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Nervös nestelt Praktikantin Julia an ihrem Zara-Hosenanzug. Ihre erste Präsentation. Im gläsernen Konferenzraum der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt. Und das vor der gesamten Mannschaft, inklusive des Chefs. War das ihre Chance? Würde ihr die kleine Agentur endlich einen festen Job anbieten? (Foto: Shutterstock)

Mit der agenturüblichen 7-Minuten Verspätung tröpfeln sie langsam ein: die Senior Consultants Sabine und Alexandra, ihr geliebter Lars, Junior Consultant Tanjaanja, Managing Partner Marcel und als letzter der Chef. „Anfangen“, bellt er, noch bevor er Platz nimmt.

Marcel räuspert sich: „Kurz nochmal für alle. Ihr wisst, dass es unserem Unternehmen besser gehen könnte. Complete crisis. Wir haben uns gefragt, welche Learnings wir aus anderen Agencys ziehen können. Julia hat sich dabei als Spionin committed und war die letzten two months bei Jung von Matt. Das hat auch unsere Kosten gesenkt…“

„Ich krieg hier doch kein Geld…“, wirft Julia zaghaft ein.

„Aber Dein Computer frisst Strom und der Kaffee ist subventioniert“, blafft Marcel und Julia wagt nicht zu ergänzen, dass sie Teetrinkerin ist.

„Anyway“, fährt Marcel fort, während er sich die geldurchtränkten schwarzen Haare nach hinten glättet, „Julia war also bei JvM. Julia Bond, sozusagen. Und hat direkt bei einer Kampagnenentwicklung mitgearbeitet. Your turn, Julie-Babe…“

Julia überhört die Anzüglichkeit und präsentiert die erste Powerpoint-Folie. Sie zeigt die Jung-von-Matt-Räumlichkeiten, geschossen mit der Kamera ihres Samsung-Handys. „Also, ich bin da in eine neue Unit gebracht worden. Die besteht nur aus Volontären und Praktikanten und einem Junior Consultant…“

„Keine Kreativen?“, fragt Sabine skeptisch.

„Na ja, ein Grafikdesign-Absolvent, der seit drei Jahren Praktika macht. Weil er da auch kein Geld kriegt, geht er abends in einem Gay-Club strippen“, antwortet Julia.

Zwar murmelt Marcel, aber jeder hört, wie er dem Chef zuraunt: „Vielleicht sollten wir unseren Praktikantinnen auch mal solche Karrierewege aufzeigen, was?“ Heiser lacht der Chef auf.

Julia errötet, reißt sich aber schnell zusammen. „Der Kunde, den wir betreuen sollten, ist die HSE, das ist der Energievesorger von Darmstadt.“

„Wie dröge“, lästert Alexandra, „aber wahrscheinlich fahren die voll auf Blondinen mit Vorbau ab, nicht wahr?“

Wenn Blicke töten könnten, hätte Alexandra in diesem Moment splatterfilmartig den Konferenzraum verschmutzt.

Doch so weit ist die optische Technik nicht, weshalb Julia in harschem Ton erklärt: „Nein. Wir haben die gar nicht getroffen. Das waren nur die Chefs. Die holen bei dieser Unit den Auftrag und das Briefing rein. Wir sollten ein neues Corporate Design entwickeln.“

„Junge Wölfe, hungrige Wölfe. Gute Idee…“, meint der Chef.

Doch Julia schaut eher traurig: „Na ja, so war das nicht. Tatsächlich sollten wir einfach bei Google schauen, was es schon mal in der Art gegeben hat. Also haben wir ,HSE Logo‘ eingegeben und direkt geguckt, was da so kam. Das von Health and Safety Executive war zu riskant, weil das eine englische Firma war – und da sind die Copyright-Klagen teurer. Das grün-rote ungarische fanden wir nicht so schön. Also haben wir das von der Henningsdorfer Stahl Engineering genommen – Sie sehen das unten links…“

Tanjaanja schüttelt ungläubig den Kopf: „Und das habt Ihr einfach so kopiert?“

„Nein, nein“, beschwichtigt sie Julia. „Der Grafiker hat die Schrift verändert und ein wenig die Bögen abgerundet. Das sah dann so aus:“

Ein Raunen setzt im gläsernen Konfi ein. Vor allem Sabine kann es nicht fassen: „Aber, aber das merkt doch jeder… Und dann kommen die Anwälte…“

„Na ja“, sagt Julia, „dieses Stahlunternehmen hätte vor Gericht so seine Probleme, weil es ja um eine andere Branche geht und der Schriftsatz unterschiedlich ist.“

„Und die HSE, also die Darmstädter, die sind bestimmt begeistert, nicht wahr“, bemerkt Alexandra mit kühler Stimme.

„Darum geht es ja nicht“, ergänzt Julia.“ Als das aufgeflogen ist, hat die HSE, also das Energieunternehmen, sich schon beschwert. Aber dann tut JvM halt ganz generös und erlässt ihnen 50 Prozent der Rechnung. Aber sie bekommen noch immer 200.000 Euro.“

Nun schweigt die kleine PR-Agentur am Rande der Stadt für eine Minute. Dann sagt Marcel: „Julia, googel Dich schon mal warm – ich rieche schwarze Zahlen.“

Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt.


