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In der Filmbranche, so geht eine alter Erzählung, von der ich nicht weiß, ob sie wahr ist, werden neue Teammitglieder und Praktikanten gern mal damit beauftragt, die „Optische Achse“ zu holen. Dann rennen sie von Station zu Station und holen sich überall Lacher oder weitere Verhonepipelungen ab. Denn die Optische Achse ist eine gedachte Linie und kein Gerät.

Nun hat Facebook den von PR-Gier getriebenen Datenschützer Thilo Weichert vom angeblich Unabhängigen Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein auf die Suche nach der Optischen Achse geschickt.

Denn was der NDR da berichtet, klingt ja unfassbar: Daten aus Schleswig-Holstein sollen eine andere Behandlung erfahren als Daten aus anderen Regionen. Würde sich Thilo Weichert mal fachlich mit Themen beschäftigen, statt durch 360-Grad-Drehungen PR-Hitze zur eigenen Ego-Bestätigung (und der Finanzierung seines angeblich unabhängigen – staatlich finanzierte Institutionen sind niemals unabhängig – Zentrums) zu erzeugen, so wüsste er, dass all das so nicht möglich ist (auch Herr Lumma betont die Ego-Manie des Thilo Weichert).

Erst gestern wieder traf ich den Mitarbeiter einer Institution mit Sitz in Niedersachen. Nutzt einer seiner Kollegen Facebook, platziert ihn dies nach Hessen. Das ist auch der Grund, warum die Stadtzuordnungen in den Facebook-Statistiken mit höchster Vorsicht zu genießen sind, wenn sie nicht eigentlich komplett unbrauchbar sind.

Kurz: Facebook weiß bei einem substanziellen Teil der Nutzer nicht, in welchem Bundesland sie sitzen. Das ist nicht neu oder spektakulär, das weiß jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt. Weichert also nicht.

Wenn er nun vor Kameras tritt und behauptet, Facebook werde das prüfen, ist er scheuklappig aber mit erheblicher Geschwindigkeit in die PR-Fall des US-Unternehmens gerauscht. „Wir werden das prüfen“, dürften die Amerikaner gesagt habe. Das bedeutet in der Unternehmenssprache, das in einer Sitzung jemand sagen wird: „Wollen wir das machen?“ Ein anderer antwortet: „Nope“. Prüfung abgeschlossen.

Das Thema Facebook und Datenschutz ist wichtig. Es ist wichtig, dass Gespräche geführt werden. Wenn aber der Praktikant mit dem Star-Regisseur über die Details von Kameraeinstellungen diskutieren will – dann wird er halt auf die Suche nach der Optischen Achse geschickt. So wie Thilo Weichert.

(Gefunden bei André Vatter.)

Nachtrag: Kaum ist Facebook aufgewacht, lachen sie Weichert öffentlich aus: „Our recollection of the meeting is different.“ Das ist ein Schlag mit der Optischen Achse – direkt auf den Schädel.

Nachtrag II: Facebook-Deutschland-Sprecherin Tina Kulow veröffentlichte gerade noch ein längeres Statement in der Presse-Gruppe des Unternehmens:

„Wir hatten ein produktives Treffen mit Dr. Weichert und dem Team des ULD, in dem wir detailliert die Anliegen des ULD und mögliche Lösungsansätze diskutiert haben.

Facebook ist der Ansicht, dass es keine Unvereinbarkeit zwischen seinen Diensten und dem europäischen Datenschutzrecht gibt. Wir haben deutlich gemacht, dass wir mit der Position und dem Vorgehen des ULD zur Rechtmäßigkeit der deutschen Organisationen, die unseren Service nutzen, keinesfalls einverstanden sind.

Wir bleiben sehr besorgt, dass die singuläre rechtliche Auslegung, die das ULD anstrebt, ernsthafte Schwierigkeiten für Unternehmen in Deutschland bei der Nutzung einer breiten Palette von populären Internet-Services schaffen würde. Daher ist diese Diskussion auch von größerer Bedeutung für die deutsche Gesellschaft.

Wir würden uns wünschen, dass das ULD seine Drohung gegen einige Unternehmen in Schleswig Holstein bezüglich der Nutzung unserer Dienste zurücknimmt. Wir sind daher offen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation zu lösen. Dazu könnte die Übermittlung von detaillierteren Informationen über Aspekte unseres Service beitragen. Wir möchten vollständig transparent für die Menschen sein, die unsere Services nutzen, aber es ist nicht unser Ziel, Sonderlösungen für Schleswig-Holstein zu schaffen.

