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Wieder einmal darf die Frage gestellt werden: Wo leben Deutschlands Zeitungsverleger und -manager eigentlich?

Ständig reden sie davon, dass es ihnen gut gehe. Dass ihr Geschäft floriere. Zitieren wir mal den Verlegerverband BDZV:

„In jüngerer Zeit seien die dramatischen Entwicklungen in den USA häufig eins zu eins auf den deutschen Zeitungsmarkt übertragen worden. Das habe zu einer „völlig verzerrten Darstellung der Situation“ geführt. „Im Unterschied zu den USA sind die deutschen Zeitungen in sehr guter Verfassung“, betonte Wolff.“

In sehr guter Verfassung. Nun wissen wir ja, dass der BDZV in Gestalt jenes Hauptgeschäftsführers Dietmar Wolff kein Freund einer seriös informierten Öffentlichkeit ist. Aber trotzdem frage ich mich, wie man so dermaßen die Realität verleugnen kann. Den Zeitungen geht es gut? So wie der „Frankfurter Rundschau“? Von der wurden heute selbst für mich unfassbar rote Zahlen bekannt, die „W&V“ als erstes aus dem elektronischen Bundesanzeiger fischte: 24,5 Millionen Euro Verlust in 2009, im Jahr vorher waren es schon 16,8 Millionen.

„Die Herausgabe der Frankfurter Rundschau und die Finanzierung des laufenden Geschäftes war auch im Geschäftsjahr 2009 nur möglich, weil die Gesellschafter weitere Gesellschafterdarlehen gewährt haben.

Im Einzelabschluss schließt die DuV das Geschäftsjahr 2009 erneut mit einem hohen Verlust von 24,5 Mio. € (Vorjahr 16,8 Mio. €) ab. Die Gesellschafter haben in Höhe des Jahresfehlbetrages 2009 auf Gesellschafterdarlehen verzichtet.

Die Verlustsituation der Gesellschaft hat sich trotz großer Kosteneinsparungen und eines hohen Personalabbaus von 62 Stellen nicht verbessert. Die Personalkosten konnten aufgrund des Personalabbaus und des mit Verdi und Betriebsrat verhandelten Verzichts auf Weihnachts- und Urlaubsgeld um 6,5 Mio. € (-14,5 %) zum Vorjahr gesenkt werden.

Allerdings sind die Umsätze im Anzeigengeschäft zum Vorjahr um 7,1 Mio. € (-20,3 %) gesunken. Die Umsatzverluste ergaben sich insbesondere in den Rubriken Stellenmarkt und Immobilien. Die Anzeigenaufträge sind um -13,9 %, die Beilagenmengen um -8,7 % zum Vorjahr eingebrochen. Die Vertriebsumsätze sind um -1,6 % auf 31,4 Mio. € gesunken. Die verkaufte Auflage der Frankfurter Rundschau lag in 2009 bei durchschnittlich 149.506 Exemplaren. Auch die Umsätze aus Fremddruckaufträgen sind um -9,5 Mio. € auf 40,3 Mio. € zurück gegangen. Die Druckkapazitäten entfallen mit 75 % auf Fremddruckaufträge.“

Ein Einzelfall im Reich DuMont Schauberg? So mies wie der „FR“ geht es dem Rest nicht. Aber: Die Anzeigenumsätze sind in Köln um 16% zurückgegangen, die Vertriebserlöse trotz leicht gesunkener Auflage leicht gestiegen – man hat also an der Preisschraube gedreht. Die Umsätze der „Prisma“-Beilage sind um 12,5% nach unten gegangen. Ähnlich sieht es in Halle aus. Und im Berliner Verlag – rote Zahlen. Der „Express“ ging nur nach einem Forderungsverzicht der Gesellschafter mit schwarzen Zahlen aus dem Jahr. Der gesamte Jahresüberschuss von DuMont hat sich dramatisch reduziert, von 12,7 Millionen auf 463.000 Euro. Interessant übrigens: Der digitale Kleinanzeigendienst Kalaydo soll 2010 erstmals Gewinne erzielen.

Die Folgen sind schon zu spüren, die Todesspirale gewinnt an Fahrt. DuMont führt immer mehr Teile der Redaktionen in seiner Berliner Zentralredaktion zusammen. Absehbar wird von der „FR“ nur noch eine Lokalredaktion in Frankfurt bleiben – der Rest kommt aus Berlin. Ob der Leser das merkt? Gibt es eine Zeitungsidentität? Wenn ja, dann stirbt die „FR“ gerade.

