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Es gab mal eine Zeit, die Älteren werden sich erinnern, in der Deutschland als Land der Technik und der Innovation galt. „Made in Germany“ war eine Auszeichnung und verkaufte Produkte weltweit. Deutschland, das setzten viele auf dem Globus gleich mit „Fortschritt“.

spiegelHeute ist in Deutschland Fortschritt dagegen pfuibah. Und nirgends zeigt sich das stärker als beim Thema Google. Gestern erschien mal wieder eine „Spiegel“-Titelgeschichte, die sich um ein Internet-Thema dreht. „Ende der Privatheit“ heißt sie und dreht sich um jene Web-Konzern. Bemerkenswert, dass die Netz-Szene auf diese Story nicht groß Bezug nahm. Das demonstriert, dass nach den „Falschen Freunden„, der raupkopierten Dummmacher-Story, der Second-Life-Sexorgie und dem entblößten Hinternet viele die Hoffnung fahren gelassen haben, der „Spiegel“ könne intellektuell einmal eine tiefgreifende Geschichte zu solch einem Thema anfertigen.

Denn natürlich ist die Frage der Intimsphäre in Zeiten des Internet hochwichtig. Allein: So platt, uninformiert, spekulativ und dünn recherchiert wie der „Spiegel“ sie präsentiert – das hätte jede Lokalzeitung auf ähnlichem Niveau hinbekommen (wobei ich ausdrücklich nichts gegen Lokalzeitungen sagen möchte – aber die „Spiegel“-Redaktion ist halt deutlich üppiger besetzt).

Auffällig, wie wenig Quellen auftauchen. Es gibt viele interessante Menschen, die vieles interessantes zu Google gesagt haben – den „Spiegel“ hat es nicht interessiert. Stattdessen werden wilde Konstrukte erschaffen. Zum Beispiel heißt es in einem Kasten:
„Viele Klingelschilder, viele Namen – nur den unserer Kollegin finden wir nicht. Schnell wird mit dem Handy das Haus fotografiert. Google erkennt es und nennt uns Bewohner, und schon taucht der Name des Geburtstagskindes auf: Sie wohnt im dritten Stock bei Meier. Da sie erst vor kurzem zu ihrem Freund gezogen ist, steht ihr Name noch nicht an der Tür.“

Woher Google aber solch eine Information erhält, das fragen sich die Eulen-Spiegler nicht. Denn natürlich muss jemand diese Daten erst öffentlich machen, bevor Google sie organisieren kann.

Ganz und gar unverständlich scheint es auch, dass Werbung durchaus willkommene Information sein kann.

Am schlimmsten scheitert die Geschichte dort, wo es um mehr als Google geht. Dass zum Beispiel Geomarketing-Firmen alle Wohnhäuser in Deutschland fotografiert und mit soziodemographischen Daten versehen haben um das Paket zu verkaufen – wird nicht erwähnt, ist vermutlich nicht bekannt. Dass Vodafone demnächst die Standort-Daten seiner Kunden an den Navigationsgerätehersteller Tomtom weitergibt – wird nicht erwähnt, hätte aber gut gepasst. Stattdessen ist Google ganz, ganz böse, weil es mit den umher fahrenden eigenen Wagen Straßen vermisst: „Wie zum Hohn erledigt Google nun nebenher, wofür jene (die Navi-Hersteller) Jahre des Aufbaus brauchten.“ Wenn es tatsächlich so einfach ist, Straßenkarten zu erstellen – warum haben es die Navi-Hersteller nicht genauso „nebenbei“ gemacht? Ist Google schlauer? Oder braucht es doch noch mehr Kartenmaterial?

So mäandert das Stück umher, oft frei von Wissen über Web-Zusammenhänge und ohne Antrieb, die Geschichte intellektuell in die Tiefe zu treiben. Ein trauriger Beweis dafür, dass die Print-Redaktion von Deutschlands führendem Nachrichtenmagazin einfach keinen geistigen Zugang in die Digitalität findet. Warum lässt man an solche Stücke nicht mal die Kollegen der Online-Redaktion ran?


