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Es könnte sein, Menschen erkennen mich nicht wieder, begegnen sie mir bei einem der Spiele meines bevorzugten Fußball-Vereins, dem SC Preußen Münster. Denn dort verliere ich, höflich gesprochen, auch mal die Contenance. Damit bin ich ja nicht allein. Wer Anhänger eines Sportclubs ist, der leidet mit, jubelt mit, er flucht und schreit – und beleidigt auch mal wahlweise den Schiedsrichter, gegnerische Spieler oder den DFB.

Die gleichen Personen aber benehmen sich durchaus anders, bewegen sie sich in der Vip-Loge eines Geschäftspartners. Das ist nur logisch: Dort sind sie identifizierbar. In der Masse Gleichgesinnter geht das nicht. Je anonymer ein Mensch sich bewegen kann, desto eher ist er geneigt, gesellschaftliche Restriktionen zu überschreiten.

Das ist auch im Internet so. Je anonymer, oder besser: pseudonymer, ein Angebot ist, desto eher werden Konversationen ausfallend.

Das erleben seit Jahren Zeitungen und Zeitschriften mit Kommentarangeboten. Natürlich lassen sich diese Online-Rubriken moderieren und managen – aber das erfordert eben auch viel Zeit und Personal. Die einen investieren dies, die anderen lassen Kommentarspalten verkommen zum Dschungel der durchgeknallten Politextremisten.

Auch Unternehmen sind von diesem Problem betroffen. Kaum eine endverbraucherorientierte Branche, die nicht klagt über wütende Tiraden in Foren. Und Foren sind eben sehr, sehr oft Angebote, in denen ein Pseudonym für Nutzer reicht.

Doch es gibt eine Lösung. Und sie heißt Facebook.

Die Nutzung von Facebook macht mit einem Pseudonym nicht recht Spaß. Denn so finden mich nur jene, zu denen ich ohnehin Kontakte pflege. Die meisten Menschen aber möchten auch alte Kontakte wiederbeleben und sind neuen gegenüber offen. Dafür aber ist der echte Name als Identifikation nötig. Pseudonyme existieren auf Facebook zwar – aber sie machen einen sehr, sehr geringen Prozentsatz der Nutzer aus.

Stern Online lässt Kommentare künftig nur  noch via Facebook zu. Ein höchst spannendes Experiment. Und ich glaube: Es wird gelingen. Darauf deuten auch die Erfahrungen der Deutschen Eishockey-Liga mit ihrer Facebook-Seite hin. Wird noch weiter geflucht? Ja, klar. Aber nicht in einem Ausmaß, dass die Kommunikation unappetitlich macht.

Und so könnte sich bald schon etwas fast revolutionäres ermöglichen: Kommentare von Verbrauchern auf Unternehmens-Homepages. Die Firmen könnten so auf Facebook spielen – und in ihrem eigenen Reich. Ob die Verbraucher das dann gut finden werden – das ist eine offene Frage


Kommentare


Till 3. März 2011 um 19:56

Weiß nicht. Einen Facebook-Account zu erstellen, ist eine recht schnelle und einfache Sache. Wenn sich dieses Modell durchsetzen sollte, bekommt mein Troll-Account bei faz.net halt noch eine Facebook-Seite mit generischen Angaben und Bild. Und einen „Plausibilitätscheck“, dass man prüft, wieviele Freunde ein neu angemeldeter Teilnehmer auf Facebook hat, halte ich für unwahrscheinlich – dafür gibt es immer noch zu wenig Teilnehmer bei Facebook.

Außerdem Datenschutz usw., was bei Kommentaren ein hochbrisantes Thema ist.

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Alexander S. Krippahl 3. März 2011 um 20:04

Interessanter Vergleich. Aber greift er nicht zu kurz bzw. ist die logische Kette nicht eine andere? Denn: Auch in einer Fußgängerzone bin ich einer in der grauen Maße. Und dennoch fluche , pöbele oder schreie ich den Kirschenverkäufer nicht an. Ich benehme mich im Stadion anders, weil ich einen Grund habe: Die Euphorie, das Spiel etc.

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Ari 3. März 2011 um 21:50

Wer meine Meinung nurnoch in Verbindung mit meinen persönlichen Daten möchte oder eine Registrierung bei einem „Social Network“ als Grundlage benötigt, der wird darauf verzichten müssen.

Das schmerz vielleicht niemand, da meine Komentare nicht wichtig genug sind, aber es macht mich doch nachdenklich. Ich denke bei den Redaktions-, Registrier und Kontrollierbemühungen vieler Nachrichtenseiten wehmütig an heise.de. Ja dort herrscht oftmals Anarchie gepaart mit einem manchmal rauen Ton. Trotzdem kommt man dort zurecht und niemand muss dabei „die Hosen runter lassen“ wer er ist und was er im Leben und privaten tut.

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Kommentierer 3. März 2011 um 23:49

Ändert sich etwas, wenn man weiss, das Kameras einen filmen ?
Gab es bei der Fußball-WM in Südafrika Hooligans ?

