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Einst gab es einen Journalistenpreis von hohem Ansehen, er hieß Kisch-Preis. Benannt war er nach Egon Erwin Kisch, einem legendären Reporter, für den das adjektiv „rasend“ vor der Berufsbezeichnung als Ehrerbietung genommen werden darf – und nicht als Witz. Der Kisch-Preis galt in Deutschland als höchste Ehre für Reportagen-Autoren. Gestiftet hat ihn einst Henri Nannen (rechts im Bild – Foto: Henri Nannen Preis).

Heute heißt diese Auszeichnung Henri Nannen Preis und hat mehrere Kategorien. Darunter die der Reportage, die in Klammern noch den Namen Kischs trägt. Das ist nicht ohne Ironie. Schließlich war Henri Nannen ein herausragender Chefredakteur und Herausgeber und Verleger. Aber kein begnadeter Schreiber. Dafür hatte er Reporter. Unter sich.

Vielleicht ist dies als Symbol dafür zu werten, was in diesen Tagen passiert. Die Granden des klassischen Journalismus in Deutschland gebärden sich wie pubertierende Teenager beim Anblick von Justin Bieber. Einem nackten Justin Bieber.

Auslöser dafür ist der Henri Nannen Preis. Doch was scheint wie ein brancheninterner Zickenkrieg, ist ein wenig mehr. Die Affaire demonstriert, warum Social Media solch ein Problem für viele Journalisten darstellt – und warum das Ansehen des Berufsstandes dermaßen sinkt.

Kurz für all jene, die sich nicht so sehr mit der Medienindustrie beschäftigen: Der Nannen-Preis in der Kategorie Reportage ging in diesem Jahr an den „Spiegel“-Mann René Pfister. Er hatte in seinem Stück „Am Stellpult“ Horst Seehofer mit Hilfe von dessen Modelleisenbahn portraitiert. Bemerkenswert: Obwohl der Artikel online zu lesen ist, wird er von den Debattierenden Medien nur selten verlinkt. Also: Hier können sie das Stück lesen. Allein: Pfister war nie in jenem Keller, in dem die Bahn steht. Das hat er auf der Preisverleihung auch so gesagt. Seine Quellen und auch Seehofer selbst hätten bestätigt, dass es dort so aussehe, wie er beschrieb. Diese Arbeitsweise war für ihn normal.

Am Montag nach der Preisverleihung brach eine Lawine los. Nannens Enkelin schämte sich der Entscheidung, flott wurde eine Telefonkonferenz der Jury arrangiert – und die entzog Pfister den Preis. Weil er eben nicht selbst dabei gewesen sei, beim Lokführerspielen.

Daraufhin meldeten sie sich alle zu Wort. Hans Leyendecker, zum Beispiel, konnte nichts schlechtes an Pfisters Verhalten finden. Schon aber an der Entscheidung der Jury, einem Portrait den Reportage-Preis zu verleihen. Obwohl doch „journalistische Portraits“ explizit eingereicht werden dürfen, wie die „taz“ ebenfalls bemerkt. Sie wirft den Großen der Branche Arroganz vor. Und so geht das munter weiter.

(Die Nannen-Jury –  © babiradpicture/Stern)

Mir persönlich ist die Wahl Pfisters ein wenig rätselhaft. Das Stück ist schön und überdurchschnittlich – aber die beste Reportage des Jahres (und das sollte der Anspruch des Preises sein)? Nein, wirklich nicht.

Egal. Pfister selbst ist sich keiner Schuld bewusst – und nun wird es eben interessant. Denn diese Unschuldshaltung ist irgendwie verständlich. Das Öko-System „Spiegel“ katalysiert genau jenes Vorgehen. Es ist normal im deutschen Journalismus, sich Szenen vorzustellen. Sie dann so schön und bunt zu schildern, als sei journalist tatsächlich vor Ort gewesen. Genau das hat auch Pfister gemacht.