Kommentare


Elmar Thiel 12. Januar 2010 um 15:24

Ein gut recherchierter, womöglich ausgewogener (wenn man dieses Ziel zu unterstellen gewillt ist) Artikel zum Thema hätte im Zweifelsfall nicht ausreichend Skandalisierungspotenzial gehabt und damit seine Titelreife verspielt. Qualitätsjournalismus vs. Alarmismus 0:1

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Sven 12. Januar 2010 um 15:25

„Warum lässt man an solche Stücke nicht mal die Kollegen der Online-Redaktion ran?“ – Hast du SpOn in den letzten Monaten mal öfters gelesen, nicht nur die drei Mal im Jahr, wenn ein Blog tatsächlich einen guten Artikel dort findet und hin verlinkt? 😉

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LeGreque 12. Januar 2010 um 15:36

„Stattdessen ist Google ganz, ganz böse, weil es mit den umher fahrenden eigenen Wagen Straßen vermisst“

Ein Anbieter, der was ganz ähnliches gemacht hat, ist bereits seit knapp einem Jahr Online: www.sightwalk.de

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Christoph Kappes 12. Januar 2010 um 15:43

Auch ich habe bei der Lektüre des Artikels die Stirn gerunzelt, aber bei dem ganzen Verlauf der Debatten über Privatsphäre und anderes muss man sich auch fragen: Wer leistet denn die Sensibilisierung breiter Bevölkerungsschichten in Bezug auf diese Themen? Ist es richtig, dass sich Millionen von Usern in Unkenntnis der technischen Zukunft sich der Wahrnehmung ihrer Persönlichkeitsrechte freiwilllig selbst entledigen, massenhaft und faktisch unwiderruflich?
Das Internet-Fachpublikum, zu dem auch ich mich im grossen und ganzen zähle, jedenfalls nicht, denn wir drehen uns vorzugsweise um uns selbst, verhakeln uns in kleinteiligen Blog-Diskussionen und liefern eher selten konstruktive Vorschläge. Womit ich nicht Sie meine, Herr Knüwer, es ist ein Phänomen der ganzen Subkultur.

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Ulrich Voß 12. Januar 2010 um 15:50

Das Nachrichtenmagazin Spiegel ist mir schon viel zu lange *Meinungs*magazin.

Was nicht in die Story passt, die der Autor im Sinne hat und erzählen möchte, wird weggelassen oder anders „optimiert“. Wat nich passt, wird passend gemacht, würde man im Pott sagen …

Unabhängig und umfassend informiert fühle ich mich vom Spiegel schon lange nicht mehr.

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Bongomandrias 12. Januar 2010 um 16:19

Die Titelstory ist so schön leicht verständlich, so schön oberflächlich und zeigt so schön die Böshaftigkeit Googles auf, dass einige unserer Bundestagsabgeordneten sie dann als Informationsquelle nutzen, wenn es mal wieder heißt etwas über Google zu sagen.

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Finmike 12. Januar 2010 um 17:56

Das mit den Bundestagsabgeordneten könnte man fortsetzen, so ein wenig in Richtung Verschwörungstheorie und -praxis: Welchen Nutzen hat das (Print-)Verlagshaus des Spiegel und der Rest der Branche eigentlich von solchen Artikeln? Ein kleiner Baustein in der Mauer gegen Google, sicher… seems to me I’ve heard that song before.

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ralf schwartz 12. Januar 2010 um 18:07

Wieder ein überzeugender Grund mehr, warum ich mein Abo gekündigt habe. Wirklich traurig, was aus dem Laden geworden ist.
Mancher schrumpft halt an seinen Herausforderungen – in einem Markt auch ansonsten voller Schrumpf-Journalismus.

Die noch kommenden Ausgaben gebe ich immer ungelesen weiter an einen netten Rentner.

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Ulrike Langer 12. Januar 2010 um 18:30

Diesmal habe ich widerstanden und nicht wie sonst aufgrund des digitalen Titelthemas den Spiegel am Kiosk gekauft. Das war nämlich schon einige Male enttäuschend (einige der Enttäuschungen sind oben im Beitrag verlinkt). Nach der Lektüre dieses Beitrags weiß ich, es war die richtige Entscheidung, und werde jetzt immer widerstehen.

@ralf schwartz
„Die noch kommenden Ausgaben gebe ich immer ungelesen weiter an einen netten Rentner.“ – der ist gut 😉

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Michael W. Pleitgen 12. Januar 2010 um 18:48

Das mit dem Fotografieren ist doch vor Jahren schon längst alles passiert: die ersten Datensammlungen und Foto-Straßenatlanten konnte man kaufen, da wurde sowas noch auf CDs gepreßt. Die Daten fließen seit langem in die Marketing- und Adressen-Datenbanken ein, mit denen die Werbe- und Versandbranche arbeitet. Die Bewohner von Parkstrasse und Schlossallee sind genauso klassifiziert, wie die von der Bad- oder Turmstrasse.

