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Einmal im Jahr betritt das Orakel des Web die Bühne des Web 2.0 Summit. Mary Meeker heißt das Orakel im bürgerlichen Namen und zählte schon in den Tagen der Dotcom-Blase zu den wichtigsten Analysten der Online-Branche. Inzwischen ist Meeker Partnerin beim Investor Kleiner Perkins.

(Foto: Kleiner Perkins Caufield Byers)

Gestern Abend servierte sie wieder ihre persönliche Sicht und Analyse in Sachen Web. Was ihre Präsentation hervorhebt ist einerseits, das jeder im Silicon Valley sich damit beschäftigt und dass Meeker recht nah an der Zeit bleibt und nicht wolkige Vorhersagen über die kommenden 10 Jahre macht wie manche Marktforschungsinstitute.

Schauen wir uns also mal an, was sie diesmal servierte. Hier ihre Trends:

1. Globality – We Aren’t In Kansas Anymore…

Das Web wird global. Das ist keine Überraschung. Meeker feiert heimische Plattformen aus den Emerging Markets. Einerseits hat sie Recht damit: Facebook besitzt in Ländern wie Japan eine untergeordnete, in China praktisch keine Bedeutung.

Doch ist dies tatsächlich Globalität – oder das Gegenteil? Hier sind einzelne Länder online-technisch abgeschottet. Denn während sich die Dienste der westlichen Welt miteinander verschränken, passiert das mit Vkontakte oder Baidu gerade nicht. Für mich ist dies eher die Einführung der Nationalstaaten im Web. Bedingt ist dies in erheblichem Maße durch unterschiedliche Schriftzeichen.

2. Mobile – Early Innings Growth, Still…

Noch immer glaubt mancher Entscheider, er muss sich nicht mit Mobile Apps und den Chancen von Smartphones beschäftigen, weil diese ja nur einen kleinen Teil der Bevölkerung abdecken würden. Das stimmt. Andererseits: In Westeuropa werden bereits seit anderthalb Jahren mehr Smartphones als andere Handys verkauft, in den USA ist dieser Punkt mit dem vergangenen Weihnachtsfest erreicht worden.

Hinzu kommen Tablets: 29 Millionen iPads wurden laut Meeker bisher verkauft, hinzu kommen 16 Millionen Kindle. Weiterhin aber gibt es einen Unterschied zwischen Handys und Tablets: Während bei Mobiltelefonen Android bereits am iPhone vorbeigezogen ist, ist Google Betriebssystem bei Tablets bisher kein Machtfaktor. In den USA ist das iPad ja zum Beispiel für 97% allen Tablet-Datenverkehrs verantwortlich.

Mit dem Wachstum im Gerätemarkt kommt das Wachstum bei mobiler Werbung. Die schießt in allen Regionen der Welt nach oben. Rund 3 Mrd. Dollar Umsatz sollen sie in diesem Jahr generieren.

Diese Zahlen insgesamt lassen Meeker die Maslow’sche Bedürfnispyramide neu definieren: Nach Essen und Trinken sei der Aufstieg in der Pyramide ein festes Heim – und dann der Zugang zum Internet.

3. User Interface – Text/Graphical/ Touch / Sound / Move

Auch Meeker sieht das Ende der Maus und auch der Tastatur, wie wir sie kennen, heran nahen. Die Steuerung über Berührung und Sprache stünde bevor. Sie zitiert den Chef des Musik-Startups Soundcloud, Alexander Ljung: “Sound is going to be bigger than video. Record is the new Qwerty.,”

Gut, dass muss er wohl sagen. Die Frage ist, was „Sound“ ist. Wenn Sprachsteuerung und -ausgabe hinzu kommt, dann ist dies ein Vergleich von iPhones mit Birnen. Und: Video ist die Ausdrucksform und das bevorzugte Konsummedium der Jugendlichen im Jahr 2011. Wird sich das noch einmal ändern? Ich bin da skeptisch.