Und ich gestehe: Bis vor einigen Jahren habe ich das mehrfach auch so gehalten. Auch dieses Blog und die Reaktionen einiger Kommentatoren hier haben mich umdenken lassen. Vergeben sich Journalisten tatsächlich etwas, wenn sie nach einem solchen Einstieg hinzfügen: „So berichten es Menschen, die dabei waren?“ Oder: „So beschreibt es Paul Sahner in der ,Bunten‚“?

Eigentlich nicht. Und es wäre nur ehrlich gegenüber dem Leser.

Chefredakteure mögen solche Ehrlichkeitsschübe oft genug aber gar nicht. Denn in Zeiten, da sich Leser die Frage stellen, warum sie klassische Medien noch kaufen sollen, lautet die Antwort oft genug: Die sind ja dabei, wenn was passiert. Die sind hautnah dran.

Doch was, wenn nicht?

Diesen Eindruck des Dagewesenseins zu erwecken, haben viele Redaktionen perfektioniert. Zum Beispiel bei Ortsmarken: Es gibt Blätter, die verwenden immer den Ort, an dem das Geschehen spielt – unabhängig davon, ob der Autor tatsächlich dort war. Auch bei Interviews erfahren wir nicht, ob diese in persona stattfanden oder via E-Mail zur Presseabteilung. Radiosender spielen Interviews, bei denen sie selbst keine Fragen gestellt haben. Die Antworten des Stars sind einfach per Massensendung an alle Stationen gegangen – dann müssen nur noch die Fragen aufgesprochen werden.

Der Journalismus klassischer Medien generiert seine eigene Überlegenheitshaltung gegenüber Social Media und Bürgerjournalismus und Blogs und all dem da draußen, maßgeblich aus der Behauptung elitärer Zugangsmöglichkeiten. Dieser Journalismus sei wichtig, wird argumentiert, weil eben nicht alle Menschen einen Horst Seehofer sprechen und kennen können. Weil sonst niemand in einem Krisengebiet vor Ort ist.

Tatsächlich aber sind nur wenige Korrespondenten an einem Krisenherd vor Ort. Und wenn, dann haben sie nur in Glücksfällen die richtigen Verbindungen, denn Korrespondenten decken inzwischen riesige Gebiete ab. Meist sind sie unkundigere Berichterstatter als jene, die im Land sind und möglicherweise keine journalistische Ausbildung haben – dafür aber tatsächlich Wissen um das Geschehen. Weshalb eine maßgebliche Arbeit vieler Journalisten inzwischen die Auswertung von Social Media ist.

Schlimmer aber noch das, was im Fall Pfister-Seehofer passiert ist. Journalisten, die darauf angewiesen sind, dass andere ihnen Szenen schildern, die nicht mehr selbst dabei sind, sondern nur so tun – die sind gute Schriftsteller. Aber nicht mehr. Nichts mehr unterscheidet sie von politischen Kommentatoren im digitalen Raum ohne Festanstellung bei einem Medienhaus.

Frank Schirrmacher hat in der „FAZ“ eine lange Überlegung zum Fall Pfister angestellt. Darin schreibt er:

„Ist also reportagehafte Rekonstruktion über zuverlässige Quellen immer nur dann erlaubt, wenn der Leser weiß, dass es unmöglich ist, dass der Autor erlebt hat, wovon er schreibt? Das ist eine wichtige formale Frage, die weit über den aktuellen Fall hinausgeht. Sie ist im Internetzeitalter, in dem Journalismus immer häufiger auf virtuelle Erfahrungen reagiert, dringender denn je. Wissen wir, wovon wir reden? Haben wir erlebt, was wir aufschreiben, und schreiben wir auf, was wir erlebt haben? Ist die Motivforschung, das Psychologisieren, die Seelendeutung, aus der ein ganzes journalistisches Genre geworden ist, legitim oder nicht?“

Dieses erwähnte Internet-Zeitalter zeichnet sich auch durch höhere Transparenz aus. Und es sollte zum guten Ton für Journalisten gehören, solche Hörensagen-Szenen auch als solche zu Kennzeichnen. So, wie es in Blogs schon die Regel ist.

