Skip to main content

Als Selbstständiger versuche ich effizient zu arbeiten. Time is money und so. In einem Punkt mag und will ich das aber nicht: Hotelbuchungen.

Es ist keine Überraschung, dass ich eine Schwäche für schöne Hotels und Restaurants habe, spätestens seit Gotorio. Es erregt in mir immer ein wenig Mitleid, berichten Freunde mit Arbeitsverträgen in großen Unternehmen von ihren Reisen, bei denen sie in den üblichen Ketten-Hotels absteigen – weil es dort eine Corporate Rate gibt. Die Zimmer dort sehen immer gleich aus, der Service ist immer gleich mittelmäßig ist und das Wlan kostet Apothekenpreise. Also, wenn die Apotheke auf dem Mond stünde.

Es hat sich in der Hotellerie durch Firmenkunden ein unschönes Gleichgewicht ergeben. Einerseits sinken die Zimmerpreise im Wettbewerb – andererseits wird dies bei den Nebenkosten wieder reingeholt. Internet-Zugang, Frühstück, Parken – all das wird immer teurer. Doch den Entscheidern in Großunternehmen ist das egal: Sie schauen einfach nur auf den Grundpreis. Meistens, jedenfalls. Dass es so gekommen ist, ist aus Sicht der Hotelketten verständlich: Für sie sind solche Großkunden eben der Brot-und-Butter-Verdienst, genauso wie Gruppenreisen, für die das gleiche Spiel gilt.

So ist der Hotelmarkt ist auf dem besten Weg zum Long Tail: Einerseits die Kettenhäuser für die Masse, andererseits ein langer Schwanz von kleineren Hotels für spezielle Interessen. Doch wie kann ein solches Haus konkurrieren mit den Großen?

Ein Musterbeispiel liefert das „Roger Smith Hotel“ in New York – mit Hilfe von Social Media.

Wie man auf der Homepage sieht, ist das Hotel eines von vielen in der Stadt, die sich einen einigermaßen modernen Anstrich geben, deren Zimmer aber eher klassisch-amerikanisch gestaltet sind. Oder etwas treffender: leicht angemufft, stilistisch gesehen. Trotzdem kann es innerhalb der Woche Preise von 279 Dollar für ein Doppelzimmer aufrufen. Sicher, New York ist nicht billig. Doch das ist ein durchaus ansehnlicher Preis.

Trotzdem ist es das Stammhaus einer Klientel, die gemeinhin als kniepig gilt: die Internet-Branche. Wie das geht, zeigt das Beispiel von Social-Media-Berater, Blogger und Buchautor Chris Brogan. Gleich zwei seiner Kontakte empfahlen ihm das Hotel, auf seine Anfrage meldete sich der New Media Manager und bietet ihm die Blogger-Winterrate von 125 Dollar an. Und weil Brogan kein Unbekannter ist, organisiert das Hotel gleich noch ein Tweetup (also ein Treffen mit allen, die ihn kennenlernen möchten, ausgerufen allein via Twitter).

Ergebnis: Brogan ist platt. Und dreht gleich noch ein Video in seinem Zimmer:

Die Geschichte dieser Social-Media-Fokussierung beginnt, so geht die Geschichte, mit Brian Simpson. Der hält während seiner Chemotherapie im Kampf gegen Krebs Kontakt zur Außenwelt via Twitter. Anschließend startet er beim „Roger Smith“ als Chef-Einkäufer für Essen und Getränke.

Simpson liefert ein Musterbeispiel dafür, wie man ein Unternehmen im Bereich Social Media platziert. Er sucht nicht sofort umsatzgierig nach wirtschaftlichen Chancen sondern verdrahtet sich mit Menschen, die seine Interessen teilen. Erst im zweiten Schritt forscht er nach Möglichkeiten, dies für das Hotel in Buchungen umzusetzen. „There are lots of people coming to town for whom we’re part of their online lives, we’re part of their streams on Twitter, on Facebook, so we’re the people they end up thinking about“, sagt New-Media-Manager Adam Wallace im Interview mit Econsultancy.

Genau dies ist eine unterschätzte Wirkung von Social Media – die eine wissenschaftliche Untersuchung wert wäre. Wie verändert sich die Wahrnehmung einer Marke, wenn sie im täglichen Web-Nachrichtenstrom unter all den Menschen auftaucht, die uns etwas bedeuten? Kann das folgenlos bleiben? Ich glaube nicht. Marken rücken so emotional weitaus näher an ihre Käufer als je zuvor.

