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Gestern geschahen zwei Dinge, die scheinbar nicht miteinander in Verbindung stehen.

Zum einen verkündete die Großwerbeagentur BBDO, ihre Digital-Tochter Proximity in einen neuen Ehrenstand zu erheben. Am 1. April (kein Scherz) heißt das gesamte Unternehmen BBDO Proximity.

Zum anderen gab Hubert Burda dem Mediendienst Meedia ein Interview (nun weiß ich nicht, ob dies tatsächlich gestern oder früher stattfand – aber nehmen wir dies einfach mal so an).

Das Gespräch mit dem Verleger wirkt wie aus der Zeit gefallen. Altbacken. Und leider wagt Meedia nicht, kritische Fragen zu stellen. Doch einige Grundannahmen Burdas zeichnen ein deutliches Bild vom Veränderungsunwillen deutscher Print-Häuser. Zum Beispiel, dass unbedingt eine große Redaktion für die Erstellung von Inhalten nötig sei. Dass Google Suchergebnisse manipuliert, weil es doch nicht sein kann, dass wer in der Print-Welt groß ist nicht automatisch bei Google groß wird. Dass irgendwo ein ökonomisches Gesetz existiert, dass sagt: teuer erstellte Inhalte müssen honoriert werden. Dass ein deutscher Verlag nicht mithalten könne mit Google, obwohl die Suchmaschine einst auch nur mit zwei Personen und ohne Geschäftsmodell startete.

Fast logisch, dass Burda auf die Frage, ob sein Problem nicht eine Generation ist, die keine gedruckten Produkte mehr liest, gar nicht erst eingeht.

Gestern nun gab es eine weitere Meldung, die einen Hubert Burda vielleicht gar nicht interessiert – dabei ist sie eine hundsmiserabel schlechte für ihn. Sie ist ein Omen, dass alles noch viel, viel schlimmer wird – und das sehr, sehr bald.

BBDO nämlich betont die Bedeutung seiner Digital-Aktivitäten mit der Umfirmierung zu BBDO Proximity. Michael Schipper, Chef der Multimedia-Tochter Proximity, rückt außerdem als COO in die Geschäftsführung. Ein Zeichen der Zeit: Grey hat dies ebenfalls gemacht und heißt jetzt Grey G2, DDB hat sich Tribal angeklebt.

Warum das eine schlechte Nachricht für Hubert Burda ist? Weil Werbeagenturen Karrieren bieten. Und für all Ameisen der werbenden Wirtschaft ist das Signal nun klar: Willst Du nach oben, biete Kompetenz in Sachen Digitalia. Doch wer diese Kompetenz demonstrieren will, der muss Kampagnen entwerfen. Beim Kunden trifft er in Sachen Online dabei nicht immer auf offene Ohren. Viele Unternehmen lassen erst komplette Produkte erdenken, inklusive Design und Werbekampagne. Am Ende bleiben dann ein paar Zehntausend Euro über und die dürfen dann im Web verpulvert werden – egal wie.

Stück für Stück aber werden die Werber auf integrierte Kampagnen dringen und dabei den Schwerpunkt immer weiter wegschieben von der klassischen Werbung, jenem Feld, das nicht mehr so karriereträchtig erscheint.

Und natürlich: Auch die Mediennutzung spricht für eine massive Verschiebung der Marketing-Etats. Aber in der Atmosphäre der Werbeagenturen steht der eigene Lebensweg meist vor dem, was für den Kunden besser wäre. Ausnahmsweise gibt es nun eine Überschneidung.

All das bedeutet: Weniger Geld für Print-Objekte, weniger Geld für TV und Radio. Auf 0 werden die Etats nicht direkt geben – aber sie werden eben sehr bald signifikant sinken.

Die Medienhäuser wie Burda ziehen sich derzeit in ihr papierenes Schneckenhaus zurück statt zu erkennen, dass ihre digitalen Plattformen flexibler werden müssen, dass ihre Anzeigen-Außendienstler neu denken lernen müssen, dass sie sich selbst als kreative Dienstleister zur Verfügung stellen müssen.

Stattdessen soll es Print sein, nein, muss es Print sein (gerade ja im Hause Burda). Und natürlich zieht das Geschäft dort im Moment an – Deutschland geht es blendend. Doch am Ende dieser Konjunkturwelle werden die Anzeigen nicht das Niveau vor der Krise erreichen – und es wird wieder abwärts gehen. Noch schneller abwärts als zuvor.

Und deshalb sind diese beiden Ereignisse, das Interview mit Hubert Burda und die Umfirmierung von BBDO, miteinander verwoben. Sie demonstrieren welche fatale Strategiefehler die klassischen Medienhäuser in diesen Tagen begehen.


Kommentare


Giesbert Damaschke 17. November 2010 um 12:57

Wer ein etwas längeres Gedächtnis hat oder einfach nur lang genug dabei ist, der weiß noch, wie Hubert Burda so um 1997 rum bei einer Veranstaltung zum Start von Europe-, Focus-, Uni-, Health-Online in München seinerzeit einen großen roten Knopf als „Startknopf“ für den Aufbrauch ins digitale Zeitalter drückte und verkündete, in fünf Jahren (oder so) werde er keine Printprodukte mehr herausbringen.