Oder wie es ein Projekt der Journalistenschüler von Axel Springer namens This is South Africa tat. Die Volontäre berichteten über die WM in Südafrika ohne vor Ort zu sein – einfach durch die Nutzung von Social Media.

This is South Africa wurde in dieser Woche für den Grimme Online Award nominiert. Dafür gab es weit weniger Raum in der Berichterstattung als für die Modelleisenbahn-Fantasie aus dem Hause „Spiegel“.


Kommentare


Qualitäts-Leser 12. Mai 2011 um 21:58

„Der Journalismus klassischer Medien generiert seine eigene Überlegenheitshaltung … , maßgeblich aus der Behauptung elitärer Zugangsmöglichkeiten.“
Da fehlt ein „auch“ vor dem maßgeblich. Sonst klingt das zu exklusiv als einziger Grund.

Ein weiterer Grund für bezahlten Journalismus ist die Wertbildung durch Zusammenführung und Verarbeitung von Informationen. Diese kann durchaus durch völlig öffentliche Quellen erfolgen. Speziell bei Wirtschaftspresse sind viele Informationen ja öffentlich. Und viele Berichte sind trotzdem leider neoliberal/links/… gefärbt und meist auch wenig konstruktiv.

Der Wert von Warentest und Ökotest basiert oft auf aufwendigen Labortests usw. die man oft nicht mal eben zu Hause nachstellen kann.
Die Nutzbarkeit von Tabletts oder Apps oder PC-Hardware kann man allerdings oft auch als Blogger testen. Lücken gibts bei Messgeräten und Seriösität in öffentlichen Bewertungs-Portalen, aber auch in gekauften Blogs.
Zeit sparende Übersichtsberichte wie „aktuelle Laserdrucker unter 200 Euro“ ’20 TVs 46″, nächsten Monat „15 TVs 48“ ‚ u.ä. sind von Einzelpersonen auch eher schwer zu erbringen. vroniPlag und guttenPlag deuten aber an, das auch sowas geht.

Preisdruck erzeugt Qualitätsdruck und das führt ohne wirksame Qualitätskontrolle (6sigma u.ä.) zur immer weiteren Durchsetzung mit Fehlern, weil man bisher ja immer davongekommen ist.
Aber dagegen hat der Qualitäts-Leistungs-Journalismus dankenswerterweise ja den PresseRat……. Seltsam, das Bildblog noch etwas findet.

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Marc 12. Mai 2011 um 23:03

Wobei ich den Seehofer-Portrait-Einstieg so lese, wie die Artikelanfänge, in denen aus dem Bundeskabinett geplaudert wird. Da war der Reporter auch nicht dabei, es wird ihm einer gesteckt haben.

Richtig fände ich es allerdings, dass man E-Mail-Interviews so nennt, oder dass man Artikel mit Fußnoten (im Print) versieht, die auf Quellen hinweisen. Wenn ich was über Arbeitslosenzahlen schreibe, habe ich die auf dem Gang der Arbeitsagentur ja nicht durchgezählt.

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Chris 13. Mai 2011 um 7:33

Dieses erwähnte Internet-Zeitalter zeichnet sich auch durch höhere Transparenz aus. Und es sollte zum guten Ton für Journalisten gehören, solche Hörensagen-Szenen auch als solche zu Kennzeichnen. So, wie es in Blogs schon die Regel ist.
Gibt es einen Beleg dafür, dass das bei Blogs die Regel ist? Solche Thesen zu belegen sollte bei Blogs ja die Regel sein 🙂

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Philip Engstrand 13. Mai 2011 um 9:16

Hätten wir endlich die Kategorie: ‚Beste Kommentare‘ bei der Grimme Online Preisvergabe, ich würde nicht zögern Chris Beitrag zu nominieren.

Aber zurück zum Thema: Ich hab einen neuen Hammer, finde aber nicht genug Nägel, was tun?

