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Heute wetterte ich wieder einmal gegen die Unart deutscher Verlage, sich nicht gegenseitig zu verlinken. Würden sie dies tun, bekämen Exklusivgeschichten fast sofort mehr Leser – und somit ihre Medienhäuser mehr Anzeigeneinnahmen.

Konstantin Neven DuMont hat daraufhin etwas sehr interessantes kommentiert, das ich hiermit hervor heben möchte. Er ruft die Verlage dazu auf, sich zu verlinken:

„Die Förderung des investigativen Journalismus durch eine stärkere Verlinkung fordere ich schon seit Jahren. Mein Kommentar “Orientierung in der digitalen Welt” beschäftigt sich ebenfalls mit diesem wichtigen Thema. Der gesamte Beitrag erscheint am kommenden Samstag in der Frankfurter Rundschau. Hier ist ein Textauszug:

“… Die Digitalisierung hat zu einer historisch einmaligen Situation geführt. Nie zuvor waren so viele Daten, Fakten, wissenschaftliche Erkenntnisse und Meinungen öffentlich verfügbar. Prinzipiell ist das eine begrüßenswerte Entwicklung. Es bietet zum Beispiel die Chance, dass Wählern und Verbrauchern erweiterte Informationsgrundlagen für ihre jeweiligen Entscheidungen zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite bedeutet es aber nicht zwangsläufig, dass die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit dadurch aufgeklärter ist.

Die Informationsbeschaffung des Einzelnen unterliegt individuellen Verhaltensweisen, was zu einem unterschiedlichen Maß an Informiertheit aller Beteiligten führt. Von einigen Politikern oder Wirtschaftslenkern wissen viele Bürger zum Beispiel gar nicht mehr genau, wofür sie im Einzelnen wirklich stehen. Diese Entwicklung ist insbesondere dann bedauerlich, wenn Entscheidungsträgern, Wählern oder Verbrauchern für sie relevante Informationen nicht zur Kenntnis gebracht werden.

Die Ursachen dieses Problems sind vielzählig. Es liegt aber auch daran, dass viele investigative Enthüllungen den Weg in die Massenmedien gar nicht schaffen. Die Frankfurter Rundschau kann ein Lied davon singen. Als sie zum Beispiel die Missbrauchsskandale an der Odenwaldschule im Jahr 1999 veröffentlichte, machten die anderen „investigativen“ Medien „Business as usual“. Erst zehn Jahre später wurde das Thema, in der Frankfurter Rundschau erneut zuerst und prominent platziert, dann auch von anderen aufgegriffen. Darin liegt das Hauptproblem des Journalismus. Umgekehrt allerdings macht die Presse nicht selten den selben Fehler mit vermeintlichen Wettbewerbern aus den privaten Medien, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder auch bei Bloggern.

Um der verbreiteten Praxis eines wechselseitigen Verschweigens entgegenzuwirken und Missständen mehr Öffentlichkeit zu verschaffen, sollten alle Qualitätsmedien neben ihren eigenen großen investigativen Beiträgen die verdienstvolle Arbeit anderer Medien würdigen – mit kollegialem Respekt und ohne Berührungsängste. Auf diese Weise wird die Reichweite investigativer Recherche erhöht. Auch Blogs, Foren und soziale Netzwerke sollten dabei angemessen berücksichtigt werden. Erst so kann die Digitalisierung dem Gemeinwohl wirklich dienen… ”

Auch wenn sich bislang nur wenige Menschen für dieses Thema interessieren, sollte weiterhin darauf aufmerksam gemacht werden.“

Verleger, hört diese Worte. Und DuMont Schauberg, sei mutig – und geh voran!


Kommentare


Ulrich Voß 2. September 2010 um 16:39

Ob das passiert? Ich glaube es nicht. Die „seriöse“ Presse hat es auch jahrzehntelang nicht geschafft „Bild“ zu schreiben, sondern immer nur „große Boulevardzeitung“. Eine grauslige Formulierung, die man auch heute noch findet.

Und dann sollen die Journalisten die Quelle offenlegen, wo sie sich ihre Story abgreifen? Womöglich die Pressemitteilung verlinken, damit jeder Leser merkt, dass das alles nur abgeschrieben ist? Oder den Artikel der Nachrichtenagentur? Den Blogger oder gar den Tweet? Never ever. Außer es gäbe ein paar große Vorbilder, die das vormachen würden. Ansonsten wird das nur gaaaaanz langsam durch ein paar progressive junge Journalisten in die Redaktionen sickern.

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Bastian 2. September 2010 um 16:41

Ließt sich super, aber der ganze Vorgang folgt der Logik eines Prisoners Dilemmas. Der der verlinkt, verliert, wenn der andere nicht verlinkt. Also verlinkt keiner.

So sterben am Ende alle. So ist das beim atomaren Wettrüsten und voraussichtlich auch in der Verlagswelt (obwohl das wohl nicht ausschließlich an der fehlenden Verlinkung liegen wird)….

