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Ach, wie heftig sie wettern gegen die Gratiskultur im Internet. Ohne jeden journalistischen Anspruch wollen sie ihren Lesern glauben machen, das böse, böse Internet stehle ihre Inhalte.

Wer solch Keuschheit einfordert bei anderen, der sollte selbst dann aber auch nonnengleich durch die Welt schweben. Und deshalb ist es doch bemerkenswert, dass ausgerechnet diese beiden Häuser durch Ignoranz gegenüber Urhebern auffällig werden. Bei Axel Springer ist dies ja schon länger bekannt, wir erinnern uns an weiträumiges Abdrucken eines Interviews der „Zeit“ und die vor Gericht dann teure Raubkopie eines Interviews aus „Lettre“. Beim „Handelsblatt“ dagegen wurden bereits zwei Mitarbeiter wegen Abschreibens gefeuert.

Heute nun liefern diese beiden Verlage die nächsten Beispiele für komplette Ignoranz gegenüber Urhebern. Die Online-Angebote von „Bild“ und „Handelsblatt“ verwendeten beide ein satirisches Wahlplakalt des „taz“-Kollegen Pascal Beucker. Dies merkt er auf Facebook auch an, hier für Bild.de und hier für Handelsblatt.com. Das Motiv ist bei beiden Angeboten Teil von Klickstrecken (hier Bild.de, hier Handelsblatt.com) geworden in denen mehrere Motive auftauchen, die jenes Currywurst-Plakat der SPD weiterdrehen – und bei praktisch allen Motiven sind Quellen bestenfalls rudimentär zu finden. Man darf da von Serien-Piraterie sprechen.

Bemerkenswert ist auch: Die Meldung über den Inhalteklau tauchte heute morgen bei Turi2 auf. Somit ist davon auszugehen, dass die Verantwortlichen davon gehört haben müssten. Offensichtlich aber nehmen Sie das Motiv nicht runter, entschuldigen sich nicht. Auch dies ist eine Form der Respektlosigkeit gegenüber den Urhebern.

Wenn also das nächste Mal das „Handelsblatt“ oder „Bild“, Christoph Keese oder Gabor Steingart ihr jammerndes Klagelied auf angebliche Raubkopien anstimmen im Betteln um die staatliche Subvention namens „Leistungsschutzrecht“ – dann dürfen wir sie fragen, ob sie Wasser predigen und Schampus saufen.

Nachtrag vom 24.4.: Und so ging die Sache dann weiter…

„Am Montagmittag meldete sich das Handelsblatt zerknirscht bei mir und entschuldigte sich vielmals, „dass wir das Bild ohne Ihr Einverständnis verwendet haben“. Das sei ein grober Fehler gewesen. „Ich hatte nur einen Link auf das Bild zur Verfügung, anhand dessen für mich nicht nachvollziehbar war, wer der Urheber ist“, erklärte der zuständige Online-Redakteur seinen Fauxpas. „Wir haben aus der Sache gelernt: Künftig lassen wir von solchen uneindeutigen Quellen die Finger.“ Im konkreten Fall bat er um eine gütliche Einigung. Und wir haben uns gütlich geeinigt.

Aber was machen die Raubkopierer von Bild.de? … Um die Peinlichkeit zu vertuschen, wurde ihre Bilderstrecke unter der Überschrift „Wahlplakate der SPD: Spaßvögel verwursten Krafts Curry-Plakat“ einfach klammheimlich gelöscht…

Na ja, dann werde ich den Damen und Herren wohl ganz offiziell ihre Urheberrechtsverletzung mitteilen müssen, inklusive der dazugehörigen Rechnung. Schließlich habe ich ja einen Screenshot der Seite gemacht. Und wenn das auch nicht hilft, geht’s halt doch noch zum Anwalt.“


Kommentare


Linksammlung Urheberrecht 23. April 2012 um 10:51

[…] “Urheberrechtsverletzungen bei Handelsblatt.com und Bild.de” (23.4.2012, Thomas Knüwer, Indiskretion Ehrensache) […]

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walfischbucht 23. April 2012 um 11:41

Ein handhabbares, verständliches Urheberherrecht wäre in der Tat weiterhin ein interessantes Ziel.

Bei der eBook-Vermarktung sieht es mit den Verstößen wider eigene lautstark vertretene Standpunke auch nicht wesentlich anders aus. So hat z.B. buch.de, mit denen ich schon im Dezember 2010 deswegen mal hinweisenden Kontakt hatte, weiter auch ganz offensichtlich nicht lizensierte eBooks im Programm. Ich habe grade mal wieder kurz nachgesehen und auf Anhieb einen nicht lizensierten Stefan Zweig (gemeinfrei ab 2013) gefunden:

http://www.buch.de/shop/e-books-start/suchartikel/brennendes_geheimnis_erzaehlung/stefan_zweig/ID25067458.html?jumpId=117760

Wenn das das LG Hamburg wüsste … (vgl. GEMA ./. Youtube und Filterungsproblem).