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Der “Spiegel” geht googeln — CARTA 12. Januar 2010 um 19:01

[…] aktuelle Titel des Spiegel mag nicht recht überzeugen. Obskur und zu wenig hintergründig urteilt Thomas Knüwer: So mäandert das Stück umher, oft frei von Wissen über […]

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Spiegel vs. Google | killefit.net 12. Januar 2010 um 23:35

[…] Verständnis, geschweige denn Begeisterung, lässt der Artikel allemal vermissen. Thomas Knüwer vermutet gar, dass die Spezialisten der Redaktion gar nicht miteinbezogen wurden, wen…: Ein trauriger Beweis dafür, dass die Print-Redaktion von Deutschlands führendem […]

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QotD #8 « Seeing Beyond the Absurd 13. Januar 2010 um 1:23

[…] Das demonstriert, dass […] viele die Hoffnung fahren gelassen haben, der “Spiegel” könne inte… – Thomas Knüwer […]

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Tweets die Der “Spiegel” geht googeln erwähnt — Topsy.com 13. Januar 2010 um 2:30

[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Thomas Knuewer, Jörg Marx, Marcus Schuler, Carta, Stephan Noller und anderen erwähnt. Stephan Noller sagte: @tknuewer liest dem Spiegel trefflich die Leviten zur dünn recherchierten Google-Bashing-Titelstory http://bit.ly/6ZUTLr […]

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trillian 13. Januar 2010 um 9:11

Es ist übrigens jetzt gute 10 Jahre her, dass eine Firma namens „TELEFINO“ (ja, die mit den Telefonbuch-CDs) damals angefangen hat die Straßen abzuphotographieren. Damals noch im Auftrag der jeweiligen Kommune. IIRC war Aalen damals Vorreiter…..

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Hubertus 13. Januar 2010 um 10:02

Sehr geehrter Herr Knüwer,

der Spiegel schreibt kritisch! über Google!!, und Sie sind unzufrieden. das war so erwartbar wie das Amen in der Kirche, denn kritik an Google ist für Sie immer eine Art Majestätsbeleidigung, erklärbar nur durch das absolute Unwissen der kritiker, die einfach nicht in der Lage sind zu verstehen, dass Google einfach gut ist, eben „Don´t do evil“. Natürlich hat der Artikel Schwachstellen, natürlich geht es um mehr als um Google, das hier aber ja nur stellvertretend behandelt wird für all die anderen Erscheinungen, von denen Sie einige erwähnen. Aber immerhin: Google wird kritisch beleuchtet und das sorgt für Rauschen bzw. Klicken in der digitalen Welt. Das ist gut so (und zeigt erneut, dass es recht still wäre in der digitalen Welt, wenn es die doofen Holzmedien nicht gäbe).
Generell aber fragt man sich aber schon, wie es Google geschafft hat, für so viele geradzu sankrosankt zu sein und für alles, was es tut, gelobt zu werden. Wenn man sieht, wie jetzt wieder alle begeistert sind, weil Google angekündigt hat, in Erwägung zu ziehen, sich aus China zurückzuziehen wegen der Hacker-Angriffe, dann reibt man sich verwundert die Augen. Von wegen, Google stellt sich der zensur entgegen. Pustekuchen, das Unternehmen hatte mit der zensur (oder genauer: mit der gefilterten Ausgabe von Suchergebnissen) jahrelang nicht das kleinste Problem. Erst der Hackerangriff macht Google nervös, denn schnüffeln, oder besser Datenauswertung und -aufbereitung, das macht Google dann doch lieber selber.
Schreiben Sie eigentlich einmal einen großen Artikel/Blogeintrag, in dem Sie der Frage nachgehen, wie Google die Informationen über das Nutzerverhalten zu Geld macht und welche Informationen das Unternehmen überhaupt hat?

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus

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AR 13. Januar 2010 um 10:35

Nach den letzten Beiträgen und Artikeln des Spiegel ist leider zu erwarten, dass auch dieser Beitrag inhaltlich flach ist, in erster Linie mit den Ängsten der Leser gespielt wird aber man sich nicht näher mit dem Phänomen Google und dessen Ziele – im positiven wie im negativen – beschäftigt. Der Spiegel hat journalistisch und inhaltlich in den letzten Jahren stark nachgelassen und ist auf dem Niveau des Stern angelangt.

Eines kann ich Ihnen aber mit Sicherheit sagen: der Artikel sorgt weder „für Rauschen bzw. Klicken in der digitalen Welt“, da ein Großteil der „digital bohemians“ den Spiegel und dessen Unverständnis der „digitalen Welt“ nicht mehr ganz ernst nimmt.

@ Hubertus
Der Spiegel mag kritisch schreiben, aber die Informationen sind doch schon lange bekannt. Der Spiegel geht eben nicht wirklich darauf ein was Google überhaupt macht sondern bestätigt letztendlich nur das, was Datenschützer schon länger kritisieren. Wo ist dort bitte der kritische Journalismus, wenn man inhaltlich nur die PR-Mitteilungen und Berichte der Datenschützer umschreibt und veröffentlicht?

