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Gestern sorgte der PR-Rat für ein wenig Aufsehen in der Blogosphäre. Denn er legte ein Papier vor, das von „W&V“ auf spektakulär gedreht wurde. Beim Fachblatt für Werben und Verkaufen war zu lesen:

„Konkret hieße das, dass Blogger in Zukunft offenlegen müssen, wenn sie gegen Geld positive Produktbesprechungen in Blogs und Foren veröffentlichen.“

Das klingt, als habe der PR-Rat nun die Gesetzeshoheit und spreche die 10 Gebote aus, auf dass die Welt sie erfülle. Und auch wenn einige Egos der Kommunikationsbrache so groß sind, dass sie tatsächlich glauben, diese Macht zu haben – so ist dieser Satz an sich natürlich hanebüchener Unsinn.

Es soll wohl genau andersherum sein: Die Verpflichtung liegt künftig bei jenen, die Blogs oder Foren für sich gewinnen oder gewinnen wollen. Und diese Einstellung ist komplett richtig. Erinnern wir uns nur an die PR-Kommentare der Deutschen Bahn, die von den willfährigen Tanjaanja-Dienstleistern Public Policy Advisers (EPPA), Berlinpolis und Allendorf Media in Foren gestellt wurden – wofür es eine Rüge des PR-Rates gab.

Von dieser Sorte PR-Buden gibt es leider eine Reihe. Sie weisen den Kunden oft genug nicht darauf hin, dass er sich mit solchen Kommentaren nicht nur in eine Richtung begibt, die gesellschaftlich eklig ist. Nein, sie verschweigen – oder wissen meist nicht einmal – dass solche Sachen auch auffliegen können und dann der Imageschade dauerhaft erhalten bleibt. Gefälschte Kommentare sind wie Steuerhinterziehung: Kann sein, dass es klappt – kann aber auch sein, dass Sie auffliegen und dann doppelt so viel zahlen, wie sie verschwiegen haben.

Deshalb also ist die Vorgabe von Richtlinien an die PR-Branche eine begrüßenswerte Maßnahme. Nur: Werden sich die Mitglieder der Branche daran halten?

Ich glaube… ähm… Nö.

Denn die Höchststrafe ist jene öffentliche Rüge. Und die wird dann in den Branchenmedien in dürren Artikeln vermeldet. Weshalb jenes Papier des PR-Rates ein hübsches und liebenswertes Feigenblättchen ist.

Andersherum: Sollten Gesetze entstehen, die dies regeln?

Angesichts der digitalen Spaltung zwischen Politik und dem Rest der Bevölkerung bin ich skeptisch, ob eine Regelung entstehen könnte, die Unternehmen straft, die verdeckte Werbung betreiben, aber Blogger oder Seitenbetreiber außen vor lässt, bei denen dies passiert. Deshalb sollte Berlin besser die Finger von solchen Ideen lassen.

Doch diese Diskussion sollten den Redaktionen des Landes zu denken geben. Denn es gibt etwas, was in Deutschland weiterhin fehlt: eine klare Kennzeichnung der möglichen Einflussfaktoren von Journalisten.

Warum wird unter einem Artikel nicht vermerkt, wenn er durch eine Pressereise entstand? Warum wird so selten vermerkt, wenn es Geschäftsbeziehungen zwischen einem Medienunternehmen und einem Objekt der Berichterstattung gibt? Jüngst in Australien demonstrierte der „Sydney Morning Herald“, wie das aussehen könnte: Dort listete ein Finanzredakteur in einer Fleißarbeit 100 Aktien auf, die 2010 interessant sind. Darunter stand zu lesen, dass er an keiner der Firmen Anteile hält, das Verlagshaus aber Aktien eines der erwähnten Unternehmen besitzt.

Deutsche Journalisten verschließen vor dem Thema Transparenz die Augen. Gestern wurde ich von der Enquete-Kommission Medien des Landes Rheinland-Pfalz befragt. Neben mir saß der ebenfalls geladene DJV-Chef Michael Konken. Ich berichtete vom Problem des Reisejournalismus: Reiseberichte können sich viele Medien nicht mehr leisten, weshalb sie auf freie Mitarbeiter zurückgreifen. Die können sich das auch nicht leisten, werden aber eingeladen. Jedoch nicht von den Touristen-Destinationen selbst, sondern von deren PR-Agenturen, die dann mehrere Kunden betreuen. Würde einer der Freien schlecht über das Ziel schreiben, kann er sich vorstellen was passiert: Jene Agentur lädt ihn überhaupt nicht mehr ein. Und deshalb gibt es in deutschen Reiseteilen keine Verrisse. Konkens Antwort: „Freie Journalisten lassen sich von Pressereisen nicht beeinflussen.“ Puh. Aber gut, er ist Gewerkschaftschef, er muss das wohl sagen – auch wenn es weit entfernt ist von der Realität.

