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Es ist eine verrückte Idee. Und wahrscheinlich wird es nicht klappen. Doch wenn wir alle verrückten Ideen direkt begraben würden, dann führen wir heute wohl noch immer mit Postkutschen durch die Gegend. Diese Idee ist kleiner. Weniger bedeutend. Aber gelänge ihre Umsetzung, wäre sie ein deutliches Signal.

Gestern veröffentlichte Carta einen ziemlich großartigen Text des geschätzten Mario Sixtus. Es handelt sich um einen offenen Brief an die deutschen Verleger in Sachen Leistungsschutzrecht mit der Überschrift „Ja, habt Ihr denn überhaupt keinen Stolz?“. Und hiermit sei dieser Text ohnehin zur dringenden Lektüre empfohlen. Auch ich bin bekennender Gegner jener Lüge namens Leistungsschutzrecht.

Martin Oetting kam auf die Idee, Geld zu sammeln um diesen Text in eine Print-Anzeige ein einem überregionalen Medium zu verwandeln, zum Beispiel in der „FAZ“. Es ist eine Idee, die ich voll und ganz unterstütze und für die ich selbst gespendet habe. Dummerweise kostet so eine Seite „FAZ“ noch immer 30.000 Euro. Verdammt viel Geld. Spenden können Sie bereits über die Plattform Betterplace.

Nun kann ich verstehen, wenn es Menschen gibt, die jene Idee ungut finden. Schließlich finanziert man so jene, die kritisiert werden sollen. Das Argument ist stichhaltig. Aber: Ich wünsche mir ja, dass der Journalismus weiter existiert. Verlage an sich sind nicht das Böse – sie werden nur absurd schlecht gemanagt. Jene Köpfe in den Verlagen, aber auch viele Journalisten, scheren sich nicht darum, was im Internet so steht. Eine Print-Anzeige im eigenen Blatt (oder einem respektierten anderen Medium) wäre ein Aha-Effekt.

Das trifft auch auf die andere Zielgruppe zu, die ich sehe: die Politik. Für die meisten Volksvertreter sind digitale Medien nicht vertrauenswürdig – oder, noch wahrscheinlicher, nicht auf dem Radarschirm. Das ist traurig, aber wahr. Auch hier würde eine Print-Anzeige einen Überraschungseffekt auslösen.

Dieses Projekt zielt also ganz klar nicht auf den Normalbürger – sondern auf die Rückständigen, die Offliner. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir mit ihnen einen Dialog brauchen. Doch den lehnen sie bisher ab, besser: Sie reagieren nicht auf solche Offerten. Als schlagendes Beispiel darf da „Waz“-Geschäftsführer Bodo Hombach gelten.

Ob eine Anzeige mit dem Sixtus-Text eine Wende einleitet? Vielleicht, sicher bin ich auch nicht. Aber es wäre den Versuch wert. Weshalb ich Sie bitte, zu überlegen, morgen ein paar Böller weniger knallen zu lassen und dafür ein paar Euro für dieses Projekt zu spenden. Sixtus statt Böller, sozusagen.


Kommentare


ulrike reinhard 30. Dezember 2010 um 16:30

Ich würde die Zeitungen fragen, ob sie es nicht umsonst
drucken … angefangen bei der TAZ … und sie können ja ein
wunderschönes Thema daraus machen …! Ein Versuch wäre es
wert!

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Sebastian Sellhorst 30. Dezember 2010 um 16:45

Bescheuerte Idee. Gefällt mir. 🙂 30.000 ist ne Menge Geld, aber bestimmt machbar.

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Martin Oetting 30. Dezember 2010 um 16:48

Ja, das ist der entscheidende Punkt. Ich persönlich bin auf
gar keinen Fall prinzipiell gegen die klassischen Medienhäuser.
Daher finde ich es auch nicht falsch, denen Geld für eine Anzeige
zu überweisen. Das ist das Modell, über das jahrzehntelang
Journalismus hierzulande finanziert wurde, und daran ist nichts
auszusetzen. Das Problem entsteht nur dann, wenn sie – wie Mario
das so schön formuliert hat – einer globalen freiwilligen
Mitmachveranstaltung (Internet) mittels Lobbyarbeit ihre
Geschäftsziele aufzwängen wollen. Das lehnen wir ab. Und das würden
wir gern an einer Stelle sagen, an der das auch jene lesen, die
überwiegend offline sind. Ist natürlich teuer, sowas. Mal gucken,
wie weit wir kommen.