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Robert 13. Januar 2010 um 11:09

Äh… raupkopiert?

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Felix Nagel 13. Januar 2010 um 11:16

@Hubertus

Super, ihr Kommentar ist genauso Inhaltslos wie der Artikel des ehemaligen Nachrichtenmagazins. Herzlichen Glückwunsch!

Natürlich ist google nicht ganz ungefährlich, aber es scheint Sport geworden zu sein auf google einzuschlagen — begründet oder unbegründet.
Das google wirklich jede Menge gutes tut (zum Beispiel Millionen Webseitbetreibern ein Profi System zum Tracking kostenlos anbieten, noch mehr Millionen Usern Email, Textbearbeitung, etc anbietet, einen DNS Server anbietet, als eigener ISP (mit eigenen Leitungen) Zensur aktiv entgegen wirkt, soziale Projekte unterstützt, Innovation (in Software wie in Hardware fördert (durch Projekte aber auch durch Gelder an den W3C, Firefox, OpenOffice, etc.) wird gerne ausgeblendet.

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Gharlane 13. Januar 2010 um 11:17

@ Hubertus
Es geht hier doch nicht darum die Machenschaften Googles zu durchleuchten – das wurde schon an sehr vielen Stellen getan und ist auch richtig und wichtig.
Hier geht es doch wieder einmal um die (gezielte) Inkompetenz der klassischen Medien – sei es Print, oder Rundfunk – wenn es um Internetthemen geht.

Und das ist ja die Pars daran: Wir bräuchten durchaus mehr – auch mehr kritische Berichterstattung – gerade über die Digitale Welt. Und selbstverständlich auch über Google.
Diese ist aber leider nahezu immer auf einem Niveau – wie auch in dem aktuellen Spiegel Artikel – das hieraus keine Veränderungen resultieren.
Wenn ein Thema zwar immer mal wieder angesprochen wird – die tatsächliche Gefahr dahinter aber eher persifliert wird – dann kann genau das ziemlich gefährlich sein.

Das die Gesellschaft in punkto Informationskompetenz, dazu gehört selbstverständlich auch der Datenschutz, immer weiter auseinanderdriftet ist mit ein verschulden der klassischen Meiden.
Unter anderem auch mit reiserisch aufgemachten, aber letztlich nahezu Informationslosen Artikeln wie der Besagte und tausende anderer.

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Frank 13. Januar 2010 um 11:19

@Hubertus: Die Meinung, dass das Treiben von Google auch in der Netzgemeinde unkritisch gesehen und jede Kritik als Majestätsbeleidigung angesehen wird, kann ich nicht teilen. Darum geht es hier auch nicht. Sondern um sachlich fundierte Kritik an einem Spiegel Artikel. SPON hatte kürzlich einen recht guten Artikel online gestellt, wie sich der normale Surfer besser gegen Google absichern kann – fand ich sehr sinnvoll und notwendig.
Die Printausgabe lese ich nur mal beim Arzt im Wartezimmer. Online gibt es sowohl gut recherchiertes, aber auch fehlerhaftes. Aber in Fachbereichen, in denen ich mich gut auskenne, findet ich auch in der c’t Dinge zum Kritisieren 😉

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Jan 13. Januar 2010 um 12:06

Der Spiegel ist für mich aus genau diesen Gründen schon seit den 80ern gestorben, als ich als Jugendlicher begann mich für die Welt da draußen zu interessieren. Auch „damals“ wurden die Storys in Richtung einer These gebürstet, wobei die Faktenlage egal war. Das ist, zumindest nach meiner Wahrnehmung, keine neue Entwicklung. Bei Themen, mit denen ich mich selbst auskenne, hat es mich schon seit vielen Jahren gegruselt – und auf Spiegel Online sogar noch mehr, weshalb ich auch auf diese Angebot dankend verzichte und nichts vermisse 😉

Was die Story an sich angeht: Innovativ wäre es gewesen, eine Geschichte über die „tausenden von Googles“ zu machen, die es überall schon gibt – sich also einmal anzuschauen, wer eigentlich alles bereits Daten sammelt, weitergibt, verscherbelt. Damit hätte man eine aktuelle Diskussion aufnehmen und weiterdrehen können.

Und dieses Weiterdrehen war etwas, was der Spiegel früher vielleicht tatsächlich noch besser konnte als heute.