Nein, lieber Thomas, die Affäre hat nichts -aber auch schon garnichts- mit Social Media zu tun. Die Affäre hat damit zu tun, das der Reportagepreis an eine (jetzt irgendwie) offensichtliche Nicht-Reportage vergeben wurde und (jetzt irgendwie) alle meinen die Schuld dafür (warum überhaupt) bei jemand anderem abladen zu können.

Es stimmt natürlich das bei Social Media (also irgendwas mit Medien und irgendwas mit Leuten) gleichartige Dinge nicht vorkommen. Also zB das ein Blog eine Satire schreibt (ohne es darüber zu schreiben!) und schon 1h später kann man dann bei netzpolitik.de nachlesen, das demnächst bei Beantragung eines DSL Anschlusses der DNS Test mitverlangt wird. Oder so ähnlich.

Ich glaube wir hätten eine sehr viel schönere Welt, wäre der Authentizitätsanspruch im Social Media Bereich so hoch wie in deinem Text angedacht. Leider ist das nicht bebachtbar.

Ein meiner Lieblingszeitungstexte der letzten Monate (nicht online erschienen) enthält ziemlich am Anfang die Szene wie eine unserer Politikerinnen – die stets das Gute will und dabei Alles schafft – sich jeden Abend in den Schlaf kichert, weil mal wieder alle auf ihre Masche reigefallen sind. Ich bin mir ziemlich sicher, das der Autor nicht dabei war, aber habe bislang nicht Zutreffendereres über Ursula vdL gelesen.

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Jan Söfjer 13. Mai 2011 um 13:35

Der Blogeintrag führt am Thema vorbei. Pfister vermittelt nicht den Eindruck, er sei zwingend dabei gewesen. Alleine schon, weil er den Einstieg nicht wirklich szenisch schreibt, sondern nur schreibt, dass Seehofer eben einen Eisenbahn im Keller hat – plus ein paar Details. Warum sollte man da ein „sagte Seehofer“ hinterschreiben? Das geht alleine schon nicht, weil die Informationen eben nicht aus einer, sondern aus mehren Quellen stammen. Es ist schlicht eine faktische Beschreibung, die auf recherchierten und überprüften Fakten basiert. Das hat absolut gar nichts damit zu tun, den Eindruck zu erwecken, man sei vor Ort gewesen, obwohl das nicht der Fall war. Als ich von dem Fall erfuhr, dachte ich Pfister hätte wer weiß was gemacht. Er hat aber sehr sauber gearbeitet. Dass vier von sieben Nannenpreis-Jury-Mitglieder Pfister den Kischpreis aberkannt haben, ist eine ganz traurige Sache und ihrer Erfahrung und Kompetenz unwürdig.

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Thomas Knüwer 13. Mai 2011 um 15:43

Sorry, aber das sehe ich anders. Selbstverständlich entsteht der Eindruck, er sei in jenem Keller gewesen. Weil es im Gegensatz zur szenischen Beschreibung eines Mordes oder eines historischen Ereignisses realistisch ist, dass er dort war.

Und in genau diesem Fall sollte es selbstverständlich sein, darauf hinzuweisen. Übrigens hat angeblich auch Müller-Blumencron gedacht, Pfister sei vor Ort gewesen.

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Qualitäts-Leser 13. Mai 2011 um 18:28

Man müsste (auf Bildblog oder sonstwo) eine Abstimmung starten, ob der Text bzw. halt „nur“ die Einleitung misverständlich ist und man die Info über die Indirektion der Beschreibung vermisst. Am besten separiert nach Abonnenten/Käufer und Non-Spiegel-Kunde. Dann könnte Spiegel ja selber auf die Idee kommen, die eigenen Abonnenten zu befragen.