Und wie sieht es für 2010 aus: Man mag es kaum glauben – aber noch schlimmer:

„Für das Geschäftsjahr 2010 geht die Gesellschaft in allen Unternehmensbereichen von nochmals niedrigen Ergebnissen aus.“

Dann wären es für die „FR“ über 65 Millionen Euro Verlust in drei Jahren. Und ob DuMont als Ganzes noch profitabel sein wird?

Ebenfalls heute wurde bekannt, dass die „USA Today“ 130 Stellen streicht und ihr Kerngeschäft Richtung Web verlagert.

„Im Unterschied zu den USA sind die deutschen Zeitungen in sehr guter Verfassung“, sagt BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff. Und für mich klingt das so nah an der Wahrheit wie das hier:


Kommentare


Oma Schmitz 28. August 2010 um 20:18

Ich glaube, daß der DuMont-Schütte -Clan seine Zeitungen längst nur noch betreibt, um sich selbst gute Presse für seine vielen anderen wirtschaftlichen und vor allem seine lokalpolitischen Interessen sicherstellen zu können (oder im Zweifelsfall auch mal bestimmte Geschichten möglichst lange aus der Öffentlichkeit raushalten zu können). Solange man so ein umfassendes lokales Zeitungsmonopol hat, ist die Möglichkeit bestimmte Entscheidungen, andere Unternehmsbereiche oder genehme Politiker zu pushen immer noch viel Geld wert, selbst wenn die Zeitungen derzeit nichts Bares in die Kasse bringen.

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Andreas 30. August 2010 um 10:11

Hallo Thomas,
Zitat:
»Der gesamte Jahresüberschuss von DuMont hat sich gedrittelt, von 12,7 Millionen auf 463.000 Euro.«
Wenn das so stimmt, sind es 4.630.000 (4,63 Millionen) Euro, oder?

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Joachim Vranken 30. August 2010 um 12:51

Lieber Herr Knüwer,
nur eine kleine Richtigstellung: unser Portal heißt kalaydo.de (nicht kalayo)
Zu unseren Gesellschaftern gehört neben M.DuMont Schauberg, die Mediengruppe Rheinische Post, der Mittelrhein Verlag, die Westdeutsche Zeitung, der Zeitungsverlag Aaachen und der Bonner General-Anzeiger.

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Thomas Knüwer 30. August 2010 um 12:58

Danke für den Hinweis – da ist ein D hinten über gefallen. Entschuldigung!

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_Flin_ 31. August 2010 um 9:19

Hmmm… wenn ich Druckmaschinen habe, deren Kapazitäten ich nur zu 25% brauche (Tendenz fallend wegen geringerer Auflage). Und wenn die Umsätze, die ich damit erziele, sogar um 20% fallen. Warum versuche ich dann nicht, die Druckmaschinen loszuwerden, und meine Zeitung woanders drucken zu lassen?

Oder kommen Eigendruck + Fremdaufträge billiger, als das nach extern zu vergeben? Oder kann man das gar nicht extern erledigen?

Und in Bezug „Stellenmarkt und Immobilien“… Das ist ja nicht wirklich überraschend. Da gilt wohl das alte Börsenmotto: Das Geld ist nicht weg, es gehört nur jemand anderem. In diesem Fall der Deutschen Telekom (und nicht Google).

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Diether Till 13. September 2010 um 9:15

Die FR ist endgültig zu einem linken Parteiblatt verkommen. Warum sollte ich diese Blatt eigentlich noch weiter abonieren ?

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rrho 14. September 2010 um 14:27

Unabhängig von all dem Anderen: Im Vergleich zu den USA, in denen es außerhalb der großen Städte praktisch überhaupt keine nennenswerten Zeitungen mehr gibt, finde ich die Zeitungen (oder präziser: die Zeitungslandschaft) in Deutschland immer noch in guter Verfassung.

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Tilman 14. September 2010 um 15:00

Mein Vater hatte die FR 40 jahre abonniert … aber mit der umstellung auf das tabloidformat, lies die qualität unglaublich nach. wir wechselten danach zur NZZ. leider auch nicht mehr das, was sie mal war. aber imho die beste deutschsprachige zeitung.

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Das Erwachen der Zeitungsredaktionen 9. Mai 2011 um 10:02

[…] eine “Lust am Untergang” kritisierte Axel-Springer-Chef Matthias Döpfner die Branche. Zeitungen sind “in guter Verfassung”, protzte Verbandslobbyist Dietmar Wolff. Die Zeitschriftenproduzenten sind da nicht besser: […]

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