4. Commerce – Fast / Easy / Fun / Savings = More Important Than Ever…

Seit vier Quartalen wächst E-Commerce in den USA und hat sich damit abgekoppelt vom stationären Handel. US-Verbraucher, die online kauften, bezeichneten vor allem den Preis als schlagendes Argument für das Web. In einer Wirtschaftskrise ist das nur logisch.

Meeker aber wirft mit Recht auch noch das Verschwinden eines Mediensprungs ein: Wer früher in einer Zeitschrift ein spannendes Produkt sah, schnitt sich den Artikel aus oder notierte das Produkt. Damit ging er zum Händler seines Vertrauens, der das Produkt vorrätig hatte oder es orderte. Vielleicht. Gerade iPad-Apps ermöglichen heute den direkten Kauf. Und dies könnte eine hübsche Einnahmechance für Verlage sein, wenn sie sich mit E-Händlern verbünden. Der Kunde, meint Meeker, erwarte diese Kaufmöglichkeit ja ohnehin.

Gleichzeitig biete das Internet Händlern aber auch Chancen. Bewertungsportale und Locations Based Services würden Kunden heranbringen, mobiles Bezahlen mit Diensten wie Square (das in Deutschland leider noch nicht am Start ist) erleichterten das Einkaufen im Geschäft. In den USA dagegen laufen schon Bezahlvorgänge von einer Milliarde Dollar über Square.

5. Advertising – Lookin’ Good…

Zumindest in den USA schließt sich die Mediennutzungs-Werbe-Lücke. Der Anteil von Online am Werbemarkt liegt bei 19%, bei der Mediennutzung beträgt der Anteil 25%. Die nächste Lücke tut sich bei Mobile auf: 8% der Mediennutzung findet mobil statt, doch nur 0,5% der Werbegelder fließen dorthin. Auf wessen Kosten diese Lücke geschlossen wird ist schon klar: Zeitungen machen nur noch 8% des Medienkonsums aus, bekommen aber 27% der Werbeausgaben.

Innerhalb des Online-Werbemarktes gewinnen Social Networks langsam an Bedeutung. In der Nutzung zogen sie diesen Sommer an Portalen vorbei. Nun steigen ihre TKP (also die Preise, für die sich 1000 Nutzer erreichen lassen). Werbung in Social Networks dürfte damit langsam zum ernsthaften Marketing-Instrument werden.

6. Content Creation – Changed Forever

Keine Überraschung: Heute kann jeder Inhalte erstellen und verteilen. Die Götterdämmerung der großen Content-Produzenten hat begonnen. Doch Meeker bleibt hier merkwürdig schwammig.

7. Technology / Mobile Leadership – Americans Should Be Proud

Die USA mögen in jeder Branche tief in der Krise stecken. Doch derzeit sind sie in Sachen Technologie zumindest der Taktgeber. 64% der Smartphones haben ein Betriebssystem aus den USA – vor 6 Jahren waren es nur 5%. Auch sieht sie die Innovationsgeschwindigkeit im Silicon Valley so hoch wie nie zuvor.

Damit hat sie Recht. Einerseits. Andererseits schaffen viele der Innovationen Arbeitsplätze an ganz anderen Orten. Das iPhone wird eben in den USA geplant, doch in China zusammengeschraubt aus Bauteilen, die rund um den Globus produziert werden. Apple erzielt damit eine satte Rendite – behält das Geld aber für sich. Die Ökonomen Yuqing Xing und Neil Detert haben in einer Studie gezeigt, dass die Produktion des Gerätes in den USA zwar Apples Gewinne beträchtlich senken würde – aber trotzdem noch profitabel wäre.

Wenn Meeker die US-Wirtschaft hier feiert, so sind dies ehrenvolle Orden. Aber Orden lassen sich schwer kochen und verzehren.

8. Mega-Trend of 21st Century = Empowerment of People via Connected Mobile Devices

Die Menschen erlangen durch die Möglichkeit der Informationsweitergabe Macht. Keine große Überraschung. Aber auch keine falsche Einschätzung.