Am einfachsten sind klare Regeln. Vermutlich finden sich in den Presseregeln Dinge bezüglich falscher Interpretation bzw. Misverständlichkeit und das kein falscher Eindruck entsteht beim „eiligen Durchschnittsleser“ oder wie das noch mal heisst. Genau dafür lernt man Journalismus und kriegt einen Presse-Ausweis. Im Krankenhaus darf ja auch nicht jeder operieren und wer es macht, muss die Regeln einhalten.

Wer sowas (Mis-Interpretation durch mehr als z.b. 5% der Leser) billigt, will vielleicht auch mit Zitronensaft desinfiziert werden.
Schlampereien merken die Kunden hin und wieder auch mal. Sowas kostet dann Kunden und damit dann auch vollkommen zu Recht den eigenen Job. Ich kauf ja nicht wo es nicht schmeckt oder ich abgezockt werde.

Viel Print existiert nur noch deshalb, weil das Internet und IT-Industrie nicht schlau genug für Alternativen ist und man inzwischen viel weniger darf als noch zum neuen Markt, so das Steve Jobs (so wie bei Formel1 ‚der Leader macht die Pace‘) klar erkennbar bestimmt, wie schnell die Printblase ausläuft. Mangels dafür relevanter Konkurrenz leider viel zu langsam für die Kunden.

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Sebastian 13. Mai 2011 um 22:25

Der zentrale Satz in diesem Artikel und der gesamten Diskussion ist doch: „Es ist normal im deutschen Journalismus, sich Szenen vorzustellen.“ – und das ist einfach nur noch traurig und beschämend. Für jeden.

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JoSchaefers 15. Mai 2011 um 0:31

Bevor es Missverständnisse gibt: „This is South Africa“ wurde nominiert, weil es sich um ein gelungenes Social-Media-Experiment handelt, das dem Leser gegenüber transparent ist.

In der Kurzbeschreibung zur Nominierung heißt es:

In dem abgeschlossenen Projekt „This is South Africa“ berichteten Volontäre der Axel Springer Akademie über Südafrika, bevor die Journalisten dort zur Fußball-Weltmeisterschaft eintrafen. Die Besonderheit: Hier wurde berichtet, ohne vor Ort zu sein. Die Volontäre haben ihre Geschichten in Social-Media-Angeboten gefunden, per Chat Interviews mit ihren Protagonisten geführt, Meldungen auf Twitter entdeckt und Fotos aus Flickr zusammengestellt. So folgen sie ihrem Motto „Live aus dem Social Web“.

Disclosure: Ich bin Mitglied der Nominierungskommission.

@Qualitäts-Leser: Ich befürchte, du hast eine sehr romantische Vorstellung von dem, was alles unter Journalismus läuft.

Dem “eiligen Durchschnittsleser” dürfte egal sein, ob Kollege Pfister mit Seehofers Eisenbahn gespielt hat, vom Pressecodex ist das Stück wohl auch gedeckt sein.

Schlampereien merken die Kunden hin und wieder auch mal

Pfister hat nicht „geschlampt“. Er hat, wie Thomas richtig schreibt, ein überdurchschnittliches Stück abgeliefert, das – evtl. versehentlich – als beste Reportage des Jahres ausgezeichnet wurde. Macht es das besser? Imo nicht.

PS: Einen Presseausweis ist kein Qualifikationsausweis und für die Arbeit als Journalist auch nur selten erforderlich. Man bekommt ihn, wenn man eine hauptberufliche Tätigkeit als solcher oder wenigstens die nötige Penetranz bei der Beschaffung nachweisen kann …

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Qualitäts-Leser 15. Mai 2011 um 18:20

