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Zu den Vorträgen, die mich noch Tage nach der re-publica 2012 grüben lassen, gehört sicher der Auftritt von EU-Digital-Kommissarin Neelie Kroes. Warum? Weil ich immer noch nicht einordnen kann, ob dies ein hoffnungsvoller Anfang war – oder der Versuch, die Zuhörer über den Tisch zu ziehen.

Definitiv war ihr Auftritt erheblich begriffssicherer als all das, was in diesen Tagen von deutschen Politikern jedweder Couleur kommt, ihre offene Ablehnung von Acta traf ins Herz der Re-Publicaner. Und natürlich machen unerwartet politisch unkorrekte Witze die Niederländerin ebenso sympathischer wie der mehrmalige Aufruf, ihr Hinweise zu geben, was im Netz los ist: „Give me food for thought“ – das würde ich gern auch mal von heimischen Volksvertretern hören.

Allein: Sollen wir ihr glauben? Denn da ist noch die andere Seite. Das zu häufige Betonen der eigenen Ruppigkeit war einen Tick zu sehr Positionierung als Rambo im Auftrag der Netz-Freiheit. Oder die Sache mit der Netzneutralität: Die sei wichtig, sagte Kroes. Auf Nachfrage, was sie aber unter diesem Begriff versteht, wurde es problematisch: „Der freie Zugang zum Internet unter Anerkennung der Tatsache, dass Bandbreiten begrenzt sind.“ Was zwischen den Zeilen wohl heißt: Wenn ein Zugangsanbieter dann Geld für eine schnellere Durchleitung von Daten verlangt, ist das akzeptabel. Die Kunden, glaubt Kroes, würden dann zu dem Anbieter wechseln, der den aus ihrer Sicht besten Service bietet. Diese Laissez-faire-Haltung aber funktioniert nur auf transparenten, funktionierenden Märkten. Doch das Feld der Online-Zugänge ist einerseits intransparent, andererseits ein Oligopol.

Noch radikaler denkt Kroes gar in Sachen Verwertungsgesellschaften wie der Gema: Die seien überkommen: „Es geht ihnen nicht darum, die Künstler zu schützen. Dieses System ergibt keinen Sinn mehr.“ Und: „Copyright muss ausgefüllt werden – aber nicht mit Technologien, die 10 Jahre alt sind.“ Das würden vielleicht nicht einmal die Piraten so deutlich sagen.

Diesen Zwiespalt in Sachen Neelie Kroes empfindet anscheinend auch Markus Beckedahl von der Digitalen Gesellschaft, wie im Interview mit der „Berliner Zeitung“ zu spüren ist. Einerseits könnte da ein Politikerin sein, die innovationsoffen ist, die sich kundig machen will, die eine kompetente Ansprechpartnerin ist. Andererseits könnte es aber auch sein, dass sie nur eine höchst geschickte Selbstverkäuferin ist, die ahnt mit welchen Floskeln aktive Netzmenschen zu schanghaien sind.

Den gesamten Vortrag gibt es hier zum Mitkommentieren.


Kommentare


teekay 7. Mai 2012 um 20:50

Sie entscheidet ja vorallem nicht alleine und in einem luftleeren Raum. Sich im komplexen EU-Institutionengeflecht auf eine Person zu verlassen halte ich fuer schwierig. Was sie heute oeffentlich sagt, wird dann morgen hinter verschlossenen Tueren verklausliert anders formuliert. Sie hat ja auch nicht den politischen Druck den andere Politiker spueren koennen, wenn dann Abwahl oder Ruecktritt gefordert werden. Ich vertaue dem EU-System nicht und Kroes ist ein Teil dieses Systems-wenn die Kommission anders denkt, war das am Ende einfach nur eine Sonntagsrede.

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Markt-Mechanismen 9. Mai 2012 um 1:00

teekay beschreibt etwas, das auf Staats-, Bundeslandes-, Landkreis-, Gemeinde-, Stadtteil-Ebene aber ebenso der Fall ist. Der eine ist für etwas, aber „leider“ verhindert der Koalitions-Partner oder sonstwer es „leider“.

Die Niederlande haben gerade eben wohl Netzneutralität beschlossen. Interessant wäre eine sinnvollere Diskussion als immer so zu tun als ob einem die Butter vom Brot genommen wird.