Wenn jemand immer seinen Namen offen nennen muss, kann ein mittlerer Manager beispielsweise nie beklagen, das er 24-monatige Knebel-LTE-Verträge abschliessen soll, und er lieber für 3 monatige Maximal-Laufzeiten bei LTE und Handy-Verträgen ist. Alle „Entscheider“ werden zu kritiklosen „Radfahrern“, weil ihre Kommentare lebenslang bei Facebook sichtbar sind und man es sich nicht mit potenziellen Arbeitgebern oder Geschäftskontakten verscherzen will.

Unternehmen die keine treuhänderischen notariellen anonymen Briefkästen haben, sollten eigentlich kein Testat kriegen. Dasselbe gilt für den Staat.
Aber wenn man an der Macht ist, knipst man Kritik in der Hierarchie lieber aus.
Der Kunde bezahlt dann Chrome-6-Folgen oder wahllose Kredit-Vergabe oder „wenn man sich buchstabengetreu an die Regeln hält, kann man jedem Unternehmen ein AAA-Kredit-Rating geben“.
Wie weit wäre jemand noch gekommen, der sich beim Bundestag über die gefälschte Dr.-Arbeit beschwert hätte ?
Fiktives Beispiel: Die Gutti-Fans bei Facebook werden beim Harz4-Amt auf eine Liste gesetzt. Wenn sie arbeitslos werden, wird ihnen die Einberufung geschickt… Freiwilligen-Armee. SCNR.

Wenn man keine Angst vor Machtmisbrauch haben müsste, könnte man konstruktive oder zumindest nachvollziehbare Kritik auch offen äußern. Aber dann hätten wir auch so wenig Staats-Schulden wie China (ja – eine böse Diktatur) und die Demokratie würde funktionieren statt abzusaufen.

Die Frau die den Landesfürsten demokratischer bestimmen wollte, wurde auf Männer- und Alkohol-Geschichten nachgeforscht und aus der Partei gemobbt. Frauengeschichten machen einen hingegen zum Landes-Vater… .
Der Finanzchef der die Grundstücke nicht optimistisch bewerten wollte, wurde rausgemobbt.
Usw… .

In der UBahn schauen alle weg. Das tun sie in Foren auch, so das Fehlverhalten nicht sanktioniert wird und die Hooligans oder ATTACs marodieren können. Geht mal auf eine Gewerkschafts-Demo. Da sind alle brav. Es wäre ehrlos, anderen Arbeitern die in der Straße stehenden Autos abzufackeln und Betreuer(„Aufpasser“) sorgen dafür, das man z.B. nicht wahllos Müll wegwirft. Gleiches Spiel (Demonstration), unterschiedliche Moral und unterschiedliches Ergebnis.

Wenn man in der Schule Unfug macht, kommt man nach vorne dran und muss was vorrechnen oder Fragen beantworten. Sowas gibts in Foren leider nicht, ginge aber abgeschwächt. In Foren wird meist nur primitiv deletet. Siehe Wikipedia.DEleterland .

Modernere Foren-Mechanismen wären vermutlich auch ohne Realname-Pflicht wirksam. Aber das wären genau die Foren, die Drücker-King und die Freiwilligen-Adelz-Miliz vernichten wollen würde, weil konstruktive Kritik der Feind des organisierten Bösen ist. Also lieber angepasst das tun, was alle tun: Foren als Pseudo betreiben um Leuten die Zeit zu stehlen statt mal konstruktiv gegen die Miswirtschaft zu diskutieren. Das wäre möglicherweise schädlich gegen die Volksschmarotzer, die sich inzwischen aber wohl alles leisten dürfen.

Gute Reporter würden beispielsweise übers Forum Feedback und Zusatz-Infos einsammeln und damit die Print-Artikel einen Tag oder eine Woche später oder beim nächsten Quartal-Bericht zu dieser Firma oder zum IPad3-LTE verbessern.
Wenn zu einem Thema ständig Meldungen kommen, bedeuten Zusatz-Infos, die nicht in der PR-Meldung stehen, einen Vorteil.

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Marc 4. März 2011 um 10:07

Weiß nicht. Dann reicht ja schon ein Blick auf Facebook, um zu sehen, wo einer überall kommentiert hat. Und warum muss das über Facebook laufen? Warum macht der Stern nicht was eigenes auf? Ist das so aufwändig?

Bei dem ganzen Zeug was Facebook nach noch über einen hinausposaunt, ist mir das einfach zu viel. ;ir hat’s ja schon gereicht, als ich auf meiner Pinnwand las, dass ich die Facebook-App auf meinem Handy installiert habe. Das war zwar richtig, aber dass ich sie nach zwei Minuten wieder gelöscht hatte, stand da nicht.

Und wer sagt mir, dass meine Einstellunge nicht irgendwann von Super-Usern die bezahlen (bei Xing sieht man als Abonnent ja auch mehr) ignoriert werden können? (Ist jetzt aber ein generelles Facebook-Problem bei mir.)

