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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jede Woche, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Gestern sprach der geschätzte Gunter Dueck beim iico-Kongress in Berlin. Eine seiner Thesen ist: Eigentlich haben wir noch gar kein Internet – denn viele, wichtige Funktionen sind überhaupt noch nicht zu haben, darunter brauchbare Bezahlsysteme.

Tatsächlich darf man sich wundern über den Stillstand in diesem Punkt. Dabei versuchten sich über die Jahre zahlreiche, bestens finanzierte Riesen daran – zum Beispiel die Telekom. Doch noch immer ist es eine große Anstrengung, dieses Bezahlen im Online-Raum. Vor 10 Jahren war das nicht anders, die die Titelgeschichte der Netzwert-Ausgabe vom 29.4.2002 dokumentiert. Da gab es Anbieter wie Net 900, für die sich Kunden erst eine Software runterladen mussten. Noch recht frisch war damals Paybox, ein Mobile-Payment-Anbieter, der zumindest noch in Österreich existiert – den Durchbruch in die Kundenmasse aber ebenfalls nie geschafft hat.

Das grundsätzliche Problem benannte damals schon Rainer Wiedmann, der Präsident des Mulitmedia-Verbandes: „Bislang entwickelt in Deutschland jeder seinen eigenen Standard.“ Daran hat sich bis heute wenig geändert. Noch immer versuchen die Anbieter ihre eigenen Probleme zu denen der Kunden zu machen. Wer das erleben will, der versuche mal ein digitales Abo beim „Hamburger Abendblatt“ zu erwerben und dabei den Anbieter Clickandbuy zu nutzen: So viele Restriktionen sind enthalten, so viele Abo-Werbungen und schließlich vertraut der Verbraucher seine Daten einem Unternehmen an, das als „International Limited“ in London gemeldet ist – eine Rechtsform, die deutschen Bankberatern bei der Kreditvergabe kalte Schauer über den Rücken jagt.

Ganz anders als 2002 sieht die Situation dagegen bei digitale Wahlurnen aus. Vor 10 Jahren galten sie als die Zukunft: Frankreich erprobte sie und die Verantwortlichen waren begeistert. Schon nach 1,4 Minuten seien 214 Stimmzettel ausgezählt gewesen, vor allem Senioren hätten das System toll gefunden. Identifiziert wurden die Wähler über einen biometrischen Wählerpass, was angeblich in Frankreich nicht auf Ablehnung stoße. Tja, und als Deutschland dann auch darüber nachdachte, zeigte der Chaos Computer Club wie leicht sich die Wahlcomputer manipulieren ließen – nun ist Ruhe an dieser Front.

Verändert hat sich die Hochschullandschaft in den vergangenen 10 Jahren – womit wir wieder bei Gunter Duecks Vortrag wären. Ich stimme ihm zu: Aus einer Bildung wurde eine Bacholorisierung und Vercreditpointung. Sein Eindruck: Studenten lernen heute nur noch auf das nächste Prüfungsziel hin, Denkstrukturen und ein weites Begreifen eines Fachgebiets bleiben dabei auf der Strecke.

Im Jahr 2002 demonstrierten eine Reihe Universitäten ihre Wendigkeit durch das flotte Einrichten von E-Business-Lehrstühlen im Informatikbereich und Gründungs-Studiengängen in der BWL. Diese übernahmen dann häufig junge Wissenschaftler wie Tobias Kollmann. Der war gerade 30 als er in der „Zeit“ eine Stellenanzeige las: die Besetzung einer C4-Professur für einen E-Business-Lehrstuhl an der Uni Duisburg.

Im Gespräch mit Netzwert setzte er damals hohe Ziele. Duisburg solle „das St. Gallen des Nordens“ werden, „eine Elite-Schmiede – nur eben für den Mulitmediabereich.“ Wer seinen Studiengang belegen wollte, musste damals entweder ein Stipendium ergattern oder zahlen: 8.000 Euro für 12 Monate. Grund: Der Lehrstuhl wurde von der Uni ausgegliedert in eine eigene GmbH, gegründet von einer Förderstiftung, die Unternehmen unterstützten. Deshalb auch war die Professur selbst auf fünf Jahre beschränkt. Doch die wurden anscheinend verlängert, Kollmann ist noch immer im Amt.


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