Wir sind uns ebenso sicher, dass das ULD die bewährte Haltung für internationale Internetunternehmen wie Facebook berücksichtigen sollte, dass diese ihre Services in Deutschland anbieten können, auf Grundlage ihrer Gesetzeskonformität in ihrer Heimat-Jurisdiktion.“


Kommentare


Thorsten 21. Oktober 2011 um 8:10

sehr beliebt ist im Übrigen auch die Suche nach dem Farbbalken…

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Christoph 21. Oktober 2011 um 8:19

Haha, ich kenne die demütigende Suche nach der optischen Achse, auf die Praktikanten o.ä, geschickt werden, aus einem der „Burg Schreckenstein“-Bücher, die ich als Kind verschlungen habe.

Unter Köchen existiert angeblich ein ähnliches Ritual, bei dem Neulinge gebeten werden, doch mal schnell 500 Erbsen zu kochen. Exakt, versteht sich.

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NicS 21. Oktober 2011 um 9:24

Wenn Weichert damit Erfolg hat, häng ich mich auf. Hieran:
http://shop.etel-tuning.de/nutzliches/27-siemens-lufthaken.html

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Extrawurst für Schleswig-Holstein: Hat Facebook Thilo Weichert einen Bären aufgebunden? – Netzgezwitscher 21. Oktober 2011 um 9:27

[…] Thomas Knüwer vergleicht das Ganze, in einem lesenswerten und für seine Verhältnisse überaus kurzen Beitrag, mit einer […]

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marius 21. Oktober 2011 um 9:35

„Das ist auch der Grund, warum die Stadtzuordnungen in den Facebook-Statistiken mit höchster Vorsicht zu genießen sind, wenn sie nicht eigentlich komplett unbrauchbar sind.“

Ich dachte immer, Facebook nutzt dazu die Angaben im Profil und nicht die IP. Oder?

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kaltmamsell 21. Oktober 2011 um 9:47

Vermutlich zahlt Herr Weichert auch ausschließlich mit deutschen Euros.

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Media Addicted 21. Oktober 2011 um 10:53

Wundert das irgendwen? Weichert gehört in die Politik-Ecke. Die Poltik-Ecke zeichnet sich momentan an keiner Front dadurch aus, besonderen Durchblick, Kompetenz oder Ideen zu haben, von Praktikabilität mal ganz zu schweigen.

Ein zentrales Problem unseres derzeitigen Regierungsmodells ist es eben, dass systembedingt Leute von vorgestern darüber entscheiden, was gestern aktuell war, wobei heute schon morgen ist.

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Christian Buggisch 21. Oktober 2011 um 19:29

Das Ganze ist ja doppelt traurig: Weil es zeigt, in welchen steinzeitlichen Kategorien manche Datenschützer denken. Und weil es zeigt, wie grotesk manchmal unser Föderalismus ist.

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Ernst 23. Oktober 2011 um 19:39

Die ganze Liste hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Humorarchiv/Liste_der_Ausbildungsinitiationsriten

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Ernst 23. Oktober 2011 um 19:47

Oh, und grad beim Failblog gefunden: Der WEP-Schlüssel. http://failblog.org/2011/10/20/epic-fail-photos-there-i-fixed-it-which-one-is-the-wep-key/
(Passt auch thematisch.)

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Irische Datenschützer loben Facebook 21. September 2012 um 16:23

[…] ist ein schwerer Schlag für die PR-Lust deutscher Datenschützer wie den schleswig-holsteinischen Thilo Weichert. Und es ist auch ein Hieb gegen Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Denn beide verlieren einen […]

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Die Frage, wie wir mit dem Internet umgehen ist mehr, als die Frage, wie wir mit dem Internet umgehen 13. Juni 2013 um 13:40

[…] Deshalb ist es auch so unendlich naiv, wenn Datenschutz-Pitbull Thilo Weichert vom angeblich unabhängigen Datenschutzzentrum in Schleswig-Holstein, im Zusammenhang mit dem US-Überwachungsprogramm Prism die Verbraucher auffordert, keine US-Dienste mehr zu nutzen: Dies kommt der Aufforderung zur persönlichen Entsozialisierung gleich – was für ein Unfug. Aber gut, es ist halt Thilo Weichert. […]

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