Neelie Kroes beschreibt die Probleme im Gegensatz zur „Netzgemeinde“ und deren Diskussionen nämlich korrekt: Es geht „nur“ um das Handling bei limitierter Bandbreite
– KEINER fordert, das bei genug Bandbreite alle gleich behandelt werden müssen. Darum geht es nämlich „nicht“. Sondern um limitierte Bandbreite z.b. auf der Cebit oder wenn jeder mit seinem Ipad auf die Ifa oder Spielwaren–Fachbesucher-Messe kommt und fette Webseiten oder Kataloge oder Produkt-Videos herunterladen soll.
– Soll man erlauben das jemand alle Coladosen (oder neulich Zucker-Pakete) aufkauft und mit 20 Einkaufswagen in der Schlange steht ? Soll man erlauben, das man sich mit bis zu 5 Teilen immer vordrängeln darf ? Muss man vorschreiben das jemand der mehr als 20 Teile hat bis zu zwei Leute mit 5 oder weniger Teilen vorlassen muss ? Es geht nicht nur darum, ob jemand bevorzugt wird, sondern ob man z.b. trotzdem eine Mindest-Bandbreite hat um z.b. Emails zu checken oder Web zu lesen während die Leute mit Adels-Tarifen priorisiert werden. Diese Bandbreite muss am Bahnhof oder Messegelände mit 100(Mittlerer Bahnhof)-100.000 (Demos, Sylvester Brandenburger Tor, Love-Parade…) Teilnehmern pro Netz-Anbieter natürlich niedriger sein als in der Wallachei wo 1 Boni-Manager mit Luxus-Tarif und 5 Normalos die Bandbreite teilen.
– Wenn 90% aller Webseiten mit 123 Kilobyte auskommen. Warum soll man dann nicht erlauben das wer über http mehr als z.b. 200 Kbyte zieht, niedriger priorisiert wird. Wer nicht überholt muss ja auch auf der rechten Spur fahren. Wer schlank und schnell surft oder fährt, darf auf die Überholspur. Wer fette Downloads macht oder Schwertransporte die zwei Fahrspuren belegen müssen nachts fahren oder werden niedriger priorisiert damit anständige Leute ungestört zur Arbeit fahren oder Emails oder Tweets abholen können.
– Krankenwagen haben Priorisierung im Straßenverkehr. Soll VoiP auch priorisiert werden ? Soll nur 1 Connection pro Netz-Anschluss priorisierbar sein ? D.h. wenn Fußballspiel per Internet läuft oder mit der Familie am Bahnhof oder im Zug tethering macht, kann man einen zweiten Skype-Call „vergessen“ weil der dann nur normal priorisiert wird wo die Bandbreite beschränkt werden muss ?
– Märkte müssen die entscheidungsrelevanten (für den Kauf, Verkauf, Miete, Konditionen,…) Daten liefern. Wo das nicht der Fall ist, ist es kein Markt sondern Darkroom oder Labyrinth oder Falle oder Falltür. 24-Monats-Verträge beispielsweise. Wenn ich die Komission wäre, hätten 24-Monats-Verträge Bestpreisgarantie. D.h. wenn heute jemand die 24 Monate mit mehr Bandbreite, mehr Tape-Flat-Größe oder 100 SMS mehr bekommt als ich der 24*xx Euro unterschrieben hat, dann kriege ich dasselbe oder zahle weniger. Das wäre gerecht für „virtuelle“ Dienst-Leistungen die mMonatsweise erbracht werden. Die LTE- und weiteren Netz-Investitionen werden stattdessen zum Nachteil für Kleinaktionäre und Steuerzahler langsamer zurückgezahlt weil die Leute Angst, haben, sich mit einem überteuerten 24-Monats-Vertrag zu binden wenn der Konkurrent morgen die doppelte Leistung zum halben Preis bietet oder T-Entertain plötzlich nur noch die Hälfte kostet aber man selber den alten (doppelt so teuren) Preis bezahlen soll.
– Keiner fordert, das man wenn es einen +10-Euro und 1.Klasse-Tarif gibt, warum die Provider dann nicht einen -10-Euro und 3.te-Klasse-Tarif anbieten MÜSSEN. Wenn es für 10 Euro mehr 1te-Klasse im Flugzeug oder Eisenbahn gibt wieso gibts nicht für denselben Preis weniger eine dritte Klasse ? Dann müsste man draussen bleiben aber ! würde in Reihenfolge den erstbesten Zug in diese Richtung nehmen dürfen wo keine 1te/2te-Klasse-Passagiere einsteigen wollen (Handy-Tickets machts möglich und der Schaffner kanns kontrollieren). Dasselbe dürfte man für Adels-Tarife fordern. In der Großsstadt wird kaum wer einen 3te-Klasse-Tarif buchen. Aber auf dem Lande ausserhalb 16-19 Uhr wäre das Netz dann ausgelastetet. Der Kleinaktionär will das vielleicht zur schnelleren Rückzahlung der Investitionsmilliarden.
– Wenn es einen Adels-Tarif gibt, wieso wird das Geld dann nicht ohne Abzüge an die Opfer ausgezahlt ? D.h. an diejenigen, deren Datenpakete langsamer behandelt wurden ? Schliesslich hat der Provider dort nicht genügend ausgebaut!!! und muss auf öffentlichen Web-Karten und (roten, grünen, gelben) Aushängen an den grauen Kästen geoutet werden damit die Kunden gewarnt sind und im Vorbeifahren mitkriegen wo man besser kein T-Online bucht. Interessant ist nur noch, welche sinnvollen Regeln es dafür gibt.
– Wieso fordert keiner, das man per http : // provider o.ä. URLs seine Tarif-Infos und Bandbreiten-Statistiken usw. sehen kann.
– Wieso fordert keiner, das man Tapeflats in 2-Euro-Stücken nachkaufen darf. D.h. wenn man 500 SMS oder 500 MByte für 5 Euro kriegt, darf man bei überschreitung für 2 Euro 200 SMS bzw. 200 Mbyte nachkaufen so oft man will. Was übrig ist, verfällt nicht sondern steht im nächsten Monat zur Verfügung. http : // provider o.ä. würde es möglich machen. Stattdessen Apps die auf vielen Handies nicht laufen. Oder Hotlines oder verhasste Systeme die man anruft um seine Tapeflat um 200 weitere MB aufzuladen…. . Und weil das genau so kompliziert ist wie Bahnkartenautomaten macht es dann keiner selbst wenn die Kommission es vorgibt.
– Darf man Reservierungs-Algorithmen erlauben ? D.h. netflix usw. reservieren immer für 1 Minute Bandbreite. Danach wird neu verhandelt. wenn das Fußballspiel aus ist, kann man die Schnulze mit doppelt so viel Bitrate schauen. Wenn alle am Emails-Checken sind oder das Fußballspiel beginnt und alle am Ipad schauen wollen, sendet Netflix, MyVideo, Hulu usw. halt weniger bitrate. Das handeln die router mit diesen Anbietern KURZFRISTIG immer für 1 Minute aus.
– Warum müssen Provider keine Broadcasts etablieren. Selbst wenn jemand nur DSL786 bezahlt und gebucht hat, bekämen alle in der Straße das Spiel dann z.B. per DSL10.000 und zwar nicht jeder einzeln (Unicast) sondern Broadcast an alle um gigantischen Doppel-Traffic in der Straße einzusparen. Das man WiFi in die grauen Kästen einbaut um das GSM/UMTS/LTE-Netz zu entlasten sollte klar sein. Wenn alle Mitfahrzentralen per Android nutzen würden, wären die Straßen auch nur noch halb so voll weil man das Auto „irgendwo“ stehen lassen kann und dann mitfährt bzw. Leute mitnimmt. Dasselbe gilt für Netzwerk-Inhalte. Und die Netze wären besser nutzbar…. . Das ist anscheinend nicht gefragt. Lieber UMTS-Tape-Flats verkaufen 🙁
– Viele Dinge kann man puffern. im notfall muss Skype oder hangouts dann das Video mit weniger fps oder weniger Bandbreite ausstrahlen aber der Ton hat „natürlich“ Priorität (Hybrid-Beispiel). Wie also verrechnet man das mit den Rechten anderer Leute auf demselben shared Medium (UMTS-Antenne, DSL-Grauer-Kasten). Darf man einen Hummer kaufen der 1,5 Straßenspuren belegt ? Darf man mit 2 LKW auf der 2*2-Spurigen Autobahn nebeneinander fahren ? usw.
Solche Diskussionen finden nirgendwo statt.