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ralf zilligen 17. November 2010 um 12:59

amüsiert nehme ich zur kenntnis, dass ausgerechnet ein so hoch geschätzter schreibender kollege jetzt die innovationsführerschaft im anachronistichsten arbeitsmodell der welt sieht: in werbeagenturen. deine beispiele, lieber thomas, sind signale des letzten zuckens von networks. ha, wie frisch und karriereförderlich doch jetzt die ehemaligen dickschiffe sind…in wahrheit haben jetzt endlich auch die cfo’s verstanden, was kluge kreative und vorausblickende strategen schon vor fünf jahren gesagt und dafür symbolisch gesteinigt wurden: wir verdienen kein geld mehr mit der art und weise, die wir jahrzehntelang unseren kunden verkauft haben. in wahrheit – und das ist das eigentliche generationsproblem, das du im übrigen mit senator burda teilst – menschen werden nur noch in inhalten und geschichten denken, für sie findet es keine erwähnung, ob etwas digital oder auf papier oder als veranstaltung verpackt kommuniziert wird. ich kenne einige familien, in denen wird die nutzung des internets rationiert, um die aufmerksamkeit wieder der „echtzeit-kommunikation“ beim abendessen zu widmen. vielleicht ist ja am ende die darreichungsform von inhalten tatsächlich viel unwichtiger als wir es uns selbst immer wieder einzureden versuchen. solange das aber nicht geschichtlich nachgewiesen ist, haben senator burda, die werbeagenturen und du gleichermassen recht und unrecht.

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Der Ausblick 17. November 2010 um 21:36

Schade eigentlich das sich noch über die Digitalisierung und deren Nichtdurchführung gestritten wird. Viel interessanter ist doch die Frage WARUM machen Läden wie Burda nicht eine echte Änderung wie Produkte gemacht werden. Würde man die nicht in politischen Gremien sondern mit der richtigen Methodik entwickeln, kein Mensch würde eine solche Entscheidung treffen wie sie immer über den Äther gehen.
Ganz ehrlich, die deutschen Verlage sind einfach nur Lamer (in Internetsprache) mit durch die Bank bescheidenen Produkten. Wenn der Müll den ich am Kiosk kaufen soll, deren Ernst ist, dann bin ich mal wieder auf Google. Aufmerksamkeitsökonomie.

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Lesetipps für den 18. November | Netzpiloten.de – das Beste aus Blogs, Videos, Musik und Web 2.0 18. November 2010 um 9:13

[…] 2.0 Hubert Burda und das Omen namens BBDO Proximity: Der Werbemarkt (b)rüstet sich für und mit dem Web. Nur einige unbeugsame Verleger wollen […]

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Verqueres: Verleger Hubert Burda über Google, Web TV und Leistungsschutzrecht 18. November 2010 um 15:25

[…] Knüwer: Hubert Burda und das Omen namens BBDO Proximity Artikel mit Anderen […]

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Heiner Weigand 18. November 2010 um 19:35

Leider wurden die Online-Agenturen in den vergangenen 15 Jahren (!) nicht müde, den Kunden immer wieder zu erzählen, dass Online-Werbung messbar (CpC) und mithin die Ford’schen verlorenen 50 Cent nun endlich gefunden seien. Die Folge war aber nicht etwa die große Krötenwanderung von den zwar irgendwie markenbildenden Print-Teichen zu den click-effizienten Laichgründen der Online-Titel. Vielmehr kam und kommt es zur Verramschung der Online-Werbung. Schlechte Kreation, nervige Werbemittel, Ad-washing-tools und ein Marktanteil an Werbeetats der nicht das geringste mit der tatsächlichen Mediennutzung zu tun hat, zeichnen das heutige Bild von Online-Advertising.

Insofern gebe ich dem Verleger recht. Nicht CpC sondern Markenführung durch prägnante und relevante Werbung und Werbemittel in (um im Bild zu bleiben) nährstoffreichen Teichen (ganz gleich ob Online oder Print) muss der Weg sein. Dass Hubert Burda nur auf seine Print-Titel setzt ist grob fahrlässig – er müsste es eigentlich besser wissen. Bleibt zu hoffen, dass BBDO Proximity (und die anderen Agenturen) mit tollen crossmedialen Kampagnen und guter Kundenberatung die Wende einläutet.

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bingfan 19. November 2010 um 13:32

Burda ist ja auf beiden Seiten des Marktes unterwegs, als Einkäufer und Verkäufer von Reichweite.

Die http://www.burdadigital.de/ kauft sich Reichweite via CPC ein und baut damit (und massiver Suchmaschinenoptimierung) Online-Reichweiten für Shops, Heiratsvermittler, Reisebüros etc. auf. Das rentiert.

Auf der anderen Seite funktionieren in so einem Markt die journalistischen Angebote nicht. Ich kann ja nicht gleichzeitig als Reichweitenkäufer nur den Click (oder besser noch: den Kauf) vergüten und als Reichweitenverkäufer auf einmal auf „Branding“ bestehen.

Es wäre für Hr. Burda ja ein Leichtes, seinen Konzerntöchtern beim EINKAUF zu sagen: achtet auf die journalistische Qualität der Umfelder, bezahlt pro Sichtkontakt statt Click, belegt doch endlich unsere eigenen journalistischen Angebote mit Werbung. Dann fiele es seinen VERKÄUFERN auch leichter, selbiges zu fordern.

Warum ändert Herr Dr. Burda nicht sein eigenes Einkaufsverhalten zuerst und fordert selbiges dann vom „Markt“ ?

Das wäre einmal Markt-Führerschaft.

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Siggi 19. November 2010 um 18:00

Proximity hat alles, aber garantiert keine Digitalkompetenz.
Da hat Ralf mit seiner „Innenansicht“ schon recht: Die Zeit der Dinos ist vorbei. Das ist auch dort nur noch das letzte Zucken…

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Klassentreffen der Printveteranen und der Kampf um die Aufmerksamkeit im Netz « Ich sag mal 22. November 2010 um 17:55

[…] Hubert Burda und das Omen namens BBDO Proximity. […]

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