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Die geschätzte ehemalige Handelsblatt-Kollegin Katharina Kort hat ihren Dienstsitz in Mailand und bloggt von dort auch deutsch-italienische Momente. Für das gedruckte Blatt berichtet sie heute von einer neuen Marketing-Kampagne Benettons (leider nicht online). Statt pseudo-politischen Ekelmotiven, süßen Kindern und süßen Hunden soll nun das reale Leben Model stehen – oder besser der reale Nutzer.

„It’s my time“ heißt die Kampagne, bei deren Entwurf mit Sicherheit 2,3 Millionen Mal das Wort „viral“ (oder wie immer es auf Italienisch heißen mag) gefallen ist. Gesucht werden 20 Models für das Ablichten der Herbst-/Winterkollektion 2010. Bewerben darf sich via Youtube jeder, außerdem gibt es lokale Casting-Runden, die über eine Facebook-Seite verkündet werden. Über die erste Runde stimmt die Web-Gemeinde ab. 100 Finalisten reisen dann nach New York zur Endausscheidung. Die treffen Profis – hier verließ Benetton vielleicht der Mut.

Offiziell beginnt die Kampagne erst am kommenden Montag, doch schon jetzt gibt es eine Homepage dazu und erste Youtube-Videos. Hier ein Beispiel:

Ausgedacht hat sich das Ganze die Benetton-eigene Kreativagentur Fabrica, deren Chef Erik Ravelo gegenüber Kort erklärte, früher habe man Models gesucht, „jetzt kommen sie zu uns“. Und: „Wir hoffen, dass wir jemand ein Lächeln abringen können, der nie gedacht hätte, jemals New York zu sehen.“

Und hier beginnt das Problem.

Denn Benetton strahlt derzeit ein gehöriges Maß Arroganz aus im Zusammenhang mit „It’s my time“. Die drei bisher präsentierten Videos handeln von Personen, mit denen in Social Networks niemand zu tun haben mag, obwohl sie nicht unsympathisch sind. Warum? Jeder der drei erscheint nett und interessant. Und deshalb nehme ich ihnen auch nicht ab, dass sie keine Kontakte haben sollen. Sie entstammen einer anderen Wahrnehmungswelt als die meisten, die im Rahmen der Kampagne angesprochen werden sollen. Denn die tummeln sich mit Spaß in den Netzwerken. Bemerkenswert übrigens auch, dass Benetton an der Authentizität schraubt, in dem Netzwerk-Namen überpiepst werden. Warum?

Und auch Ravelos Äußerung von jenen, die niemals erwarten würden, in ihrem Leben New York zu sehen zeugt von einer verschobenen Welt. Wer sich in der westlichen Welt Benetton leisten kann, für den ist New York nicht völlig unerreichbar.

Wen also will Benetton da casten? Vereinsamte Rapper und Kampfsportlehrer aus den Emerging Markets? Und die sollen zum Kauf auf der Fifth Avenue locken? In dieser Konstellation klingt das fast nach Zurschaustellung.

So aber ist es vermutlich nicht gemeint. Vielmehr riecht diese Kampagne schwer nach einer Kopfgeburt: Alles soll rein, von viral bis emotional, von real life bis dream life. Das heißt nicht, dass die ganze Sache scheitern muss, Benetton wird mit ordentlich Werbedruck für einen Casting-Grunddurchsatz sorgen. Ein gehöriges Maß an Skepsis darf man aber hegen.


Kommentare


Ugugu 5. Februar 2010 um 13:31

mein eindruck ist eher, da hofft jemand, dass seine marke zum internetgespött nummer 1 wird. dazu ist es aber eindeutig zu wenig viral(e). dazu ist es fraglich, ob eine solche aktion in castinglandia noch irgendein unentdecktes talent hinter dem ofen hervorlockt.

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Mazo 5. Februar 2010 um 16:22

Naja, Arroganz kann ich hier eher nicht erkennen, sondern eher völlige Unglaubwürdigkeit.
In diesem Punkt stimme ich Ihnen vollkommen zu, wenn die Kampagen auf dem Niveau der Youtubevideos bleibt, wird es wohl eher kein großer Wurf.
Warum auch, Castingshows gibt es mehr als genug, einzig die Partizipation der Web-User ist neu.
Wohl eher ein Griff ins Klo.

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