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Kürzlich sah ich an einer Düsseldorfer Straßenbahnhaltestelle ein Plakat. Es war aufgehängt worden von einer der zahlreichen Verkehrssicherheitskampagnen-Macher, welcher genau weiß ich nicht mehr. Seine Botschaft war ungefähr so wie alle in den vergangenen Jahrzehnten: Fuß runter vom Gas, im Winter ist die Sicht schlecht und dann werden kleine Kinder überfahren.

Ich weiß nicht, ob die Wirkung solcher Plakate jemals untersucht worden ist. Doch der Grundgedanke dahinter ist ja der richtige: Menschen am Steuer darauf hinweisen, dass sie sich und vor allem andere in Gefahr bringen, wenn sie rasen.

(Bild: Rudi Merkl/BMELV)

Wäre Ilse Aigner für solch eine Kampagne verantwortlich, so lautete der Slogan nicht: „Vorsicht im Straßenverkehr“, sondern „Gehen Sie nur in den nötigsten Fällen aus dem Haus.“

Die CSU-Frau ist ja nun vom Titel her Verbraucherschutz-Ministerin, was so ein wenig nach Atomschutzbunker klingt. Und genau so interpretiert sie ihre Aufgabe in Sachen Internet. Es geht ihr nicht darum, den digitalen Wandel der Gesellschaft zu begleiten – sie will ihn verhindern. Dazu ist ihr dann auch keine Aussage blödsinnig genug.

In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ versteigt sie sich nun zu der Aussage, Facebooks Timeline sei „absurd“. Warum? Weil dort Menschen ihr Leben vorzeigen können. Wohlgemerkt: Sie müssen nicht, sie können. Das kann schöne Folgen haben, man stößt auf alte Bekanntschaften, wärmt Freundschaften neu auf, entdeckt Gemeinsamkeiten. Sprich: Die Menschen können näher zusammenrücken, wenn sie wollen.

Ilse Aigner will das nicht. Der Mensch hat „vorsichtig“ mit seinen Daten zu sein. Punkt. Keine Widerrede, Widerrede ist absurd gegen eine Ilse Aigner.

Natürlich muss jemand Facebook auf die Finger schauen. Aber doch bitte schön sinnvoll und verhandelnd und nicht mit absurden Behauptungen. In diesen Bereich fällt auch die Erklärung des „Düsseldorfer Kreises“, einem Zusammenschluss von Datenschüztern, in Sachen Social Plugins. Auch hier geht es nicht darum, eine Geschwindigkeitsbegrenzung zum Wohle der Verkehrssicherheit zu erreichen – sondern die Leute daran zu hindern, aus dem Haus zu gehen. Gern behaupten die „Datenschützer“ dann auch, Facebook habe in Irland nur eine Marketing-Niederlassung und deshalb gelte das irische Datenschutzrecht nicht. Meines Wissens aber ist bisher auch noch kein deutscher Datenschützer in Dublin gewesen, um sich den dortigen Standort anzuschauen, der in diesem Jahr auf über 300 Mitarbeiter anwachsen sollte (sollte doch wer da gewesen sein, bitte ich um Hinweise).

Dieses Vorgehen unterscheidet sich dann wieder vom irischen Datenschutzkommissar. Er schaut sich die Sache an, schreibt einen Bericht und stellt konkrete Forderungen auf – so sieht konstruktiver Datenschutz aus.

Ilse Aigner dagegen keift lieber über Absurditäten. Würde sie so in jedem Feld agieren, das ihr obliegt, dürften wir bald von Mangelernährung und Wirtschaftskrise reden. Denn dann würde sie für den Schutz der Verbraucher die einfachste Lösung wählen: Die Verbraucher sollen verdammt nochmal nichts mehr verbrauchen – dann sind sie auch nicht gefährdet.


Kommentare


Hans 28. Dezember 2011 um 12:48

Noch ärgerlicher ist, dass sie den Elan, den sie bei Facebook entwickelt im wirklich wichtigen Bereich Lebensmittelsicherheit nicht so zeigt. Sprich: Es ist egal, wenn die Menschen buchstäblich Scheiße fressen, das könnte man ja nur ändern, wenn man sich mit der europäischen Agrarlobby anlegt. Da zündet sie lieber ein paar Nebelkerzen in Richtung Facebook.

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Christoph Kappes 28. Dezember 2011 um 14:18

Der irische Datenschutzbeauftragte ist nach EU-Recht zuständig und der einzige, dessen Audits Facebook akzeptiert. Da ist eine vergleichende Aussage über die Methodik deutscher vs. irischer Datenschützer ziemlich unsinnig.

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Webfuturist 28. Dezember 2011 um 14:41

Guter Artikel. Ich habe das Gefühl, dass Frau Aigner sich kein bisschen mit dem Thema beschäftigt. Facebook hat viele neue Funktionen eingebaut, die dem Datenschutz zu Gute kommen und Frau Aigner sagt dann auch noch absurd. Ich frage mich, wie lange sie noch im Amt bleibt. Merkt sie und ihre Partei überhaupt noch was?

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Hegauer 28. Dezember 2011 um 19:16

Ich finde das korrespondiert 1a mit der Hauruckjetzt-Durchdrück-Kampagne zur Vorratsdatenspeicherung. Nix, hier, jetzt selbst Daten in dieses Facebook und dieses Internetz stellen. Da soll mal lieber Papa Staat schön undurchsichtig draufaufpassen. Prophylaktisch …

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Staatstrojaner statt Timeline? So nicht, Frau Aigner! | Ich sag mal 29. Dezember 2011 um 9:17

[…] Knüwer hat das in seinem Blog sehr schön zum Ausdruck gebracht: Ilse Aigner warnt: Gehen Sie nicht aus dem Haus „Die CSU-Frau ist ja nun vom Titel her Verbraucherschutz-Ministerin, was so ein wenig nach […]

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Das Volk vor Facebooks Timeline schützen? 29. Dezember 2011 um 11:35

[…] Verzicht auf alle “unnötigen” Autofahrten definieren oder anraten, möglichst wenig aus dem Haus zu gehen, weil ja draußen doch etwas passieren […]

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zeugs am donnerstag « blubberfisch 29. Dezember 2011 um 12:36

[…] [text] ilse aigner warnt: gehen sie nicht aus dem haus (indiskretion ehrensache) […]

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Fasse dich kurz! | futuretune 11. Januar 2012 um 15:06

[…] Nutzer, welches diese aber tatsächlich gar nicht nutzen müssen wenn sie das nicht möchten (wie hier schön dargestellt wird). Dazu legt sie noch ein mindestens ebenso abstruses Verständnis von […]

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FF 14. Januar 2012 um 17:19

Das beste daran ist: die Dame gilt bei der CSU als Nachwuchshoffnung. Sic transit gloria mundi.

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Irische Datenschützer loben Facebook 21. September 2012 um 16:26

[…] schleswig-holsteinischen Thilo Weichert. Und es ist auch ein Hieb gegen Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Denn beide verlieren einen Lieblingsfeind, ein Unternehmen, mit dem sich so schön Schlagzeilen […]

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