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Nur der Chef der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt fehlt noch. Die anderen drei sind schon vor Ort in der „Pink Mile“, jener rosalichtigen Bar am anderen Rand der Stadt.

Wolfram Schreiner von der Spin-Doktor-Beratung Yrrsynn; Johannes „Eckman“ Eckmeyer, Gründer der Werbeagentur „Zum pinken Bambi“ (und Mitinvestor der „Pink Mile“ – die Frage nach seiner Lieblingsfarbe ist rhetorisch); und Alfried Freiherr von zu Herlingsfeld-Graubünden, der Pate der Zu Herlingsfeld-Graubünden Kommunikation & Cie. haben schon mehr als eine Flasche Veuve konsumiert sowie die Auswahl der scheckheftgepflegten Damen begutachtet. Noch immer aber fehlt der Chef.

„Feigling. Der weiß halt, dass er verloren hat und heute löhen muss“, giftet Eckmeyer gegen den Verbindungsbruder. Im Studium haben sich die vier kennengelernt, in der Verbindung Notburga-Silensia, genauer gesagt.

Alle sind sie in der Kommunikationsbranche gelandet. Und alle haben sie Spaß an bösem Humor. Weshalb sie alle Jahre wetten: Jeder bekommt einen Politiker zugelost und muss versuchen, diesem eine möglichst abseitige Kampagne aufzuschwatzen. Und wer letzter wird – der zahlt einen Abend in der „Pink Mile“ mit allem Zip und Zap und Drauf und Drunter. Vor allem dem Drauf und Drunter.

Der Chef der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt, das schien sicher, würde verlieren. SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier wollte schon nicht mitspielen – gnädigerweise haben die drei es dem Chef erlaubt einen anderen SPD’ler zu wählen. Die Auswahl fiel auf den Nürnberger Günter Gloser. Und von dem war bisher nichts zu hören gewesen. Der Looser des Abends schien festzustehen.

In diesem Moment betritt der Chef das suiteartige Separée der „Pink Mile“, begrüßt von einem lauten Gröhlen seiner Verbindungskumpanen: Die Demütigung möge beginnen. „Entschuldigt die Verspätung“, beginnt der Chef und wirft mit einer lässigen Geste sein Zegna-Sakko auf eines der Daybeds.

„Kein Thema, mein Freund. Wir haben Dir extra Krystyna reserviert. Süße Polin. Und war bis vor kurzem Redaktionsassistentin bei den Herzblattgeschichten der ,FAS'“, antwortet Schreiner.

„Zu gütig. Übrigens habt ihr alle einen tollen Job gemacht. Vor allem die Lengsfeld-Titten – Respekt!“

Der angesprochene zu Herlingsfeld-Graubünden neigt den Kopf: „Und Du? Sieht schlecht für dich aus, was?“

Der Chef lächelt entspannt. „Ja, das mit Steinmeier war blöd. Danke, dass ihr mir den erlassen habt.“

Die anderen grinsen: „Hat aber nichts geholfen…“, wirft zu Heilingsfeld-Graubünden ein und reibt sich den Schmiss, den ihm einst der Chef beigebracht hat und der immer juckt, wenn sich die beiden begegnen.

Der Chef nimmt mit eleganter Geste ein Champagner-Glas aus der Hand von Krystyna entgegegen und lässt sich neben Eckmeyer nieder. Wie Trüffel-Honig fließen die Worte aus seinem Mund.

„Ja, es ist schwer, euch zu schlagen. Ihr seid wirklich gut. Was hätte ich noch tun sollen mit dem Gloser? Ihn etwa in ein Cowboy-Kostum zwängen?“

„Jau“, brüllt Schreiner. „Am besten mit dem anderen Nürnberger Sozen, hier, wie heißt der, komm, ja: Martin Burkert!“

„Muhahahaha“, entfährt es zu Herlingsfeld-Graubünden: „Den kenn ich. Die auf Pferden. Mit Wild-West-Namen: Doser Gloser & Butch Burkert. Und das Filmen. Und ab damit auf Youtube.“

„Braucht aber noch einen geilen Titel“, ruft Eckmeyer, „so was wie ‚Winnetou und Old Stimmfanghand‘. Ne… ,The Good, The Bad and no Wählerstimme‘. Ne… ,Ein Wähler hing am Glockenseil‘. Ne… ,High Merkerell‘. Ne… ,Spiel mir das Lied vom Wähler‘. Ne… Jetzt hab ichs: ,Für eine Handvoll Stimmen‘!“

Die anderen krümmen sich vor Lachen, nur der Chef bleibt ernst.

„Aber so was“, japst der Eckman, „so was würden die ja nie mit sich machen lassen…“

Der Chef schweigt.

„HAHAHAH“, macht Eckmeyer.

„HOHOHOH“, tönt zu Herlingsfeld-Graubünden.

„CHACHAHCA“, erklingt Schreiner.

Dann werden sie leiser. Stille verwandelt sich mit eiskalte Brutalität in Erkenntnis.