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Morgendliche Aufreger 13. Januar 2010 um 12:28

[…] ein und berichtet von Angriffen auf die eigene Infrastruktur; schweres Erdbeben in Haiti, ein “platt, uninformiert, spekulativ und dünn recherchierter” SPIEGEL-Schwerpunkt über Google; Alvar Freude sichtet „Sendezeitbegrenzungen“, […]

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AllesVerboten 13. Januar 2010 um 12:35

Dass Spiegel-Titelgeschichten nur Fassade mit nichts dahinter sind, ist doch nichts neues. Speziell wenn im Chor mit anderen Medien gegen etwas Front gemacht werden soll, scheint es nicht nötig zu sein, die Position mit ausgiebiger Recherche zu untermauern. Frappierend deutlich wurde das besonders beim Tema „Killerspiele“ und bei der Ausgabe im März 09 mit dem Titel „Bewaffnete Republik Deutschland – Vom lebensgefährlichen Unsinn privater Schusswaffen“. Fünfzehn Redakteure schafften es auf zehn Seiten nicht, diese hochdramatische Aussage zu untermauern und zu begründen. Stattdessen plätscherten dem Leser ein paar Vermutungen, Allgemeinplätze und konstruierte Verschwörungstheorien entgegen.

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Gregorius 13. Januar 2010 um 13:11

Die Generation, die einen solchen Artikel liest und schreibt ist die Generation, die hautnah oder zumindest informiert die Stasi miterleben konnte. Diese Menschen sind im Bezug auf Privatsphäre sehr vorsichtig geworden.

Nur weil wir, die Generation Y, mit dem Internet aufgewachsen oder noch mehr verwachsen sind, als Elder Generations heißt das noch lange nicht, dass man den sozio-kritischen Ansatz, den der Spiegel in seinem Artikel verfolgt, zugrunde werfen muss.

Wer zwischen den Zeilen lesen kann, muss erkennen, dass der Spiegel – und ja, vielleicht ein wenig zu alarmierend – versuchen möchte, eine aktuelle Entwicklung, die bisher nur positiv verlief von einer anderen, einer kritischen Seite zu beleuchten.

Man mag die Spiegel-Leute als Mahner abtun und das kann man auch gerne. (Ich persönlich sehe das sogar nicht viel anders. Ich bin großer google-Fan und nutze viele der wegweisenden Services dieses Dienstleisters – für die mächtigen goolge-Anwendungen nehme ich gerne in Kauf, wie Daten von mir verwendet werden – vielleicht auch, da ich noch keine negativen Erfahrungen damit gemacht habe).
Man sollte aber immer sehen, dass der Spiegel ein kritisches Medium ist und mit Meinungen, die vielleicht nicht dem Mainstream entsprechen und den Zeitgeist hinterfragen (somit zum Nachdenken anregen wollen), ein Fanal für demokratisches Denken bildet (dieser Blog doch auch oder etwa nicht? ;)).

Den Vorrednern sei vor allem der letzte Satz des Artikels nahegelegt, was die Einseitigkeit der Autoren angehe: „Die Technik ist da. Soll sie Regierungen und Großkonzernen vorbehalten bleiben, die sie heimlich anwenden?“

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Thomas Knüwer 13. Januar 2010 um 13:24

Genau der letzte Satz zeigt ja die mangelnde Recherche. Denn genau diese Technik ist ja der grundlegende Diskussionspunkt bei Google. Viele Daten, die das Unternehmen offen legt, sind bisher geschlossen schon vorhanden – nur eben gegen viel Geld. Aus meiner Sicht ist den Autoren das nicht bekannt gewesen.

Grundlegend kritische Haltung, Mahnertum – alles schön und gut. Nur mangelt es dem Artikel massiv an Tiefe.

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Hubertus 13. Januar 2010 um 13:27

@Gharlane
Exakt aus diesem Grund wäre es wünschenswert, wenn Menschen wie Herr Knüwer weniger Zeit darauf verwendeten, anderen immer wieder vorzuwerfen, sie verstünden nichts von der digitalen Welt, und sich endlich selber einmal daran machten, etwa der Frage nachzugehen, was Unternehmen, auch Google, mit all den Daten machen, die wir ihnen, freiwillig oder gezwungenermaßen, minütlich zur Verfügung stellen.

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Strabo 13. Januar 2010 um 13:42

Das der Spiegel als Nachrichtenmagazin nicht mehr viel taugt ist leider bereits seit 15 Jahren so. Diese Geschichte ist nur eine weitere in einer langen Reihe von Sachen die mehr (hetzerische Meinung) als Nachrichten sind, zu vielen Themen nicht nur Technik.

Deutschland hat seinen Ruf als Technikland aber nicht so sehr aufgrund der modernsten Technik bekommen, sondern vor allem aufgrund der hohen Qualität und Zuverlässigkeit der Technik. Und gerade hier sieht es leider nicht mehr so gut aus (siehe der Ruf von Audi oder Mercedes in Sachen Zuverlässigkeit).