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theo 2. September 2010 um 17:05

Die Frage sei erlaubt, inwieweit Herr Neven DuMont hofft, durch eine Verlinkung von Informationen den Personalabbau im eigenen Unternehmen kaschieren zu können.

Von der Stärkung der investigativen Kompetenz im eigenen Konzern, welche er oft genug propagiert hat, ist bislang nichts zu sehen. Na ja, das sind natürlich Kleinigkeiten.

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Konstantin Neven DuMont 2. September 2010 um 17:23

@Ulrich Voß: Sie sollten nicht so kulturpessimistisch sein. In Bezug auf dieses Thema wird sich in den nächsten Jahren einiges tun.

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Markus 2. September 2010 um 19:14

@Konstantin Neven DuMont Es wäre ja schon begrüßenswert, wenn die Online-Angebote großer Tageszeitungen lernen, regelmäßig und konstant untereinander und auf andere Quellen (ich sage nur „Quelle: Youtube“…) äußerst konsequent zu verlinken. Ich mag mir gar nicht ausmalen, welchen Mehrwert sowas z.B. für rivva.de bieten würde – von den Lesern mal ganz abgesehen…

Ich bin gespannt 🙂

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Ari 2. September 2010 um 19:47

„Quelle: Internet“ wie ich letztens wieder lesen musste.

@Konstantin Neven DuMont
„Prinzipiell ist das eine begrüßenswerte Entwicklung. Es bietet zum Beispiel die Chance, dass Wählern und Verbrauchern erweiterte Informationsgrundlagen für ihre jeweiligen Entscheidungen zur Verfügung stehen. “
Trotzdem und gerade deshalb ist es für mich als hauptsächlichen Konsumenten von Informationen enttäuscht den aktuellen Zeitungsmarkt zu sehen. Ich sehe kaum innovative Angebote der Verlage, die meinen Wunsch nach (gerne auch bezahlter) Zuverfügungsstellung von ausgewählten Informationen fördern. Online-Abos sind zumeist „Print online lesen“, oft sogar neben dem Abo der Printausgabe mit Zusatzkosten verbunden. Kein Mehrwert, kein Alleinstellungsmerkmal, dass sie von kostenlosen Informationsmöglichkeiten im Internet abhebt.
Gerade da im Internet viele Informationen kostenlos verfügbar sind sollte man sich durch Kreativität abgrenzen und auf den Wert von guten Informationen herausheben. Dies geht aber nur in Verbindung mit einer ansprechenden und technisch ausgereiften Präsentation die einem klar macht warum man Geld bezahlt und sich nicht wo anders kostenlos informiert.

Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass dies garnicht gewollt ist. Ist es wirklich gewollt, dass alte Printgeschäft zu erhalten? Daneben mit Online/Apps noch einige Euro mitzunehmen und die mögliche Konkurrenz durch lobbyismuserzeugte Abgaben und Gängelung im Griff zu halten?
Das kann doch eigentlich nur eine Sackgasse sein, vielleicht eine lange aber aufjedenfall wird dieser Weg irgendwann enden.

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Hackworth 2. September 2010 um 23:46

„Der der verlinkt, verliert, wenn der andere nicht verlinkt. Also verlinkt keiner.“

Gibt es eine Begründung, warum blogs nicht daran sterben, wenn sie andere verlinken, Verlage aber schon? Mit scheint, dass derjenige gewinnt, der häufig interessante Informationen bieten kann und dazu auch weitergehende Informationen liefert, eben in Form von links.

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Peter 3. September 2010 um 8:15

Alles ein wenig vereinfacht. Ein paar üble Zeitungsenten sind ja doch durch Deutschland geflogen, ob nun verlinkt oder abgeschrieben oder „bezahlt abgeschrieben“ von der Nachrichtenagentur ist wohl egal. Wer auf geprüfte Information verlinkt, tut etwas gutes. Wer auf Unsinn verlinkt, verstärkt die Desinformation. Verlinkung wird Journalismus nicht retten. Er wird zunehmend zum meritorischen Gut. Quellenangaben sind eine Selbstverständlichkeit. Aber die größte Selbstverständlichkeit ist noch immer die eigenen Recherche. Die gibt es auf Dauer nur, wenn adäquate Einnahmen möglich sind. Wer da allein auf Werbung hofft, ist einfach weltfremd. Werbung braucht den benachbart platzierten journalistischen Beitrag nicht.
Deshalb gilt: Hochqualifizierten Inhalt gegen Geld anbieten. Autoren die Wahl geben, ihr Werk mit einem Preis vor dem Download zu versehen, in dem man ein faires System dafür einrichtet und nicht gleich mal 80 % aller Einnahmen und alle Rechte erwartet. Öffentlich-rechtliche Rundfunk-und Fernsehanstalten privatisieren, Gebühr bzw. Beitrag abschaffen, damit das wenige Geld, das Konsumenten ggf. für Information zu bezahlen bereit sind, nicht von vornherein aus dem Markt ist.