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mark793 4. März 2011 um 15:20

Auf mich macht diese Maßnahme, das Kommentar-Handling gewissermaßen zu Facebook auszulagern, einen ziemlich defensiven Eindruck (wie überhaupt das ganze Angebot stern.de). Spiegel Online hingegen managt die Kommentare mittlerweile sehr professionell und effizient, so dass ich mich da ab und zu tatsächlich freiwillig durchs Meinungsbild im Forum klicke. Die Zeit macht da auch einiges richtig im Community-Management, und eine wirklich starke Online-Marke müsste sich nicht ohne Not in Abhängigkeiten von Facebook begeben.

Im Übrigen finde ich nicht, dass ein pseudonymes Facebook-Profil das Spaßpotenzial auf dieser Plattform nennenswert schmälert – abgesehen davon, dass natürlich stets das Damoklesschwert der Accountlöschung über einem hängt. Aber zum Rumkommentieren werde ich diese Präsenz wahrscheinlich eher nicht nutzen.

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flatter 4. März 2011 um 15:23

Eine Empfehlung für die denkbar übelste Datenkrake, mit dem Argument, dass das funktionieren kann, na Bravo! Facebook ist ein Genickschuss für jeden Datenschutz, dort finden Datenabgleiche statt, die sich eine Diktatur kaum erlauben dürfte, aber wenn es sich nur rechnet, ist das in Ordnung?
Dass schließlich die ‚freie Presse‘ Meinung nur noch zulässt, wenn sie als Unternehmen in Kooperation mit einem anderen Unternehmen private Daten ihrer Leser verhökern darf (und sei es auch nur mittelbar), das ist jetzt die Lösung für die Diskussionskultur im Netz? Ich bin fassungslos.

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Hannes Konradi 4. März 2011 um 20:47

Also gleich alle Gedanken und Daten und auf die Wolke?

Will man denn mit allen in Kontakt treten, die einen über Facebook oder alle anderen Netzwerke kennenlernen und zu ihrem Freundeskreis hinzufügen wollen? Kann man all das lesen und verarbeiten, was einem so zugetragen – eher aufgedrängt wird? Wer hat diese Zeit? Auch für einen engagierten Berater hat ein Tag nur 24 Studnen- so wie für einen Familienknecht. Ich denke, die Vielfalt der Begegnungsmöglichkeiten im Netzt macht es interessant. Nicht das Begegnenmüssen. Abgesehen davon, dass irgendwo ganz viele Daten herumliegen…

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RCB 4. März 2011 um 22:14

Super Idee, da ja eh‘ nur Besinnungslose ein privates Facebookkonto haben (kleiner Hinweis für die Early Adopter, die nicht wissen was abgeht: Heutzutage ist FB-Account machen nur noch mit zwangsweiser Angabe einer Telefonnummer möglich), hat man damit gleich das Forum am Start, dass sich die moderne Qualitätspresse wünscht und das kritische Publikum schön stillgefiltert.

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Facebook neues Kommentarsystem: Das Schweigen der Nutzer » netzwertig.com 8. März 2011 um 8:39

[…] die Qualität der Leserkommentare – darüber scheint im Web Einigkeit zu herrschen. Berater Thomas Knüwer rechnet damit, dass so demnächst auch über Facebook realisierte Kommentare von Verbrauchern auf […]

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Nordbergh 9. März 2011 um 18:41

So so, werter Herr! Sie meinen also, im kontextlichen Rahmen einer Sportveranstaltung mit Wettbewerbscharakter etwa durch tendenziöse Zuneigungsbekundungen in Richtung eines der teilnehmenden Teams, Ihre Contenance in die freie Wildbahn entlassen zu dürfen!?
Dann empfehle ich den Besuch eines offenbar intellektuell „stärker“ besetzten Fanumfeldes aus dem Bereich Ballsportart – etwa, ganz willkürlich ausgewählt, beim 1. FC Köln.
Sie werden feststellen, dass ein nicht verschwindend zu schmähender Anteil des umfassend fachkundigen Publikums vor Ort sich vorrangig durch differenzierte Betrachtungsweisen, sachliche Kommentare zum Spielgeschehen und Vermeidung von mit Schmähungen eingefärbte Zwischenrufe auszeichnet. Hier wird noch die sachliche Diskussion, der Austausch subjektiver Beobachtungen und Einschätzungen in geistreicher Atmosphäre gepflegt.
Deswegen muss ich das Ablegen sprachlicher Indizien für gutes Benehmen schon im kleinsten Rahmen ablehnen – auch bei kommerziellen Veranstaltungen der mannschaftlichen Leibesertüchtigung. Vielleicht findet ja die zahlreich vermutete Anhängerschaft des – auch mir ungewollt heimisch angebundenen – SC Preußen Münster in diesen wenigen Worten Anregungen für eine zukunftsorientierte Fankultur. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. 🙂

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