Ist es so verwerflich, zu erwähnen wenn der Journalist substanzielle Zuwendungen erhielt? Der Grund, warum dies nicht passiert, ist keine Zierde für den deutschen Journalismus: Die Redaktionen nehmen an, dass sich die Leser genau dann Gedanken machen, ob der Redakteur beeinflusst worden ist. Also lieber schweigen. Doch die Leser werden immer medienkompetenter, sie wissen nicht alle , aber immer mehr, wie das Mediengeschäft funktioniert. Und das Image von Journalisten sackt so immer mehr in den Keller.


Kommentare


dogfood 21. Januar 2010 um 11:00

Es gibt aus Blog-Sicht auch eine datenschutzrechtliche Problematik, da immer noch nicht 100%ig geklärt ist, inwieweit die IP-Adressen von Kommentaren gespeichert werden kann, wie es zum Beispiel per Default in WordPress (oder ggf Apache) passiert.

Für die Einen (Datenschützer der Bundesländer) ist es ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen, für anderen ein wichtiges Werkzeug um Authentizität von Kommentaren zu verifizieren oder ggf. moderierend einschreiten zu können.

Auch wieder so ein Thema wo Gesellschaft 1.0 auf Gesellschaft 2.0 prallt.

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Tapio Liller 21. Januar 2010 um 11:51

Was der PR-Rat mit seinen geplanten Transparenzregeln für PR im Netz betreibt ist vor allem Eigen-PR. In dem er ein aktuelles Thema besetzt, versucht er, seinen Normierungsanspruch für die PR-Branche zu unterstreichen. An der Blogosphäre wird das mit einem Schulterzucken und/oder ein bisschen „die spinnen ja wohl“ abprallen. Dazu einige Gedanken und Diskussionbeiträge der PR-Kollegen in meinem Blog http://www.opensourcepr.de/2010/01/20/pr-rat-will-mehr-absenderklarheit-und-stiftet-verwirrung/

Was ich dort nur angerissen habe ist der Umkehrschluss in Richtung Journalismus, den du, Thomas, hier aus der „Innensicht“ beschreibst. Das Gebot der „Absenderklarheit“, wie es GPRA-Chef Alexander Güttler nennt, ist schließlich eines, dessen Einhaltung auf beiden Seiten nötig wäre, wenn es denn konsequent zur Anwendung käme. Es hätte den Vorteil, dass sich die Leser (ob von Presse oder Blogs ist da zweitrangig) selbst eine Meinung über die Urteilsfähigkeit und Unabhängigkeit des Autoren bilden könnten.

Mein Vorschlag: Journalisten, Blogger und PRler sollten sich mal an einen Tisch setzen und gemeinsam erarbeiten, wie man transparent miteinander umgeht, ohne sich gegenseitig mit Regelwerken und Pyrrhus-Rügen die Arbeit schwer zu machen.

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Mirko Lange 21. Januar 2010 um 11:53

Chapeau! Hatte mir gestern die Finger „wund getwittert“, um genau das zu erklären: Nämlich dass die W&V das missverständlich formuliert hat, und dass der Addressat des PR-Rates ausschließlich die Unternehmen sind. (Das beweist allerdings nur, dass Twitter für „Debatten“ nicht geeignet ist). Gleichwohl halte ich es die Aktion des PR-Rates (oder generall den PR-Rat) schon für ein wenig mehr als ein „Feigenblättchen“. Ja, richtig ist: Es ändert die Branche nicht. Trotzdem ist es gut und wichtig, die Ethik immer wieder ins Bewusstsein zu rufen, und starke Verfahlungen öffentlich zu rügen. Es wird immer gesagt, das wäre „nur PR“! Aber gute PR erzeugt Debatten, und in Debatten entstehen Meinungen. Das ist ein sehr begrüßenswerter Prozess.

Danke, Thomas!

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Mirko Lange 21. Januar 2010 um 12:06

Hi Tapio,

ich kann einfach nicht verstehen, was „vor allem Eigen-PR“ heißen soll. Wie oben geschrieben: PR ist doch gut! Ich bin kein bekennender Fan dieses Rates. Aber er stößt eine Debatte an. Und das ist gut so. In welchem Zusammenhang steht das „es wird an der Blogosphäre abprallen“. Ich will nicht schulmeisterlich wirken, aber mir scheint, du hast die Rolle und die Intention des PR-Rates noch nicht verstanden: Der PR-Rat wird in Zukunft Unternehmen rügen, die über Informationen hinaus Einfluss auf die Meinungsbildung im „Social Web“ nehmen, ohne dafür zu sorgen, dass es transparent ist. Nicht mehr und nicht weniger.

Da können die Blogger ruhig mit den Schultern zucken! Es betrifft sie nicht. Und ja, auch die Unternehmen könnten mit den Schultern zucken, sie bekommen dadurch ja „nur“ schlechte PR.