„Nein“, sagt zu Herlingsfeld-Graubünden.

„Das kann nicht…“, flüstert Schreiner.

„Niemals“, haucht Eckmeyer.

Der Chef lässt sich von Krystyna das zuvor an der Bar hinterlegte Macbook Air reichen. Nonchalant öffnet er es. Dann dreht er den Bildschrim in Richtung seiner Wettgegner – und lässt den Youtube-Film laufen.

Und zeigt die Web-Seite. Dann lehnt er sich zurück: „Krystyna? Noch einen Schampus, bitte – einer der Herren zahlt.“

Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:

Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Verzweiflungstat
Frisches Blut
Niederschlag
Weibliche Waffen
Imagewandel
Vroni
Lingua franca
Angie
Dumm gelaufen
Neue Republik
PC-Maus
Gedanken eines Chefs
Rooobiiiiiieee
Daviiiiiiiid
Geliebte „Bunte“
Sich einfach zulassen
Ein fröhlich‘ Lied
Backenfutter
Kaiserslautern
Have yourself a merry little christmas
DFB
Ein Prosit der Gemütlichkeit
Kollerkommunikation
Die Zahl des Monats
Job-TV 24
Valentinstag
Sepp Blatter
Neue Sanftmut
Street Credibility
Nike
James Bond
Rolling Stones
Eröffnungsspiel
Paris Hilton
Bunte Pillen
Sigmar Gabriel
Gastautorin
Jack Bauer
Second Life
Markus Schächter
KPMG
Keine Re-Publica
Biblische Gärten
Der Deutsche Direktmarketing-Verband
Weihnachtsfeier
Winterdepression
BMW
Ruhr hoch n
Kleingruppenhaltung
Oktoberfest
Der Geist der Weihnacht
Sex, Lügen und Wahlplakate


Kommentare


Timo 3. September 2009 um 17:40

Herrlich – und dann noch diese schöne Geschicht immer dazu – Danke 😉

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Lucas von Gwinner 3. September 2009 um 17:48

… Und war bis vor kurzem Redaktionsassistentin bei den Herzblattgeschichten der ,FAS\‘ …

Wunderbar.

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ring2 3. September 2009 um 17:56

Dein Meisterstück. 🙂

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FS 3. September 2009 um 18:13

Oh mein Gott, ist das PEINLICH!!!

Die dilettantische Schauspielerei! Die ganze Idee! Und deie missglückten Witze! \“Sie versuchten Whisk zu trinken, blieben aber dann doch lieber bei Tee.\“

AAAAAAAARGH!!!

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Rüdiger Hauck 3. September 2009 um 20:11

… aber immerhin haben sie geschickt vermieden von Schwarzfuß INDIANERN zu reden. Denn das wäre (1) nicht politisch korrekt gewesen und vor allem (2) sind doch die Indianer heute die Sympathieträger 😉

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kobra291 3. September 2009 um 20:14

also ich find das Plakat mal richtig genial

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Frank 3. September 2009 um 20:15

\“Keine Finte ist ihnen fremd.\“ – Naja, das ist mal eine Aussage, die eigentlich nicht zu kommentiert werden braucht.

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Fan am Rande der Stadt 3. September 2009 um 21:06

Wieso bekommen eigentlich Typen wie Sixtus und Lobo ein Fernsehformat für Ihren Senf, während die geile PR-Agentur hier versauern muss?

Ganz großes Kino; der Knüwer, nicht die Cowboys.

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von den Inseln 4. September 2009 um 1:35

die Idee ist doch fast neu. tolle leistung!! http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Plakat_wyborczy_1989_-_W_samo_po%C5%82udnie.jpg

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Kaspar Klippgen 4. September 2009 um 12:12

Herzlichen Dank, Herr Knüwer!
Das ist ganz großes Wahlkampf-Idioten-PR-Fail-Tennis!

Ich habe mehr als herzlich gelacht und werde jetzt ca. eine Stunde meines Lebens vergeuden, um allen meinen Freunden den Link zu Ihrem großartigen Text zu schicken!

Gruß,
K. Klippgen

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Ulrike Langer 4. September 2009 um 14:08

Mal abgesehen davon, dass der Film null politische Aussage enthält, find ich ihn eigentlich ganz lustig. Jedenfalls um Längen origineller als dieser Krampf:
http://saschalobo.com/2009/09/01/sie-haben-die-wahl/

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Clarence 9. September 2009 um 10:40

Ganz, ganz, ganz, ganz großartiger Artikel. Vielen Dank, Herr Knüwer!

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WePad in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt 14. April 2010 um 17:03

[…] Für eine Handvoll Stimmen […]

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Wahlkrampf (I): Die SPD und der Klamauk [Update 06.09.09] 29. April 2010 um 11:37

[…] Inzwischen hat auch Thomas Knüwer einen netten Blogbeitrag über die ganze Schose verfasst. Außerdem hat die JU ihr lustiges Video gelöscht, nur leider […]

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