Das „Roger Smith“ nutzt alle Kanäle: Blog, Facebook (man beachte die hohe Aktivität der Fans), Twitter, Flickr, Youtube, sogar ungewöhnlichere Dienste wie 12Seconds. Bei Facebook und Twitter gibt es regelmäßig Sonderrabatte. Inzwischen spricht das Hotel systematisch Köpfe aus der Web-Szene an um sie als Gäste zu gewinnen. Wohlwissend, dass sie positiv über ihre Kanäle berichten werden, wenn ihnen das Haus gefällt. Zusätzlich gibt es regelmäßig Events für die Web-Szene. Und was dann dabei herauskommt, zeigt dieses Video:

Vor anstehenden Ereignissen nimmt das Hotel-Team außerdem den Kontakt zu Besuchern dieser Events auf:
„The second week of September is Craft Beer Week in New York, so I spent this week going through their Twitter page. I made sure I followed those followers and started talking about the week. We’re going to have a beer dinner. We’re really immersing ourselves into their culture, which is what we did with the social media culture. The idea is not to just use the tools; not to have a Twitter account and a Facebook fan page, but to really get connected with the people who use these tools every day.“

Die New Yorker sind ein Vorzeigebeispiel – aber nicht allein. Seit den Weihnachtstagen in Melbourne ist mein neues Lieblingshotel „The Cullen“ – das auf Facebook absolut musterhaft agiert. Ohne kommunikative Maßnahmen denkt die „Motel One„-Kette mit ihrem Gratis-Wlan in der Lounge in eine ähnliche Richtung. Der Großteil der Branche aber hält sich zurück. Was erstaunlich ist bei einem Geschäft, das zu einem großen Teil von der Sympathie seiner Kunden lebt. Hotels hätten eine gewaltige Chance, sich abzusetzen und sich ein Stück aus dem Kampf um den günstigsten Preis zu verabschieden. Vielleicht nicht bei jenen Großkunden – aber eben bei Einzelreisenden,

Alles Spielerei? Anscheinend nicht. Simpson berichtet von einem monatlichen Report über die Wirksamkeit der Aktivitäten. Dank der Web-Promotions lässt sich nachhalten, wie viele Gäste über diesen Weg gebucht haben. Und dann gibt es noch anektdotische Demonstrationen der Wirksamkeit, wie diese:

„…I just got this message a few minutes ago – a Girls in Tech Group is meeting tonight and wants to know if we can set aside space for 20 people at 8:00. Those 20 girls have a million bars they could go to in Manhattan. We know we didn’t connect with every one of them. But somewhere we connected with someone who connected with someone who referred them to us. That’s what it’s about: getting people in the door.“


Kommentare


Sachar 8. März 2010 um 14:35

Ich war vor kurzem im Urlaub und habe auch mit dem Manager des Hotels gesprochen, in dem ich wohnte. Er bekam mit, dass ich mich für Blogs und twitter interessiere, so dass es zu einem Gespräch über Social Media kam. Eine seiner Aussagen werde ich wahrscheinlich mein Leben lang nicht vergessen: „Tripadvisor – it can be your best friend or worst enemy.“ Und in der Tat ist es so, dass ich keinen Hotelaufenthalt mehr buche, ohne vorher das Rating bei Tripadvisor zu überprüfen. Interessant finde ich es, wenn das Hotel auf Bewertungen reagiert und sich bedankt, manchmal auch versucht, Missverständnisse zu bereinigen. Entscheidend aber ist, dass sich auch die Hotelbranche langfristig damit arrangieren muss, dass solche Dinge wie kostenpflichtiges Internet oder überteuertes Frühstück, die Du angesprochen hast, sich in den Bewertungen niederschlagen werden. Und das wird definitiv zu weniger Buchungen führen. Darum werden sich am Ende des Tages nicht die schicksten oder individuellsten Hotels sondern die mit dem besten Service (als solchen verstehe ich auch Aktivität im Bereich Social Media) durchsetzen.

Antworten

Uwe Frers 9. März 2010 um 9:19

Hallo Thomas,
sehr schöner Post, er spricht mir aus der Seele. Dieses Hotel hat verstanden, dass Socialmedia eine echte Chance für Leistungsträger im Tourismus ist. Wer die Tools zu nutzen weiß, kann sich einen echten wettbewerbsvorteil erarbeiten. Klar muss aber auch sein, dass die Qualität dahinter passen muss. Und das ist der Unterschied zu den alten Marketingmodellen. Früher genügte ein schickes Prospekt oder eine stylishe Website. Ob die Erwartungen erfüllt wurden, haben maximal engste Freunde des Reisenden erfahren. Socialmedia schafft Transparanz und damit auf Dauer auch eine klare Trennung zwischen billig für eine Nacht und Qualität für Anspruchsvolle.
Beste Grüße,
Uwe

Antworten

Alexander von Halem 9. März 2010 um 10:19

Schöner, motivierender Beitrag! Danke dafür.