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googles spagat zwischen tiananmen und chinesischer mauer « qrios 13. Januar 2010 um 18:24

[…] tatsächlich ist dieser Artikel sehr dünn unterfüttert und dient einzig dazu, Ängste vor der Datenkrake mit knackigen Fallbeispielen aus dem Fundus von […]

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Jürgen 13. Januar 2010 um 18:26

Herrlich, diese Kommentare nach dem Muster: Ich habe den Artikel zwar nicht gelesen, aber er ist ganz schlecht. Und: Ich lese den „Spiegel“ schon seit Jahren nicht mehr, aber er ist zuletzt immer schlechter geworden…

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Zollo 13. Januar 2010 um 18:41

Sosehr ich auch die Kritik an der tendenziösen Berichterstattung und dem ständigen Google-Bashing im Spiegel teile, so muss man doch zum Einwand, dass Googel nur bereits bekannte und veröffentlichte Daten offenlegt bzw. sammelt, anmerken, dass die Gefahr eben nicht unbedingt in deren Veröffentlichung besteht, sondern vielmehr in der Bündelung dieser gesamten,personenbezogenen Daten bei einem einzigen Unternehmen.
Diese Entwicklung muss man durchaus kritisch verfolgen und dazu leistet auch der Spiegel seinen – wenngleich ein wenig oberflächlichen – Beitrag. Google verfährt auch nicht immer zimperlich bei der Durchsetzung ihrer Vorhaben, wie man etwa bei ihren Bücherscans mitbekommen hat.

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Megerlin 13. Januar 2010 um 20:02

Ich finde dieser Artikel ist ein ganz schön fieser Verriss. Auf der einen Seite die Oberflächlichkeit anklagen und auf der anderen selber einen noch viel reißerischen Artikel verfassen, für mich persönlich irgendwie lächerlich. Meiner Meinung nach ist der Artikel des „Spiegel“ seinem Anspruch durchaus gerecht geworden und der war nicht mit akribischem Fachwissen genau klären was technisch passiert, sondern einen überblick über technische Machbarkeit und die Ausmaße und Zukunftsaussichten die das ganze hat zu geben. Ich finde der „Spiegel“ leistet einen wichtigen Beitrag gegen die „Big Brother“ Mentalität von Google, da gibts ganz andere Artikel aus ganz anderen Zeitschriften die es wesentlich mehr verdient hätten.

Vielleicht beim nächsten Mal.

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Ralph Schneider 13. Januar 2010 um 21:45

Ungenau gelesen oder ungenau wiedergegeben, Herr Knüwer? Der Text im von Ihnen zitierten Block bezieht sich auf ein „künftig denkbares“ Szenario. So, wie sie es darstellen, unterstreicht es Ihre implizite Aussage, die „Eulen-Spiegler“ hätten keine Peilung.
Und woher Google die persönlichen Informationen erhalten sollte für ein solches Szenario? Meedia zitiert eine Studie, nach der jeder Dritte im Web falsche Angaben zur Telefonnummer macht, jeder Vierte zu „seiner E-Mail-Adresse, seinem Einkommen und körperlichen Eigenschaften.“ Das heißt: Drei von Vieren gibt diese sensiblen Daten im Web heraus! Das ist erschreckend. Und weist auf die grenzenlose Naivität vieler Webnutzer hin, die Google wahrscheinlich auch verraten, in welchem Stock sie wohnen, wenn sie danach gefragt werden.
Sie haben Recht – nicht nur Google sammelt Daten und fotografiert Straßen. Aber keiner hat die Macht, die Google hat. Darum ist es auch richtig, dass der Spiegel seinen Artikel Google widmet.

Im Übrigen stimme ich @Hubertus zu, wenn er sich mehr Informationen und weniger Kollegenschelte von Fachleuten wie Ihnen wünscht. Auch ich warte schon lange auf den Blog-Beitrag, der mir tief recherchierte Hintergrundinformationen darüber liefert, wie Google (und andere) meine Daten sammeln und was bei Google mit diesen Daten geschieht. Was speichert und verwertet Google über mich, wenn ich mit dem Chrome-Browser surfe? Gibt es tatsächlich Schnittstellen zw. meinem Googlemail-Postfach, meinem Googledocs-Account und anderen Google-Diensten und wie wertet Google diese aus? Sammelt Google Informationen, wenn ich mit Google Desktop meine gesamte Festplatte indiziere – und wenn ja, was passiert mit diesen? Wissen wir überhaupt, *ob* Google das tut? Und falls nicht – warum finden wir es nicht heraus?