Ich finde es jedenfalls absolut okay, wenn Unternehmen an den Pranger gestellt werden, die foul spielen. Egal wo sie foul spielen. Aber eben jtzt auch explizit im Social Web.

Und wo ist da eine „Normierung“? In „der Blogosphäre“ zeigen ständig ganz viele Leute auf Unternehmen und stellen sie an dern Pranger, wenn sie etwas tun, was „der Blogosphäre“ nicht passt. Der PR-Rat macht das aben auch außerhalb der Blogosphäre. Und er versucht dem etwas mehr Gewicht zu geben, indem er „formal“ als einer Einrichtung vieler Verbände auftritt.

Warum sollte er das nicht dürfen? Warum sollte für ihn etwas anderes gelten als für jeden x-beliebigen Blogger?

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michael 21. Januar 2010 um 12:35

Journalisten nehmen das, was PR-Firmen liefern. Meistens jedenfalls. Zwei Probleme: Auf PR-Seite sitzen oftmals Menschen, die nicht wissen, wie Journalisten arbeiten und was eine Nachricht ist und was schlicht Werbung. Auf der anderen Seite sitzen Journalisten, deren Handwerk sich auf das Bedienen von „Strg+C“ und „Strg+V“ beschränkt. Auch unter Journalisten gibt es, so etwa beim Spiegel, Menschen, die sich zu einer Pressereise auf einen entfernten Kontinent einladen lassen und danach einen Jubelbericht verfassen. Nicht wissend, dass das eigene Magazin Monate vorher die seltsamen Vorkomnisse und Macharten des einladenden Unternehmers angeprangert hat. Warum nicht so verfahren wie der Schweizer Tagesanzeiger? Der kennzeichnet seine Artikel mit dem Hinweis, wer die Pressereise bezahlt hat und in welchem Zusammenhang dies mit dem Artikel steht. Ein guter Anfang?

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Tapio Liller 21. Januar 2010 um 14:42

@Mirko: Lass uns die Debatte über die Rolle und Legitimierung des PR-Rats vielleicht lieber drüben in meinem Blog führen (da sind zwei Vertreter des Rats inzwischen kommentierend eingestiegen). Thomas nimmt sich hier ja mehr die Redaktionen vor, die sich „auf der anderen Seite des Schreibtisches“ ähnliche Gedanken machen müssen. Beide Diskussionen sind m.E. miteinander verbunden, nur die Organe, die da „normierend“ (ja, das beansprucht der DRPR) eingreifen, sind unterschiedliche.

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Mirko Lange 21. Januar 2010 um 14:55

@Tapio Roger

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Sascha Pallenberg 23. Januar 2010 um 7:27

wie ich bereits ein anderer stelle kommentierte: wer bezahlt artikel (und das kann man sicherlich recht flexibel definieren) durch seinen kanal schiesst, ist kein blogger sondern journalist.

damit mag ich vielen ehrvollen (was ein wort!) journalisten auf den schlips treten, aber manchmal treffen pauschalisierungen so richtig ins schwarze!

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Nobody 24. Januar 2010 um 18:15

Man könnte einen „Mini-Presserat“ gründen. Möglichst aus DJV-Mitgliedern, denen die dpa-reuters-Praktikanten-Copy-Paste-Pseudo-Journalismus nicht wollen.

Dort würde man zu jeder IVW-Online-Auftreten Fehler
sammeln und dokumentieren.
Insbesondere Tippfehler und Rechtschreibfehler. Word kann das meist erkennen und irgendwer sollte ja gegen gelesen haben.
Missverständliche Formulierungen sind auch ein gutes Thema, um angeblichen Qualitätsjournalismus aufzudecken. Dankenswerter Hinweisgeber sind dafür die Postings in den zugehörigen Foren oder Kommentaren.
Besonders hasse ich Updates wo nicht klar gemacht wird, was im Text geändert wurde und nur „(Update)“ oder „(Update 2)“ im Titel geändert wird.
Besser nicht oder nur wenn es klar ist, inhaltliche Dinge. Denn keiner ausser den Beteiligten weiss, wer wirklich was wusste oder wer was gemacht hat.

Jeder hat ein Antragsrecht. Online. Um Seriösität zu kriegen, darf jeder DJV-Mitglied oder Leute mit offiziellem Presse-Ausweis abstimmen und Kommentare oder beispielsweise bessere Formulierungen abgeben.

Das Ziel ist, den kleinen Praktikanten das Gehirn einzuschalten weil man nicht sie, aber ihre miesen Texte öffentlich vorführt. Dann reflektieren die mal über ihre Arbeit und Fehlverhalten was evtl. zu besserer Arbeit und weniger Fehlverhalten führt.

Öffentliche Statistiken über alle Newsticker und Titel wie „Rechtschreibfehler-Ticker der Woche“ erledigen den Rest.

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