9. Authentic Identity – The Good / Bad / Ugly. But Mostly Good?

Die Frage der Identität hält Meeker für eine der wichtigsten in den kommenden Jahren. In der Tat. Jeder muss für sich selbst klären, welche Identität er online verkörpern will. Die Zeit der gefälschten Identitäten ist vorbei, viele Dienste ergeben nur dann Nutzen, wenn man sie mit seiner eigenen Identität oder einem in seiner persönlichen Bezugsgruppe bekannten Pseudonym verwendet.

10. Economy – Lots of Uncertainty

Yep, die Wirtschaft. Nicht gut.

11. USA Inc. – Pay Attention!

Yep, die US-Wirtschaft. Noch übler. Meeker setzt die Schuldenmenge Griechenlands ins Verhältnis zu den USA. Gemessen am Anteil des Bruttosozialproduktes liegen die Griechen auf Rang 3 der weltweiten Schuldenliste, die USA auf Platz 10. Deutschland, übrigens, rangiert auf 13.

Am Ende wirkt Meeker ungewohnt ratlos und uninspiriert. Häufig sei es am Dunkelsten, bevor die Sonne aufgeht, sagt sie. Und schließlich sei das Innovationstempo doch so hoch. Es klingt wie ein Pfeifen im Walde. Merkwürdig. Bisher war Mary Meeker ein Orientierungs-Leuchtturm der Tech-Welt. Doch 2011 liefert sie nach meiner Meinung wenig Neues und Inspirierendens. Liegt das an Ihr oder den Zeiten?

Hier die vollständige Präsentation:

KPCB Internet Trends (2011)

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Kommentare


Armin 19. Oktober 2011 um 16:05

Hat sie auch das Ende des Grossraumbueros vorhergesagt?

Wenn die Zukunft der Spracherkennung und -ausgabe gehoert moechte ich sehen wer in dem Krach dort dann noch arbeiten koennen soll….

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Roman 19. Oktober 2011 um 20:16

Ich kann mich Armin nur anschliessen. Zumindest im Bereich von Büros werden Tastaturen lange nicht verschwinden. ( Ich kann mir keine Buchhaltung vorstellen, bei der 10 Buchhalter vor Ihren Rechnern sitzen und Buchungssätze diktieren.) Ich denke auch, dass insgesamt die ganzen typischen „Sachbearbeiter“ weiterhin mit „altmodischen“ Tastaturen arbeiten werden. ( schon aus gründen des Datenschutzes)

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Ari 19. Oktober 2011 um 22:29

Interessant es so zusammengefasst zu lesen und doch irgendwie langweilig. Es ist wie mit einem Film den man zur Hälfte gesehen hat. Plötzlich kommt ein Freund will einem erzählen was in den ersten 5 Minuten passiert ist. Interessant es von jemand anderen in seinen Worten zusammengefasst zu hören, aber es bringt keine neuen Erkenntnisse oder Einsichten.

Welche Zielgruppe spricht die Frau den an?
Den keine dieser Beobachtungen oder Vermutungen ist neu bzw. aufregend. Alles habe ich schon (ausführlich und begründet) gelesen und/oder diskutiert. Es scheint wohl eher darum zu gehen „technikfremden“ Entscheidern zu sagen welche Trends im Moment bestehen und wohin sich diese entwickeln könnten. Ob man dann ein Orakel ist sei dahin gestellt.

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Gunther 25. Oktober 2011 um 6:59

Ich kann niemanden wirklich Ernst nehmen, der das angebliche Ende der Maus und ausgerechnet der Tatsatur vorhersagt. Solche Leute scheinen nie wirklich Texte geschrieben, Spiele gespielt oder sonstwas produziert zu haben (z.B. 3D Modelle, Bildbearbeitung etc.).

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In Zahlen: Internationale Internet Trends 2011 › missfitsbiz 13. November 2011 um 18:32

[…] komplette Slideshow von Mary Meeker ist bei Scribd zu finden. Bei Indiskretion Ehrensache gibt es eine gute und auch kritische […]

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