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Fragezeichner 13. Januar 2010 um 22:17

Hm, klingt nach einem typischen Spiegel-Artikel. Übrigens waren die vor dreissig Jahren auch nicht besser, was mir nach ein bisschen Stöbern in den Archiven auffiel.

Was Google betrifft: der Unterschied zu allen bisherigen Datensammlern – von Banken über Supermärkte bis hin zur Telekom – ist, dass Google Daten in praktisch allen Lebens-Bereichen sammelt – Suche, E-Mail, Docs, Maps, Navigation, Browser, DNS, Analytics, Payment, … – und (wahrscheinlich als einzige Organisation, Staaten inklusive) in der Lage ist, diese Daten zusammenzuführen. Die Gefahr, dass Google das irgendwann tut, besteht durchaus.

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Michael Skubowius 13. Januar 2010 um 22:25

Der besagte Google Artikel des Spiegels ist meiner Meinung nach dem Zielpublikum und dem Zweck der Aufklärung des sicherlich im Durchschnitt mit der IT eher nicht gut vertrauten Zielpublikums angemessen. Bei diesem Artikel ging es dem Autor sicher nicht darum, dem Leser zu erklären, wie bestimmte Google Applikationen funktionieren, sondern alleine um die Gefahr, die durch die Konzentration so vieler Information in den Datenbanken eines einzigen Unternehmens besteht. Diese Aufgabe wurde durch den Artikel trotz der technisch eher „flachen“ Berichterstattung gut gelöst und obwohl ich in der IT beschäftigt bin, habe ich den Artikel mit großem Interesse gelesen und muss der Kritik an Google zustimmen, die ihrem ursprünglichen Firmenmotte „Don’t be evil“ leider immer untreuer werden.
Warum der Spiegel und sicherlich auch viele andere Berichterstatter sich hauptsächlich auf Google konzentrieren und nicht auf andere Unternehmen, die hier von anderen Kommentatoren aufgelistet wurden, dürfte klar sein: Kein anderes Unternehmen konzentriert diese unglaubliche Fülle an Informationen seiner User aus den verschiedensten Bereichen in seinen Datenbanken. Nur dadurch wird Google zur Gefahr. Das Anbieten einzelner Services wie sie von Google angeboten werden, ist weit ungefährlicher.
Natürlich kann Google nur Informationen verarbeiten, die von den Benutzern freiwillig – entweder bei Google selbst oder über andere Webseiten – in das Internet gestellt werden, aber genau das ist doch die Intention dieses Artikels: Dem der IT Branche fremden Benutzer klar zu machen, was ein Konzern wie Google mit dieser Fülle an Informationen anfangen könnte. Insofern finde ich den Artikel nicht nur äußerst interessant, sondern auch wertvoll, um dem arglosen Benutzer wenigstens anzudeuten, welche Schlüsse Dritte aus den Informationen die sie oder er ins Netz stellt ziehen könnten.
Leider hat Google innerhalb der IT Gemeinde inzwischen schon einen ähnlichen Kultstatus wie Apple erreicht: Kritik ist nicht erlaubt, alles was Google macht, kann nur gut und zum Wohle der Menschheit sein.
Zum Glück gibt es noch die guten, alten Printmedien, die weit genug von Internet und seinen Communities entkoppelt sind, um ihre Meinung davon unabhängig zu äußern.

Immerhin hat Google inzwischen wohl selbst die Gefahr seines verschlechternden Images erkannt und reagiert: Google weigert sich „google.cn“ weiter vom chinesischen Staat zensieren zu lassen. Auch wenn Google in diesem Punkt seine Macht sicher überschätzt und daher dieses neue Statement von Google wohl kaum Wirkung zeigen wird, muss ich hier doch meinen Respekt zollen und hoffe, dass Google sich in Zukunft wieder auf seine ursprüngliche Leitsätze besinnt.

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Lesezeichen vom 13. Januar 2010 | PolkaRobot 13. Januar 2010 um 22:59

[…] Der “Spiegel” geht googeln […]

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Jan 13. Januar 2010 um 23:08

Steckt da auch die Angst des Verlags drinne, Google nicht beherrschen zu können?

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Ronny Neumann 13. Januar 2010 um 23:49

Ja, der Spiegel übertreibt manchmal und ich frage mich oft woher die die Informationen haben (Was es für Essen im Kanzleramt gab). Trotzdem immer gut geschrieben. Man kann sich ein Bild machen.

Antworten

Raventhird 13. Januar 2010 um 23:58

Der Artikel ist deutlich besser als viele der vormals grottigen Spiegel-Netz-Artikel. Er ist erstaunlich neutral und sachlich, auch wenn die Überschrift bzw. der Titel ziemlich übles erwarten ließ (auch mich). Aber vermutlich könnten die da machen, was sie wollen, es würden sich immer noch 2 Blogger finden, die das Ganze mit Blick auf die kleinsten Details ultrakritisch zerlegen und 30 Twitterer, die das per Knopfdruck und unreflektiert weitertragen.