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Uwe 30. Dezember 2010 um 16:53

10 Euro. Hoffe das hilft schon ein bisschen was. Das
Perfide finde ich, einen Haufen Dreck seriös zu benennen. Statt
„L*istungsschutzrecht“ würde ich das überall so nennen, wie es sich
tatsächlich auswirkt. „Verlegerabzockermächtigung“ z.B. Heißt ja
auch „Pornoscanner“, und das zurecht.

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Chris Kurbjuhn 30. Dezember 2010 um 17:11

Ich frage mich, ob das WIRKLICH eine gute Idee ist. Eine Anzeige in einem Printmedium schalten, um die Macher desselben auf die eigenen Ideen aufmerksam zu machen? Stellt man sich da nicht mit diesen ganzen peinlichen e.V.s auf eine Stufe, die per Anzeige vor der unmittelbar bevorstehenden Währungsreform warnen oder die Wiedereinführung der D-Mark fordern?

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Sebastian Sellhorst 30. Dezember 2010 um 17:33

Vielleicht einfach mal als Leserbrief schicken. Gleiche Wirkung nur nicht so teuer.

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PS 30. Dezember 2010 um 17:35

Da ich den Journalismus fördern will, gebe ich mein Geld lieber über die Wau Holland Stioftung (www.wauland.de/) an Wikileaks.
Den Kartellverlegern und deren hörigen „Journalisten“ rufe ich zu:
„geht sterben“.

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Andy 30. Dezember 2010 um 18:09

Ich mag den offenen Brief und hab ihn auch selbst weiter
verbreitet. Full Disclosure: Ich arbeite selbst bei einem großen
Verlagshaus, allerdings hab ich mit den Kollegen, die tatsächlich
das gedruckte Blatt produzieren, wenig zu tun. Traurig finde ich
bei der Diskussion jedoch, dass sie sehr einseitig stattfindet. Es
GIBT Blätter, bei denen der Online Teil sehr wohl gut funktioniert.
Wo sauber recherchiert wird und wo es auch sinnige
Finanzierungsmodelle für die Gegenwart gibt – nicht nur für wieder
herbei gesehnte vergangene Zeiten. Hier fällt mir zum Beispiel ZEIT
ONLINE ein (das sind nicht wir, daher kann ich die auch fremd
loben).

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vranken 30. Dezember 2010 um 19:16

Was für ein Blödsinn! Mario hat einen schönen Text
verfasst, dem ich mich weitgehend anschließen kann. Dennoch, ist es
ziemlich sinnlos über eine Anzeige einen Diskurs zu so einem Thema
anstoßen zu wollen. Es sei denn man möchte einen kleinen PR – Coup
landen, wenn die Zeitung die Anzeige (aus irgendwie
nachvollziehbaren Gründen) ablehnt. Außerdem plädiere ich für eine
rhetorische Abrüstung bei diesem Thema. Ich bin mir ziemlich
sicher, dass die wesentlichen Verleger längst begriffen haben, dass
das Leistungschutzrecht, wie es von den Verbänden gefordert wird,
nicht die geringste Umsetzungschance hat. Auch in der Politik wird
das nach meiner Einschätzung mittlerweile so gesehen. Also warum so
viel Aufregung um ein Thema, das eigentlich schon „durch“
ist?

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Leistungsschutzrecht – Spendenaktion « flippah 30. Dezember 2010 um 19:24

[…] (via Indiskretion Ehrensache) […]

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Thomas Knüwer 30. Dezember 2010 um 19:40

@vranken: Ein Disclosure Ihrerseits wäre nett gewesen. Ich hol das mal nach…

Herr Vranken ist Geschäftsführer von Kalaydo, einem Online-Anzeigenportal, das mehreren Lokalzeitungen gehört. Entsprechend neutral ist er einzuschäten.

Lieber Herr Vranken, wenn Sie tatsächlich glauben, die Verleger meinten das nicht mehr ernst mit dem Leistungsschutzrecht, dann sollten Sie mal mit den Geschäftsführern Ihrer Mutterhäuser reden.

Tatsächlich sind diese so unverschämt und ohne Ehre weiterhin nach staatlichen Subventionen in Form des Leistungsschutzrechtes zu betteln.

Rhetorische Abrüstung? Nicht solange Medien-Stalinisten wie Herr Heinen und Herr Konken nicht vorangehen.

Bis dahin sollten wir versuchen zu verhindern, dass die Medienhäuser die nächsten Kohlesubventionen werden: die Behinderung des Fortschritts durch künstliche Beatmung misgemanagter und sterbender Industrien.