Leider ist unsere Branche noch eine der resistentesten, wenn es um social media geht. Besonders erfreulich, wenn positive Beispiele dann von ausserhalb der Branche kommen. Ich werde den Blogartikel daher fleissig meinen Kolleg/innen weiterempfehlen!

Dank und Gruß,
Alexander

Antworten

Jochen 9. März 2010 um 12:46

@Uwe
Auch „alte Marketingmodelle“ haben nicht genügt. Es ist im Marketing essentiell, daß man bei Produkten und Dienstleistungen, die man nicht nur einmal irgendwo benötigt oder Einmalkunden beim Vorbeigehen verkauft, sein Versprechen auch einhält. Diese Erkenntnis ist uralt und kein Ergebnis neuerer Kommunikationsmöglichkeiten.
Social Media ist eine wesentliche Verbesserung der Kommunikation auf beiden Seiten. Kommunikation ist allerdings auch nur ein Teil des Marketings und wohlmöglich auch oft das Problem, daß man Marketing eben nur auf Kommunikation bezieht und somit diesen einen Bereich nicht mal gut macht.

Für mich die wesentliche Verbesserung: Auf der einen Seite sinkt die Hemmschwelle zur Kritik, so daß man diese nicht mehr vernachlässigen kann oder auch als notorische Nörgelei, weil zu viele verschiedene Leute, abtun kann. Auf der anderen Seite (die des Kunden) kann die Kommunikation mehr Vertrauen in das Versprechen aufbauen (Thema ernstnehmen). Der Kern aber, und das ist die Leistungserbringung und das „Erlebnis“ des Kunden, bleibt auch in Zeiten des Social Media unverändert. Um hier beim genannten Hotel zu bleiben. Ohne den Faktor, ein solches Zimmer oder Suite zu einem günstigen Preis (und hier ist ganz klar das Preis-Leistungs-Verhältnis gemeint) zu bieten, würde das ja alles verpuffen.

Ich glaube auch, daß das Einhalten des „Versprechens“ bei vielen die Basis für Social Media ist, denn diese haben nichts zu verbergen, sie machten ja davor schon alles auf einem gewissen Niveau gut, haben auf Reklamationen reagiert, sich mit dem Kunden beschäftigt. Dann gibt es einige Naive, die zwar überzeugt sind von ihrem Produkt/Dienstleistung, diese jedoch im Markt gar nicht ankommt und dies auch nicht beim Anbieter bekannt ist. Diese werden bei Einsatz von Social Media dann erstmal auf die Nase fallen und sich dann überlegen müssen, wie sie ihr Produkt/Dienstleistung verbessern müssen. Die Dritte Gruppe ist die, die sowieso viel ignoriert, die nicht wirklich selbst von ihrem Produkt/Dienstleistung überzeugt ist und die zusätzlich Social Media gar nicht begreift.

Antworten

Webschau Wirtschaftsblogs 2010-03-10 « Blick Log 10. März 2010 um 8:08

[…] Social Media und Hotels: das Musterbeispiel “Roger Smith” […]

Antworten

mars 10. März 2010 um 11:06

Das Marketing hinter dem Hotel ist schon echt gut. Die haben sich wahrscheinlich Gedanken gemacht: Okay, unsere Zimmer sind nicht die schönsten, in Puncto Service gibt es irgendwann auch Grenzen, was können wir noch tun? Wir springen auf den Web 2.0 Hype auf und twittern. Normalerweise würde ich da schon Alarm schlagen, aber die Jungs scheinen es wirklich verstanden zu haben und machen Ihre Sache echt gut. Das Video zeigt ja einen ziemlich begeisterten Kunden.Es kann also funktioneren wenn man sich das nötige Know-How beschafft.

Antworten

Webschau Wirtschaftsblogs mit Kurzblick auf Studie der Otto-Brenner-Stiftung | BLOGGERFORUM-WIRTSCHAFT.DE 11. März 2010 um 10:20

[…] Social Media und Hotels: das Musterbeispiel “Roger Smith” […]

Antworten

web20typ_ – Meine Bookmarks vom 14. March bis 15. March 15. März 2010 um 10:02

[…] Social Media und Hotels: das Musterbeispiel “Roger Smith” – Trotzdem ist es das Stammhaus einer Klientel, die gemeinhin als kniepig gilt: die Internet-Branche. Wie das geht, zeigt das Beispiel von Social-Media-Berater, Blogger und Buchautor Chris Brogan. Gleich zwei seiner Kontakte empfahlen ihm das Hotel, auf seine Anfrage meldete sich der New Media Manager und bietet ihm die Blogger-Winterrate von 125 Dollar an. Und weil Brogan kein Unbekannter ist, organisiert das Hotel gleich noch ein Tweetup (also ein Treffen mit allen, die ihn kennenlernen möchten, ausgerufen allein via Twitter). socialmedia blog marketing touristik […]

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*