Ein konstruktives und demokratisches Vorschlagssystem für Neelie Kroes wäre schnell programmiert. Wegen Kommafehlern im Impressum oder mehr als 500 Teilnehmern oder was auch immer wäre es möglicherweise noch schneller abgemahnt oder müsste bis zum Verfassungsgericht klagen… . Sonst gäbe es das längst.

Sie ist auch korrekter als die „Internetgemeinden“-Diskussion bezüglich der Verwertungsgesellschaften. 1999 unter rot-grün und AOl hätte man definieren müssen, das alle neuen TV-Serien per Internet lizensiert werden müssen und Exklusivität zeitlich begrenzen z.B. auf maximal 4 Monate. Rot-Grün hätte digitalen Besitz und den Weiterverkauf definieren müssen.
Stattdessen haben wir überall 2-4 LTE- und UMTS-Netze. wieso haben wir keine 2-4 Straßen- bzw. Autobahn-Netze und was wäre wohl preiswerter fürs Volk… .

Wo Märkte nicht funktionieren müsste die Kommission öffentlich feststellen und die Marktfehler beseitigen. Wer von Fehlverhalten Vorteile hat, wird dieses nicht von sich aus abstellen.
Spieltheorie interessiert leider kaum jemanden. Sonst wäre vieles besser. :-/

Wegen konstruktiver, hatefreier, demokratischer Diskussions-Systemen: Wenn Liquid so gut wäre, würden es alle Fußballvereine längst benutzen. Es erinnert mich eher daran wenn Lehrer Software produziert hätten: Umständlich und bürokratischer als nötig anstelle als schlank, schnell und agil. Und das jeder steuerzahlende Bürger mitmachen kann, geht glaube ich auch nicht. „Du bist (system)relevant“ lautet doch die Eigenwerbung ? Auch bei Liquid ? Ach nee. Doch nicht. Oder doch nicht so ganz.

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