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Ulrike Langer 3. September 2010 um 8:17

Na wunderbar, Herr Neven DuMont. Dann gehen Sie doch in den DuMont Blättern gleich mal mit gutem Beispiel voran. Sie sind Verleger, machen Sie das Verlinken von externen Quellen und weiterführenden Informationen zur Direktive. Dann wollen wir doch mal sehen, ob sich in einem Monat zumindest in den DuMont Webausgaben etwas verbessert hat, oder ob Ihr Samstagsbeitrag eine wohlfeile Sonntagsrede war.

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bingfan 3. September 2010 um 8:20

Der Verleger sollte ein Business-Modell dahinter hängen, dann findet das Verlinken auch statt. Am besten einen neutralen Verein gründen „Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verlinkung von Werbeträgern e.V.“, der das Ganze überwacht. Und die Bewertung ist ganz einfach: Pagerank der Site * Anzahl Links.

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Ulrich Voß 3. September 2010 um 17:13

@Konstantin Neven DuMont

Ich bin manchmal sogar noch pessimistischer und habe dann Angst, dass die Verlinkung durch Paywalls (oder Content in Apps) massiv gehindert und am Ende eigentlich sinnlos wird.

Und ich sehe keinen einzigen aktuellen Grund, warum sich die Haltung in Bezug auf Verlinkung der letzten 10 Jahre in den nächsten 10 ändern sollte. Es wird nur dann passieren, wenn irgendwo ein internetaffiner Redakteur bei einer großen Zeitung die Nennung und Verlinkung der Quellen zur Firmenpolitik macht, weil er kapiert, dass man nicht alles selber machen/schreiben muss, sondern auch verlinken kann.

Wenn man sich das Handelsblatt und die Twingly Integration anschaut, sind immerhin die ersten am Ruder, die verstanden haben, dass mehr Links mehr Nutzwert für den Leser bedeuten (können). Aber den armen Redakteuren will man eine manuelle Verlinkung scheinbar nicht zumuten. Keine Ahnung, woran das scheitert …

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Konstantin Neven DuMont 3. September 2010 um 18:45

Der Ausbau des investigativen Journalismus wird auch in Zukunft meine oberste Priorität bleiben.

@Ulrich Voß: Die Verlinkung macht auch bei Beiträgen hinter Bezahlschranken Sinn, weil sie zu interessanten Teasern führen wird. Ein weiterer Klick kostet dann vielleicht fünf Cent. Darin sehe ich eine große Chance. Letztendlich geht es darum, dass nicht noch weitere journalistische Arbeitsplätze abgebaut werden.

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Der Ruhrpilot | Ruhrbarone 4. September 2010 um 8:13

[…] Medien: „Verleger, hört die Worte von Konstantin Neven DuMont“…Indiskretion Ehrensache […]

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Siegfried 4. September 2010 um 15:26

Schöne Theorie. Aber lies mal das hier: http://www.netzpolitik.org/2010/geschaftsmodell-blog-abmahnung-ausblick-auf-leistungsschutzrecht/

Da schlägst Du mit dem Kopf auf die Tastatur auf.

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theo 4. September 2010 um 21:27

„Der Ausbau des investigativen Journalismus wird auch in Zukunft meine oberste Priorität bleiben.“

Da davon noch nichts, aber auch gar nichts in den DuMont-Konzernblättern zu erkennen ist, dürften beim nachrangigen Thema „Verlinken“ wohl in den kommenden vier bis fünf Jahren keine großen Überraschungen zu erwarten sein.

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Ulrich Voß 6. September 2010 um 16:25

Auf Teaser verlinken? Naja, dann wäre das Geschäftsmodell wohl nahe liegend: Man gibt dem Vermittler (=Verlinker) 20% Provision.

Auch wenn ich mir durchaus vorstellen kann, dass das funktionieren könnte, halte ich das genau so utopisch wie ein funktionierendes Micropayment. Das Thema ist ein Jahrzehnt alt und die etablierten Verlage haben rein gar nichts auf die Reihe bekommen. Weniger als ein paar Hacker aus dem Pirate Bay Umfeld mit Flattr. Weniger als Kachingle. Das nutzen nur ein paar Blogger (und die TAZ). Dummerweise glaube ich auch, dass die Modelle, die die Bezahlung zeitlich *hinter* den Konsum setzen, auf Sicht siegen werden. Weil der Leser sie fairer findet und dem üblichen „die Katze im Sack kaufen“ Modell der Medien nicht traut. Dass die Verbraucher das jetzt mitmachen, liegt nur daran, dass es keine Alternative dazu gibt.

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“Orientierung in der digitalen Welt” — CARTA 7. September 2010 um 15:11

[…] Knüwer: Verleger, hört die Worte. var flattr_wp_ver = '0.9.11'; var flattr_uid = 'Carta'; var flattr_url = […]

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