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Netzbürger Brenrhad » Sixtus-Knaller statt Silvester-Böller 30. Dezember 2010 um 19:53

[…] Thomas hat völlig recht: “Ich wünsche mir ja, dass der Journalismus weiter existiert. Verlage an sich sind nicht das […]

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Brett 30. Dezember 2010 um 20:00

Ich verstehe das nicht: Warum muss denn etwas in den
angeblich so sterbensüberflüssigen Zeitungen veröffentlicht werden,
was im Internet bereits zu lesen ist? Was fehlt dem Hieb denn noch
an Kraft? Die Verleger haben das Stückchen längst alle gelesen. Die
Glosse von Sixtus ist sicherlich wichtig und richtig. Sie trägt
aber nichts zur Lösung bei. Den Zeitungen zuzurufen „Haut doch ab
und geht sterben“, ist jedenfalls eine der grandiosesten
Kursichtigkeiten, die ich in diesem Jahr zum Problem der
Finanzierbarkeit der demokratischen Öffentlichkeit gelesen habe.
Wenn’s die TAZ wäre, würde ich ja spenden. Da würde wenn nicht die
Anzeige, so doch wenigstens das Geld Gutes tun.

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Aerar » Lesetipp: Leistungsschutzrecht 30. Dezember 2010 um 20:24

[…] macht und sie entsprechend bloßstellt. Darüber hinaus
gibt es bereits Pläne, diesen Text als ganzseitige Anzeige in
Printmedien zu veröffentlichen, um auch außerhalb des Internets auf
die Pläne der Verlage aufmerksam zu machen. Die Pläne sind
[…]

Antworten

hape 30. Dezember 2010 um 21:19

Sicher ist der Zeitungszoll im Internet unsinnig. Was mich aber bei diesem „Offenen Brief“ stört: Der Schreiber ist selbst gebührenfinanziert, durch Aufträge öffentlich-rechtlicher Anstalten. Wenn jemand den Zeigefinger hebt, der u.a. von Gebühren lebt, die für eine diffuse Leistung erhoben werden, weil andere so was auch haben wollen, dann fällt das für mich unter die Rubrik „Wein saufen und Wasser predigen“ und ist daher nicht unterstützenswert.

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Susi 30. Dezember 2010 um 21:35

Kleiner Tipp: Spenden auch per paypal ermöglichen (oder
habe ich da was übersehen?!) Ich habe bei einer
Online-Spendenaktion damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Innerhalb
kürzester Zeit kamen damals 20.000 Euro zusammen.

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Gegen „Leistungsschutzrecht für Verleger“ – Für „@Sixtus statt Böller“ | Schlatterblog 30. Dezember 2010 um 23:03

[…] schreibt Thomas Knüwer auf seinem Blog Indiskretion
Ehrensache, er bezieht sich damit auf die momentan laufende
Diskussion um ein Leistungsschutzrecht für […]

Antworten

Links anne Ruhr (31.12.2010) » Pottblog 31. Dezember 2010 um 10:46

[…] Aus aktuellem Anlass: Sixtus statt Böller
– Eine Initiative gegen das von den Verlegern geforderte
[…]

Antworten

DIY-Blogschau: Sylvesterideen | D I Y 31. Dezember 2010 um 15:03

[…] Oder man spendet sein Geld für die weniger
karitative, dafür mehr netzpolitische Aktion „Sixtus
statt Böller“ damit der Offene Brief von Mario Sixtus zum
Leistungsschutzrecht in einer Tageszeitung als […]

Antworten

Christopher 31. Dezember 2010 um 16:26

Für eine Anzeige, die ja speziell an „Offliner“ gerichtet
ist, eignet sich der Originaltext nicht. Was kann ein
durchschnittlicher FAZ-Leser ohne Interneterfahrung mit Begriffen
wie „SEO“ oder News-„Aggregator“ anfangen? Also eine spezielle
Print-Variation des Briefes veröffentlichen oder andere
Vorschläge?

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Jan 1. Januar 2011 um 14:45

so ich hoffe 25 euro bringen was. Wäre ja schön diese Anzeige zu sehen. Das erste was ich 2011 gemacht habe, eine Spende 🙂

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Sixtus statt Böller (II) 16. März 2011 um 9:28

[…] dieses Ziel bat ich auch hier um Spenden. Das hoch gesteckte Ziel wurde verfehlt. Aber: Erstaunliche 192 Spender gaben genug, damit die […]

Antworten

Daily Digest for July 27th | Matthias@web:~$ 27. Juli 2011 um 20:24

[…] Shared Sixtus statt Böller. […]

Antworten

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