Aber dass der S. Fischer-Verlag sich in grundsätzlicher Verteidigung lizenzrechtlicher Prinzipien mit einer Abmahnung/Verfügung gegen die buch.de internetstores AG und thalia.de wendet, ist wohl eher unwahrscheinlich …

Zum ganzen Problem (der Ansatz dafür war ursprünglich eine engl. Arsene Lupin-Übersetzung) vergleiche auch mein Blogposting hier:

http://walfischbucht.wordpress.com/2010/12/06/wasser-predigen-und-selbst-nicht-aufpassen/

Gruß

A. Buck

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Daniel 23. April 2012 um 11:50

Der Link „und hier für Handelsblatt.com“ ist falsch.

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Thomas Knüwer 23. April 2012 um 12:25

Danke für den Hinweis – ist korrigiert!

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Außer Kontrolle: Die Macht ist nicht mehr mit Dir – Anregungen? | Ich sag mal 23. April 2012 um 15:06

[…] Lustig im übrigen die von Thomas Knüwer beschriebenen Urheberrechtsverletzungen bei Handelsblatt.c… […]

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Nachtwächter-Blah » Das ist aber auch immer schlimm, so diese ganzen… 23. April 2012 um 16:21

[…] ist aber auch immer schlimm, so diese ganzen Urheberrechtsverletzungen im Internet… Bild, Fail, Handelsblatt, Indiskretion Ehrensache, Link, […]

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Warnhinweise bei Urheberrechtsbruch auch für Verlage? | der presseschauer 23. April 2012 um 20:58

[…] anführen, was aber nicht bedeutet, dass dort kein Urheberrechtsbruch stattfindet. Im Gegenteil: es ist Usus, es gehört zum Geschäftsmodell. Doch genau der Aufgabe, die vom Grundgesetz her als schützenwert […]

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Aufgespießt … Nr. 29/2012 | Post von Horn 24. April 2012 um 0:02

[…] Kolbrück (Carta) legt dar, warum es in der Urheberrechtsdebatte keine Einigung geben könne. Und Thomas Knüwer (Indisdretion Ehrensache) wirft den Vorkämpfern gegen die Gratiskultur im Netz, dem Handelsblatt und der Bild, vor, selbst […]

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Aktuelles 24. April 2012 24. April 2012 um 6:02

[…] Urheberrechtsverletzungen bei Handelsblatt.com und Bild.de "Wenn also das nächste Mal das “Handelsblatt” oder “Bild”, Christoph Keese oder Gabor Steingart ihr jammerndes Klagelied auf angebliche Raubkopien anstimmen im Betteln um die staatliche Subvention namens “Leistungsschutzrecht” – dann dürfen wir sie fragen, ob sie Wasser predigen und Schampus saufen." […]

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zeugs am dienstag « blubberfisch 24. April 2012 um 10:20

[…] die wirrungen des urheberrechts. ach, benjamin (zeit) und urheberrechtsverletzungen bei handelsblatt.com und bild.de (indiskretion […]

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_Flin_ 24. April 2012 um 11:52

Israel, Tiberias – Bei einer nicht genehmigten Demonstration wurde heute nahe der Stadt Tiberias ein Mann verhaftet, weil er massenhafte Raubkopien von Lebensmitteln anfertigte und verteilte. Der etwa 30 jährige J. v. N. zeigte sich uneinsichtig und behauptete, die Lebensmittel stammten von seinem Vater. Wegen Verstoß gegen das Urheberrecht in 5000 Fällen erwartet erwartet den Verdächtigen nun eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren.

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No System 25. April 2012 um 17:31

Wegen der Fische: 3D-Drucken kann man deshalb auch vergessen. Wenn die das Format von Fischstäbchen haben sind die dann gebrauchsmustergeschützt oder so…
Vor 40 Jahren oder so urteilte das Verfassungsgericht das die Musikindustrie KEINE Liste aller Tonband-Geräte-Inhaber bekommt. vor 10 Jahren (geschätzt) urteilte das Verfassungsgericht das die Musikundustrie KEINE Liste aller CD-Brenner-Besitzer bekommt…

Speziell bei Bildern wäre es einfach, Wasserzeichen zu etablieren und die Gelder automatisch von der Finanzpolizei eintreiben zu lassen wenn man den unbezahlenden Nutzer auf einem Zoll-Webserver verpetzt damit der arme Künstler sein Geld kriegt und Sozialabgaben zahlt weil er uns vielleicht später noch mal auf der Tasche liegen wird. Ohne 1600 Euro für Anwälte also nur 2*7,50 Euro für den Nachkauf beim Bilderdienstleister oder was so üblich ist. Leider sind digiges, Piraten, google usw. nicht interessiert.

