt, die ähnliches anbieten und der Konsument die ganz große Auswahl hat.

Jeder böse Kapitalist-Investor macht genau das, was Du hier beschreibst. Er nimmt seine 25% Eigenkapitalrendite von der Deutschen Bank und investiert sie in andere Bereiche, in der Hoffnung, dass sie auch Geld abwerfen. Im Durchschnitt sollte dann eine vernünftige Rendite heraus kommen, sonst lohnt sich der Aufwand nicht. Es gibt aber auch nicht im Geringsten irgendwelche Anzeichen dafür, dass solche Starmusiker, -autoren oder -sonstwas wie „Charlotte Roche“ heute weniger Geld abwerfen. Eher das Gegenteil ist richtig. Weil die Netzwerkeffekte durch das Internet größer geworden sind, werden die Stars noch reicher als vorher. Es wird daher auch zukünftig noch genügend Geld zum Querfinanzieren vorhanden sein.

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