Das man einen Presseausweis vermutlich auch „so“ bekommt, ist mir bekannt. Auch die Existenz von Presse-Rabatten wurde mir berichtet. Aber auch dafür gibt es sicher Ausred^H^H^H^H^H^H^H^H^H sehr gute demokratiefördernde Begründungen.
Irgendwo bei DJV findet sich ein PDF mit Berufsbeschreibung. Es reicht schon, Promi-Paparazzi-Bilder zu machen oder die Wichtigkeit der Schwangerschaft welcher Prinzessin zu bewerten, um als Journalist zu gelten.
Das erhöht natürlich das Schutzgebiet der durch Presseschutz gedeckten Tätigkeiten.
Leider führt es aber nicht zu selbststärkender Qualitätsverbesserung. Bei Formel-1 sind die Regeln jedes Jahr anders. Trotzdem schafft jedes Team es innerhalb einer Saison, schneller zu werden. 90% der (vor?) leistungs geschützen Texte sind hingegen von dpa/reuters identisch abgeschrieben.
Die Eindeutigkeit, Klarheit und Korrektheit hat besser und nicht die Misverständnisse mehr zu werden. Qualitätsdruck in Verbindungen mit Schlampereien führt dann halt zu wegbleibenden Qualitäts-Käufern die etwas anständiges korrektes lesen wollen.

Wenn jemand eine Zeitschrift kauft, will er nicht abgezockt werden. Einen falschen Eindruck zu erwecken bewirkt daher einen deutlichen Nachgeschmack. Daher der Vorschlag, überall! kollektiv öffentlich darüber abzustimmen, bis Spiegel selber eine Abstimmung durchführt.
Wenn hinreichend viele es misinterpretieren und einen falschen Eindruck kriegen, ist der Text unzulässig. Sonst färbt das Fehlverhalten auf Politik-Texte und Wirtschafts-Texte ab, was in keiner Weise hinnehmbar ist.
Ja. Mir ist bekannt, das 90% der Politik-Texte nur in Verlagsfarbe oder bei der Wirtschaftspresse oft neoliberalistisch gefärbt sind und die Linke Presse für die Leitung von Firmen wie Neue Heimat, CoOp u.ä. nicht gerade wirtschaftlich überragend bekannt wurde.

Der Leser entscheidet. Und er kauft lieber McDonalds oder Zucker-Smoothies als Vitamin-Burger bzw. (Gemüse)Gazpacho.
Der Qualitäts-Leser hingegen lässt den Kauf dann sein wenn er nur Bild, Zucker-Smoothies und McBurger bekommt. In Spiegel oder Stern wurden Canther&Siegel (Greencard-Usenet-Werber) vor 5-10 Jahren verteidigt. Also kaufe ich beides niemals wieder. NIEMALS. Nach den Tagebüchern musste Stern immer billiger sein als Spiegel. Bis dahin kosteten beide m.W. gleich.

Vielleicht führt das dazu, das Chefredakteure erzwingen, das man ‚ich’+Datum reinschreiben muss, damit der Leser weiss bzw. „garantiert“ bekommt, das man keine Hörensagen-Reportage wie von der ungesehenen Eisenbahn schreibt.

Mir kann es egal sein. Der Untergang ist absehbar und Meedia berichtet monatlich über den Rückgang von Print-Käufen. Aber ich sehe nicht ein, Verlage mit 25% Umsatz-Steuer, dem seit letzer Woche geplantem Linkverbot und zig Internet-Gebühren zu retten. Und die Blogger fordern leider keine Ehrerklärungen der Verlagsbosse auf deren Bilanz-Konferenzen ein, bei der nächsten Werbe-Krise garantiert unter Ehrenwort keine Staatshilfen zu brauchen. Die nächste Krise kommt bestimmt. Denn Schweinezyklen gibt es, seit es Schweine gibt.

Vielleicht hat Pfister „nur“ (inzwischen) etablierte – aber durchaus kritikwürdige – Verhaltensweisen adaptiert. Die Kommission hat sich m.E. korrekt verhalten und gemeint „Der Preisträger muss viel besser sein als fast alle anderen zusammen und krass herausragen – das leistet Pfisters Text nach der Unschönheit mit der Einleitung nicht mehr“ (mit eigenen Worten übertrieben dargestellt). Soll er nicht jammern.