Der beste Weg gegen Contentschützer ist der Aufbau von Alternativen. Kickstarter ist so ein Erfolgsmodell. Constanze Kurz hatte neulich in etwa die alte Idee von NeoNewsDienst wiederholt: Alternativen im Ausland welche News liefern und eher den Broadcast (z.b. aller Vereinsmeldungen aller dritten Unterliga-Fußball-Vereine) als die unbedingte Vermarktung im Sinne haben und somit für viele Deutsche DER kostenlose News-Dienst werden wo es (bayes-lern-basiert) die News individuell nach oben sortiert gibt welche man am liebsten liest. Danach kommt, was Freunde oder Influencer interessiert (Vote-funktion ++,+,~,-,–, Lesedauer, Aufmerksamkeitsmessung) usw. . Flipboard und GoogleCurrents sind zwar ganz nett aber irgendwie noch viel zu halbgar.

Das jeder für sich Steuern und Geldflüsse repräsentiert und seine Aufmerksamkeit sie steuert, interessiert die meisten leider nicht. Die Diskussion ist wie Kommunismus und Enteignung statt einfach den Leuten zum Buchwert den Content (z.b. das WDR-Archiv) preisgünstig (Buchwerte werden gerne niedrig angesetzt um Steuern zu sparen) abzukaufen und den Markt mit Kostenlos-Content zu fluten. Sowas wäre schnell finanziert und sogar kaufkraftneutral realisierbar weil man ja werbefinanzierte Geldrückflüsse hat. Und das System schmölze weg wie Eis in der Sonne… . Wenn ich Schulbuchminister wäre, würde ich das machen. Wer nicht verkaufen will, kann ja dann sehen wo er bleibt wenn jeder kostenlose Crowdbasiert fortentwickelte Schulbücher im Rucksack oder Smartphone hat. So kann man Probleme kapitalistisch Regeln statt zu warten bis man mal gewählt ist.
Stattdessen „diskutiert“ man mit „denen“. Die hören aber nicht zu so das man nur seine wertvolle Lebenszeit verschwendet anstatt schlau zu sein und dem Gegner das Wasser abzugraben und alternative Contentvermarktungen zu fördern. Wenn die Rezession kommt jammern die Printverlage dann nach Steuersubventionen. Sowas müsste und könnte man heute schon verhindern. Springer hat 50% Digitaleinnahmen. Verlagen die nicht ansatzweise daran kommen würde ich persönlich keine Kredite mehr geben weil die den Turnover (aufs IPad) im Gegensatz zu vielen US-Rentnern wohl nicht mehr schaffen werden. Denn Ipad-Rentner lesen gerne. Auch Lokalnews.

Wer Macht misbraucht, kann sie auch nicht kontrollieren. Wer 1600 Euro Abmahngebühren pro Fall von kleinen Bloggern oder Neubuch-Anbietern bei Amazon will, aber sich nicht an Abgeordnete, Verlage, Amazon dran traut, zeigt das hohe Niveau des Rechtsstaates… .

Die neuen Parteien sind leider auch nicht besser. Rot-Grün hat es ja schon mal bewiesen. Und nach Machtwechseln in Frankreich, London, Ägypten, Afghanistan, Irak,… usw. ist auch nichts relevantes passiert.

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PR-Beiträge 17/2012: Urheberrecht & Verletzungen | kommunikationsABC.de 27. April 2012 um 9:30

[…] Urheberrechtsverletzungen bei Handelsblatt.com und Bild.de […]

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(m)eine bestandsaufnahme. | Alles.Nichts.Und. 5. Mai 2012 um 14:16

[…] gehört mir”-Kampagne im Handelsblatt (schön analysiert von Markus Beckedahl und mit einer köstlichen Anekdote hinterlegt von Thomas Knüwer), deren Antwort nicht lange auf sich warten ließ. Nach diesem […]

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DPA raubkopiert Inhalte von Gruner + Jahr – und andere Verlage zahlen dafür 19. Juli 2012 um 14:37

[…] kürzlich erst am Beispiel einer Fußball-Satire erleben durften (und wie wir es in den Fällen Plakat-Satire, Sarrazin-Interview und Kachelmann-Gespräch bereits […]

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