Kommentare


idealic 23. August 2010 um 18:03

Die beißen sich gerade so in den A**** in Hamburg… absolut zu Recht 😀
/MadeMyDay

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Cem 23. August 2010 um 18:10

Hast sicher schon mitbekommen, dass JvM hinter der unsäglichen Atomkraft-Kampagne mit Ackermann & Co steckt: http://www.wuv.de/nachrichten/agenturen/jung_von_matt_gestaltet_atomkraft_kampagne

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Agentursprache | tom berger 23. August 2010 um 18:11

[…] blamiert etwas unglücklich angestellt. Mit einer gesunden Portion Sarkasmus nimmt man das bei Indiskretion Ehrensache auf und bedient sich der scheinbar agenturüblichen Sprache. Lesenswert! Marcel räuspert […]

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Till 23. August 2010 um 19:06

HeHe, am liebsten würde ich dich gerade 5 mal flattern 😉

Sehr schön erzählt. Wäre was für die Titanic 😉 Die googlen gleich auch dein Text 😀

Schon sehr mies was da gelaufen ist. Eine Sache die Passieren kann, aber nicht sollte.

Das mit der Atom Kampagne ist ja noch mal eine ganz andere Geschichte. Aber einen gefallen haben die sich damit auch nicht getan.

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Mart 23. August 2010 um 21:16

Ja, hier wurde sehr plakativ und unter Auslassung aller weiteren Gedanken, nacherzählt, was in Werbeblogs schon seit Tagen die Runde macht.
Nein, ich arbeite nicht bei JvM und ich gönne denen das Debakel von Herzen, aber nichtsdestotrotz würde eine differenziertere Berichterstattung und Diskussion der ganzen Geschichte gut tun, z.B. so, wie sie in den hier verlinkten Werbeblogs schon stattfindet.

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FS 23. August 2010 um 21:23

Ah, die kleine Agentur. Die habe ich langsam schon vermisst.

Wer über Agentur-Fails lachen kann sollte sich übrigens das hier nicht entgehen lassen:

http://blog2.de/archiv/1276

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Marc 23. August 2010 um 22:21

„aber nichtsdestotrotz würde eine differenziertere Berichterstattung und Diskussion der ganzen Geschichte gut tun, z.B. so, wie sie in den hier verlinkten Werbeblogs schon stattfindet.“

Ich bin zwar nicht der Hausherr, aber warum sollte er differenzieren, wenn es doch schon in den „verlinkten Werbeblogs schon stattfindet“? Da kommt doch nur ein Kommentator und sagt: „Das habe ich doch alles schon in den verlinken Webslogs gelesen.“

In der Geschichte den neuen Dreh zu finden, das ist doch gerade die Kunst, nicht die Nacherzählung (oder meine Linksammlung 🙂

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Doppeltes HSE-Logo macht die Runde « Verwickeltes 23. August 2010 um 22:51

[…] Indiskretion Ehrensache: Jung von Matt in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt […]

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Birger 24. August 2010 um 11:04

Gähn. In 12 Monaten ist das Standard. Die Erosion ist deutlich sichtbar. Ich empfehle das Interview Chris Dercon im Monopol zur Lektüre: http://www.monopol-magazin.de/artikel/20101584/-chris-dercon-kuenstlerprekariat.html

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9Life RealLife 24. August 2010 um 12:14

[…] wunderhübsche Glosse findet man heute bei Indiskretion Ehrensache. Eine Glosse über das typische Berufsleben der "Generation […]

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thomas 24. August 2010 um 13:47

so schön geschrieben, herlich

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Nina 24. August 2010 um 14:15

Wie hab ich die kleine PR-Agentur am Rande der Stadt vermisst 🙂

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Felix 24. August 2010 um 15:56

Ach, ist das herrlich 😀

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Mario 24. August 2010 um 17:31

sehr schön!
@Mart
Ich glaube hier geht’s nicht um Berichterstattung, oder doch? 😉

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Thomas Knüwer 24. August 2010 um 17:45

Ich glaube, es ist schnell erkenntlich, dass dies hier Satire ist. Da verweise ich auch gern auf die anderen Folgen der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt.

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links for 2010-08-24 | Too much information 25. August 2010 um 0:04

[…] Jung von Matt in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt […]

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Beobachter 25. August 2010 um 8:25

#Klugscheißer-Modus on
es muß Hennigsdorf heißen, ohne 3. „n“
#Klugscheißer-Modus off

Recherche halt.

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Till 25. August 2010 um 8:26

Tihi..großartig 🙂
Da hat sich JvM aber auch nen echten Bock geschossen… 😉

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Low Fidelity: Werbespot der ERGO Versicherung nur abgekupfert? – Open Source PR 25. August 2010 um 18:48

[…] hier Aimaq & Stolle womöglich ähnlich peinlich in die Plagiatsfalle wie einige Tage zuvor Jung von Matt mit ihrem […]

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Mike Schnoor 26. August 2010 um 17:57

Kleiner Hinweis am Rande: SpOn berichtet… http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,714004,00.html

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ginger 27. August 2010 um 7:09

noch’n hinweis am rande: das motto ist wohl auch abgekupfert, spekuliert
http://vossyline.blogspot.com/2010/08/das-peinliche-logo.html

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Marc 30. August 2010 um 12:18

Wirklich genial! Danke für diese Geschichte!

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Martin 13. September 2010 um 13:31

Übrigens: Dieses Thema wurde weder von Bloggern, noch vom Darmstädter Echo, sondern bereits am 2. August von der Frankfurter Rundschau aufgedeckt. Der Artikel ist nur leider nicht mehr online, sonst würde ich auch verlinken.

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(Schon wieder) Jung von Matt in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt 28. Oktober 2010 um 14:02

[…] auf die Idee gebracht hat, dieses Geschäftsfeld zu eröffnen. Hat sofort bei im gefunkt, nachdem Julia von ihrem Praktikum berichtet hatte. “Wir nehmen denen das Kopieren einfach ab”, hatte er […]

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Too much information » Lesezeichen 15. Februar 2011 um 21:01

[…] Jung von Matt in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt […]

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