Aktuelles anderes Beispiel: Wer in Berichten weglässt, das man(frau) sein(ihr) EU-Gehalt (wie teuer gehört auch erzählt) weiter bezieht und nur auf Sonderzahlungen „verzichtet“, kann ruhig arbeitslos werden. Solch relevante Infos dürfen nicht weggelassen werden. Werden sie aber praktisch durchgängig.

Mit Formel1-Fahrern diskutiert man, wie man schneller wird. Da gibts intern keine Ausreden und höchstens extern. Wenn man von bezahlten Elite-Journalisten Ausflüchte und Beschönigungen anhören muss, verzichtet man besser auf nutzlose Diskussionen. Die lassen ja auch Politiker und Mismanager täglich immer mehr auf Kosten des Volkes mit Ausreden davonkommen.

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Medial Digital» Neu » Linktipps zum Wochenstart: Zukunft vorgespult 16. Mai 2011 um 5:43

[…] Warum der Wirbel um den Nannen-Preis auch etwas mit Social Media zu tun hat […]

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Medienlinks zum Wochenstart: Zukunft vorgespult — CARTA 16. Mai 2011 um 6:16

[…] Warum der Wirbel um den Nannen-Preis auch etwas mit Social Media zu tun hat […]

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Thomas Wiegold 16. Mai 2011 um 22:33

Manchmal sind Journalisten ja auch dabei. Aber das ist den Lesern dann scheinbar auch egal?

A war correspondent’s first-hand account from inside his crashing chopper

http://www.google.com/hostednews/canadianpress/article/ALeqM5gXcq2DFfmJJToqIPGTmHBVzt1QTg?docId=6866786

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Jan Söfjer 20. Mai 2011 um 1:38

@Sebastian: Es ist nicht (!) normal, sich als Journalist Szenen vorzustellen. Hat auch Pfister nicht gemacht, wie jeder sieht, der sich den Text anschaut.

@Thomas Knüwer: Eindruck hin oder her, die Verurteilung von Pfister ist vollkommen unverhältnismäßig. Pfister hätte schreiben können, dass er den Einstieg rekonstruiert hat, musste er aber nicht. Warum auch? Es ist nicht einmal eine Szene, es sind Fakten.

Außer Frage, dass ein Journalist sagen sollte, wenn er etwas von jemand anderem übernommen hat, aber Pfister hat nichts übernommen, sondern etwas aus mehreren Quellen erfahren, geprüft und im Text verarbeitet. Die Jury sollte künftig einfach keine Portraits mehr in der Reportagekategorie auszeichnen, sondern eine eigene Rubrik für Portraits schaffen – denn Portraits sind nicht zwangsweise Reportagen, können also auch nicht mit einem Maßstab gemessen werden.

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Thomas Knüwer 20. Mai 2011 um 14:53

@Jan Söfjer: Das ist ja genau die Frage. Nehmen wir an, Pfister hätte nicht über eine Modelleisenbahn geschrieben, sondern exklusiv darüber, dass Seehofer ein bestimmtes Rentenmodell durchsetzen will. Dann hätte er selbstverständlich die Quellenlage beschrieben: „Wie aus dem Umfeld verlautet“ und ähnliche Formulierungen sind komplett normal.

Und deshalb muss die Frage erlaubt sein: Ab wann darf ein Journalist die Quellenlage verschweigen?

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Jan Söfjer 23. Mai 2011 um 17:07

Hätte er denn schreiben sollen: „… wie Seehofer und Spiegel-Redakteure erzählt haben und auf Fotos zu erkennen ist“? Man muss nicht die Quelle jedes einzelnen Fakts angeben. Das wäre wissenschaftliches Arbeiten, nicht Journalismus. Ich vermisse die Quelle in dem Text nicht, ich glaube Pfister einfach und ich glaube der Spiegel-Dokumentation.

Stefan Willeke hat auch was zur Debatte geschrieben – das beste, das bisher dazu wurde. http://reporter-forum.de/index.php?id=117&tx_rfartikel_pi1[showUid]=505&cHash=51c28046a88d440001e9ef96f0d5a5b2

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