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Paul 14. Januar 2010 um 0:15

Bei solchen Artikel, wo die Autoren von mir eindeutig als nicht kompetent genug entlarvt werden, frage ich mich immer wie es bei Themen aussehen mag wo ich weniger bewandert bin. Da wird einem ganz unwohl, wenn man an den Nahostkonflikt, Iran, das Gesundheitssystem, die Finanzkrise etc. denkt..

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Uwe Wallner 14. Januar 2010 um 14:42

Thomas Knüwer hat vollkommen recht.

Wahrscheinlich brauchte man einfach nur ein geiles
Cover.
Dass die Schreiber noch Zeit benötigt hätten
spielte offensichtlich keine Rolle.
so entsteht der Eindruck der Uninformiertheit
(größte Sünde des Journalismus) und des
Desinteresse.
Hauptsache, man hat mal wieder ein paar
Gemeinplätze besetzt und die Vorurteile des noch weniger
informierten Lesers geschürt…

Antworten

Felix 14. Januar 2010 um 18:34

Ohne die anderen Kommentare gelesen zu haben, möchte ich auch einige Kritik an der Kritik äußern: Ja, Ihr Blogeintrag spricht einige Schwachpunkte des Spiegelartikels an, dennoch wird meiner Meinung nach die eigentliche Kernaussage des Spiegels nicht diskreditiert. Es geht um die Präsentation einer möglichen, nicht allzu fernen Realität in der die Anonymität in der Öffentlichkeit keine Rolle mehr spielen wird. Darüber sollte man sich Gedanken machen und nicht ob technische Details zu 100 Prozent stimmen. Ob Google böse ist bezweifle ich auch. Einem Konzern das Attribut ‚böse‘ zuzuschreiben ist immer schwierig. Google verfolgt seine (durchaus legitimen) Interessen. Ob diese allerdings dem Willen der Gesellschaft entsprechen, soll und MUSS in der öffentlichen Debatte diskutiert werden. Daher ist ein Artikel, der auch für Techniklaien verständlich ist und die grobe Richtung der Entwicklung darstellt, absolut unersetzlich. Polarisieren ist in einer Debatte zwangsläufig vonnöten.

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Michael Skubowius 14. Januar 2010 um 20:15

Die Zeit hat in ihrer heutigen Ausgabe (leider nur offline) einen ähnlichen Artikel veröffentlicht. Nach der Kurzzusammenfassung auf der Titelseite, die ich heute in der Cafeteria gelesen habe, scheint es sich ebenfalls um einen sehr kritischen Artikel zu handeln. Hat jemand diesen Artikel schon gelesen und kann uns hier mitteilen, ob dieser ähnlich „flach“ und „inkompetent“ 😉 ist wie der Spiegel Artikel?

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Konstantin 19. Januar 2010 um 1:45

Ausgezeichnete Analyse und eingehende Diskussion.

Mir ist außerdem im Spiegel-Artikel ein technischer Ungenauigkeit aufgefallen, und zwar im vorletzten Abschnitt der rechten Spalte auf Seite 61.

1) Eine einzelne IP-Adresse steht nicht unbedingt für einen einzelnen Computer, sondern durch private IP-Netzwerke möglicherweise für mehrere, theoretisch bis zu 2^24 (rund 17 Millionen). Durch die von Google durchgeführte Anonymisierung wird diese Zahl theoretisch nochmals mit 256 multipliziert. (In der Praxis kann sich dieser Faktor zum Teil wieder aufheben, wenn eine große Organisation einen ganzen IP-Adressbereich hat.)

2) Die IP-Adressen von Privatnutzern sind üblicherweise dynamisch (zumindest theoretisch). Um einen Privatnutzer zu identifizieren, bräuchte man also zusätzlich zur IP-Adresse auch die Providerdaten, die besagen, wer wann welche IP-Adresse hatte.

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Leben ohne Google – die Furcht vor dem “Datenkraken” 9. November 2010 um 11:33

[…] und der Macht von Google zuverlässig bedient (und ebenso zuverlässig kam die Reaktion von Thomas Knüwer, der wieder mal die Fortschrittsfeindlichkeit hierzulande […]

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Der traurige Blick in den Spiegel 5. Dezember 2014 um 23:31

[…] die nicht durch Qualitätsrecherche oder Wahrheitsdrang durchzogenen Storys über Social Media oder Google). Auf Dauer würde dies bedeuten, der Verlag nähme den Weg vieler anderer Verlage